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anette1809 - katzemitbuch.de
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Sulzheim
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Mein Blog: https://katzemitbuch.de/

Bewertungen

Insgesamt 957 Bewertungen
Bewertung vom 27.03.2014
Schon gehört?
Baltscheit, Martin;Schwarz, Christine

Schon gehört?


ausgezeichnet

Tiefblauer Schlaf entwickelt sich zu Shitstorm!

Brandeilige Meldung aus der Zoo-Zentrale:
Im Flamingogehege wurde ein furchterregendes Monster gesichtet, welches mit Federn und Schnabel einen ganzen Storch auf einen Happs verschlangt. Zeugen werden noch gesucht, möglicherweise wurden diese auch gefressen!

Einige Tage zuvor...

Steht ein Flamingo am See und Schläft.
Rosa Flamingo.
Tiefblauer Schlaf.

Der Flamingo schläft, er redet wohl nicht mit jedem, hält sich für was Besseres?

Der Flamingo schläft, gibt keine Antwort, der ist was Besseres, hat seine Mutter an den Zoo verkauft und jetzt frisst er hunderte Garnelen am Tag.

Die Tiere schaukeln sich gegenseitig auf, der Flamingo wird in ihren Erzählungen immer selbstsüchtiger, reicher, geiziger, verfressener, monströser, bis der Spatz durchdreht und laut durch den Zoo schreit:
DAS ENDE DER WELT IST NAH! DER FLAMINGO WIRD UNS ALLE TÖTEN UND NIEMAND KANN UND RETTEN!

Und nun? Ist tatsächlich das Ende der Welt gekommen oder steht im Gehege immer noch ein Flamingo am See und schläft seinen tiefblauen Schlaf, missverstanden von einem Vogel, der nicht zurückgegrüßt wurde und mit seinem launigen Lüftchen einen Shitstorm in Gang setzte.

Martin Baltscheit und Christine Schwarz zeigen mit ihrer Zoogeschichte auf,, wie schnell Gerüchte in die Welt gesetzt werden können und ganz eigene Züge - sehr böse und überzogen - entwickeln können. Ein bisschen wie Stille Post: sagt der erste noch "so ein unhöflicher Vogel" kommt beim letzten Glied in der Kette an "ER WIRD UNS ALLE TÖTEN!".
Die Geschichte ist eine Fabel dafür, dass man nicht immer allen und allem glauben soll. Zum einen nicht dem, was einen andere über andere Personen erzählen, zum anderen aber auch, nicht den ersten Eindruck einer Person zum endgültigen zu machen. Wie am Beispiel des Flamingos: mit seiner tollen Farbgebung und seiner ungewöhnlichen Haltung mag er arrogant und unnahbar wirken, hinter der Fassade versteckt sich jedoch ein Vogel, der die Gesellschaft sucht und in der freien Natur nur selten als Einzelbrüter anzutreffen.

Ob er in "Schon gehört?" noch eine Chance auf Rehabilitation bekommt oder der Shitstorm nicht mehr einzudämmen ist... ja, auch das erfährt man in dem Buch, wird an dieser Stelle aber nicht verraten ;)

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 22.03.2014
Die unglaubliche Geschichte von Wenzel, dem Räuber Kawinski, Strupp und dem Suseldrusel
Huppertz, Nikola

Die unglaubliche Geschichte von Wenzel, dem Räuber Kawinski, Strupp und dem Suseldrusel


