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Benutzername: 
dorli
Wohnort: 
Berlin
Buchflüsterer: 

Bewertungen

Insgesamt 884 Bewertungen
Bewertung vom 23.03.2016
Der falsche Prophet
Rausch, Roman

Der falsche Prophet


sehr gut

In seinem historischen Roman „Der falsche Prophet“ nimmt Roman Rausch den Leser mit auf eine Reise in das 15. Jahrhundert nach Franken und erzählt die Geschichte des Schafhirten und Spielmannes Hans Behem, dem „Pfeifer von Niklashausen“.

Roman Rausch hat die historischen Ereignisse vom Frühjahr und Sommer 1476 in dem kleinen fränkischen Dorf Niklashausen mit einer spannenden Geschichte verknüpft und ein umfassendes und glaubwürdiges Bild der damaligen Geschehnisse gezeichnet.

Das ausgehende Mittelalter ist eine schwierige Zeit. Die Schere zwischen Arm und Reich klafft weit auseinander – die arme Bevölkerung wird von den Reichen drangsaliert und ausgebeutet. Das ist auch in Niklashausen nicht anders – die Unterdrückten lechzen nach besseren Zeiten, sehnen sich nach einem Weg aus ihrer Not.

Hans Behem versteht die Menschen mit seiner fröhlichen Musik für sich einzunehmen. Diese Beliebtheit des unbedarften jungen Mannes will die gewiefte Freifrau Clarissa von Winterfeld für ihr politisches Intrigenspiel ausnutzen. Sie verspricht ihm für ein kleines Schauspiel eine fürstliche Belohnung. Hans geht darauf ein, erhofft sich eine bessere Zukunft für sich, seine Geliebte Elsbeth und sein ungeborenes Kind. Zu spät bemerkt Hans, dass er ausgetrickst wurde. Als Elsbeth stirbt, sinnt er auf Rache und verbündet sich mit dem Begarden Jeronimus, dem Dorfpfarrer Ulrich und der Bademagd Magdalena. Die Vier inszenieren ein „Wunder“, das überzeugend auf ihre Mitmenschen wirkt. Als Bote der Jungfrau Maria verspricht Hans den Armen Gerechtigkeit. Die Nachricht von dem Wunder, dass ein Ende der Knechtschaft verheißt, kommt gerade recht - die Menschen glauben Hans und ziehen ins Taubertal, um den „heiligen Jüngling“ sprechen zu hören.

Roman Rausch macht es mir leicht, die Euphorie der Menschen damals nachzuvollziehen. Hans fasziniert die Massen, seine klaren Worte sind mitreißend. Kaum jemand stellt das angebliche Wunder, dass die heilige Mutter Gottes zu Hans gesprochen hat, infrage, zu groß ist der Wunsch nach Veränderung, nach einem Leben ohne Leid und Elend. Hans und seine Mitstreiter haben Erfolg - was als gut inszeniertes Schauspiel begonnen hat, wird zu einer ungeahnten Massenbewegung, wie ein Lauffeuer verbreitet sich die Nachricht im ganzen Land. Doch der Erfolg hat auch Uneinigkeiten im Gepäck, die die vier Gefährten schon nach kurzer Zeit mehr und mehr auseinander driften lassen.

Besonders gut gefallen hat mir, wie Roman Rausch die Wandlung des jungen Hans Behem schildert. Ein ungebildeter Spielmann und Herumtreiber, der aus dem Nichts kommt, der es versteht, den Menschen Hoffnung zu geben, dem sein kometenhafter Aufstieg zu Kopf steigt, der irgendwann seine eigenen Lügen glaubt, der sich schließlich unantastbar fühlt. Hans wird unvorsichtig und es kommt, wie es kommen muss: Er bezahlt teuer für seine aufrührerischen Reden.

Auch das Verhalten der Bischöfe und Landesherren wird nachvollziehbar dargestellt. Diese beobachten die Vorgänge im Taubertal zunächst gelassen und rangeln darum, wer für die Angelegenheit zuständig ist. Erst als zigtausende Menschen nach Niklashauen strömen und der Schlachtruf „Schlagt die Pfaffen tot!“ immer lauter wird, greift die Obrigkeit ein. Mit Unterstützung eines Verräters aus Hans’ engstem Umfeld ist der Aufruhr schnell beendet und damit auch Hans’ Kampf für Freiheit und Gerechtigkeit.

