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TochterAlice
Wohnort: 
Köln

Bewertungen

Insgesamt 1396 Bewertungen
Bewertung vom 13.07.2021
Die Sternenbucht
Cook, Lorna

Die Sternenbucht


sehr gut

Melissa hat viel zu viel Zeit - kein Wunder, denn sie ist im Urlaub. Den verbringt sie aber eigentlich mit ihrem neuen Freund Liam, den sie aber kaum sieht - er verbringt seine Zeit ausschließlich auf dem Surfbrett.

Daher macht sie den ein oder anderen Ausflug und gerät in das verlassene Dorf Tyneham - es wurde im Zweiten Weltkrieg geräumt und diente der Armee zur Vorbereitung des D-Day in der Normandie. Die Einwohner sollten nach dem Krieg zurückkehren können, was aber nie geschah. Nun wird aus den leerstehenden Häusern ein Museumsdorf - zur Einweihung ist auch Fernsehhistoriker Guy aus London eingereist, den Melissa zufällig etwas näher kennenlernt.

Diese Bekanntschaft vertieft sich in den nächsten Tagen noch, denn Melissa steht ohne Freund und ohne Unterkunft da - der gute Liam verbrachte seine Tage nämlich statt auf dem Surfbrett in den Armen einer anderen Frau. Dank Guy erhält Melissa eine Unterkunft für die Nacht und wird mehr und mehr von der Geschichte des Dorfes und vor allem des Herrenhauses Tyneham House, in dem das Paar Veronica und Albert lebten. Ihr Schicksal war eng mit dem Dorf und mit dem Krieg verbunden.

Guy und Melissa forschen nun gemeinsam und erfahren Unfassbares - doch wie hängt das alles zusammen?

Ein packender Roman auf zwei Zeitebenen, in dem die Gegenwart einen etwas zu großen Raum einnimmt. Spannend hingegen ist die Darstellung der historischen Gegebenheiten, dem verlassenen Dorf, Lebensumständen, die während des Zweiten Weltkriegs tatsächlich herrschten. Die ganze Atmosphäre der Kriegsjahre ist aus meiner Sicht eindringlich und nachvollziehbar dargestellt.

Dennoch bleibt das Buch eher an der Oberfläche und eignet sich somit gut bspw. als Ferienlektüre, nicht nur für Englandreisende!

Bewertung vom 12.07.2021
Die Frau im Park
Janek, Ella

Die Frau im Park


ausgezeichnet

Eva - eine Frau wie wir!
Damit meine ich: wie wir alle, die wir um die fünfzig und auch ein paar Jahre älter sind. Eine, die nicht immer sympathisch rüberkommt, was aber vor allem daran liegt, dass sie sich selbst manchmal nicht mag. Und die von denen, die sie seit Jahren kennen, umso mehr geschätzt wird. Als Mutter, als beste Freundin.... und immer noch, nach einer ewig langen Zeit, als Ehefrau?

Genau in diesem Punkt ist sich Eva überhaupt nicht sicher. Wird sie noch von ihrem Mann Johannes geliebt und begehrt. Denn nach einem schlimmen Unfall galt ihrer beider Zuwendung und ihre Fixierung vor allem der gemeinsamen Tochter Alisa, die seitdem im Rollstuhl sitzt.

Vor allem Eva ist mit ihr untrennbar verbunden, sie kann sich gar nicht vorstellen, ohne sie zu sein. Und genau da überrascht Alisa die Eltern mit der Nachricht, dass sie in Berlin Kunst studieren will und nicht im heimatlichen München, wo alles so bequem wäre und sie weiter zu Hause wohnen könnte.

Als sie weg ist, stürzt Eva in eine tiefe Krise, in der sie ihr Dasein als Ehefrau bezweifelt. Zu gerne würde die ehemalige Schauspielerin wieder in ihren Beruf zurückkehren. Da trifft sie bei einem Spaziergang im Englischen Garten den etwas jüngeren Lehrer Ben, der deutliches Interesse an ihr zeigt.

Johannes ist in letzter Zeit ständig beruflich unterwegs und zwar zusammen mit einer neuen Kollegin, die sich auffallend oft bei ihm meldet. Und Eva überlegt - altes Leben? Neues Leben? Oder eine gelungene Kombination?

Und dann - kurz vor Evas 50stem Geburtstag - entwickeln sich die Dinge wie von selbst....

Autorin Eva Janek schreibt voller Empathie, scheut sich aber auch nicht vor Offenheit, da wo sie nötig ist. Auch wenn ich keine Chance habe, als Schauspielerin mit Eva mitzuhalten; als Frau glaube ich, dass ich, dass viele von uns ein bisschen was von Eva haben - von ihren Zweifeln ebenso wie von ihrer Erfahrung. Ein wunderschönes Buch voller Wärme, das Sie adäquat durch den Sommer begleitet!

Bewertung vom 05.07.2021
Raumfahrer
Rietzschel, Lukas

Raumfahrer


sehr gut

Der verlorene Osten

Das ist die tiefste sächsische Provinz, wo es kaum mehr was Schönes zu sehen gibt - keine sensationelle Altstadt wie in Dresden oder auch im niederschlesischen Görlitz, das nun auch ein Teil Sachsens ist, keine umwerfende Landschaft wie im Erzgebirge.

Nein, Jan und sein Vater wohnen in einer absolut trostlosen Kleinstadt, in der es nichts gibt, bald auch kein Krankenhaus mehr. Und damit auch keine Arbeit mehr für Jan, der dafür zuständig ist, die Kranken zu nicht notwendigen Untersuchungen und Behandlungen zu bringen, die das Krankenhaus dann abrechnen kann. Nein, es ist wirklich nichts los in dieser unglaublich abgelegenen Stadt; hier wird der Begriff der Einsamkeit, der Abgeschiedenheit noch einmal neu definiert.

Es geht nicht nur um Jan, einem Kind der Nachwendezeit, sondern auch um die Familie Kern - ein alter, hilfloser Mann aus dieser Familie quatscht Jan im Krankenhaus an und meint, dass seine Familie was mit der von Jan zu tun hatte. Oder Jans Leute den Kerns sogar etwas schuldig sind?

Jan begreift das ganz und gar nicht, es trägt nur dazu bei, dass er sich noch einsamer und vergessener fühlt. Auch wenn die Kerns offenbar was mit dem berühmten Georg Baselitz zu tun haben. Nein, tot ist der nicht, aber im Westen und taucht auch nicht mehr auf im Osten.

Eine eindrucksvolle Geschichte, aus der jedoch Jan, die Hauptfigur, an vielen Stellen ausgeklammert bleibt. Das ist natürlich so gedacht, es ist kein Zufall, dass sich in dieser abgeschiedenen Stadt selbst die Einwohner noch vergessen fühlen. Und dann erwartet man von ihnen noch, mit einer alten Schuld fertig zu werden? Oder haben sie das, wie vieles andere, auch falsch verstanden?

Ein Roman über die Reste der DDR, dem, was eigentlich keiner mehr wollte. Ein sicher sehr kraftvoller Roman, der mich trotz seiner starken Botschaft nicht so bedingungslos erreichen und fesseln konnte wie andere Romane zu diesem Thema. Bspw. "Die Glasschwestern" von Franziska Hauser oder auch "Die Gespenster von Demmin" von Verena Keßler.

Bewertung vom 04.07.2021
Heute beißen die Fische nicht
Westman, Ina

Heute beißen die Fische nicht


ausgezeichnet

Wieder in die Spur kommen

Das will Emma, die als Fotojournalistin viele, viele Tage, ja Wochen und Monate im Jahr unterwegs ist - vor allem in den Krisengebieten der Welt. Das zehrt an ihr, körperlich und vor allem seelisch.

Nun verbringt sie den Sommerurlaub gemeinsam mit ihrem Mann Joel und Tochter Fanni sowie dem Schwiegervater auf einer winzig kleinen Insel, die Joels Familie gehört. Hier hofft sie, zur Ruhe kommen, muss aber auch mit Joels Vorwürfen zurecht kommen, der sich von ihr allein gelassen fühlt. Sie fühlt sich umgekehrt von ihm bedrängt.

Und sie beobachtet ihre Tochter Fanni - vielmehr beobachtet sie das Verhalten, das die Umwelt Fanni entgegen bringt. Denn Fanni ist schwarz. Richtig, richtig dunkel. Emma und Joel haben das Waisenkind adoptiert und Emma leidet an der zunehmenden Fremdenfeindlichkeit, dem Rassismus, der auch in Finnland wahrzunehmen ist. Sie leidet sozusagen an Fannis Stelle.

Ihre Reflexionen über ihr Leben und das ihrer Familie vermengen sich mit Visionen. Ich war während der Lektüre ganz nahe bei Emma, konnte ihre Empfindungen, ja, ihr Leid, nur zu gut nachvollziehen. Ein eindringliches Buch, das trotz Emmas Leid, ihrer zeitweilig vorherrschenden und sich steigernden Ausweglosigkeit nicht nur trübsinnig und trist ist. Auch die Natur ist ein Teil des Romans, der seinen Teil dazu beiträgt. Und der - gerade die finnische Schärenlandschaft - strahlt eine ganz eigene Kraft aus.

Bewertung vom 03.07.2021
Die fremde Spionin / Die Spionin Bd.1
Müller, Titus

Die fremde Spionin / Die Spionin Bd.1


gut

Allein auf weiter Flur

So fühlt sich Ria, seit sie im Alter von zehn Jahren aus ihrer Familie gerissen und in die Obhut von Adoptiveltern gegeben wurde. Ihre Eltern galten als Regimegegner und "verschwanden" ohne jede Spur; von ihrer kleinen Schwester wurde sie getrennt.

Ab dann führt sie ein DDR-konformes Leben, ganz und gar nicht nach Westen orientiertes Leben und startet nach Beendigung der Schule ihre berufliche Laufbahn im Ministerium für Außenhandel - als Sekretärin für niemand geringeres als Alexander Schalck-Golotkowski, der damals, zu Beginn des Jahres 1961, allerdings erst am Anfang seiner Karriere steht.

Ria wird vom BND angeworben, von der Stasi, bzw. eigentlich von beiden Seiten beobachtet - es folgt ein buntes Hin und Her beider Geheimdienste mit Ria im Zentrum des Interesses, die acht geben muss, nicht zwischen den Mühlsteinen Ost und West zermahlen zu werden. Ich muss sagen, hier konnte ich der Handlung nicht immer so recht folgen, mir war das bunte Treiben etwas zu tollkühn - auch wenn ich nicht den geringsten Zweifel daran hege, dass auch real nicht immer alles in geordneten Bahnen verlief.

Ria ist noch sehr jung, als sie in das Blickfeld beider deutscher Geheimdienste gerät - zunächst als potentielle Mitarbeiterin, nicht als Opfer, aber obwohl dies ein unglaublich wichtiger und auch spannender Teil der deutschen Geschichte ist, wobei es auch immer wieder um ihr persönliches Leben, ja, auch um ihr persönliches Glück geht.

Da Rias Lebensgeschichte als Dreiteiler angelegt ist, verwundert es nicht, dass vieles (noch) offen bleibt - das soll sicher die Neugierde auf die weiteren Teile wecken, doch bin ich erst einmal etwas verwirrt.

Bewertung vom 30.06.2021
Schicksal
Shalev, Zeruya

Schicksal


gut

Figuren, die an ihrer eigenen Vergangenheit ertrinken

Davon kommen so einige vor in diesem überaus mitreißend geschriebenen Roman, in dem es um zwei Frauen geht, die erst zu einander finden, als der Mann, der sie verband, bereits verstorben war. Rachel war Menos erste Ehefrau - nur für ein Jahr, Atara seine Tochter aus der zweiten Ehe. Mittlerweile ist Rachel eine alte Frau und Witwe, die ihre Söhne zu selten sieht, Atara eine Frau im mittleren Alter, die gerade eine Entfremdung von Alex, ihrem zweiten Ehemann, eigentlich ihrer großen Liebe und auch von ihren Kindern aus erster und zweiter Ehe wahrnimmt.

Treffen werden veranlasst, zunächst auf Ataras, dann auf Rachels Initative, doch beide Male kommt etwas dazwischen - zuletzt erfolgt ein Aufeinandertreffen in einer Extremsituation.

Es ist ein schöner und stabiler Rahmen, den Zeruya Shalev uns Lesern in diesem Roman bietet, einer, der die gesamte Geschichte des Staates Israel umfasst. Eigentlich könnte man in diesem Rahmen und den darin agierenden, kraftvoll gezeichneten Figuren schwelgen und das tat ich auch mit großer Begeisterung - bis ich merkte, dass ich auf meine zahlreichen Fragen, die sich im Verlauf der Handlung in mir aufgestaut hatten, nicht eine einzige Antwort bekam. Die allesamt vielversprechenden Handlungsstränge und ihre Verknüpfungen brachen allesamt an der Stelle ab, an der es interessant zu werden versprach.

Ein wundervoll geschriebener Roman, dessen Botschaft(en) leider komplett im Sande verlief(en).

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 29.06.2021
Auszeit
Lühmann, Hannah

Auszeit


sehr gut

Henriette hat ein schlimmes Erlebnis zu verarbeiten. Doch weiß sie gar nicht, ob das die Krux ist oder aber der Umstand, dass sie generell nicht mit ihrem Leben zu Potte kommt.

Seit einer gefühlten Ewigkeit schreibt sie eine Dissertation über Werwölfe. Warum eigentlich? Wenn sie das je gewußt hat, hat sie es längst vergessen - oder verdrängt.

Bis ihre Freundin Paula, die ihr seit Kindertagen zur Seite steht, sie nach Bayern in einen verschlafenen Ort zu einer Auszeit mitnimmt. Die starke Paula, die immer weiß, wo es langgeht. Vor allem für Henriette.

Aber kann es sein, dass sie auch nicht mehr so wissend ist wie es mal der Fall war?

Eine Zeitreise durch das Leben von Henriette und Paula, ein Rückblick, auch ein Blick in die Zukunft. Es ist ein stiller, zeitweise sehr trauriger Roman, an dessen Ende sich bestätigt, was Henriette schon immer vermutete: Paula kennt sie deutlich besser als sie sich selbst. Von je her.

Teilweise störte mich die Leere, die transportiert wird - andererseits ist selbst mir natürlich sonnenklar, dass das die Absicht der Autorin ist. Die Verlorenheit einer gewissen Generation aufzuzeigen. Und deren sich finden. Und zwar betrifft das ihre eigene Generation, die der in den 1980ern geborenen.

Nicht, dass es dieses Verlieren, das Finden in anderen Generationen nicht existiert. Doch darüber gibt es andere Romane. Oder es wird sie geben. Wenn Sie eine Art innere Entwicklung in schöner Sprache genießen möchten, wäre dies ein Roman für Sie.

Bewertung vom 29.06.2021
Dora Maar und die zwei Gesichter der Liebe / Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe Bd.18
Storks, Bettina

Dora Maar und die zwei Gesichter der Liebe / Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe Bd.18


ausgezeichnet

Dora Maar wurde ihr Erfolg bzw. ihre spätere Entwicklung nicht in die Wiege gelegt: als Tochter aus besserem Hause in Argentinien geboren, kam sie erst als Teenager nach Frankreich, in die Heimat ihrer Mutter, fasste in Paris, das damals die Heimat vieler Künstler unterschiedlicher Sparten war, schnell Fuß, zumal sie selbst ihre Begabung als Malerin, vor allem jedoch als Fotografin, entdeckt hatte und weiter entwickeln wollte.

Bald schon reüssierte sie als Fotografin, anerkannt von den Koryphäen ihrer Zeit, allen voran Man Ray. So fand sie schnell Eingang in die "angesagten Kreise" der damaligen Zeit, über die sie auch Picasso kennenlernte, dessen Werben sie rasch nachgab.

Es folgten produktive gemeinsame Jahre, in denen der große Künstler die sachkundige Frau an seiner Seite zu schätzen wusste. Diesem Roman zufolge war ihr Beitrag bspw. zum Riesengemälde "Guernica", das Kunstwerk und politische Stellungnahme zugleich war, ein beträchtlicher.

Doch beide waren starke Charaktere und standen einander immer wieder im Weg. Zudem war es auf die Dauer wohl egal, wie einzigartig Dora war - Picasso war immer wieder seiner Frauen überdrüssig geworden, der sich nach etlichen gemeinsamen Jahren der blutjungen Francoise Gilot zuwandte.

Ein ergreifendes, zugleich informatives und sehr kraftvolles Buch, das von der ersten Seite an eine starke Sogwirkung auf mich ausübte. Bettina Storks ist nicht nur eine großartige Autorin, auch ihr historisches Gespür ist unglaublich. Eine packende Romanbiografie, die ich von ganzem Herzen weiterempfehlen kann!

Bewertung vom 26.06.2021
Ein Junggeselle zum Verlieben
Carlson, Melody

Ein Junggeselle zum Verlieben


sehr gut

Etwas vom Leben haben sowohl Willow als auch George - beide Mitte 50 . Wenn auch auf völlig unterschiedliche Art und Weise. Kennengelernt haben sich die beiden über Melissas Enkel Collin, der Georges Schüler war - bis zu seinem Abitur, das zeitgleich mit Georges sehr frühem Eintritt ins Rentenalter stattfindet.

Sie scheinen völlig unterschiedlich zu sein: Willow ist der flippige Typ, auch ihre Eltern waren schon Hippies. Sie malt und hat eine Galerie eröffnet, in der sie nicht nur eigene Werke ausstellt. Zudem erzieht sie ihren mittlerweile fast erwachsen gewordenen Enkel quasi seit seiner Geburt.

Bei George Emerson hingegen scheint die Zeit stehengeblieben zu sein - das Haus des Junggesellen ist eingerichtet wie vor 70 Jahren - was die alleinstehenden Frauen der Umgebung allerdings nicht davon abhält, hinter ihm her zu sein. Denn George ist aufmerksam und liebenswert, auch mit seinen Schülern kam er gut zurecht.

Es ist ein wundervolles und durchaus intelligentes Buch, in dem es um grundlegende Werte sowie die Wertschätzung gegenüber anderen Menschen geht. Mit Toleranz, Offenheit und Wärme kommt man ganz schön weit und die gläubige Willow schafft es sogar, dem atheistischen George einen Zugang zu Gott zu öffnen. Schafft sie vielleicht auch mehr?

Ein warmherziger Roman, der fast an mir vorbeigegangen wäre und zwar war das dem etwas betulichen deutschen Titel geschuldet. Auf Englisch heißt es "Courting Mr. Emerson" - eine geniale Anspielung auf den umworbenen George und dessen Verehrung für seinen Namensvetter, den amerikanischen Philosophen und Atheisten Ralph Waldo Emerson. Schon dieser macht deutlich, dass hinter diesem Roman eine Menge Symbolik steckt.

"Ein Junggeselle zum Verlieben": das klingt hingegen ziemlich altbacken, mein Mann dachte sogar, ich würde jetzt einen Kitschroman lesen. Nachdem ich ihm den gesamten Inhalt erzählt habe, hat er seine Meinung geändert!

Bewertung vom 18.06.2021
Das Leben ist ein Fest
Berest, Claire

Das Leben ist ein Fest


ausgezeichnet

Um einiges intensiver als andere Menschen: so lebt Frida Kahlo. Dazu so impulsiv und eigen wie es nur ihr zu Gesicht steht:

Die Malerin und hingebungsvolle Liebende, die Mexiko ein neues Selbstverständnis sowohl in der Selbstwahrnehmung wie auch im internationalen Miteinander schenkte, zelebrierte jedes Ereignis in ihrem Leben, sowohl Freud wie auch Leid, wobei sie gerade von Letzterem bereits in frühen Jahren eine ganze Wagenladung abbekommen hatte.

Unterkriegen ließ sie sich davon nicht: im Gegenteil, sie kreierte ihren eigenen, vorher in dieser Form nie dagewesenen Stil in der Malerei wie auch im Design ihrer Kleidung und ihrer Wohnräume.

Frida war eine Frau, die gewissermaßen außerhalb der Zeit lebte, sie fuhr immer ihren ganz eigenen Stiefel und wurde somit auch nie unmodern. Bis heute nicht.

Ihre Achillesferse war Diego Rivera, der große, schwere Mann, der ihr in Begabung und Leidenschaft in nichts nachstand und ihr nur deswegen in einigem voraus war, weil er deutlich früher als sie geboren wurde - wegen ihm genoss und litt sie. Auch hier vermutlich war Leid häufiger angesagt als Freud.

Doch Frida ließ nicht locker, trotz allem blieb sie eines: sie selbst, die einzigartige Frida Kahlo.

Autorin Claire Berest vermag es, die Kraft, Intesität, Impulsivität und Emotionalität dieser ganz besonderen Frau in jeder Hinsicht so wiederzugeben, dass man meint, man sähe einen Film. Ihr Roman ist ebenso prall und farbig wie die Person Frida Kahlo selbst es war. Allerdings nicht von der Figur her, die zart und klein war und blieb. Nein, es war ihr Charakter, der wieder und wieder Überhand nahm und ihr Leben zu einem unbequemen werden ließ. Aber ich bin mir fast sicher, dass Frida nichts bereut hat.

Wenn auch Sie nicht bereuen wollen, rate ich Ihnen, zu diesem Roman zu greifen, mit dem Sie außerordentlich intensive Stunden verleben werden.