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Benutzername: 
Igelmanu
Wohnort: 
Mülheim

Bewertungen

Insgesamt 997 Bewertungen
Bewertung vom 03.03.2018
Der Preis des Todes
Eckert, Horst

Der Preis des Todes


ausgezeichnet

»Es gibt da … eine seltsame Koinzidenz … Wie Sie wahrscheinlich wissen, ist in dieser Stadt vor ein paar Monaten eine junge Frau verschwunden. Vergangenen Samstag wurde ihre Leiche gefunden.«

In Düsseldorf wird die Leiche einer jungen Frau gefunden, in Berlin begeht ein Staatssekretär angeblich Selbstmord. Mit letzterem war Sarah Wolf, erfolgreiche TV-Moderatorin einer politischen Talkrunde, seit ein paar Wochen liiert. Sie glaubt nicht an Selbstmord – und die Polizei bald auch nicht. Stattdessen tauchen mögliche Verbindungen zwischen den beiden Todesfällen auf und Sarah muss sich fragen, wie gut sie den Mann an ihrer Seite tatsächlich kannte.

Wer diesen Thriller zur Hand nimmt, sollte sich ausreichend Zeit freihalten, man mag ihn nämlich nicht mehr aus der Hand legen!
Hochspannung ist angesagt, von der ersten bis zur letzten Seite. Wie immer scheut Horst Eckert vor aktuellen und brisanten Themen nicht zurück. Hier stehen Lobbyismus und Flüchtlingslager im Fokus, es gibt Korruption und reichlich schmutzige Geschäfte. Für den Leser ist es unmöglich, dabei kalt zu bleiben. Hier werden Themen aufgebracht und intensiv dargestellt, die einfach an die Nieren gehen und mit denen man sich noch nach dem Lesen auseinandersetzt.

Durch die Protagonistin erhält der Leser zudem sehr interessante Einblicke hinter die Kulissen einer Talkshow. Ohnehin war Sarah für mich ein toller, wirklich sympathischer Charakter, eine gleichzeitig durchsetzungsstarke, engagierte und trotzdem sensible Frau, mit der ich gerne mitfieberte.
Ihr stehen weitere interessante Charaktere zur Seite. Eine besondere Rolle kommt noch dem Düsseldorfer Kommissar Paul Sellin zu, einem ebenfalls sehr engagierten Ermittler, der schwerkrank ist, aber unbedingt noch seinen vermutlich letzten Fall lösen will.

Die gesamte Handlung erscheint (leider) sehr realistisch, auch das Ende stimmt nur halb versöhnlich, hält dadurch aber den hohen Anspruch.

Fazit: Ein hochspannender und intelligenter Thriller, der gleich mehrere brisante Themen aufgreift. Hier vergebe ich sehr gerne eine volle Leseempfehlung!

Bewertung vom 01.03.2018
Von Inseln, die keiner je fand
Tallack, Malachy

Von Inseln, die keiner je fand


sehr gut

»Die Auroras sind sicher einzigartig unter den nicht existierenden Inseln, wurden sie doch nicht nur mehrfach gesichtet, sondern auch von einer überaus fähigen und qualifizierten Crew untersucht. Es überrascht also kaum, dass sie vom späten 18. Jh. an auf nautischen Karten verzeichnet sind und die meisten Seeleute die Gegend auf dem Weg zum Kap Horn lieber mieden. Solche Gefahren für die Schifffahrt waren sehr ernst zu nehmen.«

Nicht existierende Inseln, die nicht nur gesichtet, sondern auch untersucht wurden? Faszinierend! Phänomene dieser Art werden in diesem Buch reichlich vorgestellt, der Leser darf sich auf eine Reise zu mehr als zwanzig Inseln freuen, die kreuz und quer über die Weltmeere verteilt sind. Zu jeder Insel gibt es ausführliche Infos zu ihrer Entdeckung, ihrer Geschichte, zu Flora und Fauna und zu Mythen, die mit ihr verbunden sind. Einige dieser Eiländer waren mir schon bekannt (zum Beispiel Atlantis oder Thule), von den meisten hatte ich aber noch nie zuvor gehört. Dabei waren nicht wenige von ihnen über Jahrhunderte hinweg auf Karten eingezeichnet – das muss man sich mal vorstellen! Über die Nicht-Existenz der Sandy Island wurde man sich sogar erst im Jahr 2012 bewusst, also mitten im Zeitalter der Satellitentechnologie.
Dieser ganz spezielle Reiseführer verspricht kurzweiligen Lesegenuss, der durch die vielen farbenprächtigen und phantasievollen Illustrationen, die sich durch das ganze Buch ziehen, noch verstärkt wird. Sehr schön fand ich auch eine große Übersichtskarte gleich zu Beginn, auf der alle vorgestellten Inseln eingezeichnet sind.
Einige Beschreibungen fesselten mich besonders, zum Beispiel die zu den Los Jardines-Inseln. Über 400 Jahre lang waren sie auf Karten verzeichnet, änderten dabei zeitweise ihre Größe, die Lage und die Anzahl der zur Gruppe gehörenden Inseln.
»Waren sie an einem Ort nicht zu finden, verlagerten sie sich an einen anderen, und waren sie dann immer noch nicht zu sehen, wurden sie kleiner.«