„Der falsche Prophet“ hat mir sehr gut gefallen. Ein historischer Roman, dem man die intensive Recherche anmerkt; ein Buch, das sehr realistisch den Aufstieg und Fall eines mittelalterlichen Revolutionärs dargestellt - empfehlenswert für Leser, die sich für die deutsche Historie interessieren.

Bewertung vom 23.03.2016
Diabolisches Spiel
Gungl, Petra K.

Diabolisches Spiel


ausgezeichnet

Agnes Feder kehrt Wien den Rücken und folgt ihrem Lebensgefährten Siebert nach London. Hier hat die Juristin für Medizinrecht einen Job bei dem Pharmaunternehmen SARFUR bekommen. Als es im Zuge einer Testreihe für ein neues Medikament zu rätselhaften Todesfällen kommt, schiebt Chef Walter Bernty die Schuld dafür kaltblütig anderen in die Schuhe. Auch Agnes gerät nach dem Tod einer für die Tests verantwortlichen Ärztin ins Visier der Polizei…

„Diabolisches Spiel“ ist bereits der zweite Teil rund um die Erlebnisse der Juristin Agnes Feder. Auch ohne Kenntnis des ersten Bandes habe ich die handelnden Personen gut kennengelernt und hatte zu keiner Zeit das Gefühl, dass mir Informationen fehlen würden.

Petra Gungl versteht es mit ihrem lockeren und angenehm zu lesenden Schreibstil ausgezeichnet, den Leser in ihren Bann zu ziehen. Die Geschichte wird flüssig und spannend erzählt und es gelingt der Autorin hervorragend, die Emotionen ihrer Protagonistin wiederzugeben, so dass ich durchweg mit Agnes mitfühlen und mitfiebern konnte.

Petra Gungl hat Agnes Feder eine besondere Gabe mit auf den Weg gegeben. Agnes kann Gedanken sehen, Gefühle lesen und Erinnerungen wahrnehmen, wenn sie ihr Gegenüber berührt oder intensiven Blickkontakt hat. Außerdem hat Agnes Träume und Visionen, die sie in das 15. Jahrhundert in ihr früheres Leben als Heilerin Violet Huntington katapultieren.
Nach und nach stellt Agnes fest, dass die Ereignisse damals und heute Verbindungen aufweisen. Die Juristin gerät in einen Strudel aus Realität und Träumen, aus Gegenwart und Vergangenheit, aus Lügen und Intrigen. Sie muss beweisen, dass sie mit den mysteriösen Vorgängen bei SAFUR nichts zu tun hat und sie muss um ihre Liebe zu Siebert kämpfen. Und auch als Violet ist ihr Leben alles andere als einfach.

„Diabolisches Spiel“ ist eine äußerst gelungene Mischung aus Spannung, Romantik und Historie, die durch Agnes’ spirituelle Erlebnisse einen ganz besonderen Touch bekommt. Absolute Leseempfehlung!

Bewertung vom 08.03.2016
Tintenspur
Starr, Mel

Tintenspur


ausgezeichnet

Oxford/Bampton, 1365. Magister John Wyclifs Bücher wurden gestohlen! Er bittet Hugh de Singleton, der mittlerweile für sein kriminalistisches Gespür bekannt ist, die Bücher zu suchen. Hugh kommt der Bitte mit Freuden nach, gibt ihm der Auftrag in Oxford doch die Gelegenheit, Kate Caxton, der Tochter eines Tintenmachers, den Hof zu machen. Doch er ist nicht der einzige Verehrer der schönen Kate – Hugh hat mit Sir Simon einen ebenso hartnäckigen wie hinterhältigen Konkurrenten. Und auch in Sachen Bücherdiebstahl hat Hugh mit allerlei Unwegsamkeiten zu kämpfen und ist sich seines Lebens nicht mehr sicher…

In „Tintenspur“ – dem dritten Fall für Chirurg und Burgvogt Hugh de Singleton - wandert man mit Hugh und seinen pfiffigen Begleiter Arthur durch die Straßen Oxfords, um dem Bücherdieb auf die Schliche zu kommen. Gewissenhaft geht Hugh dabei jeder kleinen Spur nach und teilt dem Leser seine Beobachtungen und Gedanken zu allen Vorkommnissen mit.

Die Ermittlungen verlaufen in ruhigen Bahnen - einmal mehr ist es nicht die Krimihandlung, die diesen Mittelalterkrimi so unterhaltsam und lesenwert macht, sondern die humorvolle Sprache, die Mel Starr seinem Protagonisten mit auf den Weg gegeben hat. Besonders hat es mich gefreut, dass in diesem Band Lord Gilbert Talbot wieder mit von der Partie ist. Die Dialoge zwischen dem Burgvogt und seinem Dienstherrn bringen eine Menge Schwung in die Geschichte und gehören für mich ganz eindeutig zu den Highlights in diesem Roman.

