Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Glüxklaus
Wohnort: 
Franken

Bewertungen

Insgesamt 576 Bewertungen
Bewertung vom 06.07.2020
Wieso? Weshalb? Warum?: Mein erster Europa-Atlas
Erne, Andrea

Wieso? Weshalb? Warum?: Mein erster Europa-Atlas


sehr gut

Ansprechend gestalteter Europaatlas, der auch beim zigten Durchblättern nicht langweilig wird

Mein erster Europa-Atlas aus der populären Ravensburger-Reihe „Wieso Weshalb Warum“ vermittelt Kindergartenkindern erstes Sachwissen zum umfassenden Themengebiet „Europa“. Zunächst wird ein allgemeiner Überblick gegeben und die Frage „Was ist das Besondere an Europa?“ beantwortet. Der Textabschnitt ist mit einer Europakarte illustriert, auf der landschaftliche und kulturelle Besonderheiten in Bildern dargestellt sind. Diese Karte lässt sich umklappen und verwandelt sich dann in eine politische Karte mit Grenzen und Ländernamen und einer kleinen Liste am unteren Rand, in der „Rekorde“ des Kontinents aufgeführt sind. Auf den folgenden Seiten geht es um das Leben in Europa und die Europäische Union, u.a. mit Klappen zur Währung Euro.
Nun widmet sich das Buch den einzelnen Ländern in Europa. Ein kurzer Text informiert über Wichtiges und Typisches in den einzelnen Staaten, die jeweiligen Flaggen sind abgebildet, Kinder begrüßen mit Sprechblasen die Leser oder stellen andere Floskeln in den Landessprachen vor, weitere Textabschnitte und Entdeckerklappen erzählen noch mehr über spezielle Eigenheiten der Regionen. Auf jeder Doppelseite befindet sich eine bunt illustrierte Karte, auf der berühmte Gebäude, Tiere, Pflanzen zeigen, was im jeweiligen Gebiet relevant ist. Auch in diese Karten sind hin und wieder Klappen eingearbeitet.

Als Extra enthält das Sachbuch noch eine große Europakarte, ebenso schön bebildert, als Poster zum Aufhängen. Dekorativ eingerahmt wird diese von allen Flaggen Europas, alphabetisch geordnet.

Alle Sachtexte sind kindgerecht, gut verständlich, informativ und nicht zu „trocken“ formuliert.

In diesem prall gefüllten Atlas steckt so viel drin, dass Kinder beim ersten Durchblättern sicher noch gar nicht jedes einzelne Thema erfassen können. Bestimmt entdecken sie auch beim wiederholten Anschauen immer noch Dinge, die ihnen vorher noch gar nicht aufgefallen waren. Die kleinen, aber detaillierten Bilder kann man immer wieder betrachten, ich finde sie sehr gelungen und für Kinder äußerst motivierend. Auch ich als Erwachsene habe aus dem Buch noch einige neue Informationen erfahren. Dass Schaukeln in Estland eine richtige Sportart ist, war mir beispielsweise genauso unbekannt wie der Begriff für „Danke“ auf Ungarisch. Die jeweiligen Seiten stellen natürlich nur eine kleine repräsentative Auswahl dar, welche Informationen über die Länder wichtig sein könnten. Andere Autoren hätten eventuell andere Schwerpunkte gesetzt. Ich finde die Auswahl der Inhalte jedoch im Großen und Ganzen sehr stimmig. Dass alle Länder ähnlich viel Raum einnehmen, der kurze Informationstext über Luxemburg fast so lang ist wie der über Italien halte ich allerdings für verbesserungswürdig, Italien ist nun mal größer, vielfältiger und spielt daher schon eine andere, prägendere Rolle in Europa als Luxemburg.

Die Entdeckerklappen machen Bücher aus der Reihe zu etwas Besonderem, sie sorgen durch ihre unterschiedliche Gestaltung für Abwechslung, die Kinder „lesen“ so auch „mit den Händen“, haben etwas zum Anfassen. Manche der Klappen lassen sich allerdings beim ersten Mal schwer öffnen und könnten für mich noch etwas stabiler gearbeitet sein.

Alles in allem ist „Mein erster Europaatlas“ ein wirklich gelungenes Sachbuch für 4-7-Jährige, das einen ersten Überblick, aber auch schon etwas tieferes Spezialwissen vermittelt. Die Reihe „Wieso Weshalb Warum“ steht für mich generell für gute Qualität, auch dieser Band stellt da keine Ausnahme dar. Wissbegierige Kinder werden ihn garantiert immer wieder zur Hand nehmen, alle Seiten genau betrachten und daran sehr lange und ausdauernd ihre Freude haben.

