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Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
heinoko
Wohnort: 
Bad Krozingen

Bewertungen

Insgesamt 587 Bewertungen
Bewertung vom 13.11.2017
Winterengel
Bomann, Corina

Winterengel


ausgezeichnet

Glas und Liebe
… „Beides, Liebe und Glas, muss gefühlvoll behandelt werden, wenn es nicht zerbrechen soll. …“ So beginnt das vorliegende Buch, ein Buch über Armut, Kälte, Krankheit und über Zerbrechliches wie Glück, wie Liebe, aber auch über Stärke und Mut. Ein Buch zum Versinken, zum Abtauchen, zum Mitempfinden. Und keinesfalls nur ein Weihnachtsbuch!
Winter 1895 in Spiegelberg (übrigens nicht in Baden gelegen, wie im Buch behauptet wird, sondern in Württemberg). Die junge Anna Härtel hatte von ihrem verstorbenen Vater die Glasbläserei erlernt und verdient sich durch den Verkauf ihrer gläsernen Engel ein kleines Zubrot, um mehr schlecht als recht für die kranke Mutter und die kleine Schwester zu sorgen. Da erreicht sie ein Brief der Königin Victoria, die sie nach England einlädt, um ihre Glasengel zu zeigen. In Begleitung von John unternimmt Anna die aufregende, beschwerliche und gefährliche Reise…
Dieses Buch zu lesen war wie in einem opulenten Kinosessel zu sitzen - der schwere Samtvorhang öffnet sich und eine Geschichte beginnt, die mich hinwegträgt in eine andere Welt, in der ich mitfriere, mitleide, in der ich Gefahren ausgesetzt bin, in der ich aber auch menschlicher Wärme begegne und mich auf meine Stärke besinne. Corina Bomann schafft es in wunderbarer Weise, ein Wintermärchen zu erzählen, das unseren immanenten Wunsch nach Wohlergehen und nach Gerechtigkeit des Schicksals aufgreift, ein modernes Märchen, dessen Geschichte Können und Selbstvertrauen belohnt und nach vielen Zweifeln der Liebe eine Chance gibt. Und wenn sich der Samtvorhang wieder schließt, bleibt zurück ein wohlig-warmes Gefühl, das wir uns nicht nur zu Weihnachten wünschen

Bewertung vom 09.11.2017
Crimson Lake
Fox, Candice

Crimson Lake


ausgezeichnet

Super. Spannend. Unbedingt lesen.

Ted Conkaffey, ehemaliger Polizist, hat sich nach einem falschen Verdacht und langer Untersuchungshaft weit weg von seinem früheren Leben zurückgezogen nach Crimson Lake, ganz im Norden Australiens. Dort hofft er sicher zu sein vor vorverurteilenden Bürgern und der Presse. Er lernt Amanda kennen, eine angebliche Mörderin, die ihre Haftstrafe bereits verbüßt hat. Die beiden beginnen ihre Zusammenarbeit als Privatdetektive und machen sich auf die Suche nach einem verschwundenen Schriftsteller, wobei die örtliche Polizei die beiden in ihrer Arbeit behindert, wo es nur geht. Und während das Inkognito von Conkaffey platzt und der Mob sich gegen ihn formiert, versucht er den Fall von Amanda wieder aufzurollen, aber auch sein eigener Fall beschäftigt ihn weiter…
Die Story ist großartig, denn eigentlich werden uns drei verschiedene Geschichten gleichzeitig erzählt. Wir durchwandern vielerlei Wendungen in jedem der drei Handlungsstränge und jagen voller Spannung durch die Seiten. Ich war von Anfang an voller Sympathie für Conkaffey, der unschuldig sein bisheriges Leben auf so perfide Art verliert und seither nachvollziehbar unter Angst- und Panikattacken leidet. Sein innerer und äußerer Rückzug ging mir sehr nahe, deshalb war für mich der Thriller ein besonders intensives Leseerlebnis. Als gesellschaftskritische Frage steht hinter allem Geschehen, wie bereitwillig schnell Menschen reine Verdachtsmomente als Tatsache annehmen und ihr Urteil sprechen, wie leicht Medien und Vorverurteilung ein Menschenleben zerstören können.
Ein Thriller, in dem einfach alles stimmt: Plot, Protagonisten, Gesellschaftskritik, immense Spannung. Alles perfekt verpackt und in einer fesselnden, intensiven Sprache erzählt.

