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Raumzeitreisender
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Ahaus
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Buchwurm, der sich durch den multidimensionalen Wissenschafts- und Literaturkosmos frisst

Bewertungen

Insgesamt 739 Bewertungen
Bewertung vom 03.08.2016
Münsterland-Kälber
Simpfendörfer, Tove

Münsterland-Kälber


sehr gut

Kriminalfall zwischen Kiepenkerl und Windmühle

Krimis, die im Münsterland spielen, sind auf dem Büchermarkt eher die Ausnahme. Wer seinen Handlungsrahmen auf dem platten Land im Umfeld von Viehzüchtern, Veterinären und Schlachthöfen sucht, muss sich eine besondere Geschichte ausdenken.

Tove Simpfendörfer hat mehrere Jahre im Münsterland gelebt und dort als Pressereferent gearbeitet. Er kennt die Eigenarten dieser Region. Durch seine Pressearbeit hat er das Milieu der Viehzüchter kennen gelernt.

In den 1990er Jahren fanden Veterinäre bei ihren Kontrollen unerlaubte Konzentrationen des Wachstumshormons Clenbuterol in Kälbern vor. Dies brachte die Kälberzucht in Verruf und sorgte für Schlagzeilen in der Presse. Vor diesem Hintergrund spielt der Krimi „Münsterland-Kälber“.

Der bekannte Viehhändler Hans Schulze Feldhoff wird ermordet. Die Borkholter Polizei steht vor einem Rätsel. Wer könnte einen Grund haben, diesen angesehenen und erfolgreichen Viehhändler umzubringen?

Der evangelische Pastor Paul Elfering nimmt Kontakt zu Schulze Feldhoffs Angehörigen auf und recherchiert auf eigene Faust. Er gerät in den Sog der Ereignisse und ist in „Pater Brown–Manier“ der Polizei meist um eine Nasenlänge voraus. Im Zuge seiner Erkundigungen gerät er selbst in Lebensgefahr. Seine eigensinnige Frau Carola ist ihm nicht immer eine Hilfe.

Wer Simpfendörfers erstes Buch „Der Teufel geht auf die Jagd“ kennt, ist gespannt, ob er auch diesem Buch einen vom Mainstream abweichenden Stempel aufdrücken kann.

Originell finde ich die Entwicklung der Charaktere. Wegen der dabei auftretenden Diskrepanzen fällt eine Einteilung der Protagonisten in „gut“ und „böse“ schwer. Irgendwie hat jeder Dreck am Stecken.

Der Autor versteht es, oberflächliche Charakterzüge seiner Protagonisten wie die Schalen einer Zwiebel Schicht für Schicht abzulösen und den nicht immer lupenreinen Kern frei zu legen.

In „Münsterland-Kälber“ dominieren die Dialoge, wodurch die Erzählung lebendig wirkt. Der Plot ist komplexer, als es am Anfang den Anschein hat. Hintergrund und verwendete Namen sind typisch westfälisch. Die Stadt „Borkholt“ mit den fünf Türmen ist im Münsterland bekannt.

Bewertung vom 03.08.2016
Die Glücksformel
Klein, Stefan

Die Glücksformel


ausgezeichnet

Eine aufschlussreiche Analyse des Glücks

Bereits im Vorwort bringt Stefan Klein das Thema auf den Punkt: „So, wie wir mit der Fähigkeit zu sprechen auf die Welt kommen, sind wir auch für die guten Gefühle programmiert.“ Er vergleicht diese Entdeckung hinsichtlich seiner Bedeutung für die Menschen mit Freuds Theorie vom Unbewussten.

Bis vor 40 Jahren glaubten Wissenschaftler, dass der Mensch als unbeschriebenes Blatt auf die Welt kommt und Emotionen durch Nachahmung erlernt. Seit den Forschungen von Paul Ekman in Papua-Neuguinea wissen wir, dass Kultur kaum Einfluss auf Emotionen hat. Elementare Emotionen und die Art, wie unser Körper sie ausdrückt, sind angeboren.