Bewertung vom 30.06.2020
Die Liebe kommt auf Zehenspitzen
Günak, Kristina

Die Liebe kommt auf Zehenspitzen


sehr gut

Von Ängsten, Einsamkeit, festgefahrenen Situationen und dem Mut, einen Neuanfang zu wagen

Städterin Lucy möchte Weihnachten zu Hause bei ihren Eltern verbringen. Sie organisiert sich eine Mitfahrgelegenheit: Ben, der als Arzt in der Notaufnahme arbeitet. Doch das Weihnachtsfest fällt anders aus als erwartet. Ein heftiger Schneesturm verhindert, dass Lucy bei ihren Eltern rechtzeitig ankommt. Gemeinsam mit Ben findet sie Unterschlupf bei der älteren Dorle, die in einem historischen Bauernhof auf dem Land lebt. Diese Weihnachtsfeier wird Ben und Lucy noch lange in Erinnerung bleiben. Denn einige Zeit später erfahren sie, dass sie gemeinsam und völlig unerwartet Dorles Anwesen erben. Sie beschließen, sich auf das Abenteuer Landleben einzulassen.

„Die Liebe kommt auf Zehenspitzen“ lässt sich angenehm unkompliziert und flüssig lesen. Kristina Günaks Schreibstil macht es dem Leser sehr leicht, sofort einen Zugang zur Geschichte zu finden.

Lucy hält sich mit Übersetzungen von mehr oder weniger interessanten Romanen über Wasser. Eigentlich möchte sie aber als Autorin arbeiten und hat bereits einen Vertrag für ein Buch in der Tasche, doch das Schreiben mag einfach nicht so recht vorwärts gehen. Lucy hofft darauf, auf dem Land Inspiration zu finden und dort endlich ihr Buch zu beenden.
Ben ist mit seinem stressigen Leben als Arzt in der Notaufnahme überfordert, wird immer wieder von Ängsten geplagt. Das Landleben soll den erwünschten Neuanfang bringen. Doch ganz so einfach ist es dann doch nicht.
Ben und Lucy sind zwei sympathische, stimmige und nachvollziehbare Charaktere. „Auf Zehenspitzen“ beschnuppern sie sich zunächst sacht, ganz vorsichtig und zurückhaltend, doch mit der Zeit werden aus den Mitbewohnern Freunde. Die sich entwickelnde Beziehung der beiden sensiblen Figuren beschreibt Kristina Günak sehr überzeugend, mit Gefühl und Bedacht. Hier haben kleine Gesten oft eine wunderbar große, romantische Bedeutung.
Außergewöhnlich gut haben mir auch die Dorfbewohner gefallen: liebenswert, schrullig, originell. Menschen, die füreinander da sind, auf die man sich verlassen kann. Hier auf dem Land ist die Welt noch in Ordnung.

Der Titel „Die Liebe kommt auf Zehenspitzen“ passt perfekt zum Inhalt, es ist kein Roman mit Effekt und Wumms. Es ist ein ruhiger Roman der leisen Töne. Ben und Lucy entschleunigen ihr Leben, auch dazu gehört Mut. Viel passiert äußerlich nicht, die Handlung ist recht vorhersehbar. Dennoch füllt die Autorin das Buch mit sehr viel Leben. Es werden so viele ernste Themen, wie Einsamkeit und vor allem Ängste und Unsicherheiten angesprochen, dass keine Langeweile aufkommt. Eine Geschichte mit viel Harmonie, vor allem im Dorf, aber auch voller existenzieller Probleme, die hier wirklich ernst genommen und nicht nur oberflächlich abgehandelt werden. Am Ende siegt, wie wir es uns alle wünschen, die Zuversicht. Allerdings gestaltet sich das Ende etwas weniger verhalten, etwas übertriebener als ich es mir erhofft habe. Aber das mag nur mein persönlicher Geschmack sein und tut dem Ganzen wenig Abbruch.

Das Leben ist nicht immer Friede, Freude und Eierkuchen. Aber es liegt auch an uns selbst, es möglichst glücklich zu gestalten. Manchmal braucht es einfach Mut, sein Leben zu ändern und sich auf andere einzulassen. Ängste hat jeder, aber gemeinsam wird es schon irgendwie werden. Ein bisschen Glück ist nie verkehrt und solches, das ganz langsam und leise daher kommt, hält vielleicht sogar länger. Optimistischer Roman mit netten Figuren und schöner Botschaft und dazu eine kleine Liebeserklärung ans Landleben.

Bewertung vom 27.06.2020
Schatten und Licht / Fräulein Gold Bd.1
Stern, Anne

Schatten und Licht / Fräulein Gold Bd.1


ausgezeichnet

Fesselnder Historienkrimi mit Atmosphäre: Absolut gelungenes Debüt
„Denn was war schlimmer, dachte er und kaute auf seinem Daumennagel herum, blind zu bleiben oder dem Bösen in die hässliche Visage zu sehen?“
Berlin 1922: Im Landwehrkanal wird die Leiche einer älteren Prostituierten, Rita Schönbrunn, gefunden. Unfall oder Mord? Kriminalkommissar Karl North wird mit den Ermittlungen beauftragt. Aber er scheint nicht ernsthaft darum bemüht, die Wahrheit herauszufinden. Das findet zumindest die Hebamme Huldas Gold, die zufällig anwesend ist, als North Ritas Nachbarin Lilo befragt, die gerade frisch entbunden hat. Huldas Neugier ist geweckt und sie versucht nun ihrerseits Licht ins Dunkel des Falls zu bringen. Dabei lehnt sie sich mitunter ganz schön weit aus dem Fester und bringt sich in große Gefahr.

