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⇢ Ich bin: Ex-Buchhändlerin, Leseratte, seit 2012 Buchbloggerin, vielseitig interessiert und chronisch neugierig. Bevorzugt lese ich das Genre Gegenwartsliteratur, bin aber auch in anderen Genres unterwegs. ⇢ 2020 und 2021: Teil der Jury des Buchpreises "Das Debüt" ⇢ 2022: Offizielle Buchpreisbloggerin des Deutschen Buchpreises

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Insgesamt 735 Bewertungen
Bewertung vom 28.09.2014
Die Überlebenden Bd.1
Bracken, Alexandra

Die Überlebenden Bd.1


ausgezeichnet

Klar gibt es schon Bücher, in denen ein Virus einen Großteil der Menschheit ausrottet, und auch die Idee, dass die Überlebenden spezielle Fähigkeiten entwickeln, ist nicht ganz neu. Aber alleine schon die Tatsache, dass hier ausschließlich Kinder betroffen sind, ergibt eine ganz andere Grundlage und wirft viele ethische, moralische und soziale Fragen auf. Wenn das eigene Kind plötzlich das Unbekannte und sogar Bedrohliche verkörpert, kann elterliche Liebe gegen instinktive Angst bestehen? Hat der Staat das Recht, eine ganze Generation von Kindern einfach in Lager einzusperren, statt nach Möglichkeiten zu suchen, sie als vollwertige Mitglieder der Gesellschaft in die Zukunft des Landes einzubeziehen? Wie soll es überhaupt weitergehen nach einer solchen Katastrophe, bei der beinahe alle Eltern das Kostbarste verloren haben, was sie hatten - ihre Kinder?

Am Anfang tat ich mich schwer damit, zu akzeptieren, dass es tatsächlich so ablaufen könnte. Dass Eltern ihre Söhne und Töchter einfach so einliefern, dass ein Staat die nächste Generation von Steuerzahlern und Arbeitskräften einfach so abschreiben, dass die meisten Menschen nur noch mit Angst und Abscheu auf unschuldige, schutzbedürftige Kinder blicken würden. Dass es in den Lagern zu derlei sadistischen, unmenschlichen Vorkommnissen kommen könnte.

Aber dann haben mich die Lager, in denen die Kinder leben, mit einem Gefühl des Grauens an die KZs des dritten Reiches erinnert. Und ist das nicht schon die Antwort auf all diese Fragen?

Die Charaktere fand ich großartig, vor allem Ruby, die Protagonistin. Sechs Jahre hat sie im Lager verbracht. Sechs Jahre, in denen sie keine Schulbildung erhalten hat und stattdessen harte Arbeit verrichten musste. Sechs Jahre, in denen es ihr strengstens verboten war, andere Menschen anzufassen oder den Aufsehern auch nur in die Augen zu blicken. Und trotzdem ist sie nicht gebrochen - traumatisiert und emotional verwundet, ja, aber sie hat immer noch Lebenswillen und Mut.

Auch die anderen Charaktere haben mich voll überzeugt. Da ist z.B. die kleine Suzume, die seit ihrer Zeit im Lager nicht mehr spricht, die aber im Herzen trotzdem immer noch ein Kind ist, das spielen und hübsche Kleider tragen will. Oder der misstrauische Chubs ("Dickerchen"), der alles andere als dick ist, dafür aber Bücher verschlingt, wenn er sie denn bekommen kann. Und Liam, der Suzume und Chubs beschützt, weil es einfach in seiner Natur liegt, sich um Menschen zu kümmern.

Die zusammengewürfelte kleine Familie der Protagonisten begibt sich schließlich auf die Suche nach dem "Flüchtling", dem geheimnisvollen Anführer einer Gruppe von Überlebenden, die angeblich irgendwo gut versteckt in Freiheit leben. Und diese gefährliche Reise, auf der sie sich durch eine zerbrochene Welt kämpfen müssen, war für mich von Anfang bis Ende spannend. Zum einen, weil sie mit allen möglichen Gefahren zu tun bekommen und ständig in Lebensgefahr schweben, und zum anderen, weil ich es faszinierend fand, Ruby dabei zuzusehen, wie sie sich entwickelt.

Der Schreibstil schafft es dabei, einerseits glaubhaft die Gedanken dieses Mädchens zu vermitteln, das die für die Entwicklung wichtigsten Jahre seiner Kindheit ohne Förderung und ohne Schulbildung verbracht hat, und andererseits mit sparsam eingesetzten Bildern das Bild einer Welt am Abgrund zu zeichnen. Gewalt wird zwar nicht ausgeklammert und durchaus explizit beschrieben, aber auch nicht in blutrünstigen Details sensationsgeil ausgeschlachtet - eine Gratwanderung, die der Autorin gut gelingt.