Fazit: Farbenprächtig, phantasievoll – ein Reiseführer der ganz speziellen Art. Durch die hochwertige Aufmachung auch sehr gut als Geschenk geeignet.

Bewertung vom 01.03.2018
Mythos Little Bighorn
Köhler, Arne

Mythos Little Bighorn


ausgezeichnet

»Ich habe keine Angst davor, irgendwo hinzugehen, wo du hingehst, aber unten im Tal sind mehr Indianer, als wir bekämpfen können. Wenn wir jetzt trotzdem dort hinunterreiten, werden wir beide am nächsten Morgen in der Hölle aufwachen!«

Tja, hätte George Armstrong Custer an dieser Stelle auf seinen Scout gehört, hätte er womöglich keine Geschichte geschrieben, aber dafür länger gelebt…

Die Schlacht am Little Bighorn gehört in den USA vermutlich zur Allgemeinbildung. Was wissen wir hier darüber? Meine Kenntnisse zum Beispiel beschränkten sich bislang darauf, dass bei dieser Schlacht ausnahmsweise mal die Indianer gewonnen und einer der berühmtesten Offiziere der US-Armee verloren hatte. Im Laufe der Lektüre habe ich jetzt gefühlt alles erfahren, was rund um dieses Thema bekannt ist.

Arne Köhler hat viele Jahre Recherche in dieses Buch gesteckt, das merkt man deutlich. Da ist zunächst ein sorgfältiger Aufbau, die Schilderungen beginnen in den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts, gehen dann über die allmählichen Zuspitzungen und die ersten größeren Auseinandersetzungen 1854 bis hin zum dramatischen Finale am Little Bighorn. Akribisch stellt der Autor die Hauptpersonen vor, der Leser erhält reichlich Infos über die beteiligten Indianer, Offiziere, Soldaten, Scouts usw. Die eigentlichen Gegner werden vorgestellt, also die Stämme und die 7. US-Kavallerie.
Einen großen Umfang hat natürlich der gesamte Feldzug von 1876, der im November 1875 begann und in der Schlacht am Little Bighorn gipfelte. Allerspätestens hier konnte ich es selbst nicht fassen, dass mich die Schilderung einer Schlacht so dermaßen faszinieren konnte. Aber Arne Köhler erzählt so lebendig, dass es mir vorkam, als würde ich eine spannende Geschichte lesen, die auch trotz der Tatsache, dass ich das Ende schon kannte, spannend blieb. So viele Infos und dabei kein bisschen trocken erzählt, das ist einfach klasse!
Abgerundet wird das Thema durch einen Blick auf die Zeit nach der Schlacht. Wie ging es mit den Beteiligten weiter, wie ist die heutige Situation und was gibt es zu den Gedenkstätten und zur Erinnerungskultur zu sagen?

Für mich gehören zu einem perfekten Sachbuch gute Fotos, informative Abbildungen und – wo es möglich ist – Karten. Davon gibt es im Buch so einige, allerdings muss ich bei einigen Karten bemängeln, dass ich sie nur schlecht bis gar nicht lesen konnte, weil sie schlicht zu klein abgedruckt sind. Im Gegensatz dazu ist die Schrift im Buch angenehm groß und gut lesbar. Ich ziehe daher nur einen halben Punkt ab und runde anschließend wieder auf, weil ich in der Summe schlicht begeistert war.
Der Stil ist, wie schon erwähnt, sehr lebendig. Gleichzeitig ist alles sehr gut verständlich geschrieben und man kann beim Lesen mühelos in die Atmosphäre des Wilden Westens abtauchen.

Fazit: Mich hat dieses Buch wirklich begeistert. Lebendig geschrieben, tolle Atmosphäre und gefühlt alle Infos rund dieses interessante Thema.