Autor Klein bezieht sich in seinen Ausführungen u.a. auf den bekannten Neurologen Antonio Damasio und dessen Untersuchungen zur Intuition. Dieses Bauchgefühl gibt es und es hat seine Berechtigung. Wir entscheiden uns oftmals aufgrund eines Gefühls richtig, ohne das näher begründen zu können. Manchmal weiß der Körper mehr als der Verstand.

Emotionen entstanden im Zuge der Evolution, damit Lebewesen vergleichsweise einfache Fragen schnell lösen können. Vernunft allein lenkt uns nicht in sinnvolle Bahnen. Klein unterscheidet Emotionen von Gefühlen. Eine Emotion ist eine automatische Antwort des Körpers auf eine bestimmte Situation und ein Gefühl erleben wir, wenn wir diese Emotion bewusst wahrnehmen.

Mit dem Mittel des Vergnügens verführt die Natur uns zu tun, was uns am meisten nützt. Erlebnis und Erwartung des Glücks dienen dazu, unser Handeln zu steuern. Dabei ist Glück nicht das Gegenteil von Unglück. Beides kann nebeneinander existieren. Diese Ambivalenz kann durch den Aufbau des Gehirns erklärt werden. Unterschiedliche Bereiche im Hirn sind für Glück bzw. Unglück zuständig.

Im zweiten Teil des Buches beschäftigt sich Klein mit der Entwicklungsgeschichte der Emotionen. Emotionen sind auch im Tierreich bekannt. Ob bzw. wie Tiere fühlen, ist dagegen unbekannt. Erstaunlich ist, wie Emotionen verändert werden können. Klein berichtet über Versuche mit dem Neurotransmitter Dopamin („Glückshormon“) und anderen biochemischen Botenstoffen. Die Wirkungsweise von Dopamin wurde in dem Film „Zeit des Erwachens“ einem breiten Publikum vorgestellt.

Das Gehirn wird von Spaß angetrieben. Damit ist auch der Nährboden für Suchterscheinungen gegeben, wie Klein anhand verschiedener Versuche deutlich macht. Sucht bedient sich der gleichen Mechanismen, die im Alltag für Lernen und Vorfreude zuständig sind; Sucht ist ein Unfall auf der Suche nach Glück. Abhängigkeit ist Begehren, welches aus dem Ruder läuft.

Der Mensch ist in der Lage, seine angeborenen Triebe, Lüste und Ängste in geordnete Bahnen zu lenken. Hiervon handelt der dritte Teil des Buches. Glück gibt es nur in der Gegenwart in Verbindung mit Erfahrungen. Dabei genügt es nicht, glücklich zu sein, sondern man muss sein Glück auch erkennen. In Momenten hoher Aufmerksamkeit steht die Zeit still und man gerät in einen Zustand, der als „Fließen“ bezeichnet wird.

Neu ist auch die Erkenntnis, dass mystische Erfahrungen den Naturwissenschaften zugänglich sind. Solche Erfahrungen können künstlich durch elektromagnetische Reizung der Schläfenlappen hervorgerufen werden. Meditierende schaffen das auch ohne künstliche Eingriffe dank jahrelangen Trainings.

Stefan Kleins Schreibstil ist ansprechend, seine Ausführungen haben ein naturwissenschaftliches Fundament und sind verständlich. Erfreulich, dass er auf esoterische Spekulationen verzichtet. Im Epilog fasst er wichtige Prinzipien zusammen, die er in den vorderen Kapiteln ausführlich behandelt hat. Das Buch macht deutlich, dass man Glück lernen kann.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 03.08.2016
Herz Dame
Lecaye, Alexis

Herz Dame


gut

Spannung und Unterhaltung

Der Roman besteht aus zwei Teilen, die ineinander verwoben sind. Der erste Teil handelt von einem Serienmörder, der in Paris sein Unwesen treibt und der zweite Teil von Kommissar Martin und den Frauen in seinem Umfeld. Der erste Teil ist spannend, wie ein guter Krimi und der zweite Teil unterhaltend. In dieser Mischung ist ein Roman entstanden, den man, einmal angelesen, ungern aus der Hand legt.

