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Raumzeitreisender
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Ahaus
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Buchwurm, der sich durch den multidimensionalen Wissenschafts- und Literaturkosmos frisst

Bewertungen

Insgesamt 753 Bewertungen
Bewertung vom 04.08.2016
Nietzsche zur Einführung
Ries, Wiebrecht

Nietzsche zur Einführung


weniger gut

Eine schwierige Einführung

Nietzsche zählt zu den großen Denkern des 19. Jahrhunderts. „Was die Sichtweise auf Nietzsches Bild und Werk angeht, so herrscht heute nahezu die gleiche Zerrissenheit und Uneinigkeit der Urteile und Ansichten wie zu Beginn unseres Jahrhunderts“, so Autor Wiebrecht Ries im Vorwort.

Das Buch gliedert sich in eine Einleitung zu Nietzsches Denken, Kurzbeschreibungen seiner Werke, seine Vernunft- und Moralkritik, den europäischen Nihilismus sowie eine Zusammenfassung, Literaturhinweise und eine Zeittafel. Seinem Hauptwerk „Also sprach Zarathustra“ widmet der Autor 15 Seiten.

Begriffe, die mit Nietzsche in Verbindung gebracht werden wie „Nihilismus“, „Gott ist tot“, „Ewige Wiederkunft des Gleichen“, „Umwertung aller Werte“ und „Übermensch“ werden anhand der Werke erläutert und in Beziehung zueinander gesetzt. Grundüberlegungen Nietzsches werden deutlich. Für den Einstieg kann ich das Buch nicht empfehlen.

Laut Vorwort handelt es sich um eine Einführung in Nietzsches Denken, die auch für den Laien noch lesbar ist. Diesem Anspruch wird der Autor nicht gerecht. Dafür enthält das Buch zu viele Fremdwörter und verschachtelte Sätze. Es handelt sich nicht um ein populärwissenschaftliches Buch, in dem Zusammenhänge in verständlicher Form für ein breites Publikum aufbereitet werden, sondern eher um eine Einführung für Fachleute.

Bewertung vom 03.08.2016
Gegengift
Hörhan, Gerald B.

Gegengift


weniger gut

Ein provokativer Aufruf an die Jugend

Mit diesem Buch fordert Gerald Hörhan die Jugend heraus. Er provoziert („Ihr seid Arschkriecher.“), desillusioniert („Ihr seid den Politikern scheißegal.“) und will sie wachrütteln („Wenn ihr die Initiative übernehmt, wird die Welt euch früher oder später folgen.“). Er fordert, sie sollen etwas für ihre Bildung tun, sich nicht unterordnen und ihr Leben selbst in die Hand nehmen. Diese Forderungen entsprechen seiner eigenen Philosophie als Unternehmer im Outfit eines Punk, der auf einer Elite-Uni studiert hat.

Autor Hörhan hat Karriere im Investmentbanking gemacht und ist finanziell unabhängig. Ihm wurde ermöglicht in Harvard zu studieren. Damit waren seine Startbedingungen bei weitem erfolgversprechender, als die von 99 % der heutigen Jugendlichen, deren Verhalten er kritisiert. Er propagiert, dass man durch „Learning by Doing“, zwar nicht über Nacht, aber sehr wohl im Laufe der Zeit, wohlhabend werden kann.

Den Beweis, dass es auch ohne den Abschluss einer Elite-Uni geht, ist er persönlich schuldig geblieben. Auch geht aus dem Buch nicht hervor, ob er auch in Harvard oder bei McKinsey & Co als Punk aufgetreten ist. Er kritisiert das Bildungssystem („Eure Schulen haben euch die ökonomischen und politischen Zusammenhänge nicht erklärt.“) und stellt Unternehmer heraus, die Nachwuchs einstellen, der Querdenken kann („Ich brauche Leute, die bewiesen haben, dass sie mit diesem Apparat in natürlichem Konflikt stehen.“). Im Hinblick auf die heutigen Auswahlverfahren sind wir davon weit entfernt.

In 4 Lektionen bietet Hörhan das aus seiner Sicht notwendige Rüstzeug an, um die Erfolgsleiter emporsteigen zu können. Seine Weisheiten sind auf Kernaussagen reduziert und verständlich. Er kritisiert Angestelltenjobs und favorisiert die Selbstständigkeit. Es gibt in Deutschland zweifelsohne zu wenige Unternehmer. „Start ups“ erhalten Tipps von ihm. In den folgenden 3 Lektionen beschreibt er Geldanlagen. Verständlich, dass ein Investmentbanker keine Sparbücher und Bausparverträge empfiehlt.