Es hat mir wieder großen Spaß gemacht, mit Hugh de Singleton auf Verbrecherjagd zu gehen – „Tintenspur“ bietet eine spannende und vor allen Dingen unterhaltsame Reise in das mittelalterliche England.

Bewertung vom 07.03.2016
Morgens leerer, abends voller
Keller, Tobias

Morgens leerer, abends voller


sehr gut

Wanne-Eickel. Das Leben des Junglehrers Fabian Dreher entwickelt sich ganz und gar nicht so, wie der 28-Jährige es sich vorgestellt hat. Job und Verbeamtung sind in Gefahr, wenn Fabis 9a bei der anstehenden Lernstandserhebung kein zufriedenstellendes Ergebnis erzielt – das Problem: Fabi und seine „verhaltensoriginellen“ Schüler sind gleichermaßen lustlos und gelangweilt. Außerdem kommt Fabis Freundin Tine völlig verwandelt von ihrem mehrmonatigen Mexikoaufenthalt zurück - die neuerdings militante Tierschützerin und überzeugte Veganerin erwartet nicht nur, dass Fabi sie bei ihren neuen Ansichten tatkräftig unterstützt, sondern quartiert auch kurzerhand den fetten, überheblichen Kater Poseidon in die gemeinsame Wohnung ein. Damit nicht genug, bei einer unmöglich zu gewinnenden Wette riskiert Fabi den „Weisen Horst“, sein geliebtes Auto…

Cover und Kurzbeschreibung von „Morgens leerer, abends voller“ haben mich ein witziges Buch erwarten lassen – eine Erwartung, die fast durchgehend erfüllt wurde. Einzig Fabis recht intensive Überlegungen über die Zusammenstellung der besten Deutschen Fußballnationalmannschaft aller Zeiten empfand ich als langweilig, weil ich absolut nicht fußballinteressiert bin.

Tobias Keller hat einen flotten, angenehm zu lesenden Schreibstil. Schnell ist man mittendrin im Geschehen, steht mit Fabi vor seinem Problemberg und sucht mit ihm und seinen Freunden einen Ausweg aus dem Dilemma. Zunächst wenig erfolgreich, bringt die im Vollrausch eingegangene Wette Fabi und Co. schließlich auf Trab – mit einfallsreichen und ungewöhnlichen Methoden soll die Lernstandserhebung ein Erfolg werden. Am Ende aller Bemühungen kommt es dann ganz anders, als gedacht.

Die überspitzte, klischeehafte Geschichte hat mich sehr gut unterhalten. Besonders die Szenen in der Schule und die Passagen, in denen Kater Poseidon eine Rolle spielt, waren äußerst humorvoll. Die Dialoge sind zum Teil in Slang geschrieben und verleihen der Handlung damit eine Extraportion Schwung. Und die ab und an ziemlich derbe Ausdrucksweise passt gut zu den männlichen Protagonisten. Alles in allem ein kurzweiliges Lesevergnügen.

Bewertung vom 02.03.2016
Tot ermittelt es sich schlecht / Digby Bd.1
Tromly, Stephanie

Tot ermittelt es sich schlecht / Digby Bd.1


sehr gut

Zoe Webster ist nach der Scheidung ihrer Eltern mit ihrer Mutter von Brooklyn nach River Heights gezogen, einem kleinen Kaff im New Yorker Hinterland. Eines Morgens steht ein junger Mann in einem schwarzen Anzug vor ihrer Haustür – Digby. Mit Digbys Auftauchen beginnt für Zoe eine äußerst turbulente Zeit, aber das ahnt die 16-Jährige zu diesem Zeitpunkt noch nicht…

Stephanie Tromly hat einen lockerleichten und angenehm flott zu lesenden Schreibstil und wartet hier mit einer rasant erzählten Geschichte auf, die mich schnell in ihren Bann gezogen hat.

