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Wedma

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Insgesamt 549 Bewertungen
Bewertung vom 10.08.2016
Tödlicher Tramontane / Perez Bd.1
Sola, Yann

Tödlicher Tramontane / Perez Bd.1


ausgezeichnet

Tödlicher Tramontane ist ein sehr gut gelungener Südfrankreich-Krimi, da er alles hat, was man von so einem Krimi erwartet.

Der Klappentext spiegelt die Ausgangssituation prima wieder. Ich war sofort in die Geschichte eingetaucht. Es fühlte sich an, als ob ich im Urlaub in Banyuls-sur-Mer war: Nicht nur die Landschaften der Gegend, die Sonne über dem blauen Meer, sondern auch die dort lebenden Menschen und ihre Eigenarten wurden unterhaltsam und mit einer Prise Humor vermittelt. Man bekommt leicht eine Ahnung, wie die Einheimischen sind, wie sie ticken, was für sie wichtig ist und warum.

So ist auch der Protagonist Perez, ein etwa Mitte fünfzig alter Mann, der sich dem Genuss verschrieben hat und in Banyuls-sur-Mer zu denjenigen gehört, die im Rathaus zusammen mit dem Bürgermeister und paar anderen Herrschaften über die wichtigen Dinge im Ort mitentscheidet. Deshalb ist er überrascht, dass er übers Dorfradio vermittelt mitbekommt, dass eine Hafenerweiterung in Banyuls so gut wie sicher ist. Dieser enorm wichtige Punkt wurde im Rathaus aber nie offiziell besprochen. Da fängt Perez zu recherchieren an. Und kaum tritt er diesen Weg an, schon passieren jede Menge Dinge, die für viel Wirbel sorgen. Perez sieht sich gezwungen zu handeln und alles wieder in Ordnung zu bringen. Perez hat auch früher manche kleinere Sachen untersucht. Diese hier ist aber ganz schön verwoben und kompliziert, auch weil da böse, einflussreiche Jungs mitmischen. Da Perez sich aber direkt angesprochen fühlt, seine beste Freundin ist plötzlich verschwunden und ihre Tochter ist in großer Sorge, gibt es für ihn keine wenn und aber.

Alle Figuren sind sehr gut gelungen. Sie kommen so authentisch, so lebendig rüber, dass man den Eindruck gewinnt, man ist in Banyuls-sur-Mer zu Besuch zwischen all den Leuten und erlebt ihre Abenteuer und Sorgen mit. Perez ist ein Schmuggler, aber ein sehr sympathischer. Es hat eben Tradition. Und er tut nichts anderes als die jahrhundertalte Tradition zu pflegen, in dem er spanische Delikatessen am Fiskus vorbei ins Land holt. Was aber Gerechtigkeit im zwischenmenschlichen Sinne angeht, da kennt er kein Pardon.
Auch Nebenfiguren sind einfach herrlich. Perez‘ Koch Haziem ist schon ein Schmuckstück, aber auch alle andere haben ihre Eigenheiten und Interessen, die sie nach Kräften vertreten.

Der Plot ist auch sehr gut gelungen. Spannende Momente wechseln sich mit emotionalen und genussvollen ab. Es gibt auch eine Portion Gesellschaftskritik, gut verpackt, der Schluss ist prima, spannend, aktionsreich und erfüllend.

Erzähler Michael Schwarzmeier hat sehr gut gelesen und die Geschichte wunderbar bereichert. Ich konnte alle Figuren ihren Stimmen nach prima unterscheiden und problemlos mitgehen. Hat Spaß gemacht, diesem Krimi zuzuhören. So geht jede Hausarbeit leicht von der Hand, wenn man etwas Tolles zu hören hat.

