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⇢ Ich bin: Ex-Buchhändlerin, Leseratte, seit 2012 Buchbloggerin, vielseitig interessiert und chronisch neugierig. Bevorzugt lese ich das Genre Gegenwartsliteratur, bin aber auch in anderen Genres unterwegs. ⇢ 2020 und 2021: Teil der Jury des Buchpreises "Das Debüt" ⇢ 2022: Offizielle Buchpreisbloggerin des Deutschen Buchpreises

Bewertungen

Insgesamt 735 Bewertungen
Bewertung vom 02.09.2014
Geschickt eingefädelt / Crooked Creek Ranch Bd.1
O'Keefe, Molly

Geschickt eingefädelt / Crooked Creek Ranch Bd.1


sehr gut

Das ansprechende Titelbild, mit seinen fröhlichen Farben und der frech lächelnden jungen Frau, lässt einen Liebesroman zum Träumen, Seufzen und Lachen erwarten, und auch der Klappentext klingt nach leichtem Lesevergnügen für zwischendurch, sozusagen literarischem Fastfood - was ja nicht unbedingt etwas Schlechtes sein muss!

Deswegen war es für mich erstmal eine herbe Überraschung, von der Autorin so nach und nach mit Charakteren bekannt gemacht zu werden, die alle ihre tiefen emotionalen Wunden, ihre komplizierte Vergangenheit, ihre Probleme und zum Teil sogar ihre dunklen Geheimnisse mit sich herumschleppen. Hier ist keiner so ganz ohne Fehler oder ohne Schuld, aber im Gegenzug kann man sie alle ein Stück weit verstehen und mit ihnen fühlen, wenn man sie auch nicht immer entschuldigen kann. Sehr interessant fand ich, wie ein und derselbe Mensch in völlig anderem Licht erscheint, je nachdem, aus wessen Augen wir die Geschehnisse gerade sehen, und die Autorin überlässt es dem Leser, sich seine eigenen Urteile zu bilden. Mehr möchte ich nicht verraten, um niemandem die Spannung zu nehmen!

Dadurch, dass die Charakter wesentlich komplexer sind, als ich erwartet hatte, fand ich auch die Geschichte wesentlich origineller und tiefgründiger! Ja, im Zentrum steht die prickelnde Anziehungskraft zwischen Luc und Tara, und es gibt einige erotische Szenen - aber das ist eben nicht alles, was das Buch zu bieten hat. Für zusätzliche Spannung sorgt zum Beispiel, dass Taras Vergangenheit droht, sie einzuholen und alle um sie herum ins Verderben zu reißen - ein bisschen Krimi, sozusagen als Würze des Ganzen!

Luc und Tara sind ein interessantes Paar, gerade weil sie so schwierig sind - denn beide sind in gewisser Weise das Produkt ihrer verkorksten Kindheit. Luc kann manchmal ein echter Macho sein, aber eigentlich ist er jemand, der ein tiefes Mitgefühl für die Menschen um ihn herum hat. Tara spielt überzeugend das billige Flittchen, und sie neigt dazu, ihren eigenen Wert daran zu messen, wie sexuell anziehend sie wirkt, aber eigentlich ist sie clever und kreativ. Zusammen sind die beiden oft eine explosive Mischung, und so gut sie füreinander sein können, so sehr können sie sich auch gegenseitig verletzen... Meist fand ich die Liebesgeschichte aber überzeugend und glaubhaft, nur gegen Ende wurde mir das ständige hin und her zwischen den beiden ein bisschen zu viel!

Der Schreibstil ist rasant und schmissig, und Molly O'Keefe erzählt die Geschichte mit viel Humor, Herzschmerz und bunten Metaphern und Bildern. Diese waren mir allerdings manchmal ein wenig ZU bunt und damit sogar unfreiwillig komisch! So wird zum Beispiel gesagt: "ihre Lippen schwebten wie eine Honigbiene vor seinem Mund", und an einer anderen Stelle: "Luc ließ ein kehliges Brummen hören und löste sich wie ein Güterzug vom Kühlschrank". Auch in den erotischen Szenen neigt der Schreibstil manchmal mehr als nur ein bisschen zur Übertreibung...

Aber im Ganzen las sich das Buch gut und flüssig, und war für mich eine interessante Mischung aus Liebe, Erotik, Drama und sogar Krimi.