Die gesamte Handlung lebt von Digby und seinen abgedrehten Aktionen. Man muss bei ihm auf alles gefasst sein. Zu jeder Zeit. Überall. Das muss auch Zoe erfahren, denn sie rauscht mit ihm von einem Schlamassel in den nächsten.
Digbys eigentliches Ziel ist es, den Fall um die Entführung seiner kleinen Schwester aufklären und er scheint auch schon einen genauen Plan zu haben, doch den kennt nur er allein. Trotzdem schafft er es immer wieder, seine Mitmenschen und vor allen Dingen Zoe von seinen verrückten Ideen zu überzeugen und zum Mitmachen zu bewegen.
Auch wenn seine Vorhaben auf den ersten Blick immer spontan und fast überhastet wirken, hat er alles bis ins kleinste durchdacht – Digby ist wirklich gewieft und es macht Spaß, ihn bei einen abenteuerlichen Ermittlungen zu begleiten.

„Digby #01“ ist ein peppiger Jugendroman, der mit viel Action und einer herrlich überdrehten Hauptfigur punkten kann.

Bewertung vom 02.03.2016
Leotas Garten
Rivers, Francine

Leotas Garten


ausgezeichnet

Die 84-jährige Leota Reinhardt lebt in einem heruntergekommenen Viertel. Die alltäglichen Arbeiten fallen ihr mittlerweile schwer, besonders das Einkaufen bereitet ihr große Mühe. Und um ihren geliebten Garten kann sie sich schon lange nicht mehr kümmern. Leota bittet bei einer gemeinnützigen Organisation um eine Haushaltshilfe und bekommt den Studenten Corban Solsek zur Seite gestellt.
Corban geht nicht ganz uneigennützig zu Leota, er braucht für seine Semesterarbeit in Soziologie dringend eine ergänzende Fallstudie und hofft auf die Unterstützung der alten Dame.

Nora Gaines hat das Leben ihrer Tochter Annie perfekt geplant. Doch die 18-jährige will sich nicht mehr gängeln lassen und beginnt zu Noras großem Entsetzen, ihre eigenen Pläne zu verwirklichen. Neben einem Kunststudium ist es Annie besonders wichtig, endlich ihre Großmutter Leota besser kennenzulernen…

„Leotas Garten“ ist eine fesselnde Familiengeschichte voller Emotionen. Francine Rivers erzählt sehr intensiv, sie geht auf alle Ereignisse und Charaktere sowie deren Probleme genau ein und kann die Gedanken und Gefühle der Protagonisten ausgezeichnet darstellen - man ist als Leser sofort mittendrin im Geschehen.

Die Beziehungen der einzelnen Akteure zueinander sind ganz unterschiedlich.
Mit Leota und Corban prallen zwei Welten aufeinander, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Er hält sie für eine alte Hexe, sie ihn für einen Schwätzer. Francine Rivers gestaltet diesen Part der Geschichte sehr humorvoll, die Dialoge der beiden sind einfach herrlich.
Die erste Begegnung von Leota und Annie ist sehr bewegend. Das Miteinander der beiden Frauen ist herzlich und liebevoll und man kann wunderbar nachempfinden, wie gut Oma und Enkelin die gemeinsame Zeit tut.
Das Mutter-Tochter-Verhältnis zwischen Leota und Nora ist alles andere als harmonisch und seit vielen Jahren geprägt von Missverständnissen und Meinungsverschiedenheiten. Während Leota ein altes Geheimnis hütet, hegt Nora einen tiefen Groll gegen ihre Mutter und sieht in Leota nur die Frau, die sich nicht um ihre Kinder gekümmert hat.
Und auch die Beziehung zwischen Annie und Nora ist kompliziert. Nora hat Annies Lebensweg genau festgelegt und erwartet, dass ihre Tochter ausschließlich nach ihrer Pfeife tanzt. Doch Annie hat das Bevormunden satt und möchte ihren eigenen Weg gehen. Gleichzeitig möchte Annie herausfinden, warum ihre Mutter so rechthaberisch und verbissen ist.

Mit Annie kommt sehr viel Lebensfreude und positive Energie in Leotas Haus. Der Garten erblüht nach und nach zu neuem Leben. Und Leota findet im Verlauf der Handlung den Mut, die Wahrheit über die viele Jahre zurückliegenden Ereignisse preiszugeben. Dennoch scheint eine Versöhnung zwischen Leota und Nora in weiter Ferne zu liegen.

Der christliche Glaube spielt in dieser Geschichte eine wichtige Rolle. Besonders Leota und Annie halten oft Zwiesprache mit Gott.

„Leotas Garten“ ist eine Familiengeschichte voller Licht und Schatten. Fesselnd, gefühlvoll und immer wieder zum Nachdenken anregend.