Fazit: Tödlicher Tramontane ist ein sehr gut gelungener Südfrankreich-Krimi, da er alles hat, was man von so einem Krimi erwartet: Urlaubsfeeling, sympathische Figuren, die Eigenarten der Einheimischen und ihre Art die Welt zu sehen, spannenden Plot und einen stimmigen Schluss.
Ich bin auf weitere Werke aus der Feder von Yann Sola gespannt und vergebe 5 wohl verdiente Sterne für diesen unterhaltsamen und prima gelungenen Regio-Krimi.
Hörbuch, Spieldauer: 9 Stunden und 47 Minuten, ungekürzte Ausgabe, gelesen von Michael Schwarzmeier.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 09.08.2016
Hector und die Suche nach dem Paradies / Hector Bd.7 (eBook, ePUB)
Lelord, François

Hector und die Suche nach dem Paradies / Hector Bd.7 (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Der KT spiegelt den Inhalt treffend wieder. Der Roman ist eine Reise im doppelten Sinn: Physisch reist Hector in die Berge. In der Hinsicht hat die „Hectors Suche nach dem Paradies“ etwas von einem Reisführer: Die Eindrücke von Katmandu, die Begehungen der Stupas, die Beschreibungen der Umgebung, die Wanderungen in den hohen Bergen zu den gut versteckten Klöstern, bildhafte Naturbeschreibungen, all das führ dazu, dass man sich wie im Urlaub fühlt.
Spirituell reist Hector auch, denn dazu gibt es ein reichhaltiges Kulturprogramm in Form von philosophisch angehauchten Diskussionen unter Freunden. Buddhismus, Hinduismus und Christentum werden unter die Lupe genommen und die Kernpunkte verglichen. Dazu sind diese schon stark verknappt und vereinfacht, aber gut auf den Punkt gebracht und sehr unterhaltsam dem Leser dargeboten. Diskutiert wurde auch über Gott (und seine Existenz) und die Welt, über Leben und Tod, u.a. wurde Unterschied zwischen Erleuchtung und Nirwana erklärt, alles sehr zugänglich, sodass man keine Verständigungsprobleme haben dürfte. Als Handlung gibt es eine spannende Verfolgungsjagd, gefährliche und weniger gefährliche Bösewichte, schöne junge Frauen, die sich Hector an den Hals werfen, jede Menge von feinem Humor und eine Prise Mystik.
Mir hat Spaß gemacht, sowohl den Diskussionen zu folgen, als auch bei der Verfolgungsjagt dabei zu sein. (Fast) alle wollen den sagenhaften Tee sein eigen nennen, der angeblich einen in Ekstase versetzen kann.
Alle Figuren sind prima gelungen und kommen sehr lebendig rüber. Selbst die Nebenfiguren haben nicht nur ihre eigenen Konturen bekommen, sie haben mich oft überrascht und hier und dort zum Schmunzeln gebracht. Die Pharma-Konzerne kommen da wohl kaum als Sympathieträger daher. Sie stellen zusammen mit den Vertretern der chinesischen und amerikanischen Regierungen die Bösewichte dar. Die amerikanischen Agenten avancieren erst zu Bösewichten, ihr typisches Gehabe, die Welt gehöre ihnen, ist prima, nur in einer Szene perfekt eingefangen worden, dann bekommen sie etwas von Witzfiguren. Köstlich. Die Gesellschaftskritik bei der Darstellung weiterer Figuren wie die humorvoll-ironische Kritik der weltpolitischen Verhältnisse vertiefen und bereichern die Geschichte. Diese sollte man sich nicht entgehen lassen.
Ich fand es schön, Hector mit seinen 25-Jähren zu begegnen, denn in den früheren Folgen ist er mindestens zehn Jahre älter und hat altersbedingt schon ganz andere Sorgen. In diesem Band ist er ein ganz junger Arzt, der seine Internatur absolvieren muss und sich für die Psychiatrie noch nicht entschieden hat.
Ich mag auch diesen Erzählstil: Schlicht und ergreifend, wie ich den in den ersteren Folgen der Reihe vor paar Jahren kennengelernt und meinen Spaß daran gefunden habe. Frei nach dem Motto: Geniale Dinge sind einfach.
Ich muss auch sagen, dass es sich erst hingezogen hat, bis sich der rote Faden der Geschichte erkenntlich zeigte, dann aber wurde sie spannend und je weiter ich las, desto besser gefiel mir „Hectors Suche nach dem Paradies“. In der zweiten Hälfte konnte ich das Buch kaum aus der Hand legen.
Auf der spirituellen Reise mangelt es Hector an Frauen und Sex keineswegs. Dabei sind bestimmte Botschaften zwischen den Zeilen gut erkennbar, in etwa: eine starke Frau kann viel, mit einem passenden Mann kann sie schier Unmögliches erreichen.