Der Mörder ist intelligent, gutaussehend, misstrauisch und psychopathisch. Die Verbrechen werden aus seiner Perspektive erzählt. Im Kontrast dazu stellt Autor Alexis Lecaye die verzweifelte Suche der Kripo dar, deren Arbeit zunehmend unter Druck gerät, da das Interesse der Presse geweckt wird.

Kommissar Martin, ein eher durchschnittlicher Mann, ist vor, während und nach der Ermittlungsarbeit von verschiedenen Frauentypen umgeben. Hierzu gehören seine Ex-Frau Myriam, seine Freundin Marion, seine Tochter Isabelle, die Psychologin Laurette und seine Kollegin Jeannette. An Erotik mangelt es in diesem Umfeld nicht.

Es hätte gut zu dem Roman gepasst, wenn die Vorgeschichte des Serienmörders ausführlicher behandelt worden wäre. Dadurch hätte das Täterprofil besser abgerundet werden können. Aber auch so handelt es sich um einen lesenswerten Roman.

Bewertung vom 02.08.2016
Denkanstöße 2015

Denkanstöße 2015


weniger gut

Beiträge aus Philosophie, Kultur und Wissenschaft

Das Buch enthält acht Beiträge verschiedener zeitgenössischer Autoren. Dem Vorwort nach zu urteilen, lädt das Buch dazu ein, den Drang nach Erkenntnis zu befriedigen, auf Basis aktueller Einsichten aus Philosophie, Kultur und Wissenschaft. Werden die Beiträge diesem Anspruch gerecht?

John Cornwell beschreibt die Entwicklung der Beichte als dunkle Geschichte der katholischen Kirche. Im Hinblick auf die Folgen für die Kinder und Jugendlichen spricht er von einem Beichtexperiment. Horrorvisionen von Höllenqualen und ewiger Verdammnis haben bei manchen Menschen zu Traumatisierungen geführt.

Michael Schmidt-Salomon erläutert als Alternative zur religiösen Erziehung die Geschichte des Humanismus. Auch eine Gesellschaft ohne Gottesbild ist nicht frei von Gewalt und Unterdrückung, wie Schmidt-Salomon am Beispiel des Faschismus deutlich macht. Er bietet als Möglichkeit die auf Julian Huxley zurückgehende Idee des evolutionären Humanismus an.

Palliativmedizinerin Petra Anwar und Autor John von Düffel setzen sich mit dem Tabu-Thema Sterben auseinander. Anders als Christian Schüle [1], der das Thema allgemein aus verschiedenen Perspektiven behandelt, beschreibt Frau Anwar einen konkreten Fall, bei dem sie einen Sterbenden und dessen Familie begleitet hat.

Alan Weismann analysiert in „Countdown. Hat die Erde eine Zukunft?“ die Bevölkerungssituation der Israelis und Palästinenser im Nahen Osten. Mit dem Thema hatte sich schon Heinz Haber in den 1970er Jahren ausführlich beschäftigt [2].

Thomas de Padova erläutert die Entwicklung der Pendeluhr im 17. Jahrhundert. Genaue Uhren waren erforderlich, um das Längengradproblem bei der Schifffahrt zu lösen, denn ohne genaue Zeitangabe ist auf offenem Meer keine Bestimmung des Längengrades möglich. Umberto Eco hat das Thema vortrefflich literarisch verarbeitet [3].