Fazit:
Erstaunlicherweise sollte man hinter dem fröhlichen Titelbild nicht unbedingt eine fröhliche Liebesgeschichte erwarten! Komplexe, schwierige Charaktere kommen hier zusammen in einem Familiendrama, in dessem Zentrum die widerwillige erotische Anziehung zwischen dem eiskalten Luc und der verführerischen Tara Jean steht... Wobei sich beide dagegen wehren, aus erotischer Anziehung eine echte emotionale Bindung entstehen zu lassen.

Bewertung vom 25.08.2014
Der Giftschmecker
Moss, Fletcher

Der Giftschmecker


ausgezeichnet

Das Tempo ist rasant - eine lebensgefährliche Bedrohung folgt auf die nächste, und man stolpert mit Dalton Fly und seinen Freunden atemlos durch eine Welt, in der sich Geheimnisse und politische Intrigen immer mehr um sie verstricken wie ein tödliches Netz.

Wenn man als Leser mal kurz Luft holen kann, dann erfährt man mehr über die Charaktere, die allesamt lebendig, glaubhaft und vielschichtig beschrieben werden. Besonders Dalton Fly und sein bester Freund Sal Sleepwell waren mir sehr sympathisch, und ich fand die Beschreibung ihres Lebens als Giftschmecker faszinierend und manchmal auch erschreckend. Schon als Kleinkinder wurden sie von ihrem Meister Oscar aufgenommen und mit immer größeren Dosierungen tödlicher Gifte gefüttert, um ihre Körper damit so weit gegen diese Gifte immun zu machen, wie irgendwie möglich. Sie haben unzählige Nächte mit Fieber, Schüttelfrost und Magenkrämpfen durchlitten, aber immerhin gehören sie zu den Glücklichen, die die Ausbildung überlebt haben... Jetzt arbeiten sie als Vorkoster für die Adligen und die Reichen - was ohnehin schon kein Beruf ist, in dem man alt wird, auch wenn man nicht plötzlich unerklärlicherweise von mächtigen Feinden gejagt wird.

Auch Scarlet Dropmore ist eine interessante Heldin - sie ist 16, "hochgewachsen, tapfer und schön". Sie ist eine der Verborgenen: Kinder, die schon früh von ihren Eltern getrennt und versteckt wurden, weil sie zu wichtig sind, um sie zu riskieren. Manche sind Erben politischer Ämter oder adliger Titel; manche haben einfach nur reiche Eltern und könnten bei Lösegeldforderungen als Druckmittel benutzt werden. Wer Glück hat, wird verhätschelt und in Prunk und Luxus versteckt - wer Pech hat, wird als Küchenjunge oder Diener getarnt. Scarlet war eine der Priviligierten, was sie aber auch angreifbar macht. Und als sie ihr Leben plötzlich Dalton verdankt, wird sie mit ihm zusammen in eine unglaubliche Intrige gezogen, die nicht nur das Leben der Jugendlichen bedroht, sondern vielleicht sogar die Zukunft des ganzen Landes. Junge Adlige und Kinder der untersten Unterschicht sind plötzlich durch ein gemeinsames Ziel vereint und stellen fest, dass sie sich eigentlich doch recht ähnlich sind...

Mein persönlicher Lieblingscharakter war dabei Luke, die zornige 12-jährige, die es nie müde wird, lautstark gegen die Unterdrückung des Proletariats zu wettern - obwohl sie selber aus reichem Hause stammt! Und es gibt noch viele Charaktere mehr, die es wert wären, hier lobend hervorgehoben zu werden, nur würde das den Rahmen meiner Rezension sprengen...

Es scheint keine Magie zu geben, keine Elfen, keine Vampire... Am Nächsten kommt die Geschichte der Fantasy noch, wenn Dalton ein stilles Gebet zu Blackjack Gannet spricht, dem Gott der Giftschmecker und Waisenkinder. (Und es tatsächlich manchmal so scheint, als würde der ihm Zeichen geben.) Dennoch baut der Autor eine wunderbare, eindringliche, ganz besondere Atmosphäre auf und nutzt die kreative Freiheit, um eine Geschichte zu erzählen, die auch ohne Magie irgendwie magisch ist.

Auch den Schreibstil fand ich großartig - bildgewaltig und dabei nie hochtrabend, packend, mit ganz eigener Stimme und einer sehr mitreißenden Sprachmelodie.

