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Havers
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Bewertungen

Insgesamt 1378 Bewertungen
Bewertung vom 20.01.2020
Heaven, My Home
Locke, Attica

Heaven, My Home


ausgezeichnet

Dieser zweite Band der Highway 59-Reihe mit Texas Ranger Darren Mathews schließt unmittelbar an das im vergangenen Jahr erschienene und mehrfach ausgezeichnete „Bluebird, Bluebird“ an. Wir schreiben das Jahr 2016, Trumps Wahl steht an und der Wind weht bereits rauer. Es gibt Übergriffe, Rassismus ist wieder hoffähig geworden.

Bei Mathews läuft es derzeit nicht rund. Da ist sein Alkoholproblem, seine Ehe geht den Bach runter und seine Mutter erpresst ihn, weil er einem Freund geholfen hat, ein Beweismittel verschwinden zu lassen (bereits in „Bluebird, Bluebird“ thematisiert).

Es laufen zwar noch immer Ermittlungen gegen die Arische Bruderschaft, aber im Wesentlichen arbeitet Mathews vom Schreibtisch aus. Da kommt ihm der Auftrag seines Chefs gerade recht. Angesetzt auf den Fall des verschwundenen Jungen eines ABT-Mitglieds, muss sich Mathews einmal mehr mit dem offen zu Schau gestellten Rassismus, der auch vor einem Ranger-Abzeichen nicht Halt macht, auseinandersetzen.

Leroy Page, ein alter Afroamerikaner, war der letzte, der den Jungen lebend gesehen hat. Er lebt in Hopetown, einer Kleinstadt im Niedergang, die zunehmend von „weißem Abschaum“ überschwemmt wird, die sich mit ihren Trailern auf seinem Land breitmachen. Sie sind unterversorgt, ihre Lebensbedingungen sind elend, ihr Einkommen generieren sie aus dem Drogenhandel. Verantwortlich machen sie dafür nicht den Deppen, den sie gewählt haben, sondern all diejenigen, denen es etwas besser geht und die eine andere Hautfarbe haben. Aber selbst unter letzteren ist es mit der Solidarität nicht weit her, was sich auch am Verhalten der „Natives“ zeigt, die in unmittelbarer Nähe des Städtchens leben. Und dann gibt es noch Kompetenzgerangel zwischen den ermittelnden Behörden. Das Sheriff's Department vor Ort ist wenig begeistert vom Auftauchen des Rangers, während dieser wiederum die Einlassungen des FBI in Gestalt seines Freundes Greg in Frage stellt. Alles ganz schön kompliziert, zumal auch Mathews sich der Frage stellen muss, inwieweit er ein Auge zudrücken würde, wenn es darum ginge, einen Afroamerikaner vor der Polizei zu schützen.

In „Heaven, my home“ thematisiert Locke nicht nur die über Jahrzehnte entstandenen kulturellen Verflechtungen und den Rassismus im Südwesten der Vereinigten Staaten. Es geht hier ebenso um Heimat und um Vertreibung, aber auch um Versöhnung und um Vergebung.

Das alles geschrieben in einer fast lyrischen Sprache, mit eindrucksvoll bildhaften Beschreibungen des Südens, die an James Lee Burke erinnern. Nie geschwätzig, immer auf den Punkt und mit großer Empathie für ihre Figuren, die sie dennoch nicht als strahlende Lichtgestalten präsentiert sondern in ihrer ganzen Zerissenheit zeigt. Ganz großes Kino – bitte mehr davon!

Bewertung vom 16.01.2020
Die Toten von Marnow / Ein Fall für Lona Mendt und Frank Elling Bd.1
Schmidt, Holger Karsten

Die Toten von Marnow / Ein Fall für Lona Mendt und Frank Elling Bd.1


sehr gut

„Die Toten von Marnow“ ist der Auftakt einer neuen Reihe von Holger Karsten Schmidt. Den Autor kennt man als Drehbuchschreiber (vor allem für diverse „Tatorte“, aber nicht nur) und unter seinem offenen Pseudonym Gil Ribeiro als Schöpfer der Fuseta-Krimis mit dem liebenswerten Autisten Leander Lost.