Für alle Themen gilt, dass diese nur angerissen werden können. Für eine Vertiefung ist weitergehende Literatur erforderlich. Die Aufsätze stehen, abgesehen von den ersten beiden, nicht in Beziehung zueinander. Genau das ist aber planbar und gut präsentierte gegensätzliche Positionen würden das Gesamtwerk aufwerten. In der Vergangenheit wurde diese Möglichkeit stärker genutzt.

Die Themenauswahl halte ich nicht für gelungen. Es gibt in der Wissenschaft aktuellere Themen als die Entwicklung der Pendeluhren im 17. Jahrhundert, zumal der Autor auch noch abschweift und den Rechenautomaten von Leibniz integriert. Warum nicht mal über die Digitalisierung der Welt, über Quantencomputer oder über die Nutzung wissenschaftlicher Methoden für die weltweite Überwachung der Bürger berichten?

Otto von Bismarck ist zweifelsohne eine wichtige Person der deutschen Geschichte, über die ich mich aber auch bei Wikipedia informieren kann. Im Vergleich dazu wäre das Thema „Korruption in den Medien“ hoch aktuell. Es mangelt an Themen, die die Menschen wirklich berühren.

Dieses Kriterium erfüllt eindeutig der Aufsatz über die Sterbebegleitung. Das ist ein Thema, welches von vielen Menschen verdrängt wird, aber jeden betrifft. Auch die Bevölkerungsexplosion betrifft jeden, wirkt aber wegen zahlreicher Publikationen ein wenig abgenutzt.

Michael Schmidt-Salomon halte ich aufgrund seiner intellektuellen Fähigkeiten für eine Bereicherung für die Buchreihe Denkanstöße. Auch das angesprochene Thema „evolutionärer Humanismus“ hat, im Hinblick auf Auswirkungen religiöser Verblendung, einen aktuellen Bezug.

Vielleicht müssten die Beiträge unter ein bestimmtes Motto gestellt werden. So jedenfalls wirken sie beliebig aneinandergereiht.

[1] Christian Schüle: „Wie wir sterben lernen“
[2] Heinz Haber: „Stirbt unser blauer Planet?“
[3] Umberto Eco: „Die Insel des vorigen Tages“

Bewertung vom 02.08.2016
Liebesgrüße aus Deutschland
Kaminer, Wladimir

Liebesgrüße aus Deutschland


sehr gut

Liebenswertes über Deutschland

Wladimir Kaminer, seit 1990 in Deutschland lebender Schriftsteller russischer Herkunft, schreibt über Eigentümliches in seiner neuen Heimat. Er ist in Moskau aufgewachsen und sieht Deutschland damit durch eine andere Brille. Seine Erkenntnisse wirken wie ein Spiegel, der den Deutschen vorgehalten wird. Die vielen Selbstbezüge in seinen Kurzgeschichten präsentieren einen humorvollen Autor, der es versteht, Sachverhalte satirisch aufzuarbeiten. Er trifft den Nerv der Deutschen, aber im positiven Sinne und überzeichnet, wie einst Ephraim Kishon, Situationen des Alltags.

Das Buch besteht aus 56 Kurzgeschichten. Kaminer glänzt mit einer großen Themenvielfalt. Er behandelt in seinen Geschichten die Gastronomie, Schulausflüge, den Einsatz von GPS, die deutsche Vergangenheit, den Umgang mit Krisen, den deutschen Mann, die Finanzverwaltung, Eindrücke aus Stadtbesichtigungen, Kontrollen am Flughafen und viele weitere Themen. In zahlreichen Fällen zieht er Vergleiche zwischen der russischen und der deutschen Kultur. Die Unterschiede haben vielfältige Ursachen. Selbsterkenntnis ist den Lesern gewiss.