Ich war eigentlich der Meinung, bei "Der Giftschmecker" handle es sich um einen Einzelband und keine Reihe, aber als ich am Ende der letzten Seite angekommen war, war mein einziger Gedanke: "Oh Gott, lass es eine Reihe sein!" (Ist es.) Denn es bleibt sehr viel offen, vielleicht sogar ein kleines bisschen zuviel... Ich MUSS wissen, wie es weitergeht!

Fazit:
Eine rasante, hochspannende Geschichte nicht nur für Jungs ab 12, sondern auch für Mädchen - und junggebliebene Erwachsene! Die Charaktere sind wunderbar und voller Leben, der Schreibstil ist intelligent und bildreich, und der Autor beweist, dass man auch ohne Magie magische Atmosphäre erzeugen kann. Eine ganz klare Leseempfehlung!

Bewertung vom 25.08.2014
Bis ich dich wiedersehe
Levy, Marc

Bis ich dich wiedersehe


weniger gut

Für einen Liebesroman ist mir das Titelbild der Taschenbuch-Neuauflage ein klein wenig zu nüchtern, auch wenn ich sonst diesen Stil sehr gerne mag. Allerdings hat mich auch der Inhalt mit eher gemischten Gefühlen zurückgelassen...

Wie der Klappentext bereits verrät (und man sich als Leser auch ohne den Klappentext schnell denken kann), geht es hier um Wiedergeburt. Kann eine Liebe so stark sein, dass sie sogar den Tod überdauert? Können sich zwei Liebende in einem anderen Leben wiederfinden und wiedererkennen? Und was soll daraus werden, wenn man sich in diesem Leben schon neu gebunden hat? Das bietet ja durchaus eine interessante Grundlage für eine originelle Liebesgeschichte, aber meiner Meinung nach wird dieses Potential nicht voll ausgereizt. Erst gegen Ende des Buches wird dem Leser vollends klar, dass hier noch weit mehr dahintersteckt als nur eine "einfache" Wiedergeburt - dass wir es hier auch mit einer Geschichte von Verrat und Rache, sogar Mord zu tun haben.

Ich hätte mir gewünscht, dass diese abgründigen Seiten der Geschichte schon früher deutlicher herausgearbeitet worden wären, denn das hätte das Buch für mich spannender und auch schlüssiger gemacht. So zog es sich für mich im Mittelteil ein wenig, und vieles fand ich etwas vorhersehbar - wobei mich der Autor mit ein paar Dingen dann doch aufs Glatteis geführt hat! Davon bitte mehr!

In ein paar Rezensionen habe ich Kritik daran gelesen, dass in die Geschichte so viel über Kunst einfließt. Über Jonathans Arbeit als Kunstexperte, über das Leben des russischen Malers Radskin... Gerade der Teil hat mir persönlich gut gefallen, und ich war fast ein wenig enttäuscht, als ich nach Lektüre des Buches "Wladimir Radskin" gegoogelt habe und feststellen musste, dass er leider nur fiktiv ist! Seine Bilder klangen so wunderschön...

Die Charaktere gefielen mir im Ansatz gut, aber sie blieben für mich über lange Strecken seltsam blass; ich fand einfach keinen rechten Zugang zu ihnen. Das machte es für mich auch schwierig, mich wirklich in die Liebesgeschichte einzufühlen, die ja eigentlich mal was Anderes und dabei angenehmerweise relativ kitscharm ist!

Der Schreibstil las sich flüssig, nur kam es mir manchmal so vor, als würde zu viel aus der Distanz des allwissenden Erzählers beschrieben und zu wenig unmittelbar und lebendig gezeigt... Vielleicht kamen daher auch meine Schwierigkeiten, wirklich mit den Charakteren mitzufühlen und mitzuleiden.

Fazit:
Kunst, Wiedergeburt, Liebe und Verrat... Eine eigentlich spannende Grundidee, mit eigentlich vielversprechenden Charakteren und eigentlich gut zu lesendem Schreibstil - aber für mich mit zu vielen "abers". Ich konnte mich letztendlich weder für die Protagonisten noch für die Liebesgeschichte wirklich erwärmen und habe das Buch enttäuscht zugeschlagen.

