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MaWiOr
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Halle

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Insgesamt 3578 Bewertungen
Bewertung vom 17.05.2022
Norman Mailer. Neil Leifer. Howard L. Bingham. The Fight
Mailer, Norman

Norman Mailer. Neil Leifer. Howard L. Bingham. The Fight


ausgezeichnet

Am 30. Oktober 1974 lieferten sich Muhammad Ali und George Foreman in Kinshasa, der Hauptstadt im damaligen Zaire, den wohl größten Box-Kampf aller Zeiten. Als „Rumble in the Jungle" ging er in die Sportgeschichte ein. Nicht nur ca. 100.000 verfolgten den Kampf am Ring, Millionen saßen in der ganzen Welt vor den TV-Geräten. Viele meiner Generation haben sich damals sicher den Wecker gestellt, denn der spektakuläre Kampf war um 4 Uhr Ortszeit angesetzt, damit er in den USA zur besten Sendezeit verfolgt werden konnte. Obwohl der amtierende Schwergewichts-Weltmeister George Foreman, der in 40 Profikämpfen ungeschlagen war, als klarer Favorit galt, gewann der damals bereits 32-jährige Ex-Titelträger und Außenseiter Muhammad Ali den Kampf durch K.o. in der achten Runde.

Der amerikanische Schriftsteller Norman Mailer (1923-2007), bekannt vor allem durch seinen Antikriegsroman „Die Nackten und die Toten“ hat diesen Jahrhundert-Fight wortgewaltig, eloquent und ausdrucksstark begleitet. Die schriftstellerische Gabe, historische Großereignisse in Reportagen zu dokumentieren und zu kommentieren, hatte der überaus produktive Mailer bereits Jahre zuvor mit „MoonFire“ (Mondlandung) - ebenfalls im Taschen Verlag erschienen – eindrucksvoll bewiesen.

Mailers authentischer Bericht, der erstmals 1975 erschien, beschränkt sich dabei nicht nur auf den nächtlichen Kampf. Die meisten der 17 Kapitel sind der Vorgeschichte und Vorbereitung des Fights gewidmet. Mailer hatte dabei einen besonderen Kontakt zu Alis Team. Außerdem zeigt er, welche Bedeutung die Ausrichtung und Ausstrahlung des Kampfes damals für das Selbstwertgefühl des Landes, ja des afrikanischen Kontinentes hatte.

Der Text ist zwar in englischer Originalsprache, aber bereits die brillanten, meist großfor-matigen (ganz- oder doppelseitig) der beiden Fotografen Neil Leifer und Howard L. Bingham vermitteln einen optischen Eindruck von dem Geschehen vor und während des Kampfes, außerdem von dem ganzen Drumherum in Kinshasa. Während des Kampfes hatte Leifer in der ersten Reihe die Möglichkeit, hautnah durch die Seile dabei zu sein. Außerdem gab es noch eine Deckenkamera.

Fazit: Eine opulente Prachtausgabe, die einen hohen Erinnerungswert besitzt.

Bewertung vom 09.05.2022
Und habt ihr denn etwa keine Träume
Seghers, Anna

Und habt ihr denn etwa keine Träume


ausgezeichnet

Neben ihren berühmten Romanen „Das siebte Kreuz“ und „Transit“, die zur Weltliteratur gehören, hat die Schriftstellerin Anna Seghers (1900-1983) auch zahlreiche Erzählungen geschrieben, die ebenfalls zur schönsten Prosa der deutschen Literatur im 20. Jahrhundert zählen.

Mit „Und habt ihr denn etwa keine Träume“ ist im Aufbau Verlag eine Auswahl ihrer schönsten Erzählungen erschienen. Die vierzehn Erzählungen sind jedoch nur ein Bruchteil aus ihrem umfangreichen erzählerischen Werk. Die Erzählungen gestatteten Seghers, sich unmittelbarer mit Zeit- und Gesellschaftsveränderungen auseinanderzusetzen. Den Auftakt macht die frühe Erzählung „Die Ziegler“ (1928), in der sie mit Marie Ziegler eine eindrucksvolle Frauengestalt schilderte. In der Erzählung „Das Argonautenschiff“ aus dem Jahre 1948 griff Seghers mit der Iason-Sage einen Stoff aus der griechischen Mythologie auf, in welcher Iason mit seinen Argonauten in See sticht, um das goldene Vlies zu holen. Die Geschichte, in der die Autorin auch ihr Heimkehrerschicksal verarbeitete, wurde allerdings erst 1953 in der DDR veröffentlicht.

Seghers bekannteste Erzählung ist sicher „Der Ausflug der toten Mädchen“, die in den letzten Kriegsjahren entstand und 1946 in New York erschien. In der Rahmenhandlung erlebt die Ich-Erzählerin in einem abgelegenen mexikanischen Dorf beim Spazierengehen einen Tagtraum, der sie ins Jahr 1913 zurückversetzt. In der Binnenhandlung erinnert sie sich an einen Schulausflug auf dem Rhein. Erzählt werden dabei die Lebens- und Leidensgeschichten ihrer Mitschüler und Lehrer, die dann später im zweiten Weltkrieg auf tragische Art und Weise ums Leben kommen. Die abschließende Erzählung „Der Schlüssel“ stammt aus dem Erzählband „Drei Frauen aus Haiti“, der 1980 veröffentlicht wurde.

Ergänzt wird die Aufbau-Ausgabe durch die umfangreiche Einleitung „Von der Kraft der Schwachen“ von Ingo Schulze, der auch die Auswahl der Erzählungen vorgenommen hat.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 09.05.2022
Alles im Griff auf dem sinkenden Schiff
Martenstein, Harald

Alles im Griff auf dem sinkenden Schiff


ausgezeichnet

Harald Martenstein ist einer der bekanntesten Schriftsteller und Humoristen in Deutschland. Beliebt sind seine wöchentlichen Kolumnen im Berliner Tagesspiegel oder in der ZEIT, die schon Kultstatus besitzen. Nun ist mit „Alles im Griff – Auf dem sinkenden Schiff“ eine repräsentative Auswahl erschienen. Obwohl der Titel eigentlich Pessimismus verbreitet, sagt der Untertitel gleich das Gegenteil: es handelt sich um „Optimistische Ko-lumnen“.

Zunächst gibt Martenstein eine „Gebrauchsanweisung“ für seine Kolumnen. „Jede Woche schreibt ich über das, was passiert, was mich bewegt, freut oder aufregt, worüber ich nachdenke.“ Und es sind eine Menge Themen, die ihn bewegen und aufregen. Sei es das Hochbett als typische Begleiterscheinung des Älterwerdens, die Erziehungsberater in Buchform, das Fernsehen in den Corona-Nächten oder das Weihnachtsfest mit Gänsebraten. Über Sparsamkeit, Ehrgeiz, Erbschaft, Krümelmonster, Katzenmusik, aber auch über Jan Böhmermann, Drosten oder Kekulé, Helmut Kohl … und … und grübelt Martenstein nach. Selbst bei scheinbar alltäglichen Nichtigkeiten findet er immer wieder interessante Aspekte.

Fazit: Rund siebzig Mal bietet die gelungene Auswahl willkommenen Anlass zum Schmunzeln und Nachdenken.

Bewertung vom 05.05.2022
Väter

Väter


ausgezeichnet

Der Diogenes-Band versammelt eine Auswahl von zwanzig „Väter“-Geschichten, dabei reicht die Palette von klassischen AutorInnen wie Anton Tschechow oder Katherine Mansfield bis zu zeitgenössischen AutorInnen wie Horst Evers oder Lily Bret. Den Auftakt macht Jan Brandt mit der Geschichte „Diesseits der Bande“, die exklusiv für diese Anthologie entstand und die Vater-Erfahrungen des siebenjährigen Konstantin, der einmal ein großer Fußballer werden will. Horst Evers dagegen erzählt humorvoll von der „Flohmarktpädagogik“ eines Vaters, der auf dem Flohmarkt seiner Tochter etwas fürs Leben beibringen will. Der Schweizer Schriftsteller Urs Widmer berichtet von seinem politisch engagierten Vater, während Benedict Wells in der abschließenden Geschichte „Hun-derttausend“ über einen außergewöhnlichen Kilometerstand unterrichtet.

Fazit: Eine gelungene Mischung aus unterschiedlichen Geschichten. Übrigens gibt es auch den Diogenes-Band „Mamma mia – Geschichten über die allerbeste Frau der Welt“.

Bewertung vom 03.05.2022
Meine Freunde, die Dichter
Laabs, Joochen

Meine Freunde, die Dichter


ausgezeichnet

Der Schriftsteller Jochen Laabs hatte zunächst ein Ingenieurstudium absolviert und danach als Verkehrsingenieur sein Brot verdient, ehe er 1975 diesen technischen Beruf an den ominösen Nagel hängte und sich für den langersehnten Wunsch, Schriftsteller zu werden, entschied. Anlass für diese Entscheidung war die bereits jahrzehntelange Beschäftigung mit Literatur.

In der Neuerscheinung „Meine Freunde, die Dichter“ gibt Laabs Auskunft darüber, welche SchriftstellerInnen ihn auf seinem eigenen literarischen Weg besonders beeinflusst haben. Zunächst beschreibt er aber in dem Kapitel „Geständnisse“ seinen Weg vom Ingenieur zum Dichter, bis zum Generalsekretär des Deutschen PEN-Zentrums (Ost) (von 1993 bis 1998) und des Vizepräsidenten des PEN-Zentrums Deutschland (von 1998 bis 2001). Es ist ein kritischer Rückblick.

In den anschließenden Texten setzt sich Laabs vor allem mit deutschsprachigen SchriftstellerInnen auseinander: Christa Wolf, Manfred Streubel, Stefan Heym, Matthias Biskupek oder Günter Grass. Mit Volker Braun verband ihn schon eine frühe Freundschaft, dessen Lyrik er als Jungautor besonders schätzte. In dem Essay „Cottbus deine Dichter“ widmet sich Laabs einer literarischen Spurensuche für die Stadt Cottbus, um sich anschließend auch der Literatur in Prag (Kafka, Rilke, Werfel und Brod) zu widmen … ein Ort von weltliterarischem Rang. Mit John Steinbeck und William Carlos Williams dann abschließend noch eine Würdigung von zwei amerikanischen Schriftstellern.

Bewertung vom 02.05.2022
Berlin W.
Edel, Edmund

Berlin W.


ausgezeichnet

Edmund Edel (1863-1934) war nicht nur als deutsch-jüdischer Schriftsteller tätig, er gehörte auch zu den wichtigsten Illustratoren und Karikaturisten seiner Zeit. Sein schriftstellerisches Debüt, die Satire „Berlin W.“, erschien 1906 und wurde bald zu einem Bestseller. Heute dagegen sind Autor und Werk weitgehend vergessen. Daher ist es äußerst lobenswert, dass der Quintus Verlag mit beiden wieder bekannt macht. Mit der Neuerscheinung kann man gewissermaßen in das Berlin von der Jahrhundertwende bis zum Ende der Weimarer Republik eintauchen. Berlin W. bezeichnet in dieser Zeitspanne den „Neuen Westen“ Berlins rund um den Kurfürstendamm, wo Edel selbst keine fünf Gehminuten entfernt wohnte.

Die Texte, in neun thematische Kapitel unterteilt, sind kritische Beobachtungen der Berliner Gesellschaftsschichten, jedoch immer mit einem humorvollen Zwinkern. Vor allem die Neureichen, die Halbweltdamen und Gigolos sind seine Zielscheibe, ebenso hinterleuchtet er mit bissiger Ironie die bürgerliche Moral und die Künstlerkreise. Als Karikaturist zeichnet Edel auch schriftstellerisch seine Figuren mit kompakten Beschreibungen und entwirft so eine Berliner Typengalerie vor hundert Jahren. Ergänzt wird die Neuerscheinung durch ein Nachwort von Björn Weyand, der vor allem die Plakatkunst von Edmund Edel näher beleuchtet.

Bewertung vom 01.05.2022
Liebesspiele
Mann, Heinrich

Liebesspiele


ausgezeichnet

Heinrich Mann (1871-1950) hat neben seinen Romanen (u.a. „Professor Unrat“ oder „Der Untertan“) auch zahlreiche Erzählungen geschrieben. Der Diogenes-Auswahlband versammelt acht Geschichten, die um das Thema Liebe kreisen. Auch sie sind größtenteils von einer kritischen Sicht auf die bürgerliche Gesellschaft geprägt.

In der Auftaktgeschichte „Der Unbekannte“ aus dem Jahre 1905 ist der 15-jährige Schüler Raffael in die Ehefrau eines Konsuls verliebt. Da es seiner Angebeteten gesundheitlich immer schlechter geht, vermutet Raffael, sie wird von ihrem Ehemann vergiftet. Schließlich stellt sich heraus, dass sie hochschwanger ist. In der Liebesgeschichte „Suturp“ (1926) planen der Rechtsanwalt Belling und die junge Schauspielerin Franziska nach ihrer Hochzeit eine gemeinsame Karriere, doch Belling begibt sich immer mehr in finanzielle Abhängigkeit von seinem Chef von Elchem.

„Gretchen“ aus dem Jahr 1908 ist eher eine humorvolle Erzählung, in der Heßlings Tochter die Hauptrolle spielt. Durch ihre Verlobung mit dem behäbigen Assessor Klotzsche hofft sie sich aus der Langweile zu retten. Wie in den anderen Geschichten prangerte Mann hier die heuchlerische bürgerliche Moral an. Auch in der abschließenden Erzählung „Kobes“ ist Mann ein kritischer Beobachter der Gesellschaft der 1920er Jahre. Kobes gilt als es Porträt des Unternehmers Hugo Stinnes und dessen Wirtschaftsimperium. Schauplatz der Handlung ist die Zentrale des Wirtschaftsimperiums, das „große Haus aus Glas und Eisen“.

Fazit: Eine gelungene Auswahl der schönsten Erzählung von Heinrich Mann, die durch ein Vorwort des Schweizer Schriftstellers Hugo Loetscher ergänzt wird.

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Bewertung vom 30.04.2022
Die Verwandlung
Kafka, Franz

Die Verwandlung


ausgezeichnet

Die Erzählung „Die Verwandlung“ des Schriftstellers Franz Kafka (1883-1924) entstand 1912 und wurde drei Jahre später erstmals veröffentlicht. Sie zählt zu den Klassikern der Weltliteratur. In drei Kapiteln erzählt Kafka die Geschichte des Handlungsreisenden Gregor Samsa, der sich eines Morgens feststellt, dass er sich langsam in ein großes Ungeziefer verwandelt. Anfangs hält er diese Verwandlung in ein insektenartiges Wesen noch für einen Traum oder eine temporäre Erscheinung. Erst nach und nach werden ihm die daraus folgenden Konsequenzen bewusst, denn er ist der Alleinverdiener der Familie.

Durch das Fernbleiben an seinem Arbeitsplatz, wird er von einem Vorgesetzten Prokuristen aufgesucht. Dieser ist empört über das unentschuldigte Fehlen und pocht auf das Erscheinen Gregors, doch bei dessen Anblick ergreift der Prokurist die sofortige Flucht. Mit der Zeit akzeptiert Gregor seine neue Gestalt, doch von der Familie wird er immer mehr ausgegrenzt und zunehmend isoliert. Schließlich ist er nicht mehr erwünscht und stirbt ausgemergelt allein. Die Familie, die ihn jahrelang ausgebeutet hat, versucht einen Neuanfang, in dem Gregor keine Rolle mehr spielt. Er wird wie Abfall entsorgt.

Die Erzählung mit ihrer schonungslosen Darstellung der Erniedrigung des Menschen zog immer wieder Generationen von LeserInnen in ihren Bann. Ergänzt wird die Penguin-Ausgabe durch ein Nachwort des Germanisten Peter Staengle, der die biografischen Hintergründe beleuchtet, die Kafka hier verarbeitet hat.

Bewertung vom 30.04.2022
Robinson Crusoe
Defoe, Daniel

Robinson Crusoe


ausgezeichnet

Der Roman „Robinson Crusoe“ des englischen Schriftstellers Daniel Defoe (1660-1731) gilt oft als Kinderabenteuerbuch, dabei ist er längst ein Klassiker der Weltliteratur geworden. 1719 veröffentlicht, Defoe war da bereits 59 Jahre, verarbeitete er darin die wahren Erlebnisse eines Seemanns, der sich auf einer Insel vor der chilenischen Küste für vier Jahre aussetzen ließ.

Defoe erzählt dagegen die Geschichte eines Kaufmanns, der gegen den Willen seiner El-tern seine gesicherte Existenz aufgibt und zur See fährt. Er besteht einige Abenteuer und erleidet schließlich Schiffbruch, den er als einziger der Besatzung überlebt. 28 Jahre voller Abenteuer und Gefahren verbringt Robinson auf einer unbewohnten Insel. Mit einfachsten Mitteln muss sich der Gestrandete ein neues Leben fernab von aller Zivilisation aufbauen. Doch mit Ausdauer, Geschicklichkeit und Beobachtungsgabe sichert er sein Überleben. Detailliert schildert Defoe, wie sich Robinson mühsam auf der Insel einrichtet. Nach geraumer Zeit entdeckt er Fußspuren im Sand: auf der einsamen Insel leben auch „wilde Männer“, die gerade einen Mann töten wollen. Robinson rettet den Eingeborenen und gewinnt dadurch einen Freund, den er Freitag nennt. Nach 28 Jahren legt endlich ein Schiff an und Robinson kann mit Freitag in seine englische Heimat zurückkehren.

In der Penguin Edition ist jetzt eine preiswerte Ausgabe des Klassikers erschienen, die von einem ausführlichen Nachwort des Herausgebers Hans Reisiger (1884-1968) ergänzt wird. Der Schriftsteller und Übersetzer beleuchtete darin die Biografie von Daniel Defoe und die historischen Hintergründe des Romans.