Fazit: Tolle Unterhaltung, die nicht nur amüsiert, sondern auch zum Nachdenken anregt und der Welt Spiegel vors Gesicht hält. Hector hat sich selbst in der Folge 7 übertroffen. 5 von 5 möglichen Sternen.

Bewertung vom 05.08.2016
Die Straße der Geschichtenerzähler
Shamsie, Kamila

Die Straße der Geschichtenerzähler


ausgezeichnet

Die Straße der Geschichtenerzähler habe ich sehr gern gelesen. Das Buch wollte sich nicht aus der Hand legen lassen. Es ist ein ganz besonderes Leseerlebnis, das man sich nicht entgehen lassen sollte. Man taucht ein eine völlig andere Welt ab, erfährt so viel über die damalige Zeit, über die Paschtunen und ihre Sicht der Dinge.
Die Ausgestaltung des Buches ist etwas ungewöhnlich. Es fehlen die „Gänsefüßchen“ bei der direkten Rede. Paar Mal bin ich drüber gestolpert, aber sonst sieht der Text so entspannt und aufgeräumt aus, dass es mir wiederum gut gefallen hat.
Das Coverbild mit dem Mann, der die orientalisch anmutende Straße entlangläuft, halte ich für sehr gelungen. Das könnte die Straße der Geschichtenerzähler sein, zu der die Geschichte immer wieder zurückkehrt, daher ist der Titel ist doch recht passend.

Auf dem Buchrücken liest man: „Kamila Shamsie verfügt über außergewöhnliche erzählerische Kraft.“ Salman Rushdie. Und: „Diesen aufregenden und zutiefst bewegenden Roman kann man gar nicht genug empfehlen.“ The Guardian.
Ja, das stimmt. Trotzdem dass hier wohl kaum mit Emotionen „gespielt“ wird, ist es ein bewegender Roman, der noch lange nachhallt. Gerne lese ich auch weitere Romane aus der Feder von Kamila Shamsie.

Bewertung vom 05.08.2016
Bühlerhöhe
Glaser, Brigitte

Bühlerhöhe


sehr gut

Ein sehr gut gelungener, lesenswerter Roman mit authentischen, lebendigen Figuren, der sich mit Fragen der nationalen und persönlichen Identität, Schicksalen der Menschen nach dem Weltkrieg uvm. befasst und zum Nachdenken anregt. Mal kommt er wie ein Politthriller, mal wie ein Krimi, mal wie ein Frauenroman daher. Ein gelungener Mix. Die Atmosphäre des Schwarzwaldes ist auch prima erfasst worden.

Bühlerhöhe von Brigitte Glaser habe ich gerne gelesen. Der Roman hat mir einige erfüllte Lesestunden bereitet. Eine klare Leseempfehlung und vier besonders hell leuchtende Sterne.