Bewertung vom 15.08.2014
Das Mädchen, das Geschichten fängt
Schwab, Victoria

Das Mädchen, das Geschichten fängt


ausgezeichnet

Manchmal gerät man an ein Buch, bei dem man sich denkt: "Wow, sowas habe ich ja noch nie gelesen!" Und wenn es dann noch gut geschrieben ist, hat man einen echten Schatz entdeckt. Für mich ist "Das Mädchen, das Geschichten fängt" so ein Schatz, denn die Ideen sind neu und originell, die Protagonistin ist tapfer und doch verletzlich, und das Buch behandelt ernste Themen wie Verlust und Trauer und ist dennoch unterhaltsam.

Das Cover ist sehr hübsch und ansprechend, aber ich hätte dahinter nie, niemals eine Urban-Fantasy-Geschichte vermutet - und was für eine! Ich liebe die Welt, die die Autorin hier erschaffen hat, diese ganz eigene Art des Lebens nach dem Tode, die einerseits tröstlich ist und andererseits bedrückend und traurig... Ein wenig hat es mich von der Atmosphäre her an "Graveminder" von Melissa Marr erinnert - auch ein großartiges Buch, aber dieses hier hat mir sogar noch besser gefallen!

Mac ist eine wunderbare Protagonistin. Sie ist tough und mutig, kann kämpfen und eine Menge einstecken, ist routiniert darin, Verletzungen vor ihren Eltern zu verstecken... Und dennoch erzählt sie uns ihre Geschichte in zauberhaft-poetischen Worten, die die eigentümliche Welt des Buches in all ihrer düsteren Pracht auferstehen lassen. Sie hat durchaus ihre Schwächen. Sie macht Fehler, die man nur zu gut verstehen und verzeihen kann, denn sie ist ja nicht nur eine Wächterin - sie ist ein verwirrtes, verletztes junges Mädchen, das gerade seinen geliebten Bruder verloren hat. Vor allem ist sie aber ein Charakter, der einem vom ersten Satz an als komplexes, glaubhaftes, liebenswertes Wesen entgegentritt.

Wes ist ebenfalls ein sehr liebenswerter Charakter - mit überraschendem Tiefgang! Auf den ersten Blick würden ihn die meisten wohl als rebellischen Teenager abtun, aber er hat manchmal erstaunliche Einsichten in Leben und Tod, Schuld und Vergebung... Er ist loyal, er ist mutig, und er bringt ein bisschen Humor in die Geschichte, denn er gibt es nie auf, Mac mit seinen übertriebenen Flirtversuchen zum Lachen zu bringen. (Ob sich zwischen den beiden etwas entwickelt, das müsst ihr schon selbst lesen!)

Dann gibt es da noch Roland, den Bibliothekar, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, über Mac zu wachen. Wenn Mac Buffy wäre, dann wäre Roland Giles (wenn euch das noch was sagt)! Er ist nicht immer nett, aber er meint es immer gut und ist immer für Mac da - auch dann, wenn sie wirklich Mist gebaut hat. Durch ihr großes Geheimnis steht zwischen Mac und ihren Eltern seit vielen Jahren eine unsichtbare Schranke, und so ist Roland die Vaterfigur, die sie so dringend braucht. Ich fand die Beziehung zwischen den beiden sehr anrührend.

Für mich war wie Welt des Buches an sich schon ab der ersten Seite sehr spannend - und die Spannung steigert sich im Buch immer mehr, je klarer wird, dass die Dinge aus irgendeinem Grund außer Kontrolle geraten sind. Bald geht es nicht mehr nur darum, ob Mac ihr Geheimnis bewahren kann - sondern darum, ob sie überleben kann...

Den Schreibstil fand ich fantastisch. Macs melancholische und doch magische Worte haben mich direkt angesprochen und berührt, und ich habe noch nie ein Buch gelesen, das sich im Grunde um Tod und Trauer dreht, und dabei durchweg unterhaltsame, pure Fantasy ist. Die Autorin schreibt die actionreichen Szenen dabei genauso gut wie die leisen, nachdenklichen!

Fazit:
Wer gerne Urban Fantasy liest, sollte es definitiv mal mit diesem Buch versuchen! Die Autorin erzählt hier eine magische Geschichte zwischen Leben und Tod - einerseits voller Spannung und Action, andererseits mit viel Gespür für die Nuancen von Trauer und Verlust. Und die junge Mac, die schon über die Toten wacht, seit sie 12 Jahre alt ist, hat sich mit ihren poetischen Worten von der ersten Seite an in mein Herz geschlichen.