Nun also Marnow. Zwei Mordopfer, bei denen das Städtchen im Osten auf den ersten Blick die einzige Verbindung scheint. Betraut mit den Ermittlungen sind die beiden Kommissare der Rostocker Kripo, Frank Elling und Lona Mendt. Partner, wie sie gegensätzlicher nicht sein könnten. Elling, der typische Beamte, der seiner Familie jeden Wunsch von den Augen abliest und sich deshalb bis über beide Ohren verschuldet. Lona, die toughe Motorradfahrerin ohne feste Adresse, die in ihrem Wohnmobil lebt, aus Hannover nach Rostock versetzt und sehr zurückhaltend hinsichtlich ihrer Vergangenheit.

Ins Detail hinsichtlich der Handlung möchte ich nicht gehen. Nur so viel, die Menschen sterben wie die sprichwörtlichen Fliegen. Ihnen werden die Kehlen durchgeschnitten, die werden erschossen, sie ertrinken, und alle sind in irgendeiner Weise mit einem Kapitel der deutsch-deutschen Geschichte verbunden, in dem es - wie so oft - um immense Geldbeträge und den Verlust persönlicher Moral geht. Letzteres ist ein zentrales Thema in diesem Kriminalroman, denn auch „die Guten“ sehen sich Versuchungen ausgesetzt und müssen sich entscheiden.

Vor allem an den Beschreibungen merkt man den Drehbuchautor. Diese sind sehr detailliert, präzise und bildhaft, sowohl was Orte als auch Personen angeht. Die Story ist logisch aufgebaut und fesselt von Anfang an. Man will wissen, wer mit wem und warum und wie das alles zusammenhängt. Außerdem ist es höchst interessant, die Dynamik zwischen Elling und Mendt zu beobachten, die sich in ihrer Verschiedenheit wunderbar ergänzen. Den einen oder anderen Aspekt aus dem Privatleben, speziell bei Elling, hätte man nicht ganz so ausführlich behandeln müssen, aber da es der erste Band der Reihe ist, hat das durchaus seine Berechtigung. Unangenehm aufgefallen ist mir lediglich die Action-Sequenz zum Ende hin, die fand ich dann doch etwas übertrieben.

Ein lesenswerter Kriminalroman zu einen brisanten Thema, das uns zwar in die Vorwendezeit der deutsch-deutsche Geschichte zurückführt, aber dennoch bis heute, wenn man über den Tellerrand schaut, nichts von seiner Aktualität eingebüßt hat. Erschreckend.

Bewertung vom 05.01.2020
Tod eines Gentleman
Huang, Christopher

Tod eines Gentleman


sehr gut

1924. London in den „Goldenen Zwanzigern“. Der Erste Weltkrieg ist überstanden, die Heimkehrer versuchen, ihre traumatischen Erlebnisse hinter sich zu lassen und wieder einen Platz im Leben zu finden. Einigen gelingt es, wieder andere kämpfen tagtäglich mit ihren Verwundungen an Leib und Seele. Unabhängig vom sozialen Status.

So auch die Mitglieder des Gentleman’s Club „Britannia“, in dem die Kriegsveteranen aus gutem Hause ihre Zusammenkünfte pflegen. Doch das traute Beisammensein wird jäh unterbrochen, als ein Mitglied (im Nachgang zu einer Wette) erstochen im verschlossenen Tresorraum des Clubs aufgefunden wird. Und das wird nicht der einzige Mord bleiben.

Im Zentrum des Romans „Tod eines Gentleman“ steht Eric Peterkin, Engländer mit chinesischer Mutter, der sich aufgrund seiner Herkunft tagtäglich mit Vorurteilen und Diskriminierungen auseinandersetzen muss. Im Krieg „durfte“ er in Flandern für ein Land kämpfen, das ihn gering schätzt und nicht haben will. Ein Stachel im Fleisch der Clubmitglieder, und nur deshalb geduldet, weil einer seiner Vorfahren diesen gegründet hat. Als er dann auch noch alles daran setzt, unangenehme Fragen zu stellen, um den Täter ausfindig zu machen, zeigt deren Rassismus sein wahres Gesicht.

Es sind aktuelle Themen, die der Autor in dieser historischen Whodunit-Story beschreibt, und genau das macht den besonderen Reiz dieses Romans aus. Das „Stiff upper lip“ der englische Oberklasse, deren Alltagsrassismus, die posttraumatischen Belastungsstörungen der Kriegsheimkehrer und deren daraus resultierende Drogenabhängigkeit, all das arbeitet Christopher Huang stimmig und mit viel Fingerspitzengefühl in die Geschichte ein und macht damit „Tod eines Gentleman“ zu einem realistischen und entlarvendem Porträt moderner Gesellschaften.