Bewertung vom 01.03.2016
Lucy fliegt
Piuk, Petra

Lucy fliegt


ausgezeichnet

Die 23-jährige Lucy will eine berühmte Schauspielerin werden. Hollywood ist ihr Ziel. Und ein Oscar für die beste weibliche Hauptrolle darf natürlich auch nicht fehlen. Lucy weiß, dass sie es schaffen kann und ist bereit für ihren Lebenstraum alles zu tun. Sie steigt trotz ihrer Flugangst in ein Flugzeug und los geht’s…

In „Lucy fliegt“ wartet Petra Piuk mit einem sehr ungewöhnlichen Schreibstil auf. Sie legt Lucy unvollständige Sätze in den Mund. Anfangs befremdlich, fühlt sich dieser Stil aber schon nach wenigen Seiten richtig an. Er passt zu Lucy und zu ihrer Geschichte, denn Lucy, die eigentlich Linda heißt, scheint manche Gedanken nicht wirklich zu Ende zu denken.

Lucy wirkt zunächst sehr lustig. Man schmunzelt über ihre Pläne und ihre wenig durchdachten Aktionen, lacht über die naive Art und Weise, wie sie sich ihr Leben ausmalt.
Doch nach und nach wird klar, dass hier kaum etwas lustig ist. Während Lucy im Flugzeug sitzt, erzählt sie aus ihrem Leben – diese Rückblenden werden im Verlauf der Geschichte immer häufiger und dramatischer.
Mit jeder gelesenen Seite wird deutlicher, dass Lucy die Realität aus den Augen verloren hat, in einer Traumwelt gefangen ist und keinerlei Selbstwertgefühl hat. Lucy ist eine junge Frau, der es von Kindesbeinen an an Liebe und Anerkennung gemangelt hat – ein Mangel, den sie durch die Verwirklichung ihrer abgedrehten Träumereien auszugleichen versucht. Sie wünscht sich, dass alle zu ihr aufschauen und sie bewundern. Für dieses Ziel macht sie alles. Dass sie nur ausgenutzt, belächelt, verschaukelt und verspottet wird, registriert sie zwar, schiebt die Bosheiten aber beiseite und ist sich sicher, dass sie es allen zeigen wird. Sie landet in einer Casting-Show. Wird für eine quotenträchtige Geschichte gedemütigt und rutscht unaufhaltsam auf einen Abgrund zu…

„Lucy fliegt“ erzählt die Geschichte einer jungen Frau, die in ihre eigene Realität flüchtet und aus dieser Parallelwelt nicht wieder herausfindet. Ein großartiger, sehr bewegender Roman. Absolute Leseempfehlung!

Bewertung vom 01.03.2016
Ich bin dann mal ganz anders
Schreiner, Jennifer

Ich bin dann mal ganz anders


gut

Die 28-jährige Studentin Anna wirkt auf den ersten Blick chaotisch und tollpatschig. Ihr Selbstwertgefühl ist im Keller – kein Wunder, hat sie doch eine perfekte Schwester, der einfach alles zu gelingen scheint. Fettnäpfchen-Hüpferin Anna beschließt daher, dass eine neue Identität her muss. Sie stülpt sich kurzerhand Perücken auf den Kopf und kreiert sich so zwei zusätzliche Leben – grandiose Idee oder größtes Fettnäpfchen aller Zeiten?

„Ich bin dann mal ganz anders“ ist frisch-fröhlich geschrieben und kommt humorvoll und mit einer guten Portion Romantik daher. Annas Perücken-Persönlichkeitswechselspiel steckt voller Situationskomik.

Was anfangs noch witzig ist und mich gut unterhalten hat, wird irgendwann zu einem Kuddelmuddel, das ich nicht mehr durchschaut habe. Anna geht es ähnlich, nach und nach wächst ihr ihr Identitäten-Hin-und-Her über den perückten Kopf und alles endet mit einem großen Knall.

Die große Frage: Macht eine andere Haarfarbe/eine Perücke einen neuen Menschen? Bei Anna wirkt es und ich vermute sogar, dass man sich tatsächlich für kurze Zeit selbst täuschen kann, aber es scheint mir unmöglich, alle anderen mit diesem Wechselspiel zu übertölpeln. Genau das ist es aber, was in dieser Geschichte passiert, selbst Mutter und Schwester fallen bis zum Schluss auf Annas kleine Maskerade herein – dadurch wird die Handlung leider sehr unglaubwürdig.

„Ich bin dann mal ganz anders“ ist eine turbulente Komödie, die mir insgesamt zu überdreht und zu unrealistisch war.