Bewertung vom 15.08.2014
Das Buch der Königin
Weigand, Sabine

Das Buch der Königin


ausgezeichnet

Das Titelbild zeigt eine Szene aus Konstanzes Leben, und vielleicht eine der bittersten: sie wird gezwungen, ihr Baby abzugeben, und dann abgeführt wie eine Verbrecherin. Dabei war die Geburt für sie ein kleines Wunder, mit dem sie nach vielen Jahren der Unfruchtbarkeit nicht mehr gerechnet hatte, und in diesem Moment ist sie nicht die Frau des Kaisers, sondern einfach eine verzweifelte Mutter, der ihr Kind weggenommen wird.

Und genau das war für mich die große Stärke des Romans: historische Gestalten - Barbarossa, Richard Löwenherz, Heinrich VI., Konstanze selber und viele mehr - erwachen auf seinen Seiten zum Leben. Wenn man Geschichtsbücher liest, kann man leicht vergessen, dass Geschichte von echten Menschen aus Fleisch und Blut geschrieben wurde, aber die promovierte Historikerin Sabine Weigand lädt uns ein, mit ihnen zu fühlen, zu leiden und zu hoffen. Die Autorin stützt sich auf die überlieferten Dokumente, soweit das möglich ist, und erfindet plausibel und glaubhaft dazu, was diese uns nicht verraten. (Im Anhang des Buches findet man übrigens eine hochinteressante Erklärung über die überlieferten Hintergründe.) Hat Konstanze ihren Sohn zum Beispiel wirklich in einem Zelt geboren? Mit Sicherheit lässt sich das nicht sagen, aber es gibt genug Hinweise darauf, dass es wahr sein könnte... So oder so passt es zu der Konstanze, die das Buch uns zeigt, und ist eine packende Schlüsselszene.

Es gibt auch erfundene Charaktere, wie z.B. den jungen Gottfried von Streitenberg, der eigentlich ein Adliger ist, aber schon als 11-jähriger - zu unrecht als Mörder verschrien - flüchten muss und danach ein ganz anderes Leben als Buchmaler und Schreiber beginnt, in dem er es zu einem gewissen Ruhm bringt. Oder seine Schwester Hemma, die ihre große Liebe beinahe ins Unglück stürzt. Oder Aziz, den Milchbruder Konstanzes, für den sie mehr als nur brüderliche Gefühle hegt... Und viele mehr.

Diese erfundenen Charaktere fügen sich nahtlos ein in das Geflecht, atmen genauso den Hauch der Geschichte wie die echten. Sie zeigen dem Leser, wie das Leben damals war, für die Adligen sowie für die Bürgerlichen - die vom Glück gesegneten und die, die jeden Tag hart arbeiten oder gar um ihr Leben kämpfen mussten. Diese gekonnte, lockere Mischung aus "so war es" und "so hätte es sein können" liest sich spannend und originell.

Besonders die vielen Dinge, die man durch Gottfried über die Kunst der Buchmalerei erfährt, fand ich hochinteressant! Die Herstellung der verschiedenen Tinten, das Gemisch der möglichen Farben, das könnte eine dröge Ansammlung von Fakten sein - ist es aber nicht. Durch Gottfried und seine Liebe zu dieser Kunst wird es auch für den Leser fesselnd... In mir haben seine Erklärungen direkt den Wunsch geweckt, mich mit dem Thema näher zu beschäftigen!

Der Schreibstil ist bei historischen Romanen ja immer eine Art Drahtseilakt: ein Tanz zwischen dem, wie Leute damals wirklich gesprochen und geschrieben haben, und dem, was für heutige Leser noch flüssig genug zu lesen ist, damit sie das Buch nicht frustiert zuklappen. Meiner Meinung nach gelingt der Autorin genau die richtige Balance; nur hier und dort klang mir ein einzelner Satz ein wenig zu modern, aber das kam wirklich nur selten vor. Sie schreibt angenehm bildreich, in prächtigen Metaphern, so dass man Orte und Charaktere beinahe schon vor sich sehen kann. Vieles wird aus Konstanzes Sicht erzählt - in der Ich-Perspektive und im Präsens, so dass man das Gefühl hat, es gerade jetzt im Moment mitzuerleben. Der Wechsel der Perspektiven und auch der Zeitformen ist ein geschickter Schachzug, der manche Szenen umso mehr heraushebt.

Fazit:
Die Autorin verbindet geschickt historisch Belegtes mit glaubhaft Erfundenem, und das Ergebnis liest sich unterhaltsam UND lehrreich.

Bewertung vom 10.08.2014
Blue Blue Eyes / Lost Souls Ltd. Bd.1
Gabathuler, Alice

Blue Blue Eyes / Lost Souls Ltd. Bd.1


ausgezeichnet

Das Cover vermittelt meiner Meinung nach sehr gut die bedrohliche Atmosphäre des Buches: eine friedliche, sogar idyllische Szenerie - aber hinter der scheinbaren Ruhe lauert der Sturm. Die Mitglieder von Lost Souls Ltd. haben alle schon am eigenen Leib erfahren, was es bedeuten kann, wenn dieser Sturm losbricht und die Seele brutal in Stücke reißt. Mord, Gewalt, Demütigung... Ein Leben, das davon berührt wurde, kann nie mehr dasselbe sein, und genau das wollen Ayden, Nathan und Raix den Jugendlichen, die sie beschützen, ersparen.

Ich fand die Idee einer Geheimorganisation, die sich ausschließlich dem Schutz gefährdeter Jugendlicher verschrieben hat, sehr interessant! Umgesetzt wurde sie von der Autorin in einer vielschichtigen Handlung voller origineller Ideen und unerwarteter Wendungen. Das blieb für mich immer spannend und packend, von der ersten bis zur letzten Seite. Wird Lost Souls Ltd. Kata retten können? Und falls ja, wird es auch ihre Seele unbeschadet überstehen - oder wird sie ihr Leben traumatisiert und mit emotionalen Narben fortführen müssen, als eine weitere "Lost Soul"? Die Seiten haben sich quasi von selbst umgeblättert!

Allerdings entsteht die Spannung oft eher aus der psychologischen Entwicklung der Charaktere als aus einer typischen Thriller-Handlung. Ayden, Nathan und Raix sind zutiefst verletzte, verlorene Seelen, die Schreckliches hinter sich haben - und sich dennoch eine entschlossene Stärke bewahrt haben. Allerdings leidet Ayden immer noch an furchtbaren Albträumen. Nathans Erfahrungen haben ihn eiskalt und oft sogar skrupellos gemacht. Raix ist kreativ und intelligent, aber manchmal setzt es in seinem Kopf einfach aus, und dann hat er entsetzliche Anfälle. Alle drei sind komplexe, glaubwürdige Charaktere mit Stärken und Schwächen, mit denen ich mitgefühlt und mitgelitten habe - sogar mit Nathan, der nur ab und an erahnen lässt, dass doch noch Gutes in ihm steckt. In diesem ersten Band steht Ayden mit seiner tragischen Geschichte im Mittelpunkt; im nächsten Buch soll es wohl Nathan sein, über den man mehr erfährt.

Kata konnte mich erst so nach und nach für sich gewinnen. Reserviert ist sie, melancholisch, ruhig, emotional beherrscht. Es fällt ihr schon vor dem Tod ihrer Adoptiveltern nicht leicht, Emotionen zuzulassen und Menschen zu vertrauen. Und das hat seinen Grund in ihrer Vergangenheit - die sie zum Teil verdrängt hat. Ausgerechnet zu Ayden fühlt sie aber direkt eine Verbindung... Und er zu ihr, was er sich eigentlich nicht leisten kann. Schließlich ist sie ein Auftrag, und dafür muss er einen klaren Kopf bewahren! Aber die Romantik bleibt eher im Hintergrund und überschreitet nie die Grenze zum Kitsch.

Der Schreibstil ist klar und eindringlich, und besonders Atmosphäre und Emotionen werden von der Autorin wunderbar beschrieben und vermittelt.

Fazit:
Ein eher ruhiger Jugendthriller, der meiner Meinung nach trotzdem nie an abgründiger Spannung verliert. Das Buch lebt vor allem von seinen komplexen Charakteren, die man trotz aller Zwiespältigkeit ins Herz schließen kann - denn Lost Souls Ltd. haben ihr Leben dem Schutz von Unschuldigen verschrieben und riskieren dafür alles.

Bewertung vom 09.08.2014
Diesmal für immer
Toon, Paige

Diesmal für immer


sehr gut

Am Anfang hatte ich so meine Probleme mit Meg. Sie erschien mir unreif und zickig, manchmal sogar selbstsüchtig und unfair... Erst so nach und nach stellte ich fest: eigentlich ist Meg gar nicht so! Sie ist nur innerlich zerfressen von ihren Schuldgefühlen, nervlich völlig am Ende. Sie kann und will mit dieser Lüge einfach nicht mehr leben, und das konnte ich gut verstehen. Hinter all dem Frust, der Angst und der Verzweiflung steckt eine komplexe, verletzliche junge Frau, die mir im Laufe des Buches immer mehr ans Herz gewachsen ist! Sie fühlt sehr tief und ehrlich für die Menschen, die sie liebt, und im Grunde will sie für alle nur das Beste. Ihre einzige große "Sünde" ist es, Christian betrogen zu haben, und das geschah ohne böse Absicht.

Christian, der ame belogene Kerl, hat sich schnell mein Mitgefühl verdient. (Warum sind es immer die netten Männer, die das Nachsehen haben?) Er kümmert sich so rührend um Barney, mit so viel Herzblut, dass ich mir beinahe verzweifelt wünschte, ich könnte die Geschichte anhalten, damit er nie erfahren muss, dass der Kleine nicht sein Sohn ist! Aber jede Geschichte hat zwei Seiten, und so ist auch Christian nicht perfekt. Er hat seine schlechten Eigenschaften, seine ganz eigenen Schwächen und Fehler - und das ist gut so, denn das macht ihn erst "echt" und glaubhaft!

Johnny ist ein Bad Boy alter Schule. Ein stinkreicher Rockstar, der daran gewöhnt ist, dass er sich alles kaufen und alles tun kann, was er will. Er säuft, er nimmt Drogen, er kann ein richtiger Mistkerl sein. (Wer schläft schon ZWEIMAL mit Freundinnen seines besten Freundes, und wohlgemerkt zwei verschiedenen?) Lange konnte ich einfach nicht verstehen, was Meg an ihm findet, und ich fand sein Verhalten absolut unentschuldbar. Aber Johnny hat neben seinen vielen schlechten Eigenschaften doch auch ein paar gute, und ich muss zugeben: trotz allem hat er mich für sich gewonnen. (Gegen meinen inneren Protest!) Und, wie gesagt, jede Geschichte hat zwei Seiten: so wie Christian kein Heiliger ist, ist Johnny auch nicht alleine an der ganzen Misere schuld.

Die Geschichte lebt von diesen drei grundverschiedenenen Charakteren, die das Leben in Liebe und Verrat zusammengebracht hat. Auf den ersten Blick erschienen sie mir zwar relativ eindimensional, aber dieser erste Eindruck täuscht! Dahinter versteckt sich mehr Tiefgang als erwartet, und im Endeffekt waren sie für mich alle glaubhaft und überzeugend - und sehr sympathisch, sogar Johnny.

Eigentlich war mir von Anfang an klar, dass es prinzipiell nur auf dreierlei Art enden konnte: 1) Meg entscheidet sich für Christian, 2) Meg entscheidet sich für Johnny oder 3) Meg gibt beiden den Laufpass und beginnt ein neues Leben. Deswegen war das Ende im Grunde auch keine echte Überraschung, aber der Weg dahin wartete mit einigen unerwarteten Wendungen und spannenden Entwicklungen auf!

Der Schreibstil ist relativ einfach, aber locker-flockig und unterhaltsam, mit einer guten Dosis Humor und mehr als nur einer Prise Romantik. Er bringt die widersprüchlichen Emotionen der Charaktere sehr gut rüber, und damit lebt und atmet die Geschichte.

Fazit:
Eine Liebesgeschichte - oder mehrere? Ihr kleiner Sohn Barney bindet Meg an zwei Männer, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten: ihren bodenständigen Freund Christian, und den wilden Rockstar Johnny, der keine Grenzen kennt. Ist ihre Liebe zu Christian echt, oder nur noch Gewohnheit? Ist ihre Liebe zu Johnny echt, oder nur noch eine Erinnerung? Oder kann es sogar einen neuen Mann in ihrem Leben geben? Meg weiß nur eines: sie will keine Lüge mehr leben, und damit beginnt für sie eine turbulente Zeit voller Herzschmerz. Die drei Protagonisten wuchsen mir erst so nach und nach ans Herz, aber danach fand ich die Geschichte sehr schön und unterhaltsam!

Bewertung vom 05.08.2014
Das wirst du bereuen
Maciel, Amanda

Das wirst du bereuen


gut

Ein schlichtes Cover für ein Buch mit einem brisanten und brandaktuellen Thema: Mobbing unter Jugendlichen - in diesem Fall mit tragischer Konsequenz, denn das Opfer erhängt sich vor lauter Verzweiflung. Dabei wählt die Autorin einen originellen Ansatz, indem sie uns die Geschichte aus Sicht von Sara erzählt, einem der Mädchen, das nun wegen Mobbing mit Todesfolge vor Gericht steht.

Und darin liegt auch schon die große Stärke und die große Schwäche des Buchs: einerseits liest es sich dadurch sehr authentisch und glaubwürdig, und andererseits hat man manchmal das Gefühl, dass ein Großteil der Schuld dem Opfer in die Schuhe geschoben wird - denn Sara sieht gar nicht ein, dass sie irgendetwas verbrochen hat. Emma, so sagt sie, war einfach eine blöde Schlampe, die jeden Monat einen neuen Freund hatte und auch nicht davor zurückgeschreckt hat, anderen Mädchen die Freunde auszuspannen. Da ist doch klar, dass die Mädchen sich wehren! Und dass sie sich umgebracht hat, war ja wohl ihre eigene Entscheidung.

Tatsächlich redet Sara viel darüber, wie der Tod von Emma IHR Leben ruiniert hat. Mir fiel es sehr schwer, Sympathie und Mitgefühl für Sara zu entwickeln, weil sie sich für einen Großteil des Buches kaum weiterentwickelt. Immer und immer wieder spricht sie mit Anwälten und Therapeuten, und immer und immer wieder beharrt sie stur darauf, dass sie nichts Falsches getan hat. Oder später, dass sie vielleicht doch was Falsches getan hat, aber dass es ja nicht soooo schlimm war, und sich Emma einfach umgebracht hat, weil sie halt psychische Probleme hatte. Erst gegen Schluss kommt ein wenig Einsicht, aber das sehr plötzlich und für mich nicht sehr überzeugend.

Über Emma erfahren wir erstaunlich wenig. Sie hat schon mehrfach die Schule gewechselt - warum? Wir erfahren es nicht. Ja, sie hat wirklich einiges von dem getan, was die Mädchen ihr vorwerfen. Sie hatte tatsächlich mit einer ganzen Reihe von Jungen Sex, und sie hat wirklich mindestens zwei Mächen den Freund ausgespannt. Warum? Ganz leise bildet sich der Verdacht, dass Emma womöglich ein schwerwiegendes emotionales Problem hatte, denn normal und gesund ist ihr Verhalten nicht. Hängt ihr Selbstwertgefühl davon ab, wie sexuell attraktiv sie wahrgenommen wird? Gibt es da in ihrer Vergangenheit vielleicht sexuelle Gewalt? Der Leser kann nur spekulieren.

Ich bin etwas zwiegespalten, was diese Darstellung von Emma betrifft. Natürlich ist es nur realistisch, dass Emma keine Heilige war, dass sie auch ihre Schwächen und Probleme hatte, aber dadurch, dass ihr Verhalten relativ unreflektiert von Sara geschildert wird, könnte ein jugendlicher Leser den Eindruck gewinnen, dass das Mobbing tatsächlich gerechtfertigt war. Mir fehlte zweierlei: die ganz klare Aussage, dass Mobbing nie eine akzeptable Lösung ist, und näheres Eingehen darauf, was denn bei so einer Konfliktsituation die richtige Lösungsstrategie sein könnte.

Trotz aller Bedenken: das Buch liest sich gut und flüssig, und auf traurige Art und Weise unterhaltsam. Der Schreibstil trifft glaubhaft die Jugendsprache. Es ist durchaus spannend; ich wollte immer wissen, wie es weitergeht - wobei viel von dem, was mich interessiert hätte, dann doch nicht angesprochen wurde. Aber ja, doch, es liest sich ansprechend.

Fazit:
Mobbing - ein brisantes, spannendes Thema, das hier auf ungewöhnliche Art und Weise geschildert wird: aus Sicht der uneinsichtigen Täterin. Leider konnte ich nur wenig Sympathie oder Verständnis für sie aufbringen, und über das Opfer erfahren wir nur wenig - beinahe nur, dass sie wirklich viel von dem getan hat, was die Mobberinnen ihr vorwarfen. Warum? Sowohl bei der Motivation der Täter als auch bei der Motivation des Opfers kratzt der Roman nur an der Oberfläche.