Fans historischer Golden Age-Romane und englischer Krimis gleichermaßen empfohlen. Die Filmrechte sind bereits verkauft, wir dürfen auf die Umsetzung gespannt sein.

Bewertung vom 31.12.2019
1794 / Winge und Cardell ermitteln Bd.2
Natt och Dag, Niklas

1794 / Winge und Cardell ermitteln Bd.2


weniger gut

Wir schreiben das titelgebende Jahr „1794“, und noch immer haben die Menschen in Stockholm mit den Nachwirkungen des Schwedisch-Russischen Kriegs zu kämpfen. Die Lebensverhältnisse sind erbärmlich, Hunger und Entbehrung bestimmen den Alltag - zumindest den des einfachen Volkes. Die Wohlhabenden hingegen leben wie die Maden im Speck, scheren sich nicht um Anstand und Moral, geben ihren dunklen Trieben nach. Menschenleben zählen nichts. Männer werden geschunden, Frauen misshandelt. Unrat wohin man schaut. Und all das wird von dem Autor in epischer Breite und bis ins Detail geschildert.

Alles bereits aus dem Vorgänger „1793“ bekannt. Fast 600 Seiten, unterteilt in vier Abschnitte, die erst allmählich zusammenfinden. Und auch sonst bietet dieser Nachfolgeband kaum Neues. Selbst das Personal ist bis in die Nebenrollen fast gleich geblieben. Einen Neuzugang für den an Schwindsucht gestorbenen Cecil Winge gibt es allerdings. Emil, sein Bruder, taucht auf und unterstützt, wenigsten in Grundzügen, Mickel Cardell bei den Ermittlungen um den grausamen Tod einer jungen Frau, die offenbar in der Hochzeitsnacht von ihrem Bräutigam getötet wurde.

Der einzige interessante Aspekt ist meiner Meinung nach der Ausflug in die schwedische Kolonialgeschichte, ansonsten verharrt der Autor in den bekannten Mustern. Nichts Neues unter der Sonne, und mich beschleicht der Verdacht, dass hier ein gutes Pferd totgeritten wird. Schade!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 30.12.2019
Pinch of Nom
Allinson, Kate;Featherstone, Kay

Pinch of Nom


gut

Zwei englische Restaurantbetreiberinnen („Cromwells“ in Wallasey, Merseyside) wollen ihr Übergewicht reduzieren und sind mit den üblichen Diät-Vorschlägen nicht zufrieden. Also machen sie sich daran, eigene Rezepte zu entwickeln und diese auf ihrem Blog zu veröffentlichen. Das schlägt Wellen und innerhalb eines halben Jahres haben sie pro Monat ca. 60.000 Zugriffe. Es folgen Gruppen in den sozialen Medien und das Kochbuch „Pinch of Nom“, das sich mit über einer Million verkaufter Exemplare in Großbritannien zu einem Verkaufsschlager entwickelt.

Gegliedert sind die Rezepte in sieben Abschnitte: Frühstück, Fakeaways, Schnelle Mahlzeiten, Suppen und Eintöpfe, Heiß aus dem Ofen, Snacks und Beilagen und Süße Versuchungen, jeweils mit appetitanregenden Fotos, Kalorienangaben und Hinweisen versehen. Differenzierte Nährwertangaben hingegen fehlen.

Ich war/bin oft in Großbritannien unterwegs, und bereits die Einteilung erhärtet meine Vermutung, dass sich die Rezepte an englischen Ernährungsgewohnheiten orientieren. Kalorienreiche, überwiegend gekochte Gerichte bereits am frühen Morgen. Die Hauptgerichte lehnen sich an das klassische Pub- und Imbiss-Essen an und sind in ihren Imitationen der englischen Küchenklassiker meist ziemlich kohlenhydrat- und fleischlastig. Da hilft auch die Verwendung von kalorienreduzierten Tortillas, glutenfreien Brötchen und dubiosem Öl-Ersatz nicht wirklich weiter. Dazu werden bei den Kalorienangaben der Fleischgerichte die empfohlenen Beilagen nicht mit eingerechnet. Wenig hilfreich für all diejenigen, die dieses Kochbuch für eine Diät nutzen möchten.

