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yellowdog

Bewertungen

Insgesamt 1963 Bewertungen
Bewertung vom 07.09.2022
Rombo
Kinsky, Esther

Rombo


sehr gut

Rombo von Esther Kinsky ist ein fein und genau geschriebenes Buch über zwei Erdbeben im Jahr 1978 in Italien.
Kinsky entwickelt eine sprachliche Poetik, die sich in einem prägenden Sound entlädt. Einerseits lässt sie sieben Figuren wie Zeitzeugen zu Wort kommen, andererseits bindet sie dazwischen Passagen ein, die die ländliche Umgebung, die Fauna und Flora betrachten. Aber auch die Stimmen der berichtenden Menschen, die zum Zeitpunkt der Beben überwiegend noch Kinder waren, werden melodiös und zu einem eigenständigen Motiv.

Mit der Zeit wiederholt sich aber viel und das Buch ist auch viel zu lang. Das nahm dem Buch für mich ein wenig an Stärke, doch als Leseerlebnis bleibt es bestehen. Was auch bleibt, ist die Bewunderung für die sprachliche Eleganz der Autorin.

Bewertung vom 06.09.2022
Anleitung ein anderer zu werden
Louis, Édouard

Anleitung ein anderer zu werden


ausgezeichnet

Entwicklungsroman der etwas anderen Art

Edouard Louis schreibt immer autofiktional. Sein Leben ist sein Thema.
Eddy will ein anderer werden, um dem bisherigen Leben zu entkommen.

Es ist die Flucht vor der Armut und der Scham, die ihn in seiner Kindheit und Jugend in einem nordfranzösischen Dorf prägten.

Ein paar Jahre lebte er mir Elena zusammen, die ihn mit Büchern, anspruchsvollen Filmen und Kultur vertraut macht. Gegenüber Elena öffnet und outet er sich schließlich sogar.

Eddy nennt sich jetzt Edouard. Schließlich geht er nach Paris, doch Geld hat er nicht. Deshalb prostituiert er sich sogar.

Durch das Lesen und Schreiben findet er zu sich, das treibt ihn an und das gibt ihm Hoffnung auf ein besseres, abgesichertes Leben.

Edouard Louis schreibt ehrlich, schmerzhaft ehrlich. Das gibt dem Buch etwas gnadenloses. Die Härte macht die Radikalität des Buches aus.

Am Ende aber stehen die Abschnitte von Edouard Louis über seine Bücher. Das gibt der Anleitung dann doch noch etwas versöhnliches.

Bewertung vom 05.09.2022
Die Kriegerin
Bukowski, Helene

Die Kriegerin


sehr gut

Die Floristin und die Soldatin

Sensibel erzählte Geschichte über zwei Frauen, die sich seit der gemeinsamer Bundeswehrzeit kennen und auch Jahre später freundschaftlich miteinander verbunden blieben.
Beide scheinen aber auch ihre Schwierigkeiten zu haben. Das zeigt sich besonders bei Lisbeth, deren Perspektive der Roman folgt. Sie bricht aus ihrem bisherigen Leben aus und wird Floristin auf einem Kreuzschiff. Die Kriegerin hingegen zieht in gefährliche Einsätze in fernen Ländern.
Die Handlung lebt auch davon, dass man sich fragt, was mit ihnen los ist. Das hält den Leser bei der Stange.
Helene Bukowski schreibt konzentriert, der Text bleibt dennoch gut lesbar.
Es überzeugt auch, das zeitlich nicht linear erzählt wird. So wird erst im zweiten Teil geschildert, wie Lisbeth und die Kriegerin sich kennenlernten.
Es ist ein ergreifender, dicht erzählter Roman.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 04.09.2022
Der betrunkene Berg
Steinfest, Heinrich

Der betrunkene Berg


ausgezeichnet

Von Schnee und Büchern

Der betrunkene Berg ist in bewährtem Heinrich Steinfest-Tonfall geschrieben. Das Setting mit einer Buchhandlung in den Bergen ist Originell und das mal eine Buchhändlerin die Hauptfigur ist, erscheint mir angemessen.
Katharina rettet einen Mann, der anscheinend sein Gedächtnis verloren hat vor dem Erfrieren.
Sie nennt ihn Robert und die beiden lassen sich emotional aufeinander ein.
Als dritte stösst dann die Lawinenspezialistin Linda zu ihnen.
Und schliesslich kehren die Erinnerungen zurück.