sehr gut

Die Geschichte von Wenzel beginnt damit, dass seine Eltern einen einwöchigen Urlaub auf den Malediven gewinnen - für 2 Personen! Zwei, das sind Mama Susanne Köhnemann, Papa Lars Köhnemann und wer bis zwei rechnen kann, merkt sofort, das für Wenzel bei dem unerwarteten Urlaubstrip kein Platz ist. Seine Eltern freuen sich auf die Zeit zu zweit, schnell ist jemand gefunden, der in der Abwesenheit der Köhnemanns zum Blumengießen in die Wohnung kommt, auch für den Outdoorladen von Papa Lars wird eine Vertretung gefunden, nur auf Wenzel will niemand aufpassen, und nun?
Mehr als weniger gegen Wenzels Willen laden Susanne und Lars ihn kurz vor ihrem Abflug in Frankfurt bei Susannes schriftstellernden Bruder Nikolai ab. Wenzels Uwillen ist durchaus noch zu toppen, denn Nikolai befindet sich mitten in der Ideenphase für ein neues Kinderbuch, und bekommt auch keine Lust auf Wenzels Gesellschaft damit, dass Susanne ihm ihren Sohn als "Testleser" anpreist.
So schnell kann man kaum die nächste Seite aufblättern, da sitzen Susanne und Lars bereits im Flieger in die Sonne, und Nikolai steht völlig überrumpelt in seinem Haus und weiß nicht, wie ihm geschehen ist.
Wenn Susanne und Lars denken, auf den Malediven warten Abenteuer, dann hätten sie mal lieber den kleinem Ort Hinkelsen den Rücken kehren sollen...
Nikolais Ideenkammer erweckt zum Leben, seine Figuren Räuber Kamininski, auf dessen Spuren Strupp, eine fußballspielende Prinzessin auf der Suche nach ihrem Ballkleid namens P. Melinda zwo, und nicht zu vergessen: der Suseldrusel, der noch viel mehr mit Nikolai gemein hat als alle seine anderen Figuren, die neugierige, alte Nachbarin Frau Fiedler und Rühls von nebenan: Wiebke und Ricarda. Ohne die beiden wäre Wenzels Woche bei Onkel Nikolai zwar auch unvergesslich geworden, aber wer weiß mit welchem Ausgang!

Nikolai Huppertz schafft es trotz der Vielzahl von Figuren, jeder ausreichend Platz und Persönlichkeit mitzugeben. Zwar hätte ich von einigen sehr gerne mehr gelesen, aber mir hat in keiner Weise etwas gefehlt beim Lesen, es hätte einfach nur mehr sein dürfen: mehr Räuber-, mehr Detektiv-, mehr Prinzessin- und mehr Quatschgeschichten!
Durch die überquellende Fantasie und die Vielfältigkeit der auftretenden Figuren ist in dieser Geschichte wirklich für jeden Leser etwas dabei: egal welchen Alters und egal welchen Geschlechts. Gerade zu Beginn habe ich mich zum Beispiel als Elternteil wiedergefunden, wie sehr man es (wenn auch mit schlechtem Gewissen genießen kann, mal eine Woche ohne Kind zu sein und alle Verantwortung in eine andere Hand abgeben zu können. Und im Haus von Nikolai fühlte ich mich wiederum wie ein Kind und konnte hautnah alle Figuren erleben, von denen ich früher - und manchmal auch heute noch - so gerne gelesen habe. Für alle diejenigen, die mit Haut und Haar Leser sind, gibt es noch die Nachbarstochter Ricarada Rühl, für die es kaum etwas schöneres als Bücher und die darin enthaltenen Geschichten gibt, und auf Wenzel trifft, der zu Beginn des Buches noch zu dem Schlag von Kind gehört, das ein Buch eher gegen den eigenen Willen aufschlägt, wenn überhaupt... So treffen zwei Welten aufeinander. Die reale Welt und die erdachte. Genauso, wie reale Figuren plötzlich auf ihre erdachten treffen, und reale Figuren, die gerne mit diesen erdachten zusammen unter einem Dach leben, auf andere reale Personen treffen, die erst lernen müssen, worin der Zauber besteht, wenn man sich nicht nur mit der Realität, sondern auch mit der Fantasie befasst. Wenn man es einfach zulässt, das es noch andere Sachen gibt, auch wenn das für die Frau Fiedlers dieser Welt sehr seltsam scheint.