Bewertung vom 05.11.2017
Manche mögen's steil
Berg, Ellen

Manche mögen's steil


sehr gut

Herzerwärmend

Was kann man im tristen November besseres lesen als ein Buch, bei dessen Lektüre man herzhaft lachen kann und am Ende so ein warmes, wohliges Gefühl zurückbleibt, als habe man soeben eine besonders leckere Tasse heiße Schokolade getrunken.
Vicky ist die toughe, überragend fähige und hochengangierte Teamleiterin bei einer IT-Firma, die Software für Kliniken entwickelt. Ihr Leben spielt sich fast ausschließlich zwischen Smartphone und Monitoren ab, denn in der digitalen Welt fühlt sie sich sicher, hat alles unter Kontrolle, schickt Küsschen an digitale Freunde. In der realen Welt hat sie Allergien, isst nichts, was Augen hat und findet ihren Teamkollegen Konstantin in seinen Maßanzügen anziehend. Als es um die Bewerbung für einen höheren Posten geht, ruft der Personalchef zu einer gemeinsamen Klettertour auf, um soziale Kompetenz, Führungsqualitäten und die Fähigkeit, kreative Lösungsstrategien zu finden, zu testen. Etwas Schlimmeres kann Vicky gar nicht passieren: Raus aus der digitalen Welt, rein ins echte Leben – ein Drama. Und dann rücken sie näher, der Bergführer mit seinem vermüllten Auto und Konstantin, der attraktive Mitbewerber, mit seiner Designer-Sonnenbrille…
Eine nette, eine vorhersehbare Handlung, ja. Aber die Stärke des Buches liegt im Humor. Ich kann nur dringend davor warnen, das Buch an öffentlichen Orten, z. B. im Wartezimmer oder im Zug, zu lesen. Denn es könnte auf andere Menschen befremdlich wirken, wenn Sie beim Lesen entweder grinsen oder laut auflachen. Die schlagfertigen Dialoge und Pointen nehmen kein Ende und man liest und freut sich. „Wenn Frauen richtig loslegen, sitzt der Teufel daneben und lernt.“ Und dann geht die Geschichte auch noch gut aus. Und schon sind sie da, diese wunderbaren Gefühle der inneren Heiterkeit und die Wärme der heißen Schokolade.

Bewertung vom 10.10.2017
Fünf Zutaten für die Liebe / Pasta Mista Bd.1
Fülscher, Susanne

Fünf Zutaten für die Liebe / Pasta Mista Bd.1


ausgezeichnet

Herzerfrischend witzig
Mit ü60 ist es kein Schaden, ab und zu auch einmal etwas über Jugendliche zu lesen und sich dabei zu erinnern, dass man all dies Auf und Abs, diese vielen Unsicherheiten und das daraus resultierende befremdliche Benehmen auch einmal hatte. Das vorliegende Buch habe ich mit ganz, ganz großer Begeisterung gelesen, nicht nur wegen der Pasta mit meinem Vornamen!
Liv und ihre Mutter, die ein Buchcafé betreibt, leben schon seit gefühlten Ewigkeiten allein in einer kleinen Wohnung in München. Liv’s Hobby ist das Kochen und ansonsten beschäftigt sie sich zusammen mit ihren besten Freundinnen hauptsächlich mit dem Thema „erster Kuss“. Ihr Schwarm Justus hat sein Augenmerk auf Nastja Elena geworfen und steht deshalb als erster Freund nicht zur Verfügung. Da taucht überraschend Roberto auf, der neue Lover der Mutter. Und er ist nicht allein, sondern er bringt die 16-jährigen Zwillinge Angelo und Sonia mit. Liv bekommt weiche Knie – zum einen, weil ihre Mutter ihr die neue Beziehung verschwiegen hatte, aber auch, weil Angelo ein Traumtyp ist. Der Überraschungsbesuch aus Italien nistet sich für 3 Wochen in der winzigen Wohnung ein und bringt nicht nur an der Flurgarderobe ziemliches Chaos mit sich, sondern auch in Liv’s Leben. Erst in letzter Minute schafft die Pasta à la Norma die Wende…
Das Buch ist wunderbar leicht und locker geschrieben. Besonders die vielen inneren und äußeren Dialoge sind herzerfrischend, alltagsnah und heiter formuliert. Hinreißend gelingt es der Autorin, dass wir all die Gefühlsschwankungen von Liv hautnah und verständnisvoll miterleben. Die Geschichte trifft genau ins Schwarze, indem es auf humorige Weise erzählt von all den scheinbar wichtigen Alltagsdingen, von den Unsicherheiten, von all den Themen, die Pubertiere vordringlich beschäftigen. Was nach dem Lesen des Buches übrig bleibt: Ein Schmunzeln und unbandiger Appetit auf italienisches Essen.

Bewertung vom 29.09.2017
Der Preis, den man zahlt / Lorenzo Falcó Bd.1
Pérez-Reverte, Arturo

Der Preis, den man zahlt / Lorenzo Falcó Bd.1


gut

Männerphantasien
Gibt es so etwas wie „Männer-Bücher“? Unter Frauenbüchern sammelt sich ein klar umrissenes Genre, aber der Bereich Männerbuch ist mir so (außer in Bahnhofsbuchhandlungen unter dem Kassentisch) noch nicht begegnet. Das hier vorliegende Buch würde ich allerdings uneingeschränkt als Männerbuch bezeichnen! Denn mir als Frau hat das Buch nichts gegeben außer Kritik.
Wir befinden uns im Jahr 1936 in der Zeit des Spanischen Bürgerkrieges, wobei das Buch keinerlei Hintergrundinformationen zu der politischen Lage gibt. Da ich wenig bis gar nichts über die verworrenen Verhältnisse im Spanien von damals wusste, war ich gezwungen, mir einige wenige Informationen über das Internet zu holen, was ich mir jedoch, wie ich im Nachhinein weiß, hätte sparen können. Denn das politische Durcheinander bildet für das Buch nichts weiter als eine dekorative Kulisse.
Die sehr vordergründige Geschichte erzählt von Falcó, einem für den Geheimdienst arbeitenden Spion. Wobei er keiner eigenen Überzeugung folgend handelt, sondern stets auf Auftrag. Die politische Richtung scheint ihm gleichgültig zu sein. „Sind wir dafür oder dagegen?“ fragt er bei Befehlsempfang. Er ist unsäglich eitel, umgibt sich mit so vielen hochwertigen Markenartikeln, dass man sich beim Lesen fragt, ob der Autor Geld für die viele eingestreute Werbung erhält. Falcó ist ein Charmeur und ein gnadenloser Killer gleichermaßen. Selbstverständlich sinken ihm die Frauen widerstandslos in die Arme, während Falcó trinkend, rauchend und Tabletten schluckend einen merkwürdigen Verschnitt der alten Schwarz-Weiß-Agenten aus Hollywood abgibt. Erst als er anhand eines neuen Auftrages eine Kollegin namens Eva zur Seite gestellt bekommt, scheint Falcó im Verlauf der Geschichte aus seiner kalten Gleichgültigkeit zu erwachen…
Der farbig-eindrückliche Schreibstil lässt die jeweilige Atmosphäre, die handelnden Menschen und deren Umgebung recht hautnah erleben. Das ist aber auch in meinen Augen die einzige Stärke des Buches. Es gibt wenig Spannung, es gibt wenig zeitgeschichtliche Informationen, es gibt wenig logisch nachvollziehbare Handlung, es gibt insgesamt überhaupt wenig Glaubwürdiges – es gibt einfach von allem zuwenig, um auch nur ansatzweise in die Nähe dessen zu kommen, was der Verlag verspricht. Eher kommt mir das Buch vor, als habe ein alternder Mann sich selbst ein Märchen erzählt… Die angekündigten Fortsetzungen rund um Falcó werde ich jedenfalls mit Sicherheit nicht lesen!

Bewertung vom 24.09.2017
In einem anderen Licht
Burseg, Katrin

In einem anderen Licht


ausgezeichnet

Rabentrauer und Drachenpech
Ein Roman, der mich verzaubert und berührt hat.
Miriam funktioniert in ihrem Beruf als Journalistin für eine Hamburger Frauenzeitschrift und sie funktioniert als Mutter ihres kleinen Sohnes Max, aber in ihr sitzt unverarbeitete tiefe, tiefe Trauer um ihren Mann Gregor, der vor 2 Jahren in Ausübung seiner Tätigkeit als Fotograf in einem Krisengebiet erschossen worden war. Wir begleiten Miriam bei ihren Vorbereitungen zur Verleihung eines Preises, bei dem es um Zivilcourage geht. Stifterin ist Dorothea Sartorius, zurückgezogen lebende reiche Reeders-Witwe, die sich vielseitig sozial engagiert. Aber es gibt auch einen verschwiegenen Teil politischer Vergangenheit im Leben dieser Frau, und Miriam wird durch allerlei Zufälle auf deren terroristische Vergangenheit gestoßen.
Der klare, schnörkellose Schreibstil gefällt mir gut. Genauso klar wie die Sprache ist die Protagonistin selbst, in ihrem Schmerz ebenso wie in ihrer Profession. Überhaupt sind alle im Buch vorkommenden Menschen sehr farbig, lebendig und plastisch beschrieben. Ein besonders intensives Lesegefühl entstand bei mir immer dann, wenn Miriam ihrer Trauer begegnet. Gerade die leisen, gefühlvollen Stellen sind meiner Meinung nach die Stärken des Buches. Die Geschichte selbst ist an einigen Stellen leider unglaubwürdig, da zu viele Zufälle die Geschichte voranbringen sollen. Auch lässt mich der oberflächlich behandelte politische Hintergrund aus jüngster deutscher Vergangenheit in der hier im Buch dargestellten Art und Weise völlig kalt. Da aber die berührende Seite des Buches überwiegt, spreche ich eine uneingeschränkte Leseempfehlung aus.

Bewertung vom 24.09.2017
Underground Railroad
Whitehead, Colson

Underground Railroad


sehr gut

Rassismus immer und überall
Hochgelobt, Pulitzer-Preis, National Award – das beeindruckt. Und es verpflichtet geradezu, das Buch großartig zu finden, seine Tiefe, seine Zeitbezüge, seine Eindringlichkeit zu loben. Wer das nicht tut, gibt sich eine literarische Blöße, hat das Buch nicht verstanden, ist ein Literatur-Banause. Nun denn….
Erzählt wird die Geschichte von Cora, einer Sklavin auf den Baumwollfeldern Georgias, der mit Hilfe der Underground Railroad (im Buch fiktiv als unterirdische Eisenbahn bezeichnet) die Flucht gelingt. Quer durch Amerika begegnen ihr auf der Flucht weiterhin schlimmste Grausamkeiten. Die ersehnte Freiheit ist eine Utopie. „Als gäbe es auf der Welt keine Orte, wohin man sich flüchten konnte, sondern nur solche, die man fliehen musste.“
Die im Buch dargestellte schier endlose Aneinanderreihung an unsagbaren Grausamkeiten, die Menschen anderen Menschen angetan haben (auch Sklaven untereinander!), ist verstörend. Die einem Sachbuch ähnliche Darstellung, die Lakonie der Sprache, das Verdichten der gezeichneten Bilder lässt mich erschrecken, aber doch immer nur auf der Verstandesebene. Dass das Fantasy-Element des unterirdischen Zuges vorkommt, lässt leider - sicher zu Unrecht - zweifeln an der historischen Glaubwürdigkeit des gesamten Romans.
Dieses Buch zu lesen, war für mich mühevoll, teils abstoßend, teils unglaubwürdig. Der lakonische Sprachstil, die nüchterne, reduzierte Erzählweise erreichten mich nicht. Was bleibt, ist die Gewissheit, dass nicht nur Amerikas Sklaven der Brutalität in den Köpfen der Menschen ausgesetzt waren, sondern dass bis heute auf der ganzen Welt Feindbilder als Projektionsfläche für das Ausleben niederster und boshaftester Triebe dienen und der Mensch der größte Feind des Menschen ist. Daran wird auch dieses Buch nichts ändern, Pulitzer-Preis hin oder her!

Bewertung vom 13.09.2017
Sonntags fehlst du am meisten
Drews, Christine

Sonntags fehlst du am meisten


sehr gut

Zur Prinzessin verdammt

Als Drehbuchautorin hat Christine Drews große Routine im Schreiben lebendiger Dialoge und detailgenauer Situationsschilderungen. Das spürt man deutlich auch in dem vorliegenden Buch, mit dem sich die Autorin auf ein völlig neues Gebiet begibt, nämlich auf die Aufarbeitung einer schwierigen Vater-Tochter-Beziehung.
Die goldene Hochzeit der Eltern steht bevor, und Caro, 44, muss sich entscheiden, ob sie diesen Festtag nutzen oder meiden will. Denn seit einem Jahr besteht zwischen Vater und Tochter völlige Funkstille. Caro ist trockene Alkoholikerin, ohne Beruf, geschieden, Mutter eines 9-jährigen Jungen. Sie gibt ihrem Vater die Schuld an ihrem verkorksten Leben, da er sie aus ihrer Sicht nie ernstgenommen hatte. In Gesprächen mit der alten Frau Schneiders gewinnt sie jedoch zunehmend eine neue Sicht auf die früheren Geschehnisse. Schließlich fühlt sie sich stark genug für eine neue Begegnung mit ihrem Vater…
Vater-Töchter-Beziehungs-Bücher gibt es mehr als genug. Was mir an dem vorliegenden Buch sehr gut gefällt, sind die Perspektivenwechsel. Nicht nur die ich-bezogene Wahrnehmung der Protagonistin Caro wird dargestellt, sondern auch das So-Geworden-Sein des Vaters aus seiner Sichtweise. Diese völlig unterschiedlichen Wege implizieren tiefgreifende Probleme im Miteinander. Die erzählte Geschichte ist nachdenkenswert und schafft durchaus Verständnis. Leider wirkt das Buch sehr zerrissen, weil neben dem Erzählerwechsel auch sehr viele Zeitsprünge eingearbeitet wurden. Das ist zwar ein probates Mittel, um bei Krimis die Spannung zu erhöhen, aber diesem ernsthaften Thema hätte eine ruhigere, konstantere Erzählweise besser getan.