Fazit:
Nach anfänglicher Skepsis bin ich schnell in diese beklemmende Dystopie eingetaucht, die einerseits die Geschichte eines Mädchens erzählt, das gegen alle Widerstände einfach nur leben will, und dabei nebenher eine Menge moralischer Fragen aufwirft. Meiner Meinung nach ist das spannende, intelligente Unterhaltung nicht nur für Jugendliche.

Bewertung vom 22.09.2014
Vergiss mein nicht / The Gifted Bd.1
Barnes, Jennifer Lynn

Vergiss mein nicht / The Gifted Bd.1


sehr gut

Seit ein paar Jahren erfreut sich eine ganz bestimmte Art von Jugendthriller zunehmender Beliebtheit: Jugendliche als Spione, Jugendliche als Profikiller, Jugendliche als versteckte Ermittler... Hier sind es Jugendliche mit außergewöhnlichen Begabungen, die vom FBI zu hoch spezialisierten Agenten ausgebildet werden. So originell ist die Grundidee also nicht! Aber Jennifer Lynn Barnes macht daraus ein spannendes Buch, das keineswegs in der Flut solcher Bücher untergeht, sondern sich durch interessante Charaktere, einen angenehmen Schreibstil und viele unerwartete Wendungen hervortut.

Im Mittelpunkt der Geschichte stehen fünf Jugendliche mit ganz unterschiedlichen Begabungen - Cassie, Dean, Michael, Lia und Sloane, Naturtalente der Verbrechensbekämpfung. Sie sind Profiler, menschliche Lügendetektoren, Empathen und mathematische Wunderkinder; sie wissen und können instinktiv, wofür Agenten normalerweise über Jahre hinweg ausgebildet werden.

Alle fünf sind starke Charaktere mit ausgeprägten Eigenheiten, so dass man als Leser direkt ein gutes Gespür für sie bekommt. Und alle fünf haben sozusagen ihre Leichen im Keller, die sie im Prinzip zu dem gemacht haben, was sie sind. Ich habe sie wirklich ins Herz geschlossen (die Jugendlichen, nicht die Leichen) und gerne über sie gelesen, und ich fand besonders die Szenen faszinierend, in denen wir sie bei der Anwendung ihrer Talente beobachten. So unterschiedlich sie sind, merkt man doch schnell, dass sie das Potential haben, zusammen ein unschlagbares Team zu bilden - wenn sie sich nicht vorher an die Gurgel gehen! Denn natürlich gibt es Spannungen, wenn man einen Haufen Teenager in einem Haus zusammenpfercht, vor allem Teenager wie diese, die sich zum Teil benehmen wie jugendliche Versionen von Sherlock Holmes.

Meiner Meinung hat die Autorin genau das richtige Tempo für die Geschichte gewählt. Man wird erstmal mitten reingeschmissen, ja, aber dann entwickeln sich die Dinge doch langsam genug, dass man in Ruhe die Charaktere kennenlernen und das Wichtigste über die Grundsituation erfahren kann, bevor es dann richtig losgeht. Danach bleibt es spannend bis zum fulminanten Ende! Sehr interessant fand ich die Idee, zwischen den Kapiteln immer wieder den Mörder zu Wort kommen zu lassen - gruselig... Erst ganz kurz vor Schluss hatte ich so eine gewisse Ahnung, wer der Täter sein könnte, aber vorhersehbar würde ich das auf keinen Fall nennen!

Der Schreibstil hat mir gut gefallen, obwohl er eher einfach ist. Mal witzig und dann wieder beklemmend, oft bildreich und gelegentlich nüchtern... Aber immer in lockerer Umgangssprache, als würde Cassie die Geschichte einer Freundin erzählen. Das liest sich flüssig, ist für mich aber nicht sonderlich herausragend.

Die Mischung aus Thriller, Jugendroman und ein bisschen Liebesgeschichte hat mir gut gefallen, nur eine Sache hat mich zur Verzweiflung gebracht: die unvermeidliche Dreiecksgeschichte. Liebe Autorinnen, muss das sein? Muss die junge Heldin denn immer zwischen zwei Jungs stehen, wovon der eine grundsätzlich der Mr. Nice Guy ist und der andere der Bad Boy? Ehrlich, das ist für mich inzwischen ein solches Klischee... Aber wenigstens hält es sich hier noch in erträglichen Grenzen, und eigentlich mag ich ja auch sowohl Michael als auch Dean - nur habe ich mir oft gewünscht, Cassie würde sich ein für allemal entscheiden, vielen Dank.