Was mich allerdings am meisten gestört hat, war die Verwendung von „Ersatzstoffen“ und Halbfertigprodukten. Anstatt eine Zwiebel oder Knoblauch zu würfeln benutzt man Granulat, anstelle eines hochwertigen Öls wird die Pfanne mit kalorienreduziertem Kochspray benetzt (kommt fast in jedem Rezept vor), und Tomaten wachsen in England offenbar nur in Dosen.

Dennoch gibt es einige Rezepte, speziell was Geflügel und die verschiedenen Stews (Eintöpfe) angeht, die das Nachkochen lohnen. Und anstelle von Kochspray kann man ja auch hochwertige Öle in Maßen benutzen.

Bewertung vom 10.12.2019
Die Kakerlake
McEwan, Ian

Die Kakerlake


ausgezeichnet

John Lanchester, Ali Smith, John LeCarré und jetzt noch Ian McEwan haben sich nicht nur gegen den Brexit ausgesprochen sondern schreiben auch dagegen an. Letzterer mit seinem vor kurzem erschienenen schmalen Büchlein „Die Kakerlake“, einer kafkaesken, bitterbösen Polit-Satire, die unverhohlen die politische Situation auf der britischen Insel kommentiert.

Gestern noch ein verabscheuungswürdiges Ungeziefer, heute Premier, und Jim Sams verliert keine Zeit, hat er doch ein Gefühl dafür, wie es in Downing Street No 10 läuft. Als erstes springt der Privatsekretär über die Klinge, unverzeihlich sein despektierlicher Kommentar über die „Privatschultypen“, die „sich zu allem berechtigt fühlen“. Danach widmet er sich sogleich den Parteigenossen, mittlerweile fast ausschließlich ehemaliges Ungeziefer, die es von seinen Plänen für den „Reversalismus“ zu überzeugen gilt. Dieses bahnbrechende Wirtschaftssystem soll die Geldströme umlenken und so für ungebremsten Aufschwung sorgen, die Reichen noch reicher machen.

Nicht nur die Politiker (mit Ausnahme des Außenministers), auch das Volk klatscht begeistert Beifall, fällt auf seine Lügen, seine Verleumdungen, seine gezielten Falschinformationen herein, stört sich nicht an dem Brechen von Vereinbarungen, läuft dem skrupellosen Rattenfänger kritiklos hinterher und stimmt in einem Referendum dafür. Natürlich gibt es auch außerhalb Großbritanniens große Anhänger dieses Systems, wie den amerikanischen Präsidenten, der diese Idee als seine ureigene auszugeben versucht.

Ein absurdes Szenario, bei dem die Anlehnung an die Realität offensichtlich ist, die Manipulatoren und Trickser Johnson und Trump leicht auszumachen. Offensichtliche Lügengespinste, die dem Volk Souveränität und Wiederauferstehung vorgaukeln. Die das Sehnen nach Einfluss befeuern, den Traum der Kolonialmacht hochhalten. Entlarvend!

In der Kürze liegt die Würze dieser auf das Wesentliche reduzierten Satire. Eine höchst amüsante Lektüre, bei der einem bisweilen das Lachen im Hals steckenbleibt. Nicht nur für politisch Interessierte.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 09.12.2019
Der Ermittler / Jack Reacher Bd.21
Child, Lee

Der Ermittler / Jack Reacher Bd.21


sehr gut

In Band 21 „Der Ermittler“ nimmt uns Lee Child auf eine Reise in die Vergangenheit seines Protagonisten mit. 1996 ist Jack Reacher als hochdekorierter Major noch im aktiven Dienst bei der MP und soll im Auftrag von CIA und FBI in Deutschland ermitteln. Ein amerikanischer Landsmann hat offenbar einer islamistischen Schläferzelle in Hamburg ein Angebot gemacht, bei dem 100 Millionen Dollar über den Tisch gehen sollen. Ein terroristischer Anschlag in Planung? Sämtliche Alarmglocken läuten, obwohl niemand weiß, worum es konkret geht. Das bleibt im Dunkeln, ebenso die Identität des Verräters. Ein Fall für Reacher, der sich gemeinsam mit seinen Kollegen Frances Neagley und Manuel Orozco auf den Weg macht, um wieder einmal die Welt zu retten.

Keine Experimente – so könnte man die Reihe der Reacher-Thriller charakterisieren. Und auch in diesem Band erwarten den Leser die altbekannten Zutaten: ein charismatischer Protagonist, der keiner Auseinandersetzung aus dem Weg geht, ganz böse Schurken, die die Welt in den Abgrund stürzen wollen, und ein (natürlich) gutaussehendes weibliches Wesen, das (natürlich) Reachers Charme-Offensive nicht widerstehen kann.

