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yellowdog

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Insgesamt 1963 Bewertungen
Bewertung vom 26.08.2022
Zwischen Brüdern
Böhm, Wolfgang

Zwischen Brüdern


ausgezeichnet

Ein Realist und ein Träumer

Die Brüder Viktor und sein 5 Jahre jüngerer Bruder Hans sind ziemlich verschieden, fühlen sich aber doch miteinander verbunden.
Viktor war im Krieg, wurde dann Lehrer. Er ist realistisch veranlagt wo Hans ein Träumer und spontan ist, ein künstlerischer Mensch, interessiert an Architektur, lernte am Bauhaus in Weimar.
Die Handlung setzt in Wien in den zwanziger Jahren ein, als die Brüder junge Männer sind und setzt sich über viele Jahre fort. Die Brüder entwickeln sich unterschiedlich und es kommen schliesslich schere Jahre.
Der Roman wird auch durch die Erzählperspektive geprägt. Der eher passive, beobachtende Viktor ist der Icherzähler. Seine Gedanken über Hans ordnen die Handlung immer wieder analytisch ein.

Mich konnte die Geschichte interessieren und Wolfgang Böhms Stil ist zwar unaufdringlich, aber doch einnehmend. Er schafft ein Zeitporträt.

Bewertung vom 25.08.2022
Das Glück auf der letzten Seite
Bonidan, Cathy

Das Glück auf der letzten Seite


sehr gut

Cathy Bonidan hat mit Das Glück auf der letzten Seite einen zugänglichen Unterhaltungsroman geschrieben, der durch seine Multiperspektive, man könnte auch sagen kalleidoskopartige auffällt. Das wird erzeugt, indem die beteilgten Figuren sich Briefe schreiben. Es ist also ein Briefroman.

Die Handlung setzt 2016 ein, aber der Ursprung liegt 30 Jahre zurück, als der junge Sylvestre als aufstrebender Schriftsteller sein Romanmanuskript verlor. Jetzt ist es wieder aufgetaucht, und jemand anders hat den Romananfang des Manuskriptes zu Ende geschrieben. Wer und warum? Das ist die Frage. Dieser Ansatz ist eine reizvolle Idee. Die Suchs nach dieser rätselhaften Person beginnt.
Zusammengehalten wird das ganze durch Anne Lise Briard, die Frau, die das Manuskript fand und den Briefwechsel startete. Aber auch die Stories von ein paar Nebenfiguren tragen zum Plot bei.

Der Stil des Buches ist betont sanft. Für meinen Geschmack etwas zu weichgespült, aber das ist Geschmackssache.

Bewertung vom 25.08.2022
Schlangen im Garten
vor Schulte, Stefanie

Schlangen im Garten


sehr gut

Eine Familie in Trauer

Stefanie vor Schulte, die mit ihrem Debüt Der Junge mit dem schwarzen hahn so aufgefallen war, hat einen neuen Roman, der wieder einen besonderen Stil aufweist.
Schlangen im Garten. Diesmal ist die Handlung in der Gegenwart angelegt.
Es geht um eine Familie, in der die Mutter verstorben ist. Der Vater wird von Trauer überwältigt.
Die Familie tut sich schwer damit, mit dem Verlust umzugehen.
Das betrifft auch die Kinder. Linne prügelt sich auf dem Schulhof, Micha hat Weinanfälle.Der schon ältere Steve tröstet ihn.
Das Verhältnis zwischen den Geschwistern ist herzlich.
Stefanie vor Schulte streut ein paar Element mit ein, die an magischen Realismus erinnern.

Trauer in der Familie ist kein einfaches Thema. Daher ist Stefanie vor Schultes Leistung bei diesem Roman nicht gering zu schätzen.
Die Absurditäten der Handlung sind aber auch nicht einfach mit realistischem in Einklang zu bringen.

Bewertung vom 24.08.2022
Isidor
Kupferberg, Shelly

Isidor


sehr gut

Biografisches Buch über ein jüdisches Leben

In diesem Buch schreibt die in Israel geborene, aber in Deutschland lebende Journalistin und Autorin Shelley Kupferberg über ihren Urgroßonkel Isidor, der in Wien lebte, er war ein erfolgreicher Geschäftsmann, auch der Kultur zugewandt. Als dann Österreich Nazideutschland angeschlossen wurde, bedeutete das für die Juden Schikanen. Isidor wurde verhaftet, enteignet, körperlich und seelisch gebrochen. Er starb 1838 mit nur 52 Jahren.

Sein Neffe Walter, Großvater der Autorin, konnte nach Palästina auswandern.

Das Buch, dass kein Roman sondern ein Sachbuch ist, ist so verdienstvoll, weil es die Geschehnisse anhand eines Einzelschicksals intensiv und detailliert schildert und dabei erzählerisches Geschick beweist.