Fazit:
Junge Wunderkinder werden vom FBI zu Agenten ausgebildet und geraten früher als erwartet in ihren ersten echten Fall. Das ist richtig spannend, und besonders die Charaktere haben mir wunderbar gefallen! Die sind nämlich nicht nur sympathisch, sondern auch außergewöhnlich und trotz aller herausragenden Begabungen glaubhaft. Der Schreibstil liest sich gut runter, auch wenn für mich nichts wirklich Besonderes war. Ich hätte gerne auf die Liebesgeschichte verzichtet (oder zumindest darauf, dass Cassie sich nicht entscheiden kann), das Buch ist aber für mich dennoch eine klare Leseempfehlung!

Bewertung vom 21.09.2014
Jump / Das Spiel Bd.1
Silver, Eve

Jump / Das Spiel Bd.1


sehr gut

Jugendliche, die nach ihrem Tod wiederbelebt werden und in einem grausamen "Spiel" gegen Außerirdische kämpfen müssen? Sowas hab ich ja noch nie gelesen! Für mich war das definitiv eine ganze neue, originelle, interessante Idee, denn so habe ich mir das Leben nach dem Tode nun wirklich nie vorgestellt... Volle Punktzahl für Originalität!

Am Anfang dachte ich mir noch: das macht doch irgendwie keinen Sinn. Wenn Außerirdische die Erde bedrohen, warum sollte man dann ausgerechnet untrainierte Kinder und Jugendliche in den Kampf gegen sie schicken - warum nicht erfahrene Soldaten oder Polizisten oder Kampfsportler oder wen auch immer? Warum wenden sich die Leute, die von dieser Bedrohung wissen, nicht an die Regierung oder die Öffentlichkeit? Es gab für mich auch noch eine Reihe anderer Dinge, die mir erst wie Ungereimtheiten vorkamen. Aber gegen Ende des Buches hat die Autorin tatsächlich noch die meisten meiner Fragen beantwortet, und das meiner Meinung nach schlüssig und glaubwürdig.

Die Geschichte liest sich sehr spannend, und Actionszenen gibt es wirklich nicht zu knapp! Das Tempo ist meist rasant, die Autorin gönnt ihren Charakteren und dem Leser nur wenige Verschnaufpausen... Da könnte man glatt vermuten, dass Anspruch und Tiefgang dabei gegen 0 gehen, aber das Buch ist bei aller Action doch intelligent geschrieben.

Einen ganz kleinen Abzug würde ich in der Kategorie Spannung dafür geben, dass ich die ein oder andere dramatische Entwicklung etwas vorhersehbar fand.

Die Geschichte konzentriert sich vor allem auf Miki Jones, Jackson Tates und Luka Vujic. Alle drei sind tot, natürlich, aber aus ganz unterschiedlichen Ursachen, mit ganz unterschiedlichen Hintergrundgeschichten. Dabei ist es Miki, durch deren Augen wir die Geschichte sehen, und sie ist eine Figur, mit der man schnell mitfühlen kann. Sie ist clever, loyal, mutig und kann ganz schön selbstlos sein, und dabei ist sie doch das ganz normale Mädchen von nebenan, mit dem man gerne befreundet wäre. Jackson ist dagegen ein echtes Rätsel. Meist ist er unnahbar, beinahe schon arrogant, scheinbar skrupellos - und dann tut er wiederum etwas, das so gar nicht in dieses Bild passt. Er ist in dieser Geschichte der Bad Boy, und natürlich fühlt sich Miki schnell von ihm angezogen - aber auch Luka ist ihr nicht gleichgültig. Der ist ein netter Kerl, der im Spiel auch an andere denkt, obwohl ihn das selber in Gefahr bringt, und den man einfach mögen muss.

Ihr seht schon, worauf das hinausläuft: ja, es gibt eine Dreiecksgeschichte. Leider! Ich bin einfach kein Fan des typischen Schemas: ein Mädchen, zwei Jungs, wobei einer immer der Bad Boy ist und der andere der nette Kerl. Bei so einem originellen Buch hätte ich mir auch eine originellere Liebesgeschichte gewünscht! Aber ansprechend geschrieben sind die romantischen Szenen schon, und ich denke, sie machen das Buch auch für junge Mädchen attraktiv.

Apropros ansprechend geschrieben: der Schreibstil gefiel mir sehr gut, und zwar sowohl in den rasanten Kampfszenen als auch in langsameren, nachdenklicheren Szenen. Die Autorin verwendet tolle Bilder und Metaphern, die viel Atmosphäre und Zauber in die Geschichte bringen. Meiner Meinung nach ein besonderes Kunststück: obwohl Miki uns von Außerirdischen und tödlichen Spielen erzählt, kauft man ihr ab, dass sie einfach nur ein normales Mädchen ist - weil die Sprache zwar schön ist, aber dennoch nach einem echten Teenager klingt.

Fazit:
Ich war beinahe überrascht darüber, wie gut mir dieses Buch gefallen hat! Denn die Story klingt nach einem Science-Fiction-Actionfilm (tote Jugendliche werden wiederbelebt und müssen die Welt vor Außerirdischen retten), ist dabei aber intelligent geschrieben und hat auch nicht nur platte Kampf- und Krawummszenen zu bieten, sondern auch glaubwürdige Charaktere, intelligente Ideen und ein bisschen Romantik. Von mir eine ganz klare Leseempfehlung!

Bewertung vom 16.09.2014
Soyala / Etenya Saga Bd.1
Leuders, Susanne

Soyala / Etenya Saga Bd.1


ausgezeichnet

Der Schreibstil hat mich von der ersten Seite an verzaubert und mühelos in die faszinierende, vielschichtige Welt von Etenya gezogen. Kaum zu glauben, dass dieses Buch ein Debütroman ist! Ich fand es wunderbar geschrieben, mit genau dem richtigen Takt und Tempo, und mit viel Liebe zum fantasievollen Detail. Die Autorin lässt die Szenen bildreich vor dem inneren Auge auferstehen, das war für mich Kopfkino vom Feinsten.

Besonders die romantischen Szenen fand ich wunderschön und emotional! Dabei ist es mir nie zuviel geworden, also: zu kitschig, zu sehr auf die Tränendrüse oder zu abgedroschen. Wahrscheinlich, weil Susanne Leuders zwar nicht geizt mit dem ganzen Gefühlschaos, dem Herzklopfen und dem himmelhochjauchzenden Glück der ersten großen Liebe, Olivia und Lenno aber trotzdem glaubwürdige, "echte" junge Leute bleiben, mit Schwächen und Fehlern, Ängsten, Träumen und Hoffnungen.

Sowieso fand ich die Charaktere sehr gelungen. Olivia und Lenno könnten eigentlich unterschiedlicher nicht sein. Olivia ist eine ganz normale (wenn auch musisch sehr begabte) 17-Jährige, die sich nicht nur mit der manchmal ätzenden Schule rumschlagen muss, sondern auch mit der Scheidung ihrer Eltern und der resultierenden Patchworkfamilie. Lenno dagegen hat ein ganz anderes Leben geführt, dass alles andere als "normal" war. Schon seit frühester Kindheit weiß er von der Prophezeiung, die nicht nur sein eigenes Schicksal bestimmt sondern das Schicksal all derer, die ihm wichtig sind. Damit lastete auf ihm schon früh eine enorme Verantwortung. Und trotzdem ergänzen die beiden sich perfekt! Bei vielen romantischen Fantasygeschichten kann ich nicht nachvollziehen, warum die Heldin sich in den Held verliebt (abgesehen von dessem atemberaubenden Aussehen), aber hier konnte ich das problemlos.

Die Autorin bringt eine Menge origineller Ideen ein und erfindet ihre eigenen Mythen und mythologischen Wesen, statt nur auf die bekannten zurückzugreifen. Verraten möchte ich noch nichts, aber ich hatte immer das Gefühl, etwas ganz Eigenes, Unverbrauchtes zu lesen! Und ich war sehr beeindruckt davon, wie souverän Susanne Leuders dem Leser hier eine komplexe, stimmige Welt präsentiert - da kam mir alles sehr durchdacht und ausgeklügelt vor!

Spannend fand ich die Geschichte dabei auch, denn als Leser will man so vieles wissen: was es mit der Prophezeiung auf sich hat, ob Lennos und Olivias Liebe eine Zukunft haben kann, was die "Bösen" eigentlich wollen... Außerdem gibt es viele Überraschungen und eine ganze Menge gefährlicher oder sogar lebensbedrohlicher Situationen. Besonders Olivia muss Erfahrungen machen, die sie an ihre Grenzen bringen!

Ein winziger Kritikpunkt war für mich, dass ich nicht immer 100%ig nachvollziehen konnte, warum jemand so handelt, wie er handelt. Aber manchmal war mir etwas auch erst unverständlich, und ein paar Kapitel später geschah dann doch noch etwas, was Licht ins Dunkel brachte! Außerdem vermute ich stark, dass vieles sich erst in Band 2 oder 3 aufklären wird - und das ist ja eigentlich auch gut so, denn so bleibt es spannend.

