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Insgesamt 577 Bewertungen
Bewertung vom 05.09.2007
Werkausgabe 8. Der Butt
Grass, Günter

Werkausgabe 8. Der Butt


gut

Wie waren die Siebziger Jahre, wird man vielleicht irgendwann gefragt werden, und man kann beruhigt antworten: Lies den Butt. Was war das damals für ein Hype um dessen Erscheinen. Man kannte das Wort Hype in dem Zusammenhang noch gar nicht. Er traf einen Nerv. Die Auseinandersetzung zwischen Mann und Frau spiegelte Grass am Märchen vom Fischer und seiner Frau, begnügte sich nicht mit einer Wohngemeinschaftsgeschichte, sondern schlug gleich den Bogen über mehrere Jahrhunderte. Wie liest man ihn heute? Wie eine lieb gewonnene Geschichte aus einer Zeit, wie sie einmal war. Und daß es da einen Autor gab, der sich den Fragen damals stellte. Viele moderne Klassiker entführen uns in eine gelebte Zeit, aus der wir unsere Wurzeln ziehen. Der Butt auch.
Polar aus Aachen

Bewertung vom 05.09.2007
Eine Frau, eine Wohnung, ein Roman
Genazino, Wilhelm

Eine Frau, eine Wohnung, ein Roman


sehr gut

Bei manchem mag die Reihenfolge anders lauten als bei Genazino und zuerst kommt die Wohnung, dann erst die Frau und vielleicht sogar ein Kind, wiederum andere fühlen sich zum Künstler berufen, und pflegen einen Roman in der Schublade, bevor sie die Frau an sich treffen, mit der sie ihr Leben teilen wollen. Wilhelm Genazinos Held, mit Büchern großgeworden, entscheidet sich als erstes für eine Frau und teilt das Schicksal der meisten Männer, er muß plötzlich feststellen, daß man als Paar womöglich doch nicht so gut zurechtkommt, zumal wenn man der Mutter zuliebe einer Tätigkeit nachgeht, die einem aufgezwungen wurde, man heimlich ein Doppelleben als Reporter führt und einem als einzige Entscheidung noch bleibt, neben welcher Frau man aufwachen möchte. Da kann man schon kritisch abwägen, unsicher werden, vielleicht noch einer Nebenbuhlerin eine Chance einräumen. Wie alles ineinander hängt, das eine nicht ohne das andere will, die vorgestellte Freiheit nie den Status der Rebellion erreicht, wird von Genazino mit soviel Humor ausgeschmückt, daß man sich als Leser einmal mehr bei diesem Autor nur über eines ärgert: Zu kurz geraten, Herr Genazino. Sie lassen es zu, daß uns ihre Helden ans Herz wachsen und dann ist der Roman schon aus. Gut, daß kurz darauf ein neues Kabinettstück erscheint.
Polar aus Aachen

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 05.09.2007
Das Ende einer Affäre
Greene, Graham

Das Ende einer Affäre


sehr gut

Dieser Autor kann nicht nur Thriller schreiben. Den Nobelpreis für Literatur hatte er verdient, doch die Herren der Akademie sahen in ihm vor allem den Autor von Kriminal- und Spionagegeschichten. Es gibt schlechtere Liebesgeschichten als diese, die dem schwedischen Komitee preiswürdig erschienen. In Das Ende einer Affäre verstrickt Graham Green sein Trio, bestehend aus Maurice, Henry und Sarah so meisterhaft mit dem Gefühl der Eifersucht, indem der eine den anderen damit beauftragt, seiner Frau nachzustellen, obwohl dieser eine Affäre mit ihr hatte, und plötzlich selber auf den großen Unbekannten eifersüchtig wird, und inszeniert dieses abgewandelte Othello-Drama vor den Ereignissen des zweiten Weltkriegs. Mitunter klingt es wie eine Farce zu behaupten, da habe jemand jemanden geliebt. Es ist eher die Sehnsucht nach Leidenschaft, die alle Drei bewegt. Das Feuer, das zum Verhängnis wird, das Spiel mit dem Verbotenen. Die Fragen am Ende lauten: Was ist mit der Liebe? Bleibt sie stets auf der Strecke? Spürt man sie zwingend in der Abwesenheit desjenigen, den man liebt? Am ehesten könnte Sarah uns eine Antwort darauf liefern, doch die ist ja nun leider verhindert. So wollte es der Autor. Und deswegen hätte er den oben stehenden Preis neben anderen auch wegen diesem Buch verdient gehabt.
Polar aus Aachen

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 05.09.2007
Richter Di bei der Arbeit
Gulik, Robert van

Richter Di bei der Arbeit


schlecht

Wer schon nicht viel mit Sherlock Holmes und Dr. Watson und einem messerscharfen Verstand anzufangen weiß, wird sich bei Richter Di nicht wohlfühlen. Ein Band von 8 Kurzgeschichten, die den Helden rühmen, den Schuldigen überführen und kaum Platz für Schattierungen bietet. Man muß ihn wahrscheinlich unter kriminalhistorischen Vorzeichen lesen. Zumal der Autor sie alten Quellen entnommen hat. Zu wenig, um einen zu fesseln. Richter Di ist ein Mythos. Mehr Leben, als der bloßen Überhhöhung zu dienen, hätte den Geschichten gutgetan.
Polar aus Aachen

0 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 04.09.2007
Der Rächer
Forsyth, Frederick

Der Rächer


gut

Wie Fiktion und Fakten geschickt miteinander verflochten werden, stellt Frederick Forsyth nicht erst mit diesem Roman unter Beweis. Daß die ein oder andere Nebenfigur dabei allzu deutlich eingewebt wird, um dem Helden der Geschichte im späteren Verlauf zur Seite zu stehen, macht aus fünf Sternen derer vier, was jedoch die spannende Story, inbesondere die Schilderung des Tunnelsystems in Vietnam nicht schmälert, die einem zum ersten Mal verständlich macht, warum die Amerikaner diesen Krieg nicht gewinnen konnten. Forsyths Verquickung historischer Ereignisse und Fiktion ist in diesem Buch als besonders gelungen zu bezeichnen, da die Fakten weniger der Ausschmückung als der Entwicklung der Spannung dienen. Es bleibt natürlich ein Thriller und in dem taucht ein Held auf, der wie meistens gegen Ende für klare Verhältnisse sorgt, damit der Gerechtigkeit genüge getan wird.
Polar aus Aachen

3 von 5 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 04.09.2007
Die Säulen der Erde / Kingsbridge Bd.1
Follett, Ken

Die Säulen der Erde / Kingsbridge Bd.1


weniger gut

In Ken Folletts Roman überbieten sich die Erzähltränge gegenseitig an Spannung. Ist das eine Schicksal überstanden, reißt das nächste bereits wieder ein Loch ins Leben. Kingsbridge bündelt das Schicksal des Prior Philips, Jacks und der Grafentochter Aliena in einem atemlosen Vorwärtsdrang durch die Jahrzehnte, versinnbildlicht im Bau einer Kathedrale. Ausbeutung und Elend geben sich die Türklinke in die Hand und der historische Hintergrund bildet das Tableau für die tragischen Episoden, die mir in ihrer Dichte und Kürze vorkommen, als wären sie serienkompatibel. Natürlich muß sich ein Hörbuch beschränken, da es eine Auswahl trifft, die den Erzählstrang möglichst umfassend darstellt und vielleicht tut man der Romanvorlage unrecht, aber die Scharniere zwischen den einzelnen Abschnitten knirschen gewaltig.
Polar aus Aachen

4 von 9 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 04.09.2007
Der Afghane
Forsyth, Frederick

Der Afghane


weniger gut

Natürlich kann ein Autor wie Forsyth an einem Thema wie Al Quaida nicht vorbeischreiben. In früheren Büchern verstand er es jedoch nicht so aufdringlich Fiktion und Fakten miteinander zu verdichten. Alles läuft auf den großen Showdown auf hoher See hinaus und es gibt wieder einen Helden, dem keiner anmerkt, daß er eigentlich Amerikaner ist, dazu auserkoren wurde, die Welt zu retten. In diesem Roman verläßt sich Forsyth allzu deutlich auf das James Bond Genre, und selbst wenn man nicht ahnt, wo der Anschlag stattfinden soll, ist es eigentlich kaum von Bedeutung, da früh klar ist, daß er vereitelt wird. Die Guten ins Töpfchen und die Bösen versinken im Meer. Schade. Er kann das besser. Auch wenn das ein oder andere an Fakten, auf der die Geschichte beruht, sicher lesenswert ist.
Polar aus Aachen

3 von 5 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 04.09.2007
Was am Ende bleibt
Fox, Paula

Was am Ende bleibt


ausgezeichnet

Paula Fox gehört zu jenen Schriftstellerinnen aus den USA, die bei uns viel zu lange unentdeckt blieben. "Was am Ende bleibt" ist die schonungslose Aufrechnung einer Ehe, die es sich in sich bequem gemacht hat. Es bedarf eines Anlasses, sie aus dem Gleichgewicht zu bringen, und sei es so etwas Banales wie ein Katzenbiß. Einmal ins Schwanken geraten, befürchtet Sophie Bentwood, daß alles ins Rutschen gerät, was für sie das Leben mit ihrem Mann ausgemacht hat. Es passiert beiläufig. Es sind nicht die großen Schicksalsschläge, die Tragödien an sich, vielmehr das Alltägliche all dessen, daß einem, sobald man mit sich alleine ist, einen Schrecken einjagt. Was amerikanische Literatur ausmacht, sieht man in Romanen wie diesem. Sie vermögen schonungslos im Aufspüren von Rissen, wie scheiternden Ausbruchversuchen zu sein. Wenn man die Sprache dazu besitzt - und die besitzt Paula Fox nicht nur in diesem Roman. Verstörend mag er auf all die Leser wirken, die sich selbst in scheinbare Harmonie eingenistet haben und davon träumen, daß sie dort draußen irgendwo wirklich existiert.
Polar aus Aachen

Bewertung vom 04.09.2007
Die Pfeiler der Macht
Follett, Ken

Die Pfeiler der Macht


weniger gut

Das Strickmuster dieses Romans ähnelt fatal seinem Vorgänger: Die Säulen der Erde. Hier die schöne Augusta, dort die schöne Grafentochter Aliena, hier der Niedergang des Hauses Pilaster, dort die Familie Hamleigh verbunden in einem atemberaubenden Tempo von Ereignissen, die die Handlung vorantreiben. Was im Mittelalter funktioniert hat, muß sich in der Finanzwelt Londons bewähren. Mag man bei den Säulen der Erde noch viel über das Mittelalter erfahren haben, in Die Pfeiler der Macht ist das 19. Jahrhundert doch etwas heftig wie zum Abziehbild geraten. Es fesselt einen nicht wirklich, was aus Hugh Pilaster wird. Die Schicksale des bösen Südamerikaners und der durchtriebenen Augusta werden holzschnittartig miteinander verschränkt, wobei das Ende in einem Schrankkoffer auf hoher See an den Haaren herbeigezogen ist. Wer Spannung um der Spannung willen mag, ist hier bestens ausgehoben, er muß nur die holprige Konstruktion eines zum zweiten Mal auf gewärmten Plots unter anderen Vorzeichen in Kauf nehmen wollen.
Polar aus Aachen

15 von 21 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.