Shelley Kupferbergs Text entwickelt außerdem viel Atmosphäre und man ist dichter bei den Figuren, als es bei Sachbüchern sonst häufig der Fall ist. Das Buch ist eben doch auch Literatur.

Bewertung vom 23.08.2022
Die Erfindung der Wirklichkeit
Magarian, Baret

Die Erfindung der Wirklichkeit


sehr gut

Ein Spiel mit Fiktion und Realität

In diesem umfangreichen Roman wird doppelbödig, in mehreren Ebenen erzählt.
Daniel Bloch ist nach eigenen Angaben ein kommerziell erfolgreicher Schriftsteller, der über seinen etwas einfältigen Freund Oscar Babel erzählt oder erfindet.
Dem Autor Baret Magarian gelingt es, Situationen zu kreieren, die originell sind und auch Wortwitz entwickeln.
Der ganze Text besitzt stark satirische Elemente auf die Kunst- und Kulturszene.

Daniel Bloch steckt in einer Art midlife crisis, zudem genervt von seinem Vater, zu dem er eine schwierige Beziehung hat. Ausserdem hat er einige misanthrope Züge.
Oscars Entwicklung ist verblüffend. Er kann sich sus seinem ungeliebten Job lösen und wird ein Star, eine Art Guru. Er selbst sieht das aber nicht ohne Beklemmung. Dennoch lässt er es geschehen.
Dann gibt es noch den oppurtonistischen Blender Ryan Rees.
Die Figurenkonstellation ist bemerkenswert.

Es soll auch noch die feine Buchgestaltung mit eindrucksvollen Cover erwähnt werden.

Ein wirkungsstarker, opulenter Text, der kraftvoll wie eine Dampfwalze daher kommt.

Bewertung vom 22.08.2022
Der Duft von Eis
Ogawa, Yoko

Der Duft von Eis


gut

Von Yogo Ogawa habe ich schon einige gute Bücher gelesen und auch Der Duft von Eis ist ein außergewöhnlicher Roman.
Schauplatz ist teilweise ungewöhnlicherweise Prag, wohin die Protagonistin Ryoko aus Japan hinreist. Anlaß ist der Tod eines Freundes.
Es gibt einige gute Beschreibungen und originelle Formulierungen. Spektakulär ist die Handlung jedoch nicht. Die Figuren bleiben etwas blass.

Ich würde das Buch eher im mittleren Rang der Bedeutung in Ogawas Werk ansetzen.

Der Roman ist im Original 1998 erschienen. Erfreulich dass der Liebeskind-Verlag jetzt noch eine deutsche Übersetzung veröffentlicht.

Bewertung vom 18.08.2022
The Other Black Girl
Harris, Zakiya Dalila

The Other Black Girl


sehr gut

Die 26jährige Nella ist Editorin bei einem Verlag und dort ist sie die einzige Schwester, d.h. bis die selbstbewusste Hazel kommt. Das bringt Nella ganz schön durcheinander.

Die Passagen über das Verlagswesen und was sich dort alles abspielt haben mich sehr interessiert. Zum Beispiel auch, wie mit Autoren die Buchentwürfe diskutiert werden. Da können leicht Eitelkeiten gekränkt werden.

Mir gefällt außerdem, dass die US-amerikanische Autorin Zakiya Dalila Harris mit diesem Buch nachhaltig Stereotype in Frage stellt. Der Umgang mit Diversität kann auch zur Formel werden.
Sie hat offenbar selbst einige Erfahrungen in der Branche. Da beginnt man schon zu überlegen.

Ehrlicherweise muss ich sagen, dass mich der Roman, nachdem ich den Anfang so großartig fand, irgendwann doch ermüdete. Er hätte für meinen Geschmack gestraffter sein dürfen. Vielleicht ist das Buch auch etwas zu amerikanisch.

Ich gebe 3,5 von 5 Sterne!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 18.08.2022
Auf See
Enzensberger, Theresia

Auf See


gut

zahme Dystopie

Die Schriftstellerin Theresia Enzensberger ist die Tochter des berühmten Hans Magnus Enzensberger, aber natürlich schreibt sie ganz anders.
Auf See ist ihr zweiter Roman und behandelt trotz einer dystopischen Ausgangssituation offenbar einige gesellschaftsrelevante Elemente.
Die Kapitel wechseln zwischen der siebzehnjährigen Yada, die auf einer schwimmenden Stad in der Ostsee lebt und der exzentrischen Künstlerin Helena. Dazwischengeschaltet ist manchmal noch das Archiv.
Diese Archiv-Passagen beinhalten Informationsfluten, die den Leser ersschlagen können. Da wäre weniger mehr gewesen.

Je weiter der Roman fortschreitet, umso mehr verdichtet die Handlung sich, erst Recht ab dem Abschnitt der mit Yada und Helena überschrieben ist.
Theresia Enzensberger kann schreiben, aber dennoch wurde mir nicht klar, worauf sie eigentlich hinauswollte. Vom Ende hätte ich mehr erwartet.