„Fräulein Gold- Schatten und Licht“ ist klar und sehr flüssig formuliert. Dank Anne Sterns angenehm natürlichen Schreibstil dauerte es nicht lange, bis ich mich im Berlin der 20er Jahre wiederfand und komplett vom Geschehen eingenommen war.

„Hulda Gold war kein Mädchen wie die anderen“. Nein, Hulda ist eine besondere Protagonistin, unabhängig, scharfsinnig und neugierig, sie arbeitet selbständig, was in der damalige Zeit nicht Usus ist und setzt sich engagiert für „ihre Frauen“ ein. Doch da ist auch eine andere Hulda. Eine verletzliche, die es alles andere als leicht hat, die nicht weiß, was sie von der Zukunft erwartet und die mit mit den Geistern der Vergangenheit kämpft. Manchmal versucht sie deshalb ihre Sorgen zu vergessen, indem sie abends ausgeht, sich Drogenexzessen hingibt und die Kontrolle verliert. Doch Huldas Probleme lassen sich auf diese Weise nicht dauerhaft lösen. Als sie beginnt sich für Ritas Todesfall zu interessieren, ändert sich einiges und durch ihre neue Aufgabe lernt sie viel über sich selbst.
Karl North, der Ermittler der Polizei, wirkt nicht sehr vertrauenswürdig, eher zerrissen, fast etwas dubios. Er scheint eine persönliche Verbindung zum Fall zu haben, die ihn hemmt.
Mir gefallen die beiden Hauptfiguren, beide sind durch ihre Erfahrungen verwundbar geworden, was sie nach außen zu verbergen und zu kompensieren versuchen, aber nicht leugnen können. Wie beide miteinander umgehen und interagieren, sorgt für eine besondere Dynamik. Sie begegnen sich mit Misstrauen, können aber ihre Sympathie zueinander ebensowenig verstecken.
Neben Karl und Hulda beherrscht noch eine weitere zentrale Hauptrolle den Roman: Berlin, die „janusköpfige Großstadt“, „ein einziger Reigen aus Vergnügungen, Champagner und Zügellosigkeit, aus irrlichterndem Glitzern, Drogen, körperlicher Liebe, so viel man wollte“. Berlin, das so ambivalent ist, so viele Gesichter hat: bitterer Armut und verschwenderischer Reichtum, Schatten und Licht. Anne Stern fängt die Atmosphäre dieser besonderen Stadt sehr eindrucksvoll und anschaulich ein.

„Fräulein Gold“ hat für mich alles, was ein guter historischer Krimi braucht: Einen logisch strukturierten Fall, sich stetig steigernde Spannung, eine interessante Kulisse, einen mehr als aufregenden historischen Hintergrund und Hauptfiguren, die traurige Geheimnisse haben, nicht unfehlbar, sondern menschlich sind und dadurch Sympathien wecken.

Zur Zeit schießen historische Roman über Frauen in der Medizin fast wie Pilze aus dem Boden. Alle ähneln sich in der Handlung und der Figurenkonstellation sehr stark. „Fräulein Gold“ sticht für mich angenehm positiv heraus. Die Hauptfiguren weniger stereotyp, glatt und perfekt, dafür mit tiefen „Narben“ versehen. Auch „Fräulein Gold“ ist nicht frei von Klischees, aber längst nicht so bestimmt davon, wie andere aktuelle Vertreter des Genres. Anne Stern spart mit „Zuckerguss“ und macht ihre Geschichte dadurch glaubwürdig und authentisch. Für mich ein absolut gelungenes Debüt. Ich bin sehr gespannt, mit welchen Licht- und Schattenseiten Huldas, Karls und Berlins uns die Autorin in den folgenden Bänden überrascht. Bei der Fortsetzung bin ich jedenfalls

Bewertung vom 24.06.2020
Ein Wort, um dich zu retten (eBook, ePUB)
Musso, Guillaume

Ein Wort, um dich zu retten (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Vielschichtiger und spannender Krimi mit Sogwirkung

Auf der kleinen Île Beaumont geschieht ein entsetzlicher Mord, die achtunddreißigjährige Touristin Apolline Chapuis wird tot aufgefunden, nackt an den Stamm eines Eukalyptusbaumes genagelt.
Zeitgleich taucht die geheimnisvolle Journalistin Mathilde Monney auf der Insel auf, die aus unbekannten Gründen ein sehr großes Interesse an dem Schriftsteller Nathan Fawles hat. Dieser hörte vor dreißig Jahren von einem Tag auf den anderen auf zu schreiben- nach der Veröffentlichung drei sehr erfolgreicher Bücher und dem Gewinn des Pulitzerpreises- und lebt nun extrem zurückgezogen auf der Insel. Auch Raphaël Bataille, der im Ort aushilfsweise in einer Buchhandlung arbeitet, sucht Kontakt zu dem geheimnisvollen Autor. Er hat ein Manuskript, „Die Unnahbarkeit der Baumkronen“, verfasst, das von mehreren Verlagen abgelehnt wurde und erhofft sich nun von Fawles professionelle Tipps, die es ihm dennoch ermöglichen, als Schriftsteller Fuß zu fassen.