»We had killed soldiers who had come to kill us.« (Wooden Leg, Cheyenne, 1906)

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 17.02.2018
Frau Einstein / Starke Frauen im Schatten der Weltgeschichte Bd.1
Benedict, Marie

Frau Einstein / Starke Frauen im Schatten der Weltgeschichte Bd.1


gut

20. Oktober 1896, im Polytechnikum in Zürich. Für Mileva Marić war der Weg hierhin ein schwerer, fast unmöglich zu begehen für eine Frau in dieser Zeit. Ihre Herkunft machte alles noch komplizierter, kam sie doch aus Serbien. Doch mit großer Unterstützung ihres Vaters und enormem Ehrgeiz hatte sie es nun geschafft, ihrem Traum, eine der ganz wenigen Professorinnen für Physik in Europa zu werden, einen gewaltigen Schritt näher zu kommen. Mit Feuereifer stürzt sie sich in ihre Studien, stellt jedoch bald fest, dass einer der Kommilitonen nicht so uninteressant ist, wie sie zunächst annahm. Sie beginnt eine Beziehung mit niemand anderem als Albert Einstein.
Kurz vor der entscheidenden Prüfung wird sie schwanger, sie versagt und muss die Uni ohne Diplom verlassen. Noch unverheiratet bringt sie ihr erstes Kind zur Welt, später wird Einstein sie zwar heiraten, aber ihr Leben wird ganz anders verlaufen, als sie es sich erhofft hatte.

Dieses Buch lässt mich ein wenig verärgert zurück. Die Leseprobe ließ mich glauben, dass ich hier die Geschichte einer starken Frau erwarten dürfte, die für einen Traum kämpft und doch verliert. Dieser Eindruck hielt sich leider nicht lange.

Das Buch schildert Mileva Marić als hochbegabte Frau, die zunächst noch intensiv mit ihrem Mann wissenschaftlich zusammenarbeitet, die großen Anteil an seinen Forschungen hat, gar höchstpersönlich den Aufsatz zur Relativitätstheorie schrieb. Und Einstein? Er ist hier der Böse, der seiner Frau die Arbeiten stiehlt, den ganzen Ruhm für sich beansprucht und sie zur Hausfrau degradiert. Tut mir leid, das ist mir zu einseitig und erscheint mir auch nicht logisch.

Hätte eine Frau mit einer solchen Begabung wirklich die Uni ohne Abschluss verlassen müssen? Schwanger und von Übelkeit geplagt durch eine Prüfung zu fallen, ist nachvollziehbar. Aber das war bereits die zweite Prüfung, im Jahr zuvor war sie schon mal durchgefallen.
Und hätte eine Frau mit einer tatsächlichen Hochbegabung und wirklich für die Wissenschaft brennend, sich so zurückgenommen, sich so ins Abseits drängen lassen? Angeblich, so lässt der Einstieg in den Roman glauben, war sie es gewohnt, zu kämpfen und sich gegen Widerstand und Vorurteile zu behaupten. Das soll plötzlich alles fort gewesen sein? Wenn sie wirklich so bedeutend zu den Forschungen ihres Mannes beigetragen hat, hätte sie ihn einfach auflaufen lassen können. Stattdessen ließ sie sich immer wieder einlullen, ist das ein Zeichen für Intelligenz?
Es gibt keinerlei Veröffentlichungen von ihr, nicht einmal (abgesehen von ein paar Vorlesungsmitschriften) irgendwelche Aufzeichnungen, keinen Beweis für ihre angeblichen wissenschaftlichen Arbeiten, auch nicht aus den Jahrzehnten nach der Trennung von ihrem Mann. Natürlich hätte sie es schwer gehabt, vielleicht hätte sie ohne Diplom beruflich wirklich nichts erreichen können, aber zumindest privat hätte sie doch ihre Gedanken niederschreiben müssen! Doch da gibt es nichts.

So ist mein Eindruck eher, dass sie zwar ein naturwissenschaftliches Interesse hatte und intelligent war, aber nicht hochbegabt. Dass sie den Weg zum Studium schaffte, weil ihr Vater (in der Annahme, sie würde wegen einer leichten körperlichen Behinderung nie einen Mann finden) sie förderte. Dass sie Einstein zur Reflektion seiner Gedanken diente, ihn vielleicht auch unterstützte, aber nicht für die Wissenschaft brannte. Zudem fehlte es ihr an Selbstbewusstsein und an Durchsetzungsvermögen. Ohne diese Fähigkeiten hätte sie es selbst heute als Frau nicht weit gebracht. Ihrem Mann die komplette Schuld an ihrem Versagen zu geben, erscheint mir nicht angebracht.