"Die unglaubliche Geschichte von Wenzel" ist ein Buch für alle, die gerne Räuber-, Detektiv-, Prinzessinnen- und/oder Quatsch-Geschichten lesen, oder meinen, sie wären nicht mehr in dem passenden Alter dafür, denn dank der Geschichte aus Nikola Huppertz Feder weiß man am Ende, dass man für gute Geschichten nie zu alt ist.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 13.03.2014
Die unterirdische Sonne
Ani, Friedrich

Die unterirdische Sonne


sehr gut

Fünf Kinder und Jugendliche werden im Keller eines Hauses gefangen gehalten. Ab und zu wird einer von ihnen hoch ins Haus geholt, doch man erfährt nicht, was dann passiert. Die Kinder reden nicht miteinander, wer über die Ereignisse spricht, stirbt, bekommen sie gesagt.
Von Beginn an ist das Buch kantig, schwierig, stockend. Ein Mädchen stottert, der Leser wird wie ein Spielball zwischen den Geschichten der Kinder hin und her geworfen, die Erwachsenen bleiben unbekannt, die Sprache lässt einen manchmal ins Stocken geraten. Zu Beginn wünschte ich mir noch häufig mehr von "oben" zu erfahren, doch irgendwie schreckte ich davor auch zurück. Ungern wollte ich wie ein Voyeur wirken, der bei der Misshandlung von Kindern nähere Details in Erfahrung bringen will, ungern wollte ich die Kinder von anderen Faktoren in den Hintergrund drängen oder im Keller allein lassen.
Einerseits hat Friedrich Ani einen sehr flüssig zu lesenden und poetischen Schreibstil, andererseits durchbricht er seinen Stil mit dem Stottern von Maren oder häufig wiederholten Aussprüchen wie "Egal, Schwester Regal". Der Ausdruck erschien mir so untypisch für die Jugendsprache, dass ich ständig daran hängengeblieben bin.
Die Protagonisten dieses Buches sind 11-16 Jährige Kinder und Jugendliche, von daher scheint "Die unterirdische Sonne" gut in die Jugendbuchabteilung zu passen. Man sollte jedoch auf keinen Fall den roten Button mit dem Vermerk "Empfohlenes Lesealter ab 16 Jahren" auf der Rückseite des Buches unterschätzen: das Buch geht psychisch an die Substanz. Das Grauen kommt schleichend, da die Verursacher lange für den Leser im Dunkeln brauchen, das Grauen bleibt aber lange und wirkt nach, da man Seite für Seite merkt, wie tief die Kinder verletzt werden, wie nachhaltig erniedrigt und wie hilflos sie in dieser scheinbar ausweglosen Situation sind.
Das Buch ist in drei Akte unterteilt. Der Leser wird völlig unvorbereitet in die Handlung geworfen, er ist mit den Kindern im Keller eingesperrt und erfährt nur nach und nach, wie die Kinder dorthin gelangt sind, wie die Familiensituation jedes einzelnen vor ihrer Entführung war. Der zweite Akt ist in meinen Augen schon nahezu unheimlich metaphorisch gestaltet durch Märchen, die sich die Kinder gegenseitig erzählen. Hier ist die Bildsprache so stark ausgeprägt, dass sie vielen Bilder kaum in der Fülle zu erfassen und zu verarbeiten sind. Gerade in diesem Abschnitt musste ich die Altersempfehlung hinterfragen, da man hier immer mehr in die Abgründe geführt wird, und dabei führungslos immer tiefer hinein tappt, ohne Hoffnung auf ein Entkommen. Gäbe es am Ende (Auf-)Lösungen, Erklärungen dafür, was in dieser Geschichte mit den Jugendlichen passiert ist, wäre der Umgang mit dem Stoff einfacher, die Wirkung jedoch nicht so stark. Die Entwicklung, die die jungen Protagonisten und damit der Ausgang der Geschichte nimmt, wirkt lange nach und lässt einen mit allem anderen als einem guten Gefühl zurück. Man kann verstehen, warum die Dinge ihren Lauf nehmen, wie sie es tun, aber man weiß, wenn man von außen auf das Geschehen nimmt, dass nach dem ENDE nur weiter Schlechtes entstehen kann. Das Schweigen, das Darüberhinwegsehen, das Verleugnen und das Flüchten vor Problemen schafft dieselbigen nicht aus der Welt.
Das Buch sollte man nur lesen, wenn man psychische Gewalt verarbeiten kann und sich nicht davor scheut am Ende mit Fragen zu stehen, die keiner beantworten kann. Das Buch ist in Abschnitten zäh, aber ich hatte auch nie das Gefühl, dass es gefallen will, es soll Fragen aufwerfen und verstören und Friedrich Ani verstärkt diese Wirkung durch die Sprache und den Aufbau seines Buches.