Fazit:
"Soyala" ist romantische Fantasy vom Feinsten, für junge und junggebliebene LeserInnen. Eine junge Liebe verbindet Olivia und Lenno, und eine alte Prophezeiung wirft sie mitten in ein schicksalsschweres, lebensgefährliches Abenteuer, das eine Welt retten oder zerstören könnte... Wunderbar geschrieben, originell und spannend - für mich ist das Buch ein ganz klarer Beweis dafür, dass auch kleine Verlage großartige Bücher herausbringen können!

Bewertung vom 13.09.2014
Monsieur Blake und der Zauber der Liebe
Legardinier, Gilles

Monsieur Blake und der Zauber der Liebe


gut

Der Klappentext klang schon sehr charmant und vielversprechend: nach der herzerwärmenden Geschichte eines alten Mannes, der seinen Lebensabend dazu nutzt, anderen Menschen mit ihren Problemen zu helfen und ihr Leben zu bereichern, und dabei ganz nebenbei selbst wieder die Freude am Leben entdeckt.

Und eigentlich bietet das Buch auch genau das! Jeder der Bewohner des Herrenhauses kämpft mit Sorgen, Zweifeln, Ängsten und heimlichen Wünschen, und ihnen allen steht Andrew forsch und auf oft unkonventionelle Art zur Seite. Er tut, was immer erforderlich ist - ob er sich jetzt als Frau verkleiden, einem Kind das Rechnen beibringen oder gar das Gesetz mit Füßen treten muss... Aber leider, leider hat das Buch sich nicht so mühelos in mein Herz geschlichen, wie Monsieur Blake das bei seiner neuen Arbeitgeberin und seinen schrulligen Kollegen schafft.

Vieles schien mir relativ vorhersehbar - und von dem, was mich überraschte, fand ich manches nicht glaubwürdig, besonders gegen Ende der Geschichte. Vielleicht habe ich von dem Buch zuviel Realismus erwartet und hätte mich eher darauf einlassen sollen wie auf ein modernes Märchen, aber das fiel mir leider schwer und dementsprechend kam bei mir keine rechte Spannung oder Leselust auf.

Die Protagonisten waren durchaus interessant und sympathisch, aber aus irgendeinem Grund haben sie mich nicht wirklich emotional packen können. Gerade in den Dialogen hatte ich immer wieder das Gefühl, dass ich die individuelle "Stimme" eines Charakters einfach nicht heraushören konnte, trotz all ihrer kleinen Macken und Schrullen und Eigenheiten. Odile, zum Beispiel: der Autor zeigt mir diese resolute Köchin mit dem unwirschen Ton und dem goldenen Herzen, mit ihrer herzlichen Liebe zu ihrer Katze, mit ihrer furchtbaren Phobie vor Spinnen und Mäusen... Und dennoch, trotz aller Liebe zum Detail, bin ich nicht vollends mit ihr warmgeworden.

Der Schreibstil ist angenehm zu lesen, man kann sich die beschriebenen Szenen gut vorstellen, und der Autor schildert die Geschehnisse bildreich, aber nicht überfrachtet. Nur manchmal waren eine Szene oder ein Dialog für meinen Geschmack zu kitschig oder rührselig, und ehrlich gesagt erschienen mir manche von Blakes Lebensweisheiten etwas klischeehaft. Aber auch das lag vielleicht daran, dass ich meine (unangebrachte?) Skepsis nicht über Bord werfen konnte... Jedenfalls bietet das Buch eine gute Dosis Romantik, wobei hier erfrischenderweise Liebende jeden Alters und jedes Standes zueinander finden.

Gilles Legardinier erzählt die Geschichte von Monsieur Blake mit viel Humor, manchmal bitterböse und schwarz, manchmal beinahe albern und mit mehr als einer Prise Slapstick. Und so leid es mir tut, auch der Humor hat mich nicht wirklich angesprochen, sondern wirkte auf mich eher bemüht und überzogen. Aber ich denke, von allen Dingen, die man an einem Buch mögen oder nicht mögen kann, ist Humor wahrscheinlich am allerdeutlichsten Geschmacksache!

Ich will mit meiner Kritik nicht sagen, dass das Buch schlecht geschrieben ist; ich bin mir sogar sicher, dass es dem Leser, der sich besser darauf einlassen kann als ich, viel zu bieten hat! Manchmal passen Leser und Buch einfach nicht zusammen, und das muss nicht unbedingt immer am Buch liegen.

