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MaWiOr
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Halle

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Insgesamt 3578 Bewertungen
Bewertung vom 17.06.2022
Naturvertrauen
Geyer, Christina

Naturvertrauen


ausgezeichnet

Die österreichische Natur ist weitgehend historisch gewachsenes Kulturland. In sechs Nationalparks bleibt sich jedoch die Natur des Alpenlandes selbst überlassen. Sie schützen die vorkommenden Ökosysteme und damit die artenreichsten Lebensräume des Landes.

Die Neuerscheinung „Naturvertrauen“ stellt die sechs Naturparks ausführlich vor: Hohe Tauern, Neusiedler See-Seewinkel, Donau-Auen, Kalkalpen, Thayatal und Gesäuse. Neben der Geschichte der Nationalparks wird dabei auch auf verschiedene Themen eingegangen. Unter dem Kapitel „Wild-tier-nis“ z.B. auf die Wiederansiedlung und Rückkehr von Wildtieren oder unter „Wild war einmal“ auf die genetische Bedeutung der Wildnis als eine „Arche Noahs“. Andere Schwerpunkte sind die Biodiversität in den Nationalparks und ihre Aufgabe zwischen Artenschutz und Wildnis. Auch der Tourismus („zwischen Wirtshaus und Bergkäse“) und der Klimawandel in dem Alpenraum werden angesprochen.

Neben der Bandbreite der Themen, die nicht nur auf die österreichischen Nationalparks zutreffen, überzeugt der Titel vor allem durch seine üppige Illustration mit Farbfotos, Diagrammen und Tabellen, die mit weiteren Info-Kästen das Verhältnis des Menschen zur Natur noch ausführlicher verdeutlichen.

Bewertung vom 15.06.2022
Yoko Ono
Bardola, Nicola

Yoko Ono


ausgezeichnet

Jeder Musikfreund kennt wohl die Kennenlern-Story von dem berühmtesten Liebespaar der Popgeschichte, von John Lennon und Yoko Ono. Das erste Mal trafen sie sich im November 1966 zufällig in der Avantgardegalerie „Indica“ in London, wo sie ihm ein Kästchen mit der Aufschrift "Atme!" übergab und er sich in sie verliebte. Über Jahre hinweg näherten sich ihre Weltbilder einander an. Am 26. März 1969 heirateten John und Yoko auf Gibraltar und zwei Tage später starteten sie ihr erstes so genanntes Bed-In im Amsterdamer Hilton. Scharenweise strömten die Presseleute ins Hotel, erwarteten sie doch etwas Schockierendes, doch John und Yoko verkündeten, im Schlafanzug im Bett sitzend, nur den Weltfrieden.

Yoko Ono war jedoch nicht nur Lennons Frau und Muse, sie war und ist auch eine eigenständige und höchstproduktive Konzeptkünstlerin, Avantgardemusikerin und experimentelle Filmemacherin. Als Pazifistin und Feministin wurde sie durch ihr Engagement für die Gleichstellung Homosexueller und die Umwelt bekannt. Außerdem arbeitet sie bei Amnesty International mit.

Aus Anlass ihres bevorstehenden 90. Geburtstags (18. Februar 2023) erscheint bei Zweitausendeins die aktualisierte und erweiterte Neuauflage ihrer Biografie von Nicola Bardola, der kürzlich eine Biografie des amerikanischen Schriftstellers Jack Kerouac vorgelegt hatte. In drei Kapiteln, unterteilt in knapp dreißig Texte, werden die wichtigsten Stationen und Ereignisse der Feministin, Pazifistin und radikalen Künstlerin beleuchtet, wobei natürlich der Mord an John Lennon am 8. Dezember 1980 der entscheidende Schicksalsschlag war („Eine Witwe zu sein, ist die Hölle. Die Hölle. Ein totaler Albtraum der Hoffnungslosigkeit“). Überhaupt konnte Bardola an die langjährigen Recherchen zu seiner John Lennon-Biografie anknüpfen. Im Mittelpunkt stehen jedoch die Arbeiten der japanischen Künstlerin, ihre Experimentierfreudigkeit und ihre beständige Suche nach der Wahrhaftigkeit in der Kunst. Dieser Teil der Neuerscheinung bietet nicht nur einen Zugang zur Persönlichkeit von Yoko Ono und ihrer faszinierenden Lebensgeschichte sondern auch zu ihrer avantgardistischen Kunst.

Den Abschluss bildet eine kompakte (40 Seiten) und doch detaillierte, chronologische Darstellung ihrer Herkunft und ihres künstlerischen und privaten Werdegangs. Eine lesenswerte Biografie, die selbst für manchen Kenner von Yoko Ono oder den Beatles die eine oder andere biografische Neuigkeit bereit hält. Auch wunderbar geeignet als Einstieg in die Lebensgeschichte von Yoko Ono.

Bewertung vom 01.06.2022
Hinausspaziert

Hinausspaziert


ausgezeichnet

Nach den Corona-Einschränkungen treibt es uns wieder verstärkt in die freie Natur. Wandern, Spaziergehen oder Flanieren sind voll im Trend. Dass es auch DichterInnen immer wieder ins Freie treibt, wo sie auch Inspiration erfahren, davon finden sich in dem Diogenes-Band zahlreiche Beispiele.

Die Auswahl bringt Kurzgeschichten von zwanzig AutorInnen. Die Spanne reicht dabei von Virginia Woolf über Franz Kafka, Doris Dörrie, Urs Widmer, Ian McEwan bis hin zu Marlen Haushofer oder Benedict Wells. So berichtet der nigerianisch-amerikanischer Schriftsteller Teju Cole von einem City-Spaziergang durch Manhattan und der irischen Neurowissenschaftler Shane O’Mara, der ein leidenschaftlicher Spaziergänger ist, erzählt vom Glück des Gehens als Labsal für Körper und Gehirn. Ergänzt wird die Diogenes-Auswahl noch durch eine exklusive Geschichte der Schriftstellerin und Journalistin Lena Gorelik.

Bewertung vom 31.05.2022
Minutenmarathon
Gehlen, Dirk von

Minutenmarathon


sehr gut

Die wenigsten Zeitgenossen werden wohl einen Marathonlauf von 42,195 Kilometer in Angriff nehmen. Aber 42:195 Minuten am Stück (ohne Pause) laufen – das müsste doch zu schaffen sein. Aber das gelingt nicht von Null auf gleich. Der bekannte Laufexperte Dirk von Gehlen, bekannt durch seine Laufkolumne in der „Süddeutschen Zeitung“ stellt in der Neuerscheinung ein achtwöchiges Trainingsprogramm vor, das sich besonders an Laufneulinge richtet.

Für die acht Vorbereitungswochen gibt der Autor zahlreiche Vorschläge und Hinweise – angefangen von den ersten Schritten über den medizinischen Rat, Schuhkauf, Fragen der Ernährung, Trainingspläne, Regeneration, Wohlfühltempo, Muskelkater oder das Laufen mit Kindern. Selbst das Thema „Toilettenbesuch“ wird behandelt. Auf Seite 45 hat man bereits das Bergfest der Vorbereitungen erreicht. Die zahlreichen Tipps sind kompakt und anschaulich, sodass man keine längeren Texte lesen muss.

In einem mehrseitigen Kalenderteil kann man seine Vorbereitungen und Lauferfahrungen dokumentieren. Zum Abschluss führt der Autor noch drei Interviews mit dem Lauftrainer Michael Arend, der Trainerin Katrin Dörre-Heinig und dem Europameister Jan Fritschen.

Fazit: Eine ideale Anleitung für Laufanfänger.

Bewertung vom 30.05.2022
Mrs. Dalloway
Woolf, Virginia

Mrs. Dalloway


ausgezeichnet

Der Roman „Mrs Dalloway“ der englischen Schriftstellerin Virginia Woolf (1882-1941) ist eines der wichtigsten Werke der literarischen Moderne. Das ganze Buch spielt sich an einem einzigen Tag im Juni des Jahres 1923 ab. Die 52-jährige Clarissa Dalloway, eine feine Dame der Londoner Gesellschaft, bereitet eine ihrer berühmten Partys vor. Die Vorbereitungen werden nur unterbrochen von dem unerwarteten Besuch von Peter Walsh, einem alten Verehrer, der gerade aus Indien zurückgekehrt war. Seit der Ablehnung seines Heiratsantrags vor mehr als 30 Jahren hatte Clarissa ihn nicht mehr gesehen. Die neuerliche Begegnung bringt Mrs Dalloway an diesem Tag dazu, ihr Leben zu reflektieren; selbst über das Altern und den Tod denkt sie nach.

Ein besonderer Tag wird es auch für den Kriegsheimkehrer Septimus Warren Smith, der von Wahnvorstellungen geplagt wird. Er ist mit seiner Ehefrau Lucrezia auf dem Weg zu dem Psychiater Sir William Bradshaw. Als Smith von seinem alten Arzt aufgesucht wird, stürzt er sich aus dem Fenster. Nachdem Mrs. Dalloway davon erfährt, missfällt es ihr, dass in ihrer Party über den Tod geredet wird, obwohl sie sich selbst mit Selbstmordgedanken trägt.

Meisterhaft und mit inneren Monologen zieht Virginia Woolf die Leser immer tiefer in die Gedanken ihrer Figuren hinein und stellt damit zugleich deren Leben in Frage. Der Manesse-Band präsentiert den Roman in einer modernen Neuübersetzung von Melanie Walz, ergänzt durch ein Nachwort von Vea Kaiser.

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Bewertung vom 30.05.2022
Ich und Jimmy
Lispector, Clarice

Ich und Jimmy


ausgezeichnet

Die brasilianische Schriftstellerin Clarice Lispector (1920-1977), in Deutschland recht unbekannt, zählt zu den großen Erzählerpersönlichkeiten des südamerikanischen Kontinents, ja der Weltliteratur in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. In der sowjetischen Ukraine geboren, emigrierten ihre Eltern bereits 1922 nach Brasilien. Als 23jährige begann sie mit dem Schreiben. Ihr umfangreiches Werk umfasst Romane, Kurzgeschichten und Kinderbücher; darüber hinaus war Lispector auch publizistisch tätig.

Der Manesse- Band versammelt 30 Kurzgeschichten, die hauptsächlich weibliche Erfah-rungen und Sichtweisen widerspiegeln. Es sind fantastisch-realistische Geschichten, meist von unerwarteten Begegnungen der Figuren. Da wird in der Story „Die Schöne und das Biest“ eine Kundin, die gerade einen Schönheitssalon verlässt, am Ausgang mit einem Bettler konfrontiert. In anderen Geschichten begegnen uns Dona Maria Rita, Dona Frozina und Miss Algrave, Carmem und Beatriz, Angela, Yolanda und Carla, Clarice und … und. In der titelgebenden Geschichte „Ich und Jimmy“ trifft eine Jurastudentin einen jungen Mann namens Jimmy, doch dann lässt sie sich auf eine Affäre mit ihrem Prüfer ein.

Ergänzt wird die Neuerscheinung, die Kurzgeschichten aus allen Schaffensphasen der Autorin versammelt, durch ein Nachwort der Schriftstellerin Teresa Präauer. Eine willkommene Bereicherung der Manesse-Bibliothek, die mit einer bemerkenswerten Autorin bekannt macht.

Bewertung vom 30.05.2022
Herbert List

Herbert List


ausgezeichnet

Der deutsche Fotograf Herbert List (1903-1975) gilt als ein „moderner Klassiker“ der Fotografie. Seine Fotos wirken heute noch zeitlos und allgemeingültig. Der Sohn einer wohlhabenden Hamburger Kaufmannsfamilie entdeckt nach einem Studium der Literatur- und Kunstgeschichte in den 1920er Jahren die Fotografie. Zunächst machte er sich mit Porträtfotos einen Namen, später umfasste sein Genre die Straßenfotografie und Fotoessays. So hinterließ List ein vielfältiges Œuvre.

Das Hamburger Bucerius Kunst Forum widmet vom 14. Mai bis zum 11. September 2022 eine umfassende eine Ausstellung im Rahmen der Triennale der Photographie Hamburg. Mit rund 240 Original-Fotografien zeigt die Ausstellung „Herbert List. Das magische Auge“ wie nie zu vor die gesamte Bandbreite des Fotografen aus über dreißig Jahren Schaffenszeit.

Im Hirmer Verlag ist der umfangreiche Begleitkatalog zu dieser bemerkenswerten Ausstel-lung erschienen. Neben den zahlreichen Reproduktionen der Schwarz-Weiß-Ausstellungsfotos informieren acht Essays von renommierten Kunstwissenschaftlern Werk und Wirken von Herbert List. Im ersten Beitrag geben Nadine Isabelle Henrich und Peer-Olaf Richter zunächst einen Überblick zur Biografie des „Hamburger Weltbürgers“. Die weiteren Texte widmen sich dann den unterschiedlichen Schaffensphasen (Griechenland, männliche Körper, frühe Jahr als Berufsfotograf, Italienbilder, Künstlerporträts und Nachkriegszeit).

Fazit: Mit dem Katalog kann man die magische Fotowelt von Herbert List erkunden.