Steinfest baut noch einige originelle Ideen ein. Das macht seine Prosa aus.
Bewundernswert auch, wie effektvoll er gegen Ende dramatische Szenen inszeniert.

Fazit: Steinfest at its Best!

Bewertung vom 03.09.2022
Was bleibt, ist die Freude
Vilas, Manuel

Was bleibt, ist die Freude


sehr gut

Mein Leben ist Geschichte der Musik

Manuel Vilas schreibt über sein Leben, über seine Frau und seine Söhne und über seine Reisen.
Sprechend sind die Namen. Seine Frau heißt Mo für Mozart. Die Söhne nennt Valdi und Bra, also nach Vivaldi und Brahms. Musik spielt eine große Rolle für den Autor.

Anfangs ist Manuel Vilas in Barcelona, aber schon bald führen ihn seine Erinnerungen und Reflexionen in die Vergangenheit zu verschiedenen Orten.
Die Kapitel sind kurz, dadurch entsteht etwas episodenhaftes.
Das Buch hat übrigens mit 400 Seiten einen ganz schönen Umfang. Das kann bei den vielen Kapiteln erschlagend wirken. Es empfiehlt sich ein häppchenweises Lesen.

Das Buch überzeugt durch seinen schönen Stil, der Rhythmus und Musikalität besitzt.

Bewertung vom 03.09.2022
Hohe Berge
Stamm, Silke

Hohe Berge


ausgezeichnet

8 Tage

Hohe Berge ist ein ungewöhnlich geschriebener Roman, da die Erzählerin ausschließlich infinitivsätze verwendet. Das habe ich so noch nie gelesen.
Die Handlung konzentriert sich überwiegend auf 8 Tage einer alpinen Wanderung einer Gruppe durch ein Hochgebirge.
Es sind eine Frau und sonst nur Männer: die Erzählerin, der Führer Aaron, Jean Pierre, Fippu, Thomü und Hans, der aber nur anfangs dabei ist.

Es werden auch einige Erinnerungen der Erzählerin eingesprenkselt, z.B. an frühere Reisen mit ihrer Tochter oder Gedanken an ihren Bruder.

Die Beschreibungen der Wanderung und der Umgebung sind detailreich und interessant.
Der Autorin gelingt es, die Empfindungen ihrer Protagonistin gut zu vermitteln.

Bewertung vom 03.09.2022
Die Odyssee
Williams, Lara

Die Odyssee


gut

Die Odyssee von Lara Williams ist ein Buch über eine Frau, die auf einem Kreuzschiff arbeitet.
Es ist eine surreal wirkende Welt, in der sie sich befindet und es scheint auch eine Art Flucht von Ingrid zu sein. Eine Flucht vor ihrem früheren Leben.

Insgesamt finde ich kaum Zugang zu den Figuren, aber das kann auch ein Generationsproblem sein.
Eine erhoffte Kreuzfahrt-Atmosphäre jenseits Love Boat-Ambiente stellt sich leider auch nicht ein.
Der Plot an sich ist seltsam, die Beziehungen von Ingrid zu ihren Freunden auch. Ich bleibe am Ende ratlos.

Ich kenne Williams Erfolgsroman Supper Club nicht. Natürlich kann sie wirklich schreiben, aber es bleiben Zweifel.
Lara Williams wurde schon mit Sally Rooney und Ottessa Moshfegh verglichen, aber bei diesem neuen Roman denke ich, dass Lara Williams diese Liga nicht erreicht.

Bewertung vom 01.09.2022
Carrie Soto is Back
Reid, Taylor Jenkins

Carrie Soto is Back


ausgezeichnet

Pageturner

Das Genre US-Amerikanischer Sport-Film ist sehr beliebt und wird oft ausgeführt. In der Literatur gibt es deutlich weniger davon.
Taylor Jenkins Reid hat jetzt mit Carrie Soto is back einen wirklich aufsehenerregenden Sport-Roman geschrieben. Es geht um einer erfolgreiche Tennisspielerin namens Carrie Soto, die ihr Comeback versucht. Die Tennis-Matches verschiedener Turniere, u.a. auch Wimbledon werden ausführlich und aufregend beschrieben. Man glaubt wirklich, als Zuschauer dabei zu sein, so dicht beschreibt die Autorin.
Carrie Soto is back ist ein anspruchsvoller Unterhaltungsroman. Ein Pageturner, aber nie flach und mit interessanten Figuren, insbesondere natürlich Carrie, deren Leben anfangs auch erzählt wird und ihrem Vater, der auch ihr Trainer ist. Er setzt in ihr den Stachel des Ehrgeizes und sie hat die Kraft und das Talent. Später haben sie auch Probleme miteinander, aber bei ihrem Comeback wird er wieder ihr Trainer.
Carries größte Widersacherin ist die kraftvoll spielende Nicki Chan. Es wird ein aufsehenerregender Kampf zwischen den beiden und irgendwann stellt sich für Carrie die Frage, ob Gewinnen wirklich alles ist.
Der Roman macht richtig Spaß und ich hoffe, weitere Romane der Autorin lesen zu können

Bewertung vom 31.08.2022
Jahre mit Martha
Kordic, Martin

Jahre mit Martha


sehr gut

Marha und Jimmy

Jahre mit Martha, mit diesem Buchtitel und dem atmosphärischen Cover lockt das Buch zielsicher seine Leser an.
Der Erzähler ist ein kroatischstämmiger Mann namens Zeljko. Seine Erinnerungen gingen in die Zeit, als er ein 15jähriger Junge war und Matha kennen lernte, eine verheiratete Frau mit Kind. Sie beginnen eine Liebesbeziehung.
Später geht er als Student nach München.
In München wird außerdem sein Professor sehr wichtig für ihn.

Martin Kordic beschreibt die problematische Beziehung zwischen dem Jungen und Martha einfühlsam und lässt sie sich wiedertreffen, als er in seinen zwanziger Jahren ist.
Zwischen ihnen ist eine große Verbundenheit.

Martin Kordic schafft auch einige gute Formulierungen über alltägliches und aus vielen Sätzen sieht man Zeljkos instabilen emotionalen Zustand.
Zeljkos Entwicklung und auch seine Irritierungen mit seiner Rolle als Kroate in Deutschland wird glaubhaft gezeigt. Ich mag den ruhigen Erzählfluss, in dem die Handlung treibt.

Bewertung vom 31.08.2022
Svendborg 1937
Jeschke, Tanja

Svendborg 1937


sehr gut

Das Exil der Familie Dinkelspiel

Svendborg 1937 ist ein ruhiger, sensible und einfühlsam erzählter Roman über eine Familie jüdischer Abstammung, die in dieser schlimmen Zeit aus Deutschland nach Dänemark flüchteten. Sie werden von einer älteren Dame aufgenommen, genannt Tante.
Die Erzählperspektive wird überwiegend von der jüngsten Tochter Meret eingenommen. Das hat die Autorin Tanja Jeschke gut gewählt, den Meret ist eine genaue Beobachterin, z.B. Von ihrer älteren Schwester, die davon träumt, mit ihrem Freund nach Palästina auszuwandern oder auch darüber, wie die Tante reagiert.
Die Familie Dinkelspiel müssen sich mit ihrem Exil arrangieren. Sie sind eine intelligente Familie.
Es wird auch das Umfeld von Bertold Brecht, der in dieser Zeit ebenfalls da war, betrachtet.
Ich mag den ruhigen, genauen Stil der Autorin. Es stören mich auch gewisse Einschübe über Merkmale der Zeit nicht, die nicht direkt erzählerisch ausgeführt sind.
Entscheidend ist, dass eine Exilerfahrung nachvollziehbar erzählt wird.