Bewertung vom 02.08.2016
Von der Mafia lernen
Ferrante, Louis

Von der Mafia lernen


sehr gut

Die Machtstrukturen der Mafia

Louis Ferrante begann mit zwölf Jahren zu stehlen. Später überfiel er Transporter und mit Anfang zwanzig gehörte er zur sog. Gambino- Familie. Seine Familie bezeichnet er als sein Unternehmen, für das er viele Millionen Dollar Gewinn erzielte. Er war innerhalb der Mafia ein Gruppenführer, was hierarchisch gesehen mit einem Vorarbeiter oder Abteilungsleiter in einem Unternehmen vergleichbar ist. Ferrante zieht bewusst Parallelen zu Unternehmen, weil er der Meinung ist, dass die Strukturen - von den Gewaltaktionen der Mafia abgesehen - vergleichbar sind. Er wurde verpfiffen und landete für achteinhalb Jahren im Gefängnis. Dort interessierte er sich für Literatur und entwickelte sich zu einem Menschen, der die Gesetze achtet. Den Ehrenkodex der Mafia hat er auch nach seiner Festnahme nicht verletzt. Dies ist notwendig, um am Leben zu bleiben.

Das Buch gliedert sich in achtundachtzig Lektionen. Auf jeweils wenigen Seiten erläutert Ferrante Prinzipien und untermauert diese mit Begebenheiten aus der Geschichte der Mafia und aus der Antike. In seinen Ausführungen wird deutlich, dass er sich mit den Lebensläufen vieler Führer der Menschheitsgeschichte beschäftigt hat.

Der Autor gibt zahlreiche Hinweise, die man auch in üblichen Ratgebern finden kann (Lektion 5: Trainieren Sie Ihr Gedächtnis, Lektion 7: Vertrauen aufbauen, Lektion 11: Chancen wittern und nutzen, Lektion 20: Verschwiegenheit, Lektion 32: Mitarbeiter motivieren, Lektion 50: Körpersprache beachten, Lektion 54: Auszeit nehmen u.v.a.m.). Interessant ist, wie er diese Lektionen mit Erfahrungen untermauert und aus dem Blickwinkel der Mafia begründet.

Das Geheimnis der Mafia liegt woanders. Den Unterschied machen die Konsequenzen bei Fehlverhalten. Auch diese erläutert Ferrante. Wenn der Mitarbeiter einer Firma interne Geheimnisse ausplaudert, wird er entlassen. Wenn ein Mafiosi plaudert, wird er erschossen. Einen Ausweg gibt es nicht. Prinzipientreue hat oberste Priorität.

Ferrante stellt einige positive Eigenschaften der Mafiosi (Spendenbereitschaft etc.) besonders heraus. Diese können nicht verschleiern, dass es bei der Mafia um organisierte Kriminalität geht. Daran ändern auch hohe Spenden für karitative Zwecke nichts. Woher kommt denn das Geld? Opfer der Gewalt könnten das als puren Zynismus auffassen.

Positiv bleibt festzuhalten, dass hier ein Insider die Strukturen der Mafia erläutert. Die Ausführungen wirken authentisch. Aus diesem Grund halte ich das Buch für lesenswert. Lernen sollten wir nicht von der Mafia, sondern von den Unternehmen, die auf rechtsstaatliche Weise erfolgreich am Markt agieren.

Bewertung vom 01.08.2016
Gaza Blues
Keret, Etgar

Gaza Blues


gut

Bilder aus dem Alltag

Etgar Keret, israelischer Humorist, Bestsellerautor und Regisseur, lässt sich nicht leicht einordnen. Aufgewachsen in einem Land, in dem die Bedrohung zum Alltag gehört, findet er seinen eigenen Stil, sich auszudrücken und mitzuteilen. Er geizt nicht mit vulgären Ausdrücken und verpackt den manchmal grausamen Alltag in seine Kurzgeschichten. Diese vermitteln auf jeweils wenigen Seiten Bilder hoher Intensität. Die Geschichten beschreiben die Realität mal humorvoll, mal satirisch und mal surrealistisch verfremdet. Ein Sinn ist nicht immer erkennbar.