Fazit:
Leider fand ich zu Geschichte und Charakteren keinen rechten Zugang, würde aber deswegen nicht sagen, dass es ein schlechtes Buch ist - nur leider nicht das richtige Buch für mich persönlich. Wer eine märchenhafte Geschichte voller Romantik, Herzschmerz und rührenden Lebensweisheiten sucht, mit viel Humor, schrulligen Charakteren und den aberwitzigsten Ereignissen, könnte hier voll auf seine Kosten kommen. Deswegen würde ich auf jeden Fall die Leseprobe empfehlen!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 12.09.2014
Hummeln im Herzen
Hülsmann, Petra

Hummeln im Herzen


ausgezeichnet

Das Buch ist rappelvoll mit lebendigen, glaubhaften, knallbunten, dreidimensionalen Charakteren, die alle ihre kleinen Macken und Schwächen haben, aber (meist) auch ihre liebenswerten Seiten. Sogar die Nebencharaktere, wie der kauzige Taxifahrer Knut, wirken einfach total echt und bringen zusätzlichen Pfiff in die Geschichte! Aber die dreht sich vor allem um Lena und Ben.

Lena ist grundsympathisch - genau die Art Frau, die man gerne zur besten Freundin hätte. Nein, sie ist sicher nicht perfekt! Sie tappt von einem Fettnäpfchen ins nächste, ihr passieren ständig die unmöglichsten, peinlichsten Dinge, sie hat einen Ordnungsfimmel und muss alles bis ins Kleinste durchplanen - und ihre Mitmenschen werfen ihr nicht ganz grundlos vor, dass sie nicht in die Gänge kommt... Aber als Leser beschleicht einen schnell der Verdacht, dass letzteres vor allem daran liegt, dass sie bisher ihr Leben eher danach gelebt hat, was andere Menschen von ihr erwarten, und nicht danach, was sie selber wirklich will. Und so schaut man ihr gerne dabei zu, wie sie wildentschlossen an sich, ihren Karriereplänen und ihrem Liebesleben arbeitet - und dabei in die ein oder andere Sackgasse gerät, bevor sie letztendlich ihren Weg findet.

Und dann gibt es da natürlich Ben. Ben, den Frauenheld, der jede Woche eine Andere hat. Ben, den Lena schon in der Grundschule angehimmelt hat. Ben, mit dem sie sich inzwischen keine fünf Minuten mehr unterhalten kann, ohne dass die Fetzen fliegen, und den sie um Gottes willen nicht attraktiv finden will... Anfangs war ich mir nicht sicher, ob ich Ben wirklich sympathisch finde, aber im Laufe des Buches lernt man auch seine (zahlreichen!) guten Seiten kennen.

Klar kann man sich als Leser direkt denken, dass zwischen den beiden sicher noch ganz andere Funken fliegen werden, aber es bleibt dennoch spannend! Denn es gibt viele Irrungen und Wirrungen, amoröse Eskapaden, One-Night-Stands und anderweitige Beziehungen, und meist umschifft die Autorin dabei gekonnt Kitsch und Rührseligkeit. Und wo sie den Kitsch zulässt, da fand ich ihn auch schön und passend und herzerwärmend - mal ehrlich, so ein bisschen Kitsch muss bei einem Liebesroman dann doch sein! Ob Lena und Ben sich am Schluss kriegen, oder ob sie doch mit anderen Partnern ihr Glück finden, das verrate ich natürlich noch nicht. Denn da gibt es Jan, den jungen Schriftsteller mit den tollen Augen, und Franziska, Bens große Liebe...

Fast noch schöner als die Handlungsstränge, die sich um romantische Dinge drehen, fand ich allerdings die vorsichtige Freundschaft, die zwischen Lena und dem alten Griesgram Otto entsteht, in dessen Buchhandlung sie einen Übergangsjob findet. Da hat die Autorin mir tatsächlich die ein oder andere Träne der Rührung entlockt! Einfach wunderschön... Überhaupt hat das Buch manchmal ganz ungeahnten Tiefgang und mehr als nur eine Prise Lebensweisheit, und dabei war es für mich ein absolutes Wohlfühlbuch, an dessen Ende ich mich ein Stückchen glücklicher fühlte als vorher. Für mich war es dadurch auch mehr als "nur" ein Liebesroman; eine grundoriginelle und ansprechende Variation der üblichen Liebesgeschichte mit viel Witz, Herz und Verstand.