Bewertung vom 31.07.2016
Glitzer, Glamour, Wasserleiche
Kruse, Tatjana

Glitzer, Glamour, Wasserleiche


sehr gut

Auszug aus dem Klappentext: „Letztes Stündchen für das Hündchen? Radames taucht ab und eine Wasserleiche taucht auf.
Der Bodensee gibt seine Toten nicht mehr her? Denkste! Die voluminöse Opernsängerin Pauline Miller hat in Bregenz Quartier genommen. Und wo Pauly ist, ist das Drama nicht weit - denn so gehört es sich für eine wahre Diva nun mal. Statt Männerkummer wird Pauline diesmal von Hundesorgen geplagt: Ein brutaler Dognapper hat ihren Radames entführt - ohne Rücksicht auf Verluste und das zarte Nervenkostüm der exzentrischen Pauline.
Und sowie der Hund abtaucht, taucht plötzlich eine Wasserleiche auf. Damit singt Pauline nun statt Arien den Blues und hat keinen Sinn für Proben. Zum spektakulären Showdown kommt es denn auch nicht auf der Seebühne, sondern mitten auf dem Bodensee …
Krimödien von Tatjana Kruse: schrill, lebensklug und urkomisch!“
Der KT gibt eine gelungene Beschreibung der Geschichte wieder.
Die Autorin hat es geschafft mich zu überraschen. Nach dem ersten Pauline-Miller-Krimi, der an Skurrilität, Humor und Anzahl an Leichen, über die Pauly im Zuge ihrer Ermittlungen stolpert, kaum zu toppen ist, hat Tatjana Kruse einen eleganten Weg gefunden, einen spannenden Teil 2 zu erschaffen, der vom Inhalt her so anders ist, gleichzeitig aber sowohl Tierliebhaber als auch Pauline-Miller-Fans bis zum Ende mitfiebern lässt. Das Buch wollte sich absolut nicht aus der Hand legen lassen.
Die Figur der gefragten Operndiva ist schon ein großer Wurf. Ihre Art die Dinge zu sehen und Probleme anzugehen ist so herrlich schräg und so typisch kreative erfolgreiche Frau, dass es total viel Spaß macht, ihren Gedankengängen wie ihren reichlich abenteuerlichen Ermittlungen zu folgen. Auf jeder Seite gibt es etwas zum Schmunzeln, sei es Situationskomik, die Pauly wieder mal erzeugt hat, oder auch die Art, wie sie die Gegebenheiten sieht und sie dem Leser nahebringt.
Da Pauly keineswegs eine oberflächliche Trällerdame ist, gibt es auch kleinere Passagen mit philosophisch angehauchten Überlegungen über Gott und die Welt, hpts. über die Welt, z.B. zu der Art sich zu kleiden und was es über einen Menschen aussagt. Diese kleinen aber feinen Momente glitzern wie kleine Diamanten hier und dort auf und geben der Geschichte ihren besonderen Glanz und Tiefe.
Natürlich lebt Teil 2 auch vom erstklassigen Schreibstil der Autorin. So ungezwungen leichtfüßig wie humorvoll-ironisch die Pauline Miller Geschichten zu erzählen, das schafft nur Tatjana Kruse. Ihr unnachahmlicher Schreibstil ist ihr Markenzeichen, da er eindeutig Wiedererkennungswert besitzt und mich dazu bringt, auf baldige Erscheinung der Fortsetzung der Reihe zu hoffen. Ich hoffe auch, dass Teil 2 als Hörbuch in Kürze zu haben ist. Tatjana Kruse liest sehr gut, ihre Stimme passt prima zu Pauline-Miller Geschichten. Ich glaube, von der Autorin auf ihre unnachahmliche Art vorgetragen, zeigt diese Geschichte noch andere Facetten, die man beim Selbst-lesen nicht im vollen Umfang zutage fördern konnte.
Den Humor kann ich nicht schwarz oder gar rabenschwarz nennen. Diese Bezeichnung ist eher im übertragenen Sinne gemeint. Ironisch und manchmal bissig, das ja, denn so ist die Pauline, die uns diese Geschichte erzählt.
Die Ausgestaltung des Buches passt sehr schön zu dieser Geschichte. Das Coverbild zeigt Radames, der eine der Hauptrollen in dieser Folge spielt. Kraft seiner, von Pauly antizipierten, Bedürfnisse gibt es auch ein paar neue schräge Figuren. Die abgerundeten Ecken des Buches und glatte, angenehme Haptik des Covers hinterlassen einen durchaus positiven Eindruck. Das Buch ist handlich und leicht, wunderbar zum Mitnehmen.
Fazit: Eine leichte, gekonnt geschriebene, herrlich-skurrile Sommerlektüre, die prima unterhält und einen mal öfters zum Schmunzeln bringt. Ich hoffe, es gibt noch viel mehr Pauline-Miller-Geschichten aus diversen Opernstätten der Welt.