Hörhan hat seinen individuellen Stil gefunden. Er versteht es, sich medial zu vermarkten und Botschaften zu transportieren, die wahrgenommen werden. Er spricht Mängel an, die zweifelsohne existieren. In der Einfachheit der Darstellung liegt oft viel Wahrheit. Inhaltlich transportiert er Informationen, die auch bei Autoren wie Max Otte oder Dirk Müller zu finden sind, dort aber tiefgehender analysiert werden. Deshalb würde ich letztgenannte Autoren auch bevorzugen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 03.08.2016
Münsterland-Kälber
Simpfendörfer, Tove

Münsterland-Kälber


sehr gut

Kriminalfall zwischen Kiepenkerl und Windmühle

Krimis, die im Münsterland spielen, sind auf dem Büchermarkt eher die Ausnahme. Wer seinen Handlungsrahmen auf dem platten Land im Umfeld von Viehzüchtern, Veterinären und Schlachthöfen sucht, muss sich eine besondere Geschichte ausdenken.

Tove Simpfendörfer hat mehrere Jahre im Münsterland gelebt und dort als Pressereferent gearbeitet. Er kennt die Eigenarten dieser Region. Durch seine Pressearbeit hat er das Milieu der Viehzüchter kennen gelernt.

In den 1990er Jahren fanden Veterinäre bei ihren Kontrollen unerlaubte Konzentrationen des Wachstumshormons Clenbuterol in Kälbern vor. Dies brachte die Kälberzucht in Verruf und sorgte für Schlagzeilen in der Presse. Vor diesem Hintergrund spielt der Krimi „Münsterland-Kälber“.

Der bekannte Viehhändler Hans Schulze Feldhoff wird ermordet. Die Borkholter Polizei steht vor einem Rätsel. Wer könnte einen Grund haben, diesen angesehenen und erfolgreichen Viehhändler umzubringen?

Der evangelische Pastor Paul Elfering nimmt Kontakt zu Schulze Feldhoffs Angehörigen auf und recherchiert auf eigene Faust. Er gerät in den Sog der Ereignisse und ist in „Pater Brown–Manier“ der Polizei meist um eine Nasenlänge voraus. Im Zuge seiner Erkundigungen gerät er selbst in Lebensgefahr. Seine eigensinnige Frau Carola ist ihm nicht immer eine Hilfe.

Wer Simpfendörfers erstes Buch „Der Teufel geht auf die Jagd“ kennt, ist gespannt, ob er auch diesem Buch einen vom Mainstream abweichenden Stempel aufdrücken kann.

Originell finde ich die Entwicklung der Charaktere. Wegen der dabei auftretenden Diskrepanzen fällt eine Einteilung der Protagonisten in „gut“ und „böse“ schwer. Irgendwie hat jeder Dreck am Stecken.

Der Autor versteht es, oberflächliche Charakterzüge seiner Protagonisten wie die Schalen einer Zwiebel Schicht für Schicht abzulösen und den nicht immer lupenreinen Kern frei zu legen.

In „Münsterland-Kälber“ dominieren die Dialoge, wodurch die Erzählung lebendig wirkt. Der Plot ist komplexer, als es am Anfang den Anschein hat. Hintergrund und verwendete Namen sind typisch westfälisch. Die Stadt „Borkholt“ mit den fünf Türmen ist im Münsterland bekannt.

Bewertung vom 03.08.2016
Die Glücksformel
Klein, Stefan

Die Glücksformel


ausgezeichnet

Eine aufschlussreiche Analyse des Glücks

Bereits im Vorwort bringt Stefan Klein das Thema auf den Punkt: „So, wie wir mit der Fähigkeit zu sprechen auf die Welt kommen, sind wir auch für die guten Gefühle programmiert.“ Er vergleicht diese Entdeckung hinsichtlich seiner Bedeutung für die Menschen mit Freuds Theorie vom Unbewussten.

Bis vor 40 Jahren glaubten Wissenschaftler, dass der Mensch als unbeschriebenes Blatt auf die Welt kommt und Emotionen durch Nachahmung erlernt. Seit den Forschungen von Paul Ekman in Papua-Neuguinea wissen wir, dass Kultur kaum Einfluss auf Emotionen hat. Elementare Emotionen und die Art, wie unser Körper sie ausdrückt, sind angeboren.

Autor Klein bezieht sich in seinen Ausführungen u.a. auf den bekannten Neurologen Antonio Damasio und dessen Untersuchungen zur Intuition. Dieses Bauchgefühl gibt es und es hat seine Berechtigung. Wir entscheiden uns oftmals aufgrund eines Gefühls richtig, ohne das näher begründen zu können. Manchmal weiß der Körper mehr als der Verstand.