Den Humor fand ich übrigens großartig - kein bisschen platt und abgedroschen, sondern wirklich witzig. Lena passieren die abstrusesten Dinge, und die Autorin schafft es, dass man beim Lesen nicht unbehagliches Fremdschämen empfindet, sondern erstmal lacht und Lena danach in den Arm nehmen möchte. Der Schreibstil ist sowieso sehr locker und unterhaltsam, und man fühlt sich wirklich so, als würde man einer Freundin zuhören, wie sie von ihren Abenteuern und Missgeschicken berichtet!

Fazit:
Eine Liebesgeschichte voller Humor, romantischer Sackgassen und unerwarteter Wendungen - und ganz nebenher noch die Geschichte einer unwahrscheinlichen Freundschaft, die sich darum dreht, was im Leben wirklich wichtig ist.

5 von 5 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 10.09.2014
Zu schön, um tot zu sein
Mason, Simon

Zu schön, um tot zu sein


ausgezeichnet

Garvie Smith wird von seinen Freunden bewundernd "Sherlock" genannt - und tatsächlich hat er einiges gemein mit dem berühmten Meisterdetektiv! Garvie verfügt nicht nur über einen messerscharfen Verstand, ein fotographisches Gedächtnis und eine unglaubliche Beobachtungsgabe, sondern er teilt auch viele von Holmes' weniger positiven Eigenschaften.

Wenn sein Verstand nicht gerade herausgefordert und beschäftigt wird, verfällt der Junge in lethargische Faulheit, liegt stundenlang auf dem Bett und starrt an die Decke, und dann macht er sich auch nicht die Mühe, sich in die Schule zu schleppen - weswegen er trotz seiner herausragenden Intelligenz grottenschlechte Noten hat. Verfiel Sherlock Holmes nach einem Fall in diese träge Depression, griff er in den Originalgeschichten von Conan Doyle zu Kokain und Morphium; Garvie beschränkt sich auf Joints und Alkohol. Zu seinen Freunden zählen Jugendliche, die sich am Rande der Legalität bewegen, wie z.B. Drogendealer und angehende Meistereinbrecher.

Genau wie Holmes hat Garvie manchmal nur wenig Geduld mit den weniger intelligenten Menschen um ihn herum und erscheint dadurch arrogant, kann aber auch sehr charmant und einnehmend sein. Er ist also ganz sicher kein einfacher Mensch - aber ein großartiger Buchcharakter!

Auch die Nebencharaktere fand ich vielschichtig, glaubwürdig und interessant. Liebenswert und rührend ist zum Beispiel Taxifahrer Abdul, dem Garvies Mutter bei der Einwanderung geholfen hat und der Garvie seither loyal ergeben ist. Auch Detective Inspector Singh ist mir immer mehr ans Herz gewachsen - der bedauernswerte Ermittler, der kaum einen Schritt tun kann, ohne dass Garvie ihm bereits zuvorgekommen ist.

In Grunde ist DI Singh für Garvie, was Inspector Lestrade für Holmes war. Wenn ich allerdings bisher den Eindruck erweckt habe, dass Simon Mason eigentlich nur über eine schale Kopie von Sherlock Holmes schreibt, dann täuscht das. Denn ja, die Übereinstimmungen sind offensichtlich und sicher auch eine gewollte Hommage, aber Garvie ist dennoch ein ganz eigener, origineller Charakter, der seine ganz eigene, originelle Geschichte erlebt. Ich hatte nie den Eindruck, etwas zu lesen, was man schon tausendfach in anderen Krimis gelesen hat, im Gegenteil: ich fand das Buch erfrischend neu und anders.

Für Garvie ist der Fall anfangs wenig mehr als ein ein logisches Rätsel, eine Herausforderung für seinen Verstand. Dabei geht es hier um ein junges Mädchen, das ermordet wurde! Ein Mädchen, dass jeder kannte und anscheinend keiner mochte, und dessen große Träume und Hoffnungen nun damit enden, dass sie erwürgt aus einem Teich gefischt wird. Ich fand es sehr spannend mitzuverfolgen, wie auch Garvie nach und nach realisiert, dass das kein Spiel mehr ist, wie er Mitgefühl und Sympathie für das Opfer entwickelt... Und spannend war die Geschichte ohnehin, denn der Autor legt viele falsche Fährten und präsentiert dem Leser eine unerwartete Wendung nach der anderen! Immer, wenn man denkt, man hätte den Fall durchschaut, legt er die nächste Karte auf den Tisch und damit ändert sich wieder alles.