Bewertung vom 24.07.2016
Und damit fing es an
Tremain, Rose

Und damit fing es an


ausgezeichnet

Der Roman besteht aus drei Teilen. Teil 1 (S. 11-119) spielt hpts. in Matzlingen, in der Schweiz in den Jahren 1947-1952, und zeigt das Leben von Gustav Perle und das von seinem Freund Anton Zwiebel. Gustav ist fünf am Anfang des Romans, lebt mit seiner Mutter in ärmlichen Verhältnissen in einer kleinen Wohnung, geht mit ihr zusammen die Kirche putzen und lernt, sonst nicht so viel vom Leben zu erwarten. Anton kommt aus einer wohlhabenden jüdischen Familie, sein Vater ist Banker. Familie Zwiebel lebt in einer schicken Wohnung, darin steht ein Flügel, auf dem Anton auch gerne spielt. Gustav und Anton lernen sich in der Vorschule kennen. Es ist Anfang einer lebenslangen Freundschaft mit ihren Höhen und Tiefen. Gustav ist anfangs oft von Antons Mutter zum Eislaufen eingeladen. Bald darf Gustav nicht mit. Seine Mutter sieht es nicht gern, dass Gustav oft bei den Zwiebels ist.
Im Teil 2 (S. 123-210) breitet der allwissende Erzähler die Geschichte von Gustavs Vater in Matzlingen in den Jahren 1937-1942 aus. Erst hört es sich nach der Liebesgeschichte zwischen Erich Perle und Emilie, aber recht bald weiß man es besser. Die Nöte der jüdischen Flüchtlinge sind bildhaft und prägnant in den Erzählteppich hineingewoben worden. Im Jahr 1938 flohen jüdische Familien aus Österreich in die Schweiz. Gustavs Vater als stellvertretender Polizeichef in Matzlingen muss auf einmal entscheiden, wer bleiben darf und wer in die Hände von Nazis zurückgeschickt werden soll.
Erich Perle ist eine zutiefst tragische und leidenschaftliche Figur. Er muss sich zwischen zwei Lieben, zwischen Herz und Pflicht, zwischen Menschlichkeit und der Treue zu den Vorschriften des Staates entscheiden. Obwohl Erich Perle ein pflichtbewusster und aufrichtiger Mann ist, ist er auch ein Mann, dem die Entscheidungen seines Herzens sehr wichtig sind. Es gibt auch Polemik zu weiteren Themen, wie z.B. Neutralität, S. 157. Das Thema Selbstbeherrschung ist in beiden Teilen ein wiederkehrendes Motiv. Dem Kleinen Gustav wird im ersten Teil von seinem Nachhilfelehrer eingebläut, dies wäre eine der wichtigsten Charakterzüge der Schweizer. Im zweiten Teil findet das Thema eine ganz andere Interpretation. Beide stehen in einem starken Kontrast zu einander. Überhaupt wird in diesem Roman gerne wie gekonnt mit Kontrasten gespielt, sowohl bei den Themen als auch bei den Figuren: Es gibt zwei Frauenfiguren, die eine prinzessenhafte Vorstellung von der Liebe und dem Leben insg. in den jungen Jahren hatten und später als verbitterte Nörglerinnen das Leben ihrer Kinder bis zum Schluss schwermachten. Dagegen stehen zwei weitere Frauenfiguren, die das Leben zu genießen wussten. Auch die Väter von Gustav und Anton, ihre Lebenswege und Schicksale stehen im deutlichen Kontrast zu einander. Konträr sind auch die zwei Hauptfiguren: Gustav macht das, was er kann mit den Mitteln, die er zur Verfügung hat. Anton hat den Kopf in den Wolken. Gustav ist ein Mensch, der ohne Liebe aufwuchs, diese aber braucht und gerne auch gibt. Anton ist ein Egozentriker, der sich gerne über andere stellt und Hirngespinsten nachjagt.
Teil 3 (S. 231-331) erzählt das Leben der Hauptfiguren in den Jahren 1992-2002. Gustav besitzt ein kleines Hotel in Matzlingen und kümmert sich um seine Gäste. Anton ist Musiklehrer. Aber nach einigen Jahren will er es nochmals wissen und geht nach Genf. Die beiden sehen sich nur hin und wieder. Und von Mal zu Mal wird Anton immer absonderlicher.
Es lohnt sich aber diese Geschichte schon wegen der Sprache zu lesen. Diese Reife, die Einfachheit und Klarheit des Ausdrucks, die mit wenigen Sprachmitteln großes Kino herzaubern und einige schwierige Themen gekonnt interpretieren, sind schon recht beeindruckend.
Es gibt auch stimmige Reflexionen über das Leben, Freundschaft, schöne Sätze für die Zitatenliste, etc.
Fazit: Eine meisterhaft erzählte Geschichte über Freundschaft, Liebe, Leidenschaft, das Leben insg., die Fragen aufwirft, zum Nachdenken anregt und noch lange nachhallt.

Bewertung vom 13.07.2016
Niederbayerische Göttinnen
Werner, Ingrid

Niederbayerische Göttinnen


sehr gut

Ein guter, atmosphärischer, spannender Krimi aus Rottal. Nette Unterhaltung.
Klappentext: „Das Rottal steht kopf: Eine im Wald vergrabene Leiche wirbelt fünfzig Jahre alten Staub auf. Dann wird ein weiterer Toter gefunden; der Mann wurde erstochen. Was haben die beiden Todesfälle miteinander zu tun? Schräge Vögel und dubiose Verdächtige: Karin Schneider stößt auf eine heiße Spur, und ihr wird klar, dass sie diesen Fall nur auf keltische Art lösen kann . . . Sympathisch-urige Figuren, unorthodoxe Ermittlungen und keltische Göttinnen – ein herrlicher Krimispaß!“

Der Krimi besticht vom Anfang an durch sein niederbayrisches Flair. Es geht einem so, als ob man im Rottal Urlaub gemacht und dieser skurrilen Geschichte beigewohnt hat. Nur eine Woche, vom Sonntag, 08 Mai bis Sonntag 15 Mai ist man dabei. Die Kapitel, ein Kapitel pro Tag, beschreiben Tage voller spannenden Ereignisse, unerwarteten Wendungen und unorthodoxen Ermittlungsschritte, in denen nicht nur zwei Morde aufgeklärt werden, sondern einige Beziehungen auf den Prüfstand gestellt oder auch angefangen werden. Die leicht humorig-ironische Erzählweise trägt zum Unterhaltungsfaktor bei.

Themen wie Familie und Familienzusammenhalt, Freundschaft, Liebe, ethisches oder auch weniger ethisches Verhalten bei Geschäfteabschlüssen sind gekonnt in den Erzählteppich eingewoben worden.
Erzählt wird in Präsens, prima passend zu dieser Geschichte, hpts. aus der Sicht der Protagonistin Karin Schneider. Sie ist alleinerziehende Mutter und Heilpraktikerin, eine sympathische und hilfsbereite Person, in sicherer Entfernung von Perfektion in vielerlei Hinsicht: Manchmal verrennt sie sich in etwas, was gar nicht da ist, stellt unmögliche Sachen an, was sie aber noch menschlicher erscheinen lässt und die Ermittlungen ganz nebenbei weiterbringt. Im Hotel gibt sie Entspannungskurse und so kommt sie auch von Berufswegen mit dem Geschehen und den Menschen, die im Hotel arbeiten und wohnen, in Kontakt. Karin ermittelt nicht allein, sie hat ihr Team auf ihrer Seite. Der Max, ein Mann Mitte dreißig, im Rollstuhl, da ein amputiertes Bein, steht ihr mit Rat und Tat zur Seite. Auch ihre Tochter Susa und ihr neuer Freund Finn spielen mit, auch weil sie selbst in die Verwicklungen voll involviert sind.

Zu den niederbayerischen Göttinnen führt Karin entweder ihre Tochter Susa, die sich neuerdings für Kelten und ihre Bräuche brennend interessiert oder auch ihre Hündin Runa, die an der älteren Apollonia einen Narren gefressen zu haben scheint, so gut gefällt ihr auf ihrem Hof. Sehr schön übrigens, dass auch ein Hündin eine Rolle im Geschehen spielt.

Die drei Göttinnen sind schon sehr gut gelungen. Spannende Persönlichkeiten, jede auf ihre Art. Ich habe sie gerne kennengelernt. Apollonia ist eine charismatische Person, die auch größeres Publikum mit Leichtigkeit zu beherrschen weiß. Sie hat ein keltisches Museum auf ihrem Hof und pflegt die keltischen Bräuche wie keine andere. Ihre Tochter und Enkelin helfen ihr nach Kräften aus. Hier erfährt man einiges zu Kelten in Niederbayern. Und alle drei sind der Meinung: „Göttinnen haben keine Väter.“

Auch andere Figuren sind urig und kommen sehr lebendig daher. Man hat den Eindruck, man war zwischendrin und hat all die Abenteuer zusammen mit Karin & Co. erlebt, all die Leute getroffen und ihre Lebensgeschichten erfahren.

Der Krimi hinterlässt durchwegs einen positiven Eindruck. Eine Art Sog übt die Geschichte aus, das Buch will nicht aus der Hand gelegt werden.
Einiges konnte ich trotzdem nicht auf Anhieb abnehmen. Manche Wendung, Gegebenheit wirkte konstruiert wie weltfremd, manche Glaubwürdigkeitsfragen blieben hängen. Aber so muss es nicht jedem ergehen.

Fazit: Ein atmosphärischer, leicht humoriger, spannender Regio-Krimi und nette Unterhaltung sind die „Niederbayerischen Göttinnen“ auf jeden Fall. Ich vergebe gerne vier Sterne und eine Empfehlung für Regio-Krimi LeserInnen.

Bewertung vom 13.07.2016
Apostelwasser
Ramstetter, Regina

Apostelwasser


sehr gut

Ein schwieriges Thema, das diesem Krimi zugrunde liegt: Kindermissbrauch in kirchlichen Einrichtungen in 60-ger-80ger Jahren, der in 2014 für große mediale Aufmerksamkeit gesorgt hat, wird hier eingehend unter die Lupe genommen.
Dem Krimi sieht man eine umfangreiche Recherche und eine fundierte wie ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Thema an. Der Missbrauch und seine Folgen werden hier von diversen Seiten geschildert: aus der Sicht der Opfer, damals und heute, derjenigen, die damit leben und derjenigen, die Missbrauch nicht verarbeiten konnten. In kleinen Häppchen von 1-2 Seiten wird die Geschichte des kleinen Karls erzählt, der damals von der Mutter nach Etterzhausen in eine kirchliche Einrichtung geschickt wurde. Den Kindermissbraucht erlebt man schon hautnah, denn die Schilderungen sind zwar knapp, hinterlassen aber bleibenden Eindruck. Aus der Perspektive des Missbrauchsopfers erfährt der Leser, wie so etwas in etwa abgelaufen war. Welche psychischen Probleme dann im erwachsenen Alter folgten, was aus der Forderung nach Aufklärung geworden ist, wird dem Leser u.a. mithilfe von Gesprächen mit ehemaligen Domspatzen klargemacht.
Es wird auch von der Warte der Psychologen erklärt, wie und warum manche katholische Geistliche dazu kommen, warum überhaupt so eine Häufung der Pädophile in der kath. Kirche möglich ist und wie die Männer nach Einschätzung der Psychologen zur Pädophilie kommen. Da stehen nicht nur die Missbrauchsopfer, sondern auch die Täter als Opfer des Systems, z.B. es Zölibats da. Auch der Umgang damit, innerhalb und außerhalb der Kirche wird eingehend geschildert, denn all diese Dinge gehören zu den polizeilichen Ermittlungen. Wie man den Recherchen der Ermittler entnimmt: Die Aufarbeitung dieser Fälle wird bis heute aktiv verhindert, der Missbrauch vertuscht und das Ganze unter den Teppich gekehrt. In dem Part gibt es also nicht viel zu lachen.
Und trotzdem schafft die Autorin Regina Ramstetter die Balance zwischen dem Ernst des Hauptthemas und dem Alltag der Ermittler prima zu meistern. Dort herrscht ein humorig-ironisch abgeklärter Ton voller Sprüche, die fürs gelegentliche Auflachen und vergnügtes Grinsen sorgen. Im privaten Bereich kracht auch mal ordentlich, aber aus ganz andern Gründen. Hier lassen sich zwei Ebenen erkennen: die der etwa Dreißigjährigen mit den typischen Problemen dieses Alters wie Partner fürs Leben finden, Arbeit und Privatleben unter einen Hut zu bringen, Kinderkriegen, Vater bzw. Mutterwerden, und die Probleme der älteren Generation wie Kroner, seine Lebensgefährtin, der Künstlerin Babsi Dorsch, etc. wie Sorge um die erwachsenen Kinder, Probleme bei der Arbeit, in der Familie und Umgang damit, auch Liebe und Partnerschaft, uvm. Die Probleme im privaten Bereich wirkten auf mich leider etwas gewollt, z.T. überdehnt, manche Reaktionen überzogen und fragwürdig.
Niederbayerisches Flair ist ein fester Bestandteil dieser Geschichte. Es werden die bekannten Lokale besucht, wie der Fisch-Imbiss, die berühmten Persönlichkeiten treten auf und sorgen für Lokalkolorit, z.B. Die Künstlerin Barbara Dorsch, die ihren Hund morgens früh ausführt und die Gekreuzigten entdeckt. Frau Dorsch steht einem so lebendig vor Augen, dass man sich des Eindrucks nicht erwehren kann, man kenne sie persönlich. Das Gleiche gilt für den letzten Fischer.
Der Erzählstil ist schon recht fetzig-humorig und ans Niederbayrische angepasst. Die Dialektausdrücke stehen an der Tagesordnung. Anfangs haben sie mir das Lesen erschwert. Die Übersetzung/Erklärungen hierfür gibt es hinten im Buch im „Guide für Preußen und andere Ahnungslose“, wobei der Sinn ergibt sich oft aus dem Kontext.

Fazit: Ein solider, gekonnt geschriebener Krimi, der das Thema Kindermissbrauch in kirchlichen Einrichtungen eingehend untersucht und trotz des Ernstes der Sache recht unterhaltsam und humorig daherkommt. Wer sich für das Thema interessiert, ist hier goldrichtig.

Bewertung vom 30.06.2016
Herr Müller, die verrückte Katze und Gott
Arenz, Ewald

Herr Müller, die verrückte Katze und Gott


ausgezeichnet

Der Klappentext spiegelt die Ausganssituation sehr treffend. Besonders den letzten Satz kann ich ohne wenn und aber unterschreiben.

Wenn Erzengel als ein cooler Typ mit Gin Tonic in der Hand dasteht und über die Lösung der Situation mit der verlorenen Seele philosophiert, sein Bruder, der dunkle Dämonenfürst, nicht weniger cool seinen Espresso in einer Bar sich schmecken lässt, nachdem er mit dem Katapult für Pinguine fertig ist, und schaut, wie er sonst an die arme Seele rankommen kann, leuchtet es ein, dass es keine gewöhnliche Geschichte ist. Spätestens als die Anzeichen des Weltuntergans geschildert werden, ist klar: Hier wird die Apokalypse neu erzählt, an die heutige Welt mit ihren Realien angepasst. Besonders interessant sind dabei die Besetzung und die Einflusszone der apokalyptischen Reiter im letzten Drittel des Romans.

Skurrile Figuren tun zuweilen auch skurrile Dinge, was nicht nur streckenweise für Erheiterung beim Lesen sorgt und immer weiter lesen lässt, sondern auch der modernen Gesellschaft mit ihren akuten Problemen ein Spiegel vors Gesicht hält. Das Ganze humorvoll bis sarkastisch dargeboten, so leichtfüßig und locker, dass es keine Zweifel gibt: Wir haben mit einem Werk der Meisterklasse zu tun.

Das Spannende ist, man kann gar nicht erraten, was als nächstes kommt, da man sich in einer phantastischen Realität befindet, das Verhalten vieler Akteure ein völliger Rätsel ist und ob das mir der Seele noch klappt und der Weltuntergang doch noch ausbleibt, ist bis zum Schluss ungewiss. Man hat keine andere Wahl, man muss einfach weiterlesen.

Ich muss auch anmerken, dass es mir irgendwo im letzen Viertel schlicht zu viel an Klamauk, sakrastischer Gesellschaftskritik, etc. wurde. Aber bis dahin las es sich wunderbar, das Buch wollte einfach nicht aus der Hand gelegt werden.

Mag sein, dass man, um in den vollen Genuss der Geschichte zu kommen, ein Quäntchen an Offenheit und Aufgeschlossenheit, z.B. gegenüber den mutigen Interpretationen der Bibel und Glaubensfragen, mitbringen sollte. Mag sein, dass der Roman für jemanden mit einem festen, naturwissenschaftlich geprägten Weltbild, das strickt auf Ursache-Wirkung basiert, einfach zu viel an Einfallsreichtum und Gedanken-/Interpretationsfreiheit ist.

Ich fand es aber herrlich, (endlich) eine Geschichte zu lesen, die durch ihre humorvolle, eigenartige Interpretation und leichtfüßig meisterhafte Präsentation deutlich aus der Reihe tanzt. Sie unterhält nicht nur, sie zeigt auf eine zugängliche Art, wohin man schauen und worüber man nachdenken sollte.

Fazit: Ein toller Roman zur Apokalypse der Gegenwart. Prima Idee, großartige Umsetzung. Absolut lesenswert. Fünf von fünf möglichen Sternen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.