Die Autorin schreibt im Nachwort, dass es nicht ihr Ziel wäre, Albert Einsteins Beitrag zur Wissenschaft zu schmälern, aber so wie sie schreibt, geschieht genau das. Vielleicht war seine menschliche Seite fragwürdig, eine objektive Betrachtung sieht aber anders aus.

Bewertung vom 17.02.2018
Flugangst 7A
Fitzek, Sebastian

Flugangst 7A


sehr gut

»Dank Ihrer Therapie haben Sie Ihren Patienten vor einiger Zeit von seinen selbstzerstörerischen Gedanken befreit und ihm ein normales Leben ermöglicht.«
Und?
»Ich möchte, dass Sie diese Therapie rückgängig machen. Reaktivieren Sie die Gewaltfantasien Ihres Patienten. Lösen Sie erneut Mordgedanken in ihm aus. Und bewegen Sie ihn dazu, das Flugzeug zum Absturz zu bringen.«

Dr. Mats Krüger ist ein erfahrener und erfolgreicher Psychiater, vielen Menschen hat er schon geholfen, sie von Problemen und Ängsten befreit. Bei sich selbst konnte er kein ähnlich gutes Ergebnis erzielen, er leidet unter panischer Flugangst und selbst ein entsprechendes Seminar konnte ihn davon nicht heilen. Freiwillig würde er niemals in ein Flugzeug steigen, doch seine Tochter Nele ist hochschwanger und hat ihn gebeten, zu ihr zu kommen und ihr beizustehen. Und leider lebt Nele in Berlin und Mats in Südamerika… Kaum ist er also an Bord, kommt zu seiner beginnenden Panik noch ein anderes, gewaltiges Problem hinzu. Er erhält einen Anruf, in dem ihn ein Erpresser auffordert, einen ehemaligen Patienten, der sich auch gerade in derselben Maschine befindet, dazu zu bringen, diese abstürzen zu lassen…

Bücher von Sebastian Fitzek haben auf mich bislang stets dieselbe Wirkung gehabt: Einmal angefangen, mochte ich sie nicht mehr aus der Hand legen. Dieses Buch macht da keine Ausnahme. Es ist sehr spannend geschrieben und die kurzen Kapitel fördern den Wunsch, noch eben ein weiteres zu lesen, und noch eins, und noch eins.

Erzählt wird aus wechselnden Perspektiven, mal verfolgt man Mats Erlebnisse in der Luft, mal die Geschehnisse in Berlin. Das Tempo ist durchgehend hoch und vor allem die psychischen Empfindungen und die Gedanken der Protagonisten werden sehr intensiv verfolgt. Stellenweise wird es auch ziemlich blutig, zu empfindlich sollte man als Leser nicht sein.
Für Schwangere würde ich das Buch ebenfalls nicht empfehlen, ich bin mir ziemlich sicher, dass ich es während meiner Schwangerschaften gar nicht gut vertragen hätte.
Leser mit Flugangst werden sich wahrscheinlich sehr verstanden fühlen. Die Ängste, die Mats ausstehen muss, werden überaus eindringlich und anschaulich beschrieben. Ich vermute, dass jemand mit Aviophobie anschließend erst recht kein Flugzeug mehr besteigen mag.

Davon abgesehen empfand ich die Thematik aber stellenweise als zu abgedreht. Natürlich weiß ich mittlerweile, dass sich in Fitzek-Büchern gerne mehr als ein Psychopath findet, ich erwarte regelrecht einen Streifzug durch menschliche Abgründe und psychische Probleme, aber hier hätte es für mein Empfinden ruhig etwas weniger sein können.
Zudem sind die hier vorkommenden Störungen und Motive teilweise so dermaßen ungewöhnlich, dass ich zwar staunte und mich gut unterhalten fühlte, sie aber letztlich als zu unrealistisch betrachtet habe. Und das ist das Problem: Alles war mir (zumindest halbwegs) realistisch erscheint, empfinde ich als sehr viel spannender, schließlich kann ich mir dann im Kopf ein Szenario zurechtbasteln, bei dem ich selber Teil der Handlung werde. Das gelang mir hier nicht. Und da meine Schwangerschaften schon über zwanzig Jahre zurückliegen und ich sehr gerne fliege, habe ich nicht so viel „Thrill“ empfunden wie bei anderen Büchern des Autors.

Fazit: Gut geschrieben und sehr unterhaltsam, aber thematisch für meinen Geschmack etwas zu abgedreht. Für Schwangere und Menschen mit Flugangst aber vermutlich der pure Horror.

»An so viele Risiken hatte er im Vorfeld gedacht. An die Möglichkeit, auf dem Rollfeld von einem landenden Flugzeug gerammt zu werden, beim Start in Flammen aufzugehen, von einem Terroristen entführt zu werden. An einen Sprengsatz im Gepäck.
Aber an die gemeingefährlichste Waffe, an die einzige Bombe, die wirklich jeder mit an Bord bringen und die von keinem Detektor dieser Welt gefunden werden konnte, an dieses perfekte Massenvernichtungsmittel hatte er nicht gedacht: an die menschliche Seele.«

Bewertung vom 17.02.2018
Das Buch, das niemand las
Funke, Cornelia

Das Buch, das niemand las


ausgezeichnet

»In der Bibliothek, in der Morry lebte, gab es viele solcher Bücher. Morry war gerade erst fünf Jahre alt. Das ist für ein Buch SEHR jung. Aber Morry fand, dass fünf Jahre eine furchtbar lange Zeit war, nur um in einem Regal zu stehen.«

Morry weiß genau, was er sich wünscht. Hände, die ihn öffnen und Augen, die ihn lesen. Von seinem Platz im Bücherregal aus scheint die Erfüllung dieses Wunsches aber noch in ferner Zukunft zu liegen. Morry wagt sich bis an die Kante des Regals vor und stürzt auch schon bald in die Tiefe. Das Abenteuer beginnt! Wird es Morry gelingen, einen Leser zu finden?

Schon mehrere Bücher von Cornelia Funke habe ich mit Begeisterung verschlungen. Als ich dieses entdeckte, war mir klar, dass ich es lesen muss! Wobei es hier natürlich nur kurze Texte gibt, dafür aber viele tolle, phantasievolle und farbenprächtige Illustrationen.

Ein Buch, das verzweifelt einen Leser sucht – diese Handlung geht jedem Bücherfreund ans Herz! Kleine Leser werden sicher besonders viel Mitgefühl mit dem kleinen Buch haben, das sich zwischen den vielen großen Büchern im Regal so schrecklich langweilt und das sich von ihnen eine Lebensweisheit und Ermahnung nach der anderen anhören muss.

Die Bücher sind herrlich gezeichnet, ihre Gesichtsausdrücke einfach großartig! Man blickt einem Buch ins Gesicht und erkennt seine Stimmung, erahnt seinen Charakter. Großen Lesern wird sicher schnell eine bemerkenswerte Ähnlichkeit der Bücher mit ihren Autoren auffallen. Im Regal stehen unter anderem Werke von Victor Hugo, Nietzsche, Jane Austen und Alexandre Dumas, letzteres sogar mit Degen ;-) Herrlich! Selbst charakteristische Gesichtsausdrücke finden sich wieder!

Das Buch ist perfekt zum Vorlesen, die kurzen Texte machen es aber auch Leseanfängern leicht. Auf den Bildern gibt es so viel zu entdecken, die Handlung macht einfach Spaß und wer vorher noch nicht überzeugt war, dass Bücher lebende Geschöpfe sind, der hat nach dem Lesen sicher eine andere Meinung.

Auf der ersten Seite las ich: »Bitte schreib deinen Namen in dies Buch und lies es, bis die Seiten sich lösen und du sie festkleben musst. Hinterlass deine Fingerabdrücke, drück einen Kuss aufs Papier und fülle dieses Buch mit Leben und Erinnerungen, denn nichts wünscht es sich mehr!« Mmh, das mit den Fingerabdrücken kostet mich Überwindung. Aber meinen Namen habe ich gleich hineingeschrieben. Wenn es schließlich dem Buch so viel bedeutet…

Fazit: Dieses Buch muss man liebhaben! Ich glaube, ich lese es gleich noch einmal…

Bewertung vom 07.02.2018
Das neue Knietraining
Tempelhof, Siegbert;Gnad, Marcus;Weiß, Daniel

Das neue Knietraining


ausgezeichnet

»Orthopäden und Osteopathen wissen zwischenzeitlich, dass eine gute Balance- und Koordinationsfähigkeit ein wesentlicher Faktor ist, um Verletzungen und vorzeitigen Gelenkverschleiß zu verhindern.
Unser Körper funktioniert immer als Einheit. Übertragen auf unser Kniegelenk bedeutet das, dass Gehirn, Rumpf-, Knie- und Fußmuskulatur eine Einheit bilden müssen.«

Für beinahe jeden Menschen kommt früher oder später der Punkt, an dem das Knie ziept, streikt, protestiert oder sogar schon mächtig schmerzt. Warum ist es eigentlich so sensibel? Und muss man sich damit abfinden?
Ich gestehe, ich habe erst angefangen, meinen Knien Beachtung zu schenken, als sie anfingen, mich zu ärgern. Früher etwas zu tun, wäre klüger gewesen, aber nun ja…

Dieses Buch startet damit, dass es ausführlich beschreibt, wie das Kniegelenk funktioniert und aufgebaut ist. Ich erfahre, wie die diversen Strukturen zusammenspielen, lese über Knochen, Muskeln, Bänder und Menisken und über den Knorpel, der als regelrechte „Schwachstelle“ bezeichnet wird. Schnell wird mir klar, dass es mächtig viele Ursachen für Beschwerden geben kann.
Im weiteren Verlauf wird nun aufgezeigt, was das Kniegelenk krankmacht und was es gesund hält. Diverse Krankheitsbilder werden beschrieben, es gibt einen Abschnitt „1. Hilfe bei akuten Verletzungen“ und Erläuterungen über ärztliche Versorgung, Untersuchungen und Therapieverfahren.
Aber hier geht es nicht darum, Ärzten und Therapeuten dauerhaft die Behandlung kranker Kniegelenke zu überlassen, sondern im Fokus steht, die eigene Gesundheit selbst in die Hand zu nehmen! Positives Denken ist dazu nötig und oftmals muss Bewegung neu erlernt werden. Dabei hilft dieser Ratgeber.

Es geht sehr vernünftig los, nämlich mit einigen Sicherheitsfragen. Wenn mindestens eine dieser Fragen mit „ja“ beantwortet wird, sollte man zunächst einen Arzt aufsuchen. Das habe ich bereits hinter mir und darf daher mit dem Test weitermachen, bei dem mein Knie in den Bereichen Beweglichkeit, Kraft und Koordination untersucht wird. Zuvor gibt’s natürlich ein Warm-up, das auch vor jedem täglichen Training gemacht werden sollte.
Die Auswertung des Tests zeigt dann an, ob man im Bronze-, Silber- oder Goldprogramm trainieren darf. Ich starte mit dem Silberprogramm. Dieses ist geplant über vier Wochen und das Übungspensum bzw. der Schwierigkeitsgrad steigern sich von Woche zu Woche. Im Anschluss kann ich in das Goldprogramm wechseln, das ebenso aufgebaut ist.
Alle Übungen sind mit Fotos und ausführlichen Anleitungen versehen. Diese sind leicht verständlich und gut zu befolgen. Das Programm fordert mich bei einigen Übungen, überfordert fühle ich mich aber nicht. Den Abschluss bilden Dehnübungen, auch diese werden gut beschrieben.

Jetzt, nach einer Woche, kann ich natürlich noch nicht sagen, ob ich mittel- oder langfristig Erfolge erzielen werde, aber auf jeden Fall habe ich durch das Training keine Beschwerden bekommen. Ich habe ein gutes Gefühl, denke positiv und dass ich selber etwas für mich tun kann, gefällt mir sehr.

Zwei der Autoren sind Fachärzte für Orthopädie mit osteopathischen/manualmedizinischen, naturheilkundlichen und reflextherapeutischen Ansätzen. Der dritte ist Physiotherapeut und Heilpraktiker mit den Schwerpunkten Manuelle Therapie, Osteopathie und Sporttherapie.

Fazit: Die eigene Gesundheit selbst in die Hand nehmen – das ist ein Ansatz, der mir gefällt. Und dieses Programm hier erscheint mir vernünftig und sicher.

Bewertung vom 07.02.2018
Sachsenmorde

Sachsenmorde


sehr gut

»Das ging seit Abschluss ihrer Vorbereitungsphase jetzt schon mehrere Jahre so. Vier Opfer pro Saison waren drin, also in etwa eins pro Monat. Viel mehr schaffte sie nicht und wollte es auch gar nicht. Der zeitliche Aufwand wäre zu groß gewesen und alles Regelmäßige war ihr ohnehin suspekt.«

Ich mag Regionalkrimis (bzw. -thriller) und dieses Buch bietet dem Leser gleich dreizehn kurze Thriller, die jeweils in einer anderen Region Sachsens spielen. Schon an dieser Stelle habe ich was gelernt, denn diese dreizehn Regionen hätte ich zuvor nicht so einfach aufzählen können. An regionalen Dingen gibt es Beschreibungen von Landschaften, Städten oder Sehenswürdigkeiten, außerdem werden immer wieder politische Themen aufgebracht, die Gegenwart und die Vergangenheit betreffend. Dabei kommen natürlich auch ganz spezifische DDR-Themen zur Sprache.

Ähnlich abwechslungsreich sind auch die Thriller selbst, von den klassischen Motiven bis hin zu wirklich ungewöhnlichen oder bizarren Fällen ist alles dabei. Das gefiel mir sehr!

Bei Sammlungen von Geschichten ist es häufig so, dass mich nicht alle gleichermaßen ansprechen. In diesem speziellen Fall kommt noch hinzu, dass jede Geschichte von einem anderen Autor verfasst wurde, wobei ich auf einige gestoßen bin, die mir von ihrer Art zu erzählen her sehr gefielen.

Zu den Fällen, die mir gefielen, habe ich mir Notizen gemacht wie: „Spannend. Gut geschrieben. Realistisch. Gruselig. Psychologisches Verwirrspiel. Lange war ich auf der falschen Fährte. Was für ein Schluss! Genial! Dieser Schluss kam unerwartet. Interessant. Fesselnder geschichtlicher Hintergrund.“

Ich habe mir angewöhnt, bei Büchern dieser Art jede Geschichte einzeln zu bewerten und dann einen Durchschnitt zu berechnen. Ich vergab hier für vier Geschichten jeweils 5 Sterne, einmal 4,5 Sterne, viermal 4 Sterne, zweimal 3 Sterne und je einmal 2,5 und 2 Sterne. Das ergibt einen Schnitt von 3,9, folglich eine Gesamtwertung von 4 Sternen.

Fazit: Eine mörderische Reise kreuz und quer durch Sachsen in dreizehn abwechslungsreichen Kurz-Thrillern.

Bewertung vom 06.02.2018
Die Küste
Kremer, Bruno P.;Gosselck, Fritz

Die Küste


ausgezeichnet

Küsten sind für mich schon immer Sehnsuchtsorte gewesen. Ich kann ewig an einem Strand entlanglaufen, auf die scheinbar endlose Weite des Meeres blicken und die typischen Klänge und Gerüche auf mich wirken lassen. Als ich dieses Buch sah, ahnte ich schon, dass meine Sehnsucht reichlich Futter bekommen würde. Und ich hatte recht.

Die Autoren sind vom Fach, Dr. Bruno P. Kremer studierte Biologie, Chemie und Geologie und lehrte an der Universität zu Köln, Fritz Gosselck studierte Biologie und spezialisierte sich auf Meeresbiologie. Mit diesem Buch haben sie einen großartigen Mix geschaffen. Der Leser darf sich auf viele wunderschöne, große Farbfotos freuen, die die enorme Vielfalt der Natur in Küstenregionen eindrucksvoll zeigen. Zusätzlich gibt es umfangreiche Sachinfos, angefangen bei Grundlagen wie dem Unterschied zwischen Strand und Küste oder der Frage, wieso das Meer eigentlich blau aussieht, über immer umfangreichere Themenbereiche (zum Beispiel: Wie entstehen Meereswellen? Oder gar Monsterwellen? Wie unterscheiden sich Nord- und Ostsee? Wie entstand die Ostsee? Wieso gibt es Gezeiten?) bis hin zu wirklich ungewöhnlichen Punkten, von denen sicher so mancher Leser noch nicht gehört hat. Ich habe mich jedenfalls zum ersten Mal mit Gezeitentümpeln befasst. Und war fasziniert von diesen spannenden Kleinlebensräumen!

Gestaunt habe ich auch über die Ausführungen zu Braunalgen. Wo einem diese im täglichen Leben überall begegnen, ist wirklich faszinierend. Das Kapitel über Vogelfelsen mochte ich ebenfalls sehr und erst den Abschnitt über die unglaubliche Vielfalt von Lebensformen, die einen Sandstrand bevölkern! Da gibt es winzig kleine Lebewesen, die Lücken zwischen Sandkörnern zu ihrem Lebensraum gemacht haben!
Wer hätte gedacht, dass Muschelschalen Klima- bzw. Umweltarchive darstellen, die von Wissenschaftlern ausgewertet werden können?
Und wie kommt eigentlich das Meeresrauschen ins Schneckenhaus?

Fragen über Fragen, hier werden sie ausführlich beantwortet und häufig mit informativen Schaubildern ergänzt. Schön ist zudem, dass all diese Infos höchst angenehm in einem lockeren Tonfall rübergebracht werden. Da plaudern Experten, vermitteln Sachwissen und bemühen sich gleichzeitig, dies unterhaltsam zu gestalten. Das ist witzig und anschaulich zugleich. Wenn die gemeinsame Drehbewegung von Erde und Mond verglichen wird mit dem „Walzertanz eines schwergewichtigen Möbelpackers mit einem gertenschlanken Mannequin“, dann bekommt auch der größte Nicht-Astronom eine Vorstellung davon, wie diese Bewegung aussieht.

Die Autoren schreiben mit großer Begeisterung und Leidenschaft, man fühlt sich beim Lesen richtig mitgerissen. Ich würde so gerne sofort meine Koffer packen! Einziges Manko für mich: An vielen Bildern fehlt die Beschreibung, was genau dargestellt wird, wo zum Beispiel der gezeigte Küstenabschnitt sich befindet.

Fazit: Toller Mix aus hochinformativem Sachbuch und schönem Fotoband. Ein echtes Sehnsuchtsbuch eben! Und zudem ein wundervolles Geschenk für Naturfreunde.

»Im Mittel leben unter 1 m² Sandbodenoberfläche innerhalb der Gezeitenzone mindestens etwa 1 bis 2 Mio. Individuen. Das sind, bezogen auf eine 2 dm² große Männerhandfläche immer noch rund 400.000 Kleinsttiere oder – unter der Fläche eines durchschnittlichen Fingernagels (1 cm²) – sogar noch deutlich über 1000. Hätten Sie das vermutet, als Sie vor der Liegezeit im Strandkorb einen ausgedehnten Strandspaziergang über die nassglänzenden Feinkornflächen unternommen haben? Sie schritten buchstäblich über Millionenstädte…«

Bewertung vom 28.01.2018
Ungereimtheiten
Butscher, Günther

Ungereimtheiten


sehr gut

Lyrik lese ich eher selten und was ich in der Schule mal über Dinge wie Versformen und -maß gelernt habe, ist lang schon vergessen. Ich kann nur sagen, ob mir ein Gedicht gefällt oder nicht. Ob es mich anspricht oder berührt, ob es eine Aussage hat, die mir zusagt oder mich zum Nachdenken anregt.

Dieses Buch hat mich über Wochen begleitet. Immer mal wieder las ich ein paar „Häppchen“ und staunte, was dabei in mir vor sich ging. Ich merkte, dass ich die einzelnen Gedichte nicht einfach in „gefällt mir“ und „gefällt mir nicht“ unterteilen kann, denn das änderte sich schon mal ja nach Situation. Ein Gedicht las ich an einem Abend auf dem heimischen Sofa und es sagte mir irgendwie nichts. Einige Zeit später las ich es erneut, an einem Samstagmorgen zwischen zwei Saunagängen und ich dachte: Ja genau! Das ist es doch! Das ist ja so wahr, was der Autor da schreibt!
Wie gut, dass ich noch einmal zurückgeblättert hatte.

Aber ohnehin schreibt Günther Butscher über Themen, die jeder kennt, Gedanken, die jeder schon mal mehr oder weniger stark gewälzt hat. Seine Wortwahl trifft auf den Punkt, gleichzeitig findet man sich in der Art des Ausdrucks wieder, die Sprache ist nicht abgehoben, sondern eben so, wie man selber auch reden würde. Die Stimmung ist mal ernst und nachdenklich, ein anderes Mal unterhaltsam und witzig. Die Themenvielfalt spiegelt ebenfalls das normale, tägliche Leben wieder, da wird auch schon mal gegessen, U-Bahn gefahren oder Tiere beobachtet. Es wird nachgedacht über Vorurteile und Offenheit, über Frieden und Gerechtigkeit, über Dichtung und Malerei. Jahreszeiten finden sich wieder und Feste, im Grunde kann man zu gefühlt allen Bereichen des täglichen Lebens einen passenden Text finden. Das gefiel mir sehr.
Immer noch fand ich nicht zu allen Texten einen Zugang. Aber wer weiß, vielleicht ändert sich das bei späterer Gelegenheit auch noch?

Fazit: Warum nicht mal Lyrik? Diese hier kommt voll aus dem Leben und lädt zum Nachdenken ein.

Widersinn
Sagt einer, es sei dunkelhell,
Könnt‘ er auch sagen langsamschnell;
Eine weit’re Möglichkeit
Wäre auch alleinzuzweit.
Man könnte noch in großer Zahl
Finden solcher Worte Wahl,
Doch eins find‘ ich besonders krass,
Viel mehr noch als nur trockennaß -
Wenn mit viel Gewehren in der Hand
‘ne Friedenstruppe wird entsandt.