Der elektrische Schmetterling flog aus dem Haus und kehrte nie mehr zurück. (S.261)

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 09.03.2014
Schwupp und weg
Reeve, Philip

Schwupp und weg


ausgezeichnet

Aus Philip Reeves Feder habe ich vor Jahren bereits die Larklight-Reihe gelesen, von der mangels Nachfrage leider nur die ersten beiden Bände ins Deutsche übersetzt wurden (Lerchenlicht und Sternstunde). Diese Jugendbuchreihe wurde von David Wyatt illustriert, dem Kinderbuch "Schwupp und weg" hat sich Sarah McIntyre gewidmet, um Philip Reeves verrückten Ideen zu visualisieren und in einen würdigen Rahmen zu setzen, denn Reeves Geschichten verdienen eine schöne und fantasiefördende Umsetzung:

"Schwupp und weg" erzählt die Geschichte des zehnjährigen Oliver, dessen Eltern leidenschaftlich gerne Entdeckerreisen unternehmen. Als irgendwann der Tag kommt, an dem es nichts mehr für seine Eltern zu entdecken gibt, wollen sie ihr Haus in der Nähe des kleinen Küstenstädtchens St. Porrocks beziehen. Oliver freut sich darauf, endlich ein Zimmer und ein richtiges Bett zu haben und in die Schule zu gehen. Seine Eltern freuen sich jedoch weit mehr, als sie neben ihrem Häuschen unbekannte Inseln in einer Bucht entdecken. Dummerweise sind das jedoch keine normale Inseln, sondern so genannte "Schlender-Inseln", die wie ihr Name schon aussagt, durch die Meere schlendern und erst einen festen Platz finden, wenn sie das Schlendern über haben und sich zur Ruhe setzen. Ganz dummerweise sind Olivers Eltern nicht nur auf einer noch sehr ruhelosen, sondern auch sehr fiesen Schlender-Insel gestrandet, die sich alles unter den Nagel - beziehungsweise auf die Mähne - reißt, was ihr zum Sieg für den schönsten Kopfschmuck verhelfen soll, der jedes Jahr in den "Heiligen Seichtwassern" unter allen Schlender-Inseln verliehen wird. Auch Olivers Eltern sollen nun zu einem außergewöhnlichen Kopfschmuck beitragen: der Blutfels hält sie in gläsernen Kugeln gefangen und trägt sie ohrringartig neben dem imposanten Wrack eines Unterseeboots, das er einer anderen Schlender-Insel abgepresst hat. Oliver erhält Unterstützung durch die kurzsichtige Meerjungfrau Iris, die Schlender-Insel Cliff und die Möwe Mr Culpeper auf der Suche nach seinen Eltern. Doch schaffen sie es auch diese aus den Fängen der bösartigen Schlender-Insel "Blutfels" und des verwöhnten Stacey de Lacey, der diese durch die Weltmeere steuert, zu befreien?

' "Ich werde nicht zulassen, dass Stacey de Lacey gewinnt", sagte Oliver. Die Jahre, die er auf Entdeckertouren verbracht hatte, hatten ihn gelehrt, dass man Probleme nicht löst, indem man herumsitzt und sich beschwert. Man muss etwas tun. Nur so hatten ihn seine Eltern damals vor dem räuberischen Flugfinger gerettet. Nur so waren sie aus dem Kerker von M'bumbi M'bumbi entkommen. Oliver baute sich in Entdecker-Pose am Strand auf und sagte: "Ich werde diesen Blutfels jagen und ihm zeigen, dass er sich nicht einfach so anderer Leute Wracks unter den Nagel reißen und anderer Leute Eltern entführen kann!" ' (S.108)

Philip Reeves verrückte Ideen machen sowohl Leseanfängern als auch älteren Vorlesern sehr viel Spaß. Sarah McIntyres Illustrationen unterstreichen den speziellen Humor auf ganz besondere Weise und steigern den ohnehin großartigen Lesespaß noch um ein Vielfaches. Kaum eine Seite kommt ohne Illustration aus, einige Seiten sind sogar formatfüllend illustriert und bieten viele Details zum Entdecken.
Die Geschichte ist sehr spannend und kurzweilig in einem großen Druckbild - geeignet für Leseanfänger - zu lesen, ist in sich abgeschlossen, bietet aber auf jeden Fall Potential für weitere Abenteuer mit Oliver und seinen Freunden und macht dank der vielfältigen Protagonisten sowohl Jungs als auch Mädchen Spaß.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 09.03.2014
Der Quantenzauberer / W.A.R.P. Bd.1
Colfer, Eoin

Der Quantenzauberer / W.A.R.P. Bd.1


sehr gut

Nach Eoins Colfer erfolgreicher Artemis-Fowl-Reihe, von der mir der Band "Das Zeitparadox" besonders gut gefallen hat und in Erinnerung geblieben ist, erscheint mit "Der Quantenzauberer" ein neues Zeitreiseabenteuer aus seiner Feder und gleichzeitig der Auftakt einer neuen Jugendbuchreihe: "W.A.R.P.".
Wie aus den Artemis Fowl Abenteuern bekannt, mischt Colfer auf gelungene Weise sarkastischen und bizarren Witz, unblutige Spannung, die genau richtig dosiert ist, um gleichermaßen junges wie auch älteres Lesepublikum begeistern zu können und eine Unzahl verrückter Ideen, die man so kaum je in einem anderen Roman gelesen hat: Colfer ist auf seine Art so genial und gleichermaßen speziell, dass man seinen Humor eigentlich mit kaum etwas vergleichen kann, bestensfalls mit seinen eigenen Werken und trotzdem wird man immer wieder neues entdecken, egal, wie viele weitere Bücher aus seiner Feder man bereits gelesen hat.
Wie bei Artemis, bei dem ich vor vielen, vielen Jahren eine Weile gebraucht habe, um mich voll auf die Ideenvielfalt und den besonderen Schreibstil des Autors einzulassen, habe ich auch hier ein paar Kapitel gebraucht, um in der neuen colferschen Welt anzukommen. Selten findet man ein Buch - gerade im Jugendbuchbereich - das ohne die fantastische Handlung beinahe auch seinen Platz in der Physikabteilung finden könnte. Von Quantensprüngen und Einstein zum viktorianischen London und einem ganz speziellen Zeugenschutzprogramm, das gibt es eben nur bei Colfer!
W.A.R.P. steht für Witness Anonymous Relocation Programme - anonymes Zeugenschutzprogramm, bei dem das FBI Zeugen beschützt, in dem sie in der Vergangenheit versteckt werden.

' "Wieso "anonym"? Na, wahrscheinlich haben sie das nur reingenommen, damit man die Abkürzung aussprechen kann. Sonst hieße es WRP, und das klingt, als hätte sich jemand verschluckt." ' (S.20)

Die junge Agentin Chevie wird nach London versetzt, wo sie Agent Orange bei der geheimen Arbeit des FBI bezüglich WARP unterstützt. Naja... was heißt unterstützen: seit Monaten sitzt sie vor einer alten Metallkugel, in der Erwartung, dass irgendetwas oder irgendjemand da herauskommt. Eines Tages erwacht die merkwürdige Kugel tatsächlich aus ihrem Dornröschenschