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Insgesamt 577 Bewertungen
Bewertung vom 06.09.2007
Segen der Erde
Hamsun, Knut

Segen der Erde


ausgezeichnet

Nicht nur die Landschaft ist karg in diesem Roman. Auch die Darstellung des Isaks beschränkt sich, auf das, was er zu leisten vermag, indem er sich gegen alle Widrigkeiten zur Wehr setzt. Der Roman war lange Zeit umstritten, galt auf Grund verklärender Naturbeschreibungen und der Urbarmachung von Heimat als reaktionär, wurde in den falschen Händen als Loblied auf die Scholle zum Programm. Und trotzdem handelt es sich um eine betörende Geschichte eines Einzelgängers und dessen Familie und wer ihn genau liest, bemerkt, daß diese Familie gerade an dem zerbricht, was dem Vater als Wert an sich erschien. Gebe es da nicht den Zufall, daß ausgerechnet eine Mine in den Bergen eröffnet wird, wäre der Bauer Isak auf seiner eigenen Scholle verhungert. Und mit ihm seine Ideale. 1917 erschienen, gehört der Roman zur literarischen Moderne, trägt seine Geschichte auch ins 21. Jahrhundert als Zeugnis davon, wie die Welt abseits der falschen Töne ausgesehen hat.
Polar aus Aachen

4 von 5 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 06.09.2007
Opernball
Haslinger, Josef

Opernball


sehr gut

Der Opernball, an Dekadenz kaum zu überbieten, doch von denen, die darauf tanzen heißgeliebt. Kein Wunder, daß er zum Zielobjekt eines terroristischen Anschlags wird. Lange vor 9/11 wird hier an einem Sinnbild westlicher Kultur ein Fanal entzündet. Nur daß es niemand aus dem Nahen Osten war. Als Haslinger die Geschichte schrieb, befanden wir uns noch nicht im Kampf der Kulturen, wenigstens nicht auf sichtbarer Ebene. Haslinger entwirft ein faszinierendes Porträt von Haß, Verblendung, Wut und Ohnmacht. Er begeht dabei nicht den Fehler, sich als Autor allzu sehr auf eine der Seiten zu schlagen. Nüchtern, teilweise sich wie durch Fakten bewegend, schreibt er seine Poesie des Realen, des Unabänderlichen. Du siehst zwei Züge aufeinander zurasen, und du kannst nichts dagegen tun. Eine visionäre Geschichte, deren politische Gegenwart in unserer Zeit zu einer Verschärfung der Gesetze führt, deren Sentenz allerdings besagt, wenn einer wirklich einen Anschlag will, ist er kaum aufzuhalten.
Polar aus Aachen

Bewertung vom 06.09.2007
Nie mehr schlafen
Hermans, Willem Frederik

Nie mehr schlafen


sehr gut

Wie faszinierend das Verlorengehen sein kann, wenn man es sein ganzes Leben schon in sich trägt, beschreibt Willem Frederik Hermans in diesem Roman. Wer den Klappentext liest, befürchtet womöglich, daß die Geschichte auf Grund von Ereignislosigkeit ihn langweilen wird. Doch Hermans schafft es, bereits nach wenigen Seiten einen Leser in einen Sog hineinzuziehen, indem er seinen Geologen mit mehr Ehrgeiz ausstattet, als dies für ihn gut ist. Wenn er dann in den Weiten Norwegens verloren gegangen ist, auf sich selbst zurückgeworfen ums reine Leben kämpft, spiegelt sich sein Scheitern in seiner Eitelkeit, glaubt er immer noch hinter der nächsten Biegung die Rettung zu finden. Doch die Natur läßt sich nicht wie er täuschen. Hermans beschreibt dieses Schauspiel beeindruckend, findet die passenden Bilder der Bedrohung und schafft es auch vom Nichts spannend zu erzählen. Alfred Issendorf, vom Ruhm träumend muß einsehen, daß die Natur immer noch da sein wird, wenn es den Menschen längst nicht mehr gibt. Sie war auch schon vor ihm da.
Polar aus Aachen

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 06.09.2007
Elementarteilchen
Houellebecq, Michel

Elementarteilchen


sehr gut

Was Erziehung vermag und was nicht, wie die Nachgeborenen damit klarkommen oder auch nicht, welche unterschiedliche Psychosen sie als Erwachsene später mit sich herumschleppen, therapieren lassen oder selbst zu beherrschen suchen, diesen Fragen stellt sich Michel Houellebecq in seinem Roman. Daß er dabei die Verfehlungen der 68er ins Blickfeld rückt und deren sexuelle Ausschweifungen dafür verantwortlich macht, daß die nachfolgende Generation ihre Verwirklichung in Kälte und Vereinsamung sucht, hat ihm viel Kritik aber auch Bewunderung für seine messerscharfe Analyse eingebracht. Schonungslos beschreibt er das Leben zweier Brüder, die sich erst spät kennenlernen und eine Art Notgemeinschaft gegen eine egoistische Mutter bilden, die ihre Söhne sich selbst überläßt. Daß die Sexualität derart in den Mittelpunkt gerät, ihr Ausleben zwangsläufig laut Houllebecq dazu führen wird, daß geschlechtslose Klone die Welt bevölkern, ist eine Mahnung, bei der man nicht weiß, ob dem Autor diese Lösung lieber ist, oder ob er uns zur Umkehr anhalten will. Freud ist tot. Wir wissen alles über den Sex. Wie Verklemmungen und Psychosen entstehen, wie Perverse sich zusammenschließen, um im Abseitigen Erlösung zu finden, wie man einfach so tut, als wäre das Thema nur überbewertet, so daß man es ignorieren darf, wenn man bei den Traditionen gutbürgerlicher Familienwerten treubleibt. Houllebeqc führt uns in diesem Roman vor, daß wir uns den Fragen stellen müssen, damit die Menschheit nicht als Klon endet.
Polar aus Aachen

3 von 5 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 06.09.2007
Die Geldmacher von Harlem
Himes, Chester

Die Geldmacher von Harlem


sehr gut

Das ist nicht neu: Ein paar Gangster geraten zwischen die Fronten. Auf der einen Seite macht die Polizei Jagd auf sie auf der anderen Seite müssen sie alles daran setzen, Jackson abzuschütteln, den sie um sein Geld gebracht haben. Das sorgt für Spannung, wechselnde Schauplätze, gehetzte Akteure, und wenn Chester Himes eine solche Geschichte erzählt, reicht sie über den grobgestrickten Plot hinaus und zeichnet die Konflikte ihrer Zeit auf. Hier sind es die fünfziger Jahre. Der Kampf jener Ausgestoßener, denen die Weißen unterstellen, sie seien mit der falschen Hautfarbe zur Welt gekommen. Egal ob man auf der guten oder der bösen Seite steht. Zumal wenn man als Guter zweifelhafte Methoden benutzt und andere für seine Ziele einspannt. Himes Sprache trifft den Ton. Die Zeiten sind nicht danach, ein Nickerchen einzulegen. Eher rast man durch die Stadt und vergißt zu atmen. Und das ist dann doch wieder so gut wie neu.
Polar aus Aachen

Bewertung vom 06.09.2007
Venedig kann sehr kalt sein
Highsmith, Patricia

Venedig kann sehr kalt sein


weniger gut

Wer einen Roman von Patricia Highsmith gelesen hat, wird von Venedig kann sehr kalt sein enttäuscht sein. Zwar bemüht sich die Autorin erneut ihr spannendes Muster ineinander verstrickter Leben zu entwerfen, indem sie Schwiegervater und Schwiegersohn durch den tragischen Tod der Tochter bzw. Ehefrau aufeinander hetzt, doch wird man das Gefühl nicht los, daß die Autorin vor allem einen Roman schreiben wollte, der in Venedig spielt. Lange schon vor Donna Leon schildert sie das Leben in der Lagunenstadt in hübschen Bildern, doch geht ihr dabei leider die Story verloren. Der Suspense wird fadenscheinig hochgehalten, indem der Schwiegersohn in Venedig bleibt und sich dem unvermeidlichen Finale stellt. Damit die Handlung jedoch zu diesem Punkt geführt wird, bedarf es einiger fadenscheiniger Eingriffe der Autorin, damit der Held der Geschichte vor Ort bleibt. Patricia Highsmith hat sicher eine Reihe besserer Roman geschrieben. Höchstens für Venedigliebhaber, doch die sollten vielleicht gleich zu einem Reiseführer greifen.
Polar aus Aachen

Bewertung vom 06.09.2007
Der Malteser Falke
Hammett, Dashiell

Der Malteser Falke


ausgezeichnet

Dieser Roman ist Opfer seiner selbst. Man würde ihm wünschen, er wäre nie verfilmt worden, damit jeder von uns sich seinen Sam Spade bauen könnte. Doch er ist zu gut. Er mußte verfilmt werden. Kann man ihn überhaupt noch ohne Humphrey Bogarts Gesicht lesen? Dashiell Hammett hat das Genre mit seinen Short Storys, seinen Romanen revolutioniert. Er schenkte uns den Loser, der wie ein Held erscheint. Man liest den Malteser Falke in Schwarz-Weiß, was ausnahmsweise nicht an dem Film liegt, vielmehr an Hammetts ausgefeilter Sprache. Noir et gris. Tag und Nacht, Licht und Schatten, Lug und Betrugen. In den meisten Fällen fehlt die ausreichende Beleuchtung, um die Farben zur Geltung zu bringen. Was an den Menschen liegt, die Hammett beschreibt, sie stehen immer nur für kurze Zeit im Hellen, pflegen ihre Abseitigkeiten, ihre Ängste, ihre Schwächen im Dunklen oder werfen sich wie Sam Spade in die Brust, um den Herausforderungen zu trotzen. Spade ist ein Versprechen auf Hilfe. Und so schwankt er im Bestreben, selbst zu überleben, durch diesen Klassiker. Man wird nicht müde, ihm dabei zuzusehen.
Polar aus Aachen

Bewertung vom 06.09.2007
Der Vogelmann / Inspector Jack Caffery Bd.1
Hayder, Mo

Der Vogelmann / Inspector Jack Caffery Bd.1


ausgezeichnet

John Caffery braucht eigentlich eine Therapie, dabei schlägt er sich mit einem Serienmörder herum. Vielleicht sind das die besten Voraussetzungen um in Augenhöhe einem Täter auf die Spur zu kommen. In ihrem ersten Kriminalroman schafft Mo Hayder eine Atmosphäre von persönlicher wie gesellschaftlicher Angst, die bedrückt. Caffrey ist sicher nicht der einzige Polizist, der am Rande des Zusammenbruchs seiner Arbeit nachgeht, aber Mo Hayder eine der wenigen Autoren, die den Schrecken so schildert, daß er nicht abstrakt erscheint. Der Suspense ihrer Geschichte nimmt von Kapitel zu Kapitel zu und als die Malerin Becky verschwindet, zieht sich die Schlinge sowohl um Caffrey als auch um den Serienkiller zu. Ein Krimi als Psychogramm eines Ermittlers wie eines Täters. Spannend.
Polar aus Aachen

7 von 7 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 06.09.2007
Nichts als Gespenster
Hermann, Judith

Nichts als Gespenster


ausgezeichnet

Judith Hermann unterstreicht ihr Können. Was, wer weiß, wie schwer es ist, ein zweites Buch nach einem überrascht erfolgreichen erstem zu schreiben, erstaunlich ist. Diesmal führt sie uns weit weg von Zuhause. Ihre Geschichten spielen in der Fremde und könnten so auch gleich um die nächste Häuserzeile passiert sein. Ihre Menschen bleiben bei sich, staunen über Norwegen, Island, Nevada, aber ihre Suche haben sie mit ins Ausland genommen. Nur daß sie diesmal sich in Bewegung zu unbekannten Orten befinden und nicht eingeschlossen in ihrem Alltag den Ausbruch, den Neuanfang ersehnen. Ich haue einfach ab und alles wird besser, ich mache Urlaub, damit mir die Decke nicht auf den Kopf fällt, sammle neue Eindrücke, brauche andere vier Wände. Es gibt viele Ausreden, wenn man den Boden unter den Füßen verloren hat. Flüchtig werden Momentaufnahmen gesammelt, die als Mosaik einen Aufriß über Hermans Menschen ergeben. Diese Gespenster haben Fleisch und Blut, auch wenn sie sich lieber als Gespenster empfinden.
Polar aus Aachen