Guillaume Musso ist für mich ein großartiger Erzähler. Er stellt die Geschichte auf ganz verschiedene Arten dar, aus der Perspektive Raphaëls, aus der Fawles, aber auch indem er Zeitungsausschnitte, Briefe oder andere Dokumente einfügt. Das gestaltet den Text abwechslungsreich und dadurch umso fesselnder. Musso widmet sich nicht nur dem aktuellen Geschehen des Falls. Er thematisiert auch im Diskurs immer wieder die Frage, was einen Schriftsteller, was das Schreiben ausmacht. In seinen Antworten zeigt sich seine besondere Fähigkeit, Dinge auf den Punkt zu bringen, zum Beispiel: Der Schriftsteller ist für einen Moment lang „ein Schöpfergott, der die Schicksale gestaltet und Protagonisten auch wieder vernichten kann“ oder „Das Schreiben strukturiert das Leben und die Gedanken, es bringt oft Ordnung in das Chaos des Daseins.“

Autor Guillaume Musso hat unter anderem mit Nathan Fawles, Mathilde Monney diverse Figuren erfunden, die alle sehr ambivalent erscheinen. Je mehr der Leser über sie erfährt, desto misstrauischer wird er ihnen gegenüber. Einem Puzzle gleich wird das Bild der Charaktere immer wieder erweitert und neu zusammengesetzt. Der Leser übernimmt, adaptiert teilweise Raphaëls Sicht, der Sympathieträger fungiert als recht neutraler Beobachter.

Die Handlung verdichtet sich zunehmend, immer mehr Fragen, verschiedene Zusammenhänge tauchen auf, bis alles ein stimmiges Ganzes ergibt und der vielschichtige Kriminalfall klar und logisch nachvollziehbar wird. Die Geschichte ist geschickt aufgebaut, die Spannung steigert sich kontinuierlich. Musso hat als „Schöpfergott“ ein fast perfektes logisches Konstrukt geschaffen, das auf solidem Fundament steht. Vielleicht hat er an ein paar Stellen ein wenig überkonstruiert und übertrieben. Das sei ihm aber verziehen, das Gesamtkonstrukt hält definitiv stand.
Interessant auch, wie Musso noch sich selbst als fiktiven Musso in den Epilog einbaut. Kurze Zeit war ich darüber so verwirrt, dass ich dachte, alles sei tatsächlich real.

Für mich ist „Ein Wort um dich zu retten“ viel mehr als ein „Strandbuch“, wie auf dem Klappentext das Magazin „Grazia“ zitiert wird. Musso beweist für mich erneut, dass sein Erfolg absolut gerechtfertigt ist: Nicht bloße mitreißende Unterhaltung, sondern oft ganz schön abgründig, intelligent aufgebaut und genau durchdacht. Und immer wieder nimmt Musso als Thema im Thema fast literaturwissenschaftlichen Bezug und stellt die Frage, was einen guten Autor auszeichnet und was Schreiben bedeutet. Absolut empfehlenswerter Krimi mit Sogwirkung, der über den Tellerrand des Genres hinausgeht.

Bewertung vom 11.06.2020
Die Henkerstochter und der Fluch der Pest / Die Henkerstochter-Saga Bd.8
Pötzsch, Oliver

Die Henkerstochter und der Fluch der Pest / Die Henkerstochter-Saga Bd.8


sehr gut

Seuche und Mord- Spannender historischer Krimi vor düsterer Kulisse

„Wir sollten alle zu unseren Schutzpatronen gegen Pest und Seuchen beten, zum heiligen Sebastian und zur heiligen Corona“.
Die Pest breitet sich 1679 erneut in Bayern aus. Magdalena und Simon sind gerade mit ihren Kindern zu Besuch in Schongau bei Magdalenas Vater dem Henker Jakob Kuisl und dessen Sohn Georg, als der Scharfrichter von Kaufbeuren plötzlich dort auftaucht. Kurz bevor er tot zusammenbricht, bittet er seinen Freund Jakob, Kaufbeuren zu retten, denn dort spiele ein schwarzer Reiter, ein Mörder, zum Tanz auf. Mit Simon und Magdalena reist Jakob nach Kaufbeuren und wird Zeuge mehrerer mysteriöser Todesfälle. Die Opfer scheinen an der Pest gestorben zu sein, aber ganz untypisch kommt es nicht zur Epidemie. Ist die Pest dort etwa noch aufzuhalten? Magdalena muss sich zudem noch um ihre beiden Söhne sorgen: Peter sollte eigentlich in Kaufbeuren einen wichtigen Brief des bayrischen Thronfolgers zu überbringen, taucht aber nicht am Ziel auf. Und der oft unbeherrschte, temperamentvolle Paul, der bei Onkel Georg in Schongau bleibt, bringt sich selbst durch seine Neugier in Lebensgefahr.....

Oliver Pötzsch schreibt sehr flüssig, klar und gut verständlich. Der angenehm unkomplizierte Schreibstil macht es dem Leser leicht, in die Geschichte hineinzufinden, sich gar ganz in ihr zu verlieren und in die düstere Zeit des 17. Jahrhunderts einzutauchen.

Pötzsch Figuren sind mir mittlerweile sehr ans Herz gewachsen: Die schlaue scharfsinnige und vorwitzige Magdalena steht ihrem brummigen Vater in nichts nach, wenn es darum geht, ein Verbrechen zu wittern und es tatkräftig aufzuklären. Ehemann Simon, der mittlerweile in München als Arzt arbeitet, macht die Verbrecherjagd ebenso viel Freude, doch geht er die Dinge etwas theoretischer an, studiert lieber Bücher, während sich Magdalena und ihr Vater kopfüber ins Geschehen stürzen. Ein Henker ist sicherlich nicht unbedingt ein sympathischer Zeitgenosse, doch bei Jakob Kuisl vergisst man regelmäßig, welcher grausamen Tätigkeit er eigentlich nachgeht. So unangenehm sein Beruf, so sympathisch und menschlich wirkt er auf mich. So kümmert er sich engagiert um Kranke und Verletzte und seine Familie ist für ihn das Wichtigste überhaupt. Simon, Magdalena und Jakob sind definitiv ein interessantes, äußerst unterhaltsames Detektivtrio. Auch Peter, Paul und Sophia, Magdalenas Kinder oder ihre Geschwister Barbara und Georg sind Figuren mit großem Potenzial, deren Entwicklung mich immer neugieriger machen.

Oliver Pötzsch hat einen zweifelsfrei fesselnden, stellenweise aber etwas abstrusen Kriminalfall konstruiert. Bis zum Ende bleibt es spannend und mehr als einmal verdächtigt der Leser den Falschen. Langweilig wird es dabei nie. Das Ende kommt recht unerwartet, scheint aber logisch und stimmig.

Der Autor beteuert im Nachwort, nicht beabsichtigt zu haben, einen Roman mit Anspielungen auf die aktuelle Corona-Pandemie schreiben zu wollen. Als er mit dem umfangreichen Buch anfing, waren die Ereignisse noch ganz weit weg. Mit dem Corona-Ausbruch gewinnen manche Ereignisse im Roman eine ganz neue Bedeutung, sind dem Leser nun viel nachvollziehbarer und realistischer.
Nach ein, zwei schwächeren Romanen aus der Reihe hat mich „Die Henkerstochter und der Fluch der Pest“ erneut überzeugt. Ich habe den historischen Krimi sehr gerne gelesen, hatte trotz erschreckender Parallelen zur aktuellen Situation einige kurzweilige, unterhaltsame Lesestunden und bin beim nächsten Fall gerne wieder mit von der Partie.

Bewertung vom 25.05.2020
Ärztin aus Leidenschaft / Juliusspital Bd.1
Beinert, Claudia;Beinert, Nadja

Ärztin aus Leidenschaft / Juliusspital Bd.1


ausgezeichnet

Fesselnder Schmöker um eine starke Frau mit großen Ambitionen

Viviana, Tochter des Würzburger Bankiers Johann Winkelmann, wird 1850 ledig und ungewollt schwanger. Zur damaligen Zeit eine Schande! Vivianas Familie beschließt, dass Viviana zur Wahrung des guten Rufs, ihr Kind heimlich im Kloster gebären und danach weggeben soll. Doch die junge Frau möchte ihre Tochter nicht aufgeben, flieht und findet im Pleicher Viertel Unterschlupf bei der Witwe Magda Vogelhuber und deren beiden Kindern. Die Frauen unterstützen sich gegenseitig. Während Magda auf die Kinder aufpasst, arbeitet Viviana als Helfnerin in der Apotheke des Juliusspitals. Durch ihre Tätigkeit in der Apotheke wird Vivianas Interesse an der Medizin geweckt. Heimlich belauscht sie Vorlesungen, lernt die hiesigen Professoren, wie Karl Friedrich von Markus oder den weltberühmten Rudolph Virchow kennen. Die junge Frau träumt davon, eines Tages selbst als Ärztin Patienten behandeln zu können. Doch das ist Frauen verboten.

Das Cover des Romans zeigt eine junge hübsche Frau, in der Mode des 19. Jahrhunderts gekleidete. Sie steht vor dem berühmten Juliusspital. Teile des Titels und des Bildes sind in Gold gedruckt. Das Titelbild ist ansprechend gestaltet und erregt definitiv Aufmerksamkeit.

Claudia und Nadja Beinert schreiben gut verständlich und klar. Ihr Roman liest sich angenehm leicht und unkompliziert. Mein Einstieg in die Geschichte gelang daher mühelos.

Protagonistin Viviana ist eine besondere, beeindruckende Frau: willensstark, eigensinnig, leidenschaftlich. Sie entscheidet sich für ihre Tochter und gibt ihr bisheriges luxuriöses Leben auf. Im ärmlichen Pleicher Viertel arbeitet sie hart für ihr Geld und beginnt sich für den Arztberuf zu interessieren. Doch leider dürfen Frauen zu dieser Zeit keine Ärztinnen werden, was Viviana aber nicht daran hindert, an ihrem Traum festzuhalten. Imponiert hat mir auch Magda Vogelhuber, die Viviana vorbehaltlos unterstützt, als sie ganz unten ist, obwohl sie sie gerade erst kennengelernt hat. Im Gegensatz zu ihr, will Vivianas Familie nichts mehr von der „gefallenen Tochter“ wissen. Vor allem Bruder Valentin und Mutter Elisabeth schämen sich sehr für sie und sind nur auf den guten Ruf bedacht. Doch auch sie haben Geheimnisse, die besser nicht an die Öffentlichkeit dringen sollten.
Interessante faszinierende Charaktere sind auch die historischen Figuren der Professoren, der weltberühmte Rudolf Virchow, Karl Friedrich von Marcus, Franz von Rinecker und Rudolf Albert Kölliker. Real existierende Personen machen einen historischen Roman für mich immer noch glaubwürdiger. Mehr über ihre Forschung zu erfahren, fand ich sehr aufschlussreich und informativ.

Die vielen unterschiedlichen Figuren - teils aus verschiedenen Milieus- sorgen für eine abwechslungsreiche Handlung. Als stimmig und rund empfand ich auch den Aufbau des Buchs. So hat mich die Geschichte zu jeder Zeit sehr gut unterhalten, mit der sympathischen Viviana musste ich einfach mitfiebern. Durch die zahlreichen Schicksalsschläge und Herausforderungen, die Viviana überstehen muss, ist der Plot bis zum Ende spannend und sehr fesselnd.

„Das Julius Spital-Ärztin aus Leidenschaft“ ist ein perfekter Schmöker, ein historischer Roman ganz nach meinem Geschmack, mit einer starken Frau als Hauptfigur. Nebenher gibt es einiges über bestimmte Aspekte und wichtige Personen aus der Geschichte der Medizin zu erfahren, dadurch wirkt der Roman authentisch und realistisch. Gut gefallen hat mir auch der Schauplatz Würzburg. Die Stadt wird anschaulich und genau beschrieben, ich habe einige Ecken wiedererkannt und konnte mir alles lebhaft vorstellen. Nicht nur für Würzburger ein kurzweiliger Lesegenuss. Ich kann die Fortsetzung schon jetzt kaum erwarten und bin gespannt, wie es mit Viviana und ihrer Familie weitergeht.

Bewertung vom 25.05.2020
Miezbert
Stütze, Annett;Vorbach, Britta

Miezbert


sehr gut

Wenn mit dem großen Hunger die schlechte Laune kommt....

Gerade will Kater Miezbert gemütlich Frühstücken, da kommt sein Freund Piep und möchte mit ihm ein neues Spiel ausprobieren. Sie spielen bis Mittag und besuchen Freund Bär. Miezberts Beine beginnen zu zittern, seine Laune wird immer schlechter. Ohne ersichtlichen Grund faucht er Bär an. Den Eichhörnchen, Huhn und den Hasen ergeht es im Anschluss nicht besser, auch sie ziehen Miezberts Zorn auf sich und werden von ihm angepflaumt. Miezbert ist ein richtiger „Miesbert“ geworden. Was ist nur los mit ihm? Als sein Magen plötzlich laut knurrt, weiß Miezbert endlich, wo der Schuh drückt. Er hat schlicht und einfach Hunger...

Das Autorinnen-Duo Stütze und Vorbach schreibt in altersgemäßer, einfacher und klarer Sprache. Kinder ab drei Jahren können dem Geschehen sicher schon gut folgen und seinen Sinn verstehen. Dorothee Mahnkopfs sehr bunte Illustrationen stellen die Geschichte noch einmal treffend zum Anschauen fürs Auge dar. Anhand der Bilder können die Kinder die Handlung gut nachvollziehen. Etwas gewöhnungsbedürftig ist dabei die Farbwahl, meine Kinder haben sich beispielsweise gewundert, dass Miezbert blau und das Huhn grün ist. Mich hat das weniger gestört.

Miezbert ist eigentlich ein netter, umgänglicher, fröhlicher Kater. Aber heute am „Knurrmagentag“ ist er kaum wiederzuerkennen. Er ist unfreundlich und verteilt einen Rüffel nach dem anderen, ein echter „Miesbert“. Zum Glück findet er schließlich den Grund für seine schlechte Laune heraus. Er hat Hunger. Wie sich Miesbert verhält, kommt uns allen wohl bekannt vor. Auch in meinem Umfeld gibt es z.B. kleine und große Personen, die zum unerträglichen Griesgram mutieren, wenn sie Hunger haben. Miezbert ist also eine sehr glaubwürdige Figur, mit der sich die Leser identifizieren können. Dass Piep Miezbert zum Schluss einen Notfallkoffer mit einer Fischration schenkt, finden meine Kinder und ich eine gute Idee. Wir gehen schließlich auch nie ohne Essen aus dem Haus ;-).

Manchmal ist es so einfach, seine gute Laune wiederzufinden. Eine nette, aus dem Leben gegriffene Geschichte, die anschaulich zeigt, dass es - so profan es klingt- wichtig ist, die einfachsten Grundbedürfnisse, wie essen, trinken, schlafen oder zur Toilette gehen, sofort zu befriedigen, ansonsten hat der Spaß schnell ein Loch. Essen ist etwas, das zum täglichen Leben einfach dazugehört. Wenn man Hunger hat, sollte man in Ruhe und ohne Ablenkung essen, „achtsam essen“ sozusagen. So simpel das ist, so oft wird es in der Hektik des Alltags vergessen. Zum Glück erinnert uns Miezbert in diesem Buch eindringlich daran.

Bewertung vom 22.05.2020
Ravensburger Exit Room Rätsel: Gefangen im Hotel
Scheller, Anne

Ravensburger Exit Room Rätsel: Gefangen im Hotel


ausgezeichnet

Escape-Room als Buch: spannend, abwechslungsreich, knifflig, macht enormen Spaß

Wenn sich der Traumurlaub als Alptraum entpuppt...Eigentlich wolltest du einen wunderschönen, erholsamen Urlaub auf einer Insel im Süden verbringen, doch ehe du dich versiehst, findest Du Dich gefangen in einem gruselig-schmuddeligen Hotelzimmer wieder. Um da raus zu kommen, muss Dein Kopf ganze Arbeit leisten.

Die Rätsel, die es zu lösen gilt, um dem Raum wieder entfliehen zu können, sind nicht nur knifflig, sondern auch sehr abwechslungsreich. Da muss u.a. geschnitten, gefaltet oder gepuzzelt werden. Genauso finden sich Logikrätsel, Geheimschriften, Suchbilder, Rechenaufgaben, Zahlencodes und noch vieles mehr unter den Aufgaben. Wer stellenweise gar nicht mehr weiter weiß, dem helfen zusätzliche Tipps in Spiegelschrift.

Ich war zunächst sehr skeptisch, ob es möglich ist, das Prinzip „Escape room“ in Buchform umzusetzen. Dieses Buch beweist, dass meine Skepsis vollkommen unbegründet war. Die teilweise recht anspruchsvollen Rätselfälle fordern die jungen Leser ganz schön heraus, da muss manchmal mehr als gründlich überlegt werden, um sie zu lösen. Besonders gut hat meiner achtjährigen Tochter und mir gefallen, dass die Aufgaben so vielfältig und ganz unterschiedlich sind. Sie waren aber allesamt spannend und alles andere als langweilig. Uns hat „Gefangen im Hotel“ regelrecht süchtig gemacht. Wer Rätsel liebt und gerne um die Ecke denkt, wird von diesem Buch begeistert sein. Wir haben uns nach unserem mühsamen Sieg über das Buch jedenfalls noch einen weiteren Band aus der Reihe gegönnt....

Bewertung vom 22.05.2020
Alfie und der Clownfisch
Bell, Davina

Alfie und der Clownfisch


sehr gut

Manche Kinder sind wie Clownfische und das ist total in Ordnung

Alfie ist ein ängstlicher Junge. Er traut sich nicht am Wettlauf teilzunehmen, weil er nicht Letzter werden möchte. Er traut sich nicht auf eine Dinoparty, weil er das Topfschlagen fürchtete. Und jetzt möchte er nicht auf das Unterwasserkostümfest. Sich als Kapitän Seestern zu verkleiden, bereitet ihm einfach kein gutes Gefühl. Er fühlt sich nicht mutig genug dafür. Statt auf die Party zu gehen, nimmt ihn Mama mit ins Aquarium. Dort entdeckt er einen Clownfisch, der ihm auf Anhieb gefällt, denn Clownfische verstecken sich gerne. Alfie beschließt nächstes Jahr als Clownfisch auf das Kostümfest zu gehen.

„Alfie und der Clownfisch“ ist in einfachen, altersgemäßen, gut verständlichen Sätzen geschrieben. Das Außergewöhnliche an diesem Buch sind die Illustrationen, die in ungewöhnlichen Farben gedruckt sind, die Gesichter der Figurenleuchten in Neonfarben, andere Details in extremem Blau, ansonsten bestimmen Pastell- und Brauntöne die Farbpalette. Die Bilder fallen definitiv aus dem Rahmen, erregen Aufmerksamkeit.

Alfie ist ein besonders schüchterner Junge. Er leidet darunter, nicht mutig zu sein, erinnert sich immer wieder an Situationen, die er nicht gemeistert hat. Es fühlt sich für ihn an, als müsse er die ganze Welt tragen. Das tat mir beim Lesen sehr Leid. Als seine Mutter ihm das Aquarium zeigt, erkennt er, dass nicht alle Lebewesen gleich mutig sind. Manche stehen gerne im Mittelpunkt, andere nicht. Und das ist richtig so. Wer heute nicht mutig ist, kann es immer noch morgen sein. Alfie kann sich ruhig Zeit lassen und darf sich nicht unter Druck setzen, das macht ihn nur unglücklich.

Auch wenn ich mir nicht sicher bin, ob die bedeutende Botschaft bei den Kindern richtig ankommt -vielleicht ist sie doch ein bisschen zu komplex und wird für die kleinen Leser nicht deutlich genug umgesetzt- hat mir die Aussage von „Alfie und der Clownfisch“ sehr gut gefallen. Nicht jeder ist ein Draufgänger, muss unbedingt im Mittelpunkt stehen, das ist in Ordnung. Man hat immer noch Zeit, irgendwann mutig zu sein. Außerdem muss man gar nicht zwangsläufig über seinen Schatten springen, aus sich heraus kommen. Manche Tiere verstecken sich gerne, manche Menschen bleiben im Hintergrund. Wenn Kinder ihre Persönlichkeit akzeptieren, werden sie sich viel wohler fühlen, als wenn sie sich zwingen, jemand zu sein, der sie nicht sind. Mir imponiert, dass Alfie von seinen geduldigen Eltern nicht genötigt wird, etwas zu tun, was nicht zu ihm passt. Er erkennt (hoffentlich), dass er absolut richtig so ist, wie er ist.

Bewertung vom 20.05.2020
Tage des Schicksals / Die Krankenschwester von St. Pauli Bd.1 (eBook, ePUB)
Maly, Rebecca

Tage des Schicksals / Die Krankenschwester von St. Pauli Bd.1 (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Gelungener Reihenauftakt, der es durchaus mit den Nightingale-Schwestern und Schweikerts Charité aufnehmen kann

Die dreizehnjährige Svantje Claasen muss mit ihrer Mutter und ihrem kleinen Bruder Piet 1885 das Alte Land verlassen, wo es keine Zukunft mehr für sie gibt. Auf dem Weg erkrankt Piet schwer, doch Svantje rettet ihm das Leben. Diese Erfahrung weckt in ihr den Wunsch, Krankenschwester zu werden. Die Familie zieht ins Hamburger Gängeviertel, Svantjes Vater arbeitet in der Werft, ihre Mutter erhält eine Anstellung als Hausmädchen bei der reichen Familie Harkenfeld, den Besitzern der Werft. Zunächst verdient Svantje Geld, indem sie Wasser aus Brunnen schöpft und ausliefert. Später verwirklicht sie ihren Traum und schließt mit eiserner Disziplin ihre Ausbildung als Krankenschwester ab. Nachdem sie ihre Mutter eine Jahr im Haushalt der Harkenfelds vertreten muss, arbeitet sie endlich in ihrem Traumberuf. Doch es tut sich noch mehr in ihrem Leben: Sie lernt den Tuchhändler Friedrich Falkenberg kennen, für den sie schon bald mehr empfindet. Als sich in Hamburg die Cholera ausbreitet, steht Svantjes größte Prüfung noch bevor....

Rebecca Malys flüssiger, unkomplizierter und angenehmer Schreibstil macht es dem Leser leicht, sofort in die Geschichte einzutauchen. Das Cover zeigt eine Krankenschwester -in historischer Arbeitskleidung- vor Hamburgs Hafen. Das Titelbild erinnert ein wenig an Donna Douglas Reihe um die Nightingale Schwestern. Das passt sehr gut, handelt es sich doch um dasselbe Genre, außerdem spricht der Roman Leser mit ähnlichen Vorlieben an.

Svantje Claasen ist eine bewundernswerte Heldin. Sie arbeitet sehr hart für ihren Traum, Krankenschwestern zu werden. Mit eisernem Willen und unerschütterlicher Disziplin verwirklicht sie schließlich ihren Plan. Doch damit ist sie längst nicht am Ziel ihrer Wünsche. Die Choleraepidemie fordert Svantje Unmögliches ab. Und dann verliebt sie sich auch noch. In „Die Krankenschwester von Sankt Pauli“ spielen sehr viele verschiedene Figuren aus unterschiedlichen Gesellschaftsschichten eine Rolle: Svantjes Familie und ihr Freund Raik, die in Armut leben und nichts geschenkt bekommen, aber auch die Sprößlinge der Harkenfelds, Sohn Richard, der einmal die Werft übernehmen soll, aber im Lauf der Geschichte die großen Misstände und schrecklichen Zustände bei der Werftarbeit erkennt, seine Schwester die verwöhnte Hilde, die schlimme Erlebnisse verarbeiten muss, und der aufgeschlossene Friedrich, der mit dem Standesdünkel seiner Eltern zu kämpfen hat....
Mir hat sehr gefallen, dass die Charaktere so unterschiedliche Voraussetzungen haben, aus so gegensätzlichen Milieus stammen. Das macht die Geschichte sehr interessant und zeigt verschiedene Seiten und Facetten eines Themas.

Die Handlung des Roman war für mich durchgehend spannend und mitreißend. Immer wieder wurden neue Herausforderung thematisiert, die die Figuren bewältigen müssen. Svantje kommt niemals wirklich zu Ruhe. Das macht die Geschichte wahnsinnig fesselnd, auch mit den anderen Figuren musste ich einfach mitfiebern. Der Roman endet mit einem dramatischen, überraschenden Cliffhanger.

Ich mag Donna Douglas Nightingale Schwestern, auch Ulrike Schweikerts Charité-Romane und die Reihe um Helene Sommerfelds Ärztin habe ich sehr gerne gelesen. Rebecca Malys Buch muss sich vor diesen erfolgreichen Romanen des Genres definitiv nicht verstecken.“Die Krankenschwester von St. Pauli“ hat mich perfekt unterhalten und nebenher noch über verschiedene medizinische und gesellschaftliche Entwicklungen informiert. Ich möchte unbedingt wissen, wie es mit Svantje und den anderen Figuren weitergeht, bin schon nach dem ersten Buch der Reihe ein Fan geworden und freue mich auf weitere.