Einige Geschichten wirken provokant, obwohl er nach eigenem Verständnis kein Provokateur sein will. In einem Interview sagte er: „Überall nur Heilige Kühe, alles ist so voller Denkschablonen, dass du nichts anderes tun kannst, als dich darüber lustig zu machen. Aber sobald du eine Wahrheit aussprichst, die keinem der üblichen Klischees entspricht, ist es so, als ob du durch ein Minenfeld gehst.“

Keret ist ein kreativer Künstler, der das junge Israel repräsentiert. Seine Erzählungen machen neugierig, haben mich aber nur teilweise überzeugt. „Gaza Blues“ ist weniger abgedreht als sein späteres Werk „Mond im Sonderangebot“.

Bewertung vom 01.08.2016
Ronnie
Wood, Ronnie

Ronnie


sehr gut

Ein bewegtes Leben

Ronnie Wood, als Kind einer Roma-Familie in armen Verhältnissen aufgewachsen, träumte schon 1964 auf dem Richmond Jazz and Blues Festival davon, eines Tages zusammen mit den Stones aufzutreten. Sein Traum sollte 1975 in Erfüllung gehen.

Die Musikszene Anfang der 1960er Jahre entwickelte sich u.a. im Ealing Club, wo Alexis Korner und seine Blues Incorporated präsent waren. Hier trafen sich Musiker wie Jack Bruce, Brian Jones, Mitch Mitchell, Ronnie Lane und viele andere, die in späteren Jahren Karriere machten.

Ronnie Wood geht sehr offenherzig mit seiner Lebensgeschichte um, er wirkt humorvoll, extrovertiert und auch ein wenig schräg, wie es in der Szene wohl üblich ist. In der Autobiographie sind einige seiner Grafiken enthalten. Er ist ein talentierter Zeichner und hätte auch ohne die Musik bekannt werden können. Seine Bilder sind sehr eindrucksvoll. Daneben sind auf 32 Seiten Fotos aus seiner privaten Sammlung abgedruckt.

Auf vielen Seiten beschreibt Wood die Musikszene, wer mit wem in welcher Band gespielt hat. Zu guter Letzt haben sich die richtigen zusammengefunden. So ist Ronnie Wood statt Eric Clapton bei den Stones gelandet und Jimmy Page statt Ronnie Wood bei Led Zeppelin, um nur Beispiele zu benennen.

Die Zeit bei den Faces (zusammen mit Rod Stewart) war verrückt und sie entwickelten sich, ähnlich wie die Who, zum Schrecken der Hotelbesitzer. Sie lebten den Rock'n Roll mit allem, was dazu gehört. Als er sich Anfang der 1970er Jahre im Keller ein Tonstudio einrichtete, war bei ihm immer was los. Musikgrößen wie Keith Moon, Paul McCartney, Eric Clapton oder David Bowie waren dort vertreten. Natürlich spielen Alkohol und Drogen in seinem Leben eine große Rolle.

Durch die Mitgliedschaft bei den Stones änderte sich einiges. Im Vergleich zu den Faces, waren die Stones ein gigantisches Unternehmen mit doppeltem Bühnenequipment, unzähligen Groupies, darunter Ärzte, Sicherheitskräften, Personal für die Planungen und eigener Boeing 720. Auf der Bühne musste er sich die richtige Körpersprache aneignen, um sich mit den Bandmitgliedern verständigen zu können.

Mit Geld kann Wood nicht umgehen. Das ein Stone pleite gehen kann, kann man kaum glauben. Ronnie Wood hat erstaunlich viele Kontakte zum Establishment über die er auf vielen Seiten berichtet. Er plaudert gern, bleibt dabei aber an der Oberfläche. Über sein Innenleben und über die Tiefe seiner Beziehungen zu anderen Menschen berichtet er wenig. Vielleicht entspricht das seiner Mentalität. Der Mensch Ronnie Wood verbirgt sich in seinen Bildern. Diese sind sehr ausdrucksstark. Hierin drückt er Emotionen und Tiefgang aus.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.