Den Unterschied macht diesmal allerdings der Handlungsort aus, und das stellt wohl für einige Leser ein Problem dar, wobei sich die Kritik am wesentlichen an der eindimensionale Beschreibung der bundesrepublikanischen Wirklichkeit stört. Lauter Rechtsradikale, so der Tenor von Reachers Empfinden. Dabei darf man allerdings nicht vergessen, dass der Autor für den englischsprachigen Markt schreibt, und dieses Bild wird sowohl in den USA als auch in Großbritannien noch immer gepflegt. Insbesondere nach den diversen Ausschreitungen der letzten Zeit. Von daher ist das zwar ärgerlich, aber schmälert nicht den Unterhaltungswert dieses Thrillers, der wie die Vorgänger mit einer spannenden und zum Ende hin dramatischen Story zu überzeugen weiß.

Bewertung vom 21.11.2019
Die Frau in der Themse
Price, Steven

Die Frau in der Themse


ausgezeichnet

William Pinkerton, Detektiv in der Tradition seines Vaters, ist zu spät. Die Hoffnung gestorben, an Informationen zum Verbleib des ominösen Tresorknackers Edward Shade zu gelangen, den sein Vater Allan, Gründer der weltberühmten der Pinkerton's National Detective Agency, zeit seines Lebens gesucht hat. Und auch Adam Foole, der geniale Dieb, konnte Charlotte Reckitt nicht retten, die nicht immer gesetzestreue Femme fatale, obwohl er nach ihrem Ruf um Hilfe bei einem großen Coup umgehend nach London gereist ist. Denn seine große Liebe ist tot, ertrunken in der Themse und zerstückelt.

Die beiden Männer begegnen sich im viktorianischen London, in dessen düsteren Gassen, unzureichend von den Gaslaternen ausgeleuchtet, allerhand zwielichtige Gestalten ihr Unwesen treiben. Detektiv und Dieb eint die Suche nach demjenigen, der für den mysteriösen Tod Charlottes verantwortlich zeichnet, nicht wissend, dass Edward Shade der eigentliche Dreh- und Angelpunkt und der Schlüssel zu des Rätsels Lösung ist.

„Die Frau in der Themse“ erinnert an die viktorianischen Schauergeschichten der großen Autoren dieser Zeit, allen voran Wilkie Collins, wobei Steven Price wesentlich ausladender erzählt, dabei aber immer seine Protagonisten im engen Blick behält, obwohl an den verschiedenen Handlungssträngen eine Vielzahl von Personen beteiligt sind. Tiefe Blicke in die Vergangenheit (er)klären Gegenwärtiges, ebenso die verschiedenen Schauplätze auf unterschiedlichen Kontinenten. Jeder hat Geheimnisse, verbirgt etwas, ist unzuverlässig im Erinnern und in dem, was er preisgibt. Die Handlung ist zwar komplex und reich an Details, aber jederzeit räumlich und zeitlich durch die entsprechenden Vermerke in den Kopfzeilen einzuordnen.

Ein faszinierendes Katz-und-Maus Spiel von Jägern und Gejagten, an dem sowohl Fans viktorianischer Schauergeschichten als auch Freunde des klassischen Spannungsromans ihre Freude haben werden.

Bewertung vom 19.11.2019
Unter Wölfen / Isaak Rubinstein Bd.1
Beer, Alex

Unter Wölfen / Isaak Rubinstein Bd.1


sehr gut

Nürnberg, eine Woche im März 1942. Sämtliche Vorbereitungen für die „Endlösung“ laufen auf Hochtouren. Die jüdischen Mitbürger sind der Willkür der Nationalsozialisten wehrlos ausgeliefert. Enteignet, in „Judenhäusern“ kaserniert, aller Rechte beraubt, als Zwangsarbeiter ausgebeutet, Demütigungen und Misshandlungen ausgeliefert. Und zu guter Letzt aus der Stadt entfernt, gen Osten abtransportiert.