Der Schreibstil ist klar und eher einfach, aber dabei nicht langweilig. Diese Klarheit passt gut zu Garvies Art und Weise, zu denken, und dadurch bilden Schreibstil und Geschichte stets eine schlüssige Einheit. Manche Dialoge sind in Form von Vernehmungsprotokollen geschrieben, was den Fluss der Geschichte immer mal wieder auflockert und auch eine Spur von trockenem Humor hineinbringt.

Fazit:
Garvie Smith ermittelt in einem Mordfall - dabei ist er kein Polizist, sondern nur ein gelangweilter 16-jähriger mit dem Verstand von Sherlock Holmes, dem Charme von James Bond und dem ganzen verächtlichen Trotz eines von sich selbst überzeugten Teenagers. Und das Ganze liest sich wunderbar spannend und alles andere als vorhersehbar!

Bewertung vom 03.09.2014
Was tot ist
Bauer, Belinda

Was tot ist


ausgezeichnet

Was dieses Buch für mich so großartig macht, ist Patrick, um den sich der Großteil der Geschichte dreht.

Er hat das Asperger-Syndrom, eine Form von Autismus. Er kann nicht nachempfinden, was andere Menschen fühlen - es fällt ihm sogar schwer zu unterscheiden, ob jemand wütend ist oder traurig oder gleichgültig. Er weiß nicht, woran er erkennen soll, ob ihn jemand mag oder nicht, oder warum ihn das überhaupt interessieren sollte. Er kann es nicht ertragen, wenn ihn jemand anfasst.

Der einzige Mensch, der ihm jemals wirklich etwas bedeutet hat, war sein Vater, und der ist tot. Warum? "Deinetwegen! Deinetwegen!", hat die Mutter damals geheult. Er war 7 Jahre alt, und jeder sprach darüber, wie traurig es sei, dass er seinen Vater verloren habe. Aber verlorene Dinge kann man wiederfinden, oder nicht? Sie sind ja nicht weg, nur... Woanders. Versteckt.

Und seitdem ist Patrick besessen vom Tod. Oder eher vom Übergang zwischen Leben und Tod. Er will wissen, wohin die Seele geht, wenn sie den Körper verlässt, und diese Suche nach Antworten bestimmt sein Leben. In den Anatomie-Kurs der Universität hat er es nur über die Behindertenquote geschafft, obwohl er intelligent und geschickt ist, aber er hofft, hier endlich die Antworten zu finden. Sie vielleicht in den Windungen des Gehirns zu entdecken, oder den blutigen Kammern des Herzens.

Der Mordfall, den er zufällig an einer Kleinigkeit erkennt, verändert für ihn alles. Seine Suche ist auf einmal zweitrangig. Er hat ein Ziel, und für dieses Ziel springt er sogar über seinen Schatten und versucht, mit Menschen zu kommunizieren, sie zu verstehen und ihnen zu helfen. Und es ist großartig, dabei zuzusehen, wie er an diesem Ziel wächst - wobei die Autorin dennoch realistisch bleibt, was seine Möglichkeiten und sein Verhalten betrifft.

Etwa die Hälfte der Handlung wird aus Sicht eines anderen Charakters beschrieben: Sam Galen, der gerade aus dem Koma erwacht ist und hilflos lallend und so gut wie bewegungslos in der Komastation liegt - wo eine Frau an seinem Bett sitzt, die behauptet, seine Ehefrau zu sein, aber das kann nicht sein...? Auch Sam wurde mir schnell sympathisch und ich habe sehr mit ihm mitgelitten. Das Geschehen rund um Sam und die Geschichte von Patrick scheinen erstmal nichts miteinander zu tun zu haben, aber natürlich passen die Puzzleteilchen am Schluss doch zusammen.

Die Geschichte blieb für mich von der ersten bis zur letzten Seite spannend - nicht nur, weil ich wissen wollte, wer der Mörder ist und warum er gemordet hat, sondern weil ich sehen wollte, wohin diese Reise Patrick und Sam führt. Die Autorin schaffte es dabei immer wieder, mich mit unerwarteten Wendungen zu überraschen! Das Ende habe ich definitiv nicht kommen sehen - und vor allem nicht das Ende nach dem Ende, das alles über den Haufen wirft, was man zu wissen glaubte.

Auch der Schreibstil hat mich voll überzeugt! Er ist packend und spannend und schafft es ohne Melodrama, sowohl die schwierige mentale Welt von Patrick als auch die klaustrophobische Verzweiflung von Sam einzufangen.

Fazit:
Ein Thriller mit Tiefgang und einem ungewöhnlichen Helden, der auf der Suche nach dem Geheimnis des Todes ein Stück weit das Leben entdeckt. Ich fand das sehr spannend, unterhaltsam und bewegend!