Emotionen entstanden im Zuge der Evolution, damit Lebewesen vergleichsweise einfache Fragen schnell lösen können. Vernunft allein lenkt uns nicht in sinnvolle Bahnen. Klein unterscheidet Emotionen von Gefühlen. Eine Emotion ist eine automatische Antwort des Körpers auf eine bestimmte Situation und ein Gefühl erleben wir, wenn wir diese Emotion bewusst wahrnehmen.

Mit dem Mittel des Vergnügens verführt die Natur uns zu tun, was uns am meisten nützt. Erlebnis und Erwartung des Glücks dienen dazu, unser Handeln zu steuern. Dabei ist Glück nicht das Gegenteil von Unglück. Beides kann nebeneinander existieren. Diese Ambivalenz kann durch den Aufbau des Gehirns erklärt werden. Unterschiedliche Bereiche im Hirn sind für Glück bzw. Unglück zuständig.

Im zweiten Teil des Buches beschäftigt sich Klein mit der Entwicklungsgeschichte der Emotionen. Emotionen sind auch im Tierreich bekannt. Ob bzw. wie Tiere fühlen, ist dagegen unbekannt. Erstaunlich ist, wie Emotionen verändert werden können. Klein berichtet über Versuche mit dem Neurotransmitter Dopamin („Glückshormon“) und anderen biochemischen Botenstoffen. Die Wirkungsweise von Dopamin wurde in dem Film „Zeit des Erwachens“ einem breiten Publikum vorgestellt.

Das Gehirn wird von Spaß angetrieben. Damit ist auch der Nährboden für Suchterscheinungen gegeben, wie Klein anhand verschiedener Versuche deutlich macht. Sucht bedient sich der gleichen Mechanismen, die im Alltag für Lernen und Vorfreude zuständig sind; Sucht ist ein Unfall auf der Suche nach Glück. Abhängigkeit ist Begehren, welches aus dem Ruder läuft.

Der Mensch ist in der Lage, seine angeborenen Triebe, Lüste und Ängste in geordnete Bahnen zu lenken. Hiervon handelt der dritte Teil des Buches. Glück gibt es nur in der Gegenwart in Verbindung mit Erfahrungen. Dabei genügt es nicht, glücklich zu sein, sondern man muss sein Glück auch erkennen. In Momenten hoher Aufmerksamkeit steht die Zeit still und man gerät in einen Zustand, der als „Fließen“ bezeichnet wird.

Neu ist auch die Erkenntnis, dass mystische Erfahrungen den Naturwissenschaften zugänglich sind. Solche Erfahrungen können künstlich durch elektromagnetische Reizung der Schläfenlappen hervorgerufen werden. Meditierende schaffen das auch ohne künstliche Eingriffe dank jahrelangen Trainings.

Stefan Kleins Schreibstil ist ansprechend, seine Ausführungen haben ein naturwissenschaftliches Fundament und sind verständlich. Erfreulich, dass er auf esoterische Spekulationen verzichtet. Im Epilog fasst er wichtige Prinzipien zusammen, die er in den vorderen Kapiteln ausführlich behandelt hat. Das Buch macht deutlich, dass man Glück lernen kann.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 03.08.2016
Herz Dame
Lecaye, Alexis

Herz Dame


gut

Spannung und Unterhaltung

Der Roman besteht aus zwei Teilen, die ineinander verwoben sind. Der erste Teil handelt von einem Serienmörder, der in Paris sein Unwesen treibt und der zweite Teil von Kommissar Martin und den Frauen in seinem Umfeld. Der erste Teil ist spannend, wie ein guter Krimi und der zweite Teil unterhaltend. In dieser Mischung ist ein Roman entstanden, den man, einmal angelesen, ungern aus der Hand legt.

Der Mörder ist intelligent, gutaussehend, misstrauisch und psychopathisch. Die Verbrechen werden aus seiner Perspektive erzählt. Im Kontrast dazu stellt Autor Alexis Lecaye die verzweifelte Suche der Kripo dar, deren Arbeit zunehmend unter Druck gerät, da das Interesse der Presse geweckt wird.

Kommissar Martin, ein eher durchschnittlicher Mann, ist vor, während und nach der Ermittlungsarbeit von verschiedenen Frauentypen umgeben. Hierzu gehören seine Ex-Frau Myriam, seine Freundin Marion, seine Tochter Isabelle, die Psychologin Laurette und seine Kollegin Jeannette. An Erotik mangelt es in diesem Umfeld nicht.

Es hätte gut zu dem Roman gepasst, wenn die Vorgeschichte des Serienmörders ausführlicher behandelt worden wäre. Dadurch hätte das Täterprofil besser abgerundet werden können. Aber auch so handelt es sich um einen lesenswerten Roman.