Auch die Familie Rubinstein – 4 Erwachsene, zwei Kinder - erhält einen „Evakuierungsbescheid“. Aber Isaak Rubinstein glaubt den schönen Worten nicht, ist überzeugt davon, dass der angekündigte Umsiedlungstransport nach Izbica ins Verderben führt. Untertauchen scheint die einzige Möglichkeit, und dabei könnte seine Ex-Freundin Clara helfen, hat sie doch Kontakte zu einer Widerstandsgruppe. Und tatsächlich gelingt es, zumindest seine Familie vorerst in Sicherheit zu bringen. Doch mit Issak hat sie andere Pläne, denn es gilt das Protokoll der Wannsee-Konferenz an die Öffentlichkeit zu bringen. Aber dafür muss er sich in die Höhle des Löwen begeben. Als Schaf unter Wölfen, ein lebensgefährliches Vorhaben. Zumal die Zeit drängt.

Alex Beer schildert mit eindringlichen Worten das Leben der jüdischen Bevölkerung in einer Gesellschaft, die von der Hasspropaganda und der vulgärantisemitischen Hetze des Schmierblattes „Der Stürmer“ vergiftet ist. Menschlichkeit hat dort keinen Platz, und findet, wenn doch, bestenfalls im Verborgenen statt. Am Beispiel der fiktiven Widerstandsgruppe „Fränkische Freiheit“ ermöglicht die Autorin dem Leser eine Vorstellung von deren Aktionen (wobei die Flugblatt-Geschichte bei der „Weißen Rose“ entliehen ist), die einzig und allein von dem Wunsch getragen werden, das nationalsozialistische Regime zu stürzen.

Sowohl die großartigen August Emmerich-Bücher der Autorin als auch „Unter Wölfen“ sind historische Kriminalromane. Zieht man einen Vergleich fällt auf, dass Beer hier wesentlich stärker auf das Verhalten ihres Protagonisten in dieser Ausnahmesituation fokussiert ist, direkter und zielgerichteter damit umgeht. Hier gibt es weniger Raum für Nebensächlichkeiten, was aber sicher auch mit dem gewählten politischen Rahmen zusammenhängt. Allerdings geht das meiner Meinung nach zu Lasten der Charakterisierungen, sodass die Personen durchweg eher blass bleiben. Aber ich hoffe, dass „Unter Wölfen“ der Auftakt einer Reihe ist, in deren Verlauf die Autorin hier deutlich nachbessern kann und wird.

Bewertung vom 17.11.2019
Missing Boy
Fox, Candice

Missing Boy


weniger gut

Ein Kind verschwindet aus einem verschlossenen Raum. Spurlos. Ein Albtraum. Treibt ein Pädophiler im nordaustralischen Crimson Lake sein Unwesen? Schnell ist eine Suchmannschaft organisiert, die die örtliche Polizei unterstützt. Parallel dazu beauftragt die Mutter das Ermittlerduo Ted Conkaffey und Amanda Pharrell, sehr zum Verdruss des leitenden Ermittlers. Zum einen kämpft Ted noch immer um seinen Ruf, zum anderen unterstellt man Amanda für den Tod einer Polizistin verantwortlich zu sein. Doch gegen alle Widerstände nehmen die beiden die Suche auf, um Licht ins Dunkel des mysteriösen Falls zu bringen. Und schnell müssen sie feststellen, dass nicht jeder das ist, was er scheint.

Bereits Redemption Point, zweiter Band der Crimson Lake-Reihe, konnte mich nicht überzeugen. Zwar wird die Autorin landauf landab als „neue Stimme“ der australischen Krimiszene gehandelt, aber mir erschließt sich leider nicht, worauf dieser Ruf gründet. Nur weil ein Duo mit problematischer Vergangenheit beschließt, als Privatdetektive mit unkonventionellen Methoden zu arbeiten, ist das jetzt nicht besagter frischer Wind. Das literarische Vorbild für Amanda ist gar zu offensichtlich, Tattos, Motorrad etc., wer denkt da nicht sofort an Lisbeth Salander, wobei letztere Figur wesentlich komplexer angelegt ist. Und Ex-Cops, die mit einem ihnen unterstellten Verbrechen in Schimpf und Schande leben müssen, denen man die Rehabilitation verweigert, gibt es in der Kriminalliteratur zuhauf.

Die Story mittelmäßig mit unspektakulärer Auflösung, die Protagonisten siehe oben, die Landschaftsbeschreibungen ganz nett, die Schreibe simpel – nichts, was man nicht schon oft gelesen hätte. Fast Food aus der Schreibwerkstatt von James Patterson. Schnell gelesen und nichts, was beeindruckt und im Gedächtnis bliebe. Für mich war’s das jetzt endgültig mit Candice Fox.