Bewertung vom 02.08.2016
Denkanstöße 2015

Denkanstöße 2015


weniger gut

Beiträge aus Philosophie, Kultur und Wissenschaft

Das Buch enthält acht Beiträge verschiedener zeitgenössischer Autoren. Dem Vorwort nach zu urteilen, lädt das Buch dazu ein, den Drang nach Erkenntnis zu befriedigen, auf Basis aktueller Einsichten aus Philosophie, Kultur und Wissenschaft. Werden die Beiträge diesem Anspruch gerecht?

John Cornwell beschreibt die Entwicklung der Beichte als dunkle Geschichte der katholischen Kirche. Im Hinblick auf die Folgen für die Kinder und Jugendlichen spricht er von einem Beichtexperiment. Horrorvisionen von Höllenqualen und ewiger Verdammnis haben bei manchen Menschen zu Traumatisierungen geführt.

Michael Schmidt-Salomon erläutert als Alternative zur religiösen Erziehung die Geschichte des Humanismus. Auch eine Gesellschaft ohne Gottesbild ist nicht frei von Gewalt und Unterdrückung, wie Schmidt-Salomon am Beispiel des Faschismus deutlich macht. Er bietet als Möglichkeit die auf Julian Huxley zurückgehende Idee des evolutionären Humanismus an.

Palliativmedizinerin Petra Anwar und Autor John von Düffel setzen sich mit dem Tabu-Thema Sterben auseinander. Anders als Christian Schüle [1], der das Thema allgemein aus verschiedenen Perspektiven behandelt, beschreibt Frau Anwar einen konkreten Fall, bei dem sie einen Sterbenden und dessen Familie begleitet hat.

Alan Weismann analysiert in „Countdown. Hat die Erde eine Zukunft?“ die Bevölkerungssituation der Israelis und Palästinenser im Nahen Osten. Mit dem Thema hatte sich schon Heinz Haber in den 1970er Jahren ausführlich beschäftigt [2].

Thomas de Padova erläutert die Entwicklung der Pendeluhr im 17. Jahrhundert. Genaue Uhren waren erforderlich, um das Längengradproblem bei der Schifffahrt zu lösen, denn ohne genaue Zeitangabe ist auf offenem Meer keine Bestimmung des Längengrades möglich. Umberto Eco hat das Thema vortrefflich literarisch verarbeitet [3].

Für alle Themen gilt, dass diese nur angerissen werden können. Für eine Vertiefung ist weitergehende Literatur erforderlich. Die Aufsätze stehen, abgesehen von den ersten beiden, nicht in Beziehung zueinander. Genau das ist aber planbar und gut präsentierte gegensätzliche Positionen würden das Gesamtwerk aufwerten. In der Vergangenheit wurde diese Möglichkeit stärker genutzt.

Die Themenauswahl halte ich nicht für gelungen. Es gibt in der Wissenschaft aktuellere Themen als die Entwicklung der Pendeluhren im 17. Jahrhundert, zumal der Autor auch noch abschweift und den Rechenautomaten von Leibniz integriert. Warum nicht mal über die Digitalisierung der Welt, über Quantencomputer oder über die Nutzung wissenschaftlicher Methoden für die weltweite Überwachung der Bürger berichten?

Otto von Bismarck ist zweifelsohne eine wichtige Person der deutschen Geschichte, über die ich mich aber auch bei Wikipedia informieren kann. Im Vergleich dazu wäre das Thema „Korruption in den Medien“ hoch aktuell. Es mangelt an Themen, die die Menschen wirklich berühren.

Dieses Kriterium erfüllt eindeutig der Aufsatz über die Sterbebegleitung. Das ist ein Thema, welches von vielen Menschen verdrängt wird, aber jeden betrifft. Auch die Bevölkerungsexplosion betrifft jeden, wirkt aber wegen zahlreicher Publikationen ein wenig abgenutzt.

Michael Schmidt-Salomon halte ich aufgrund seiner intellektuellen Fähigkeiten für eine Bereicherung für die Buchreihe Denkanstöße. Auch das angesprochene Thema „evolutionärer Humanismus“ hat, im Hinblick auf Auswirkungen religiöser Verblendung, einen aktuellen Bezug.

Vielleicht müssten die Beiträge unter ein bestimmtes Motto gestellt werden. So jedenfalls wirken sie beliebig aneinandergereiht.

[1] Christian Schüle: „Wie wir sterben lernen“
[2] Heinz Haber: „Stirbt unser blauer Planet?“
[3] Umberto Eco: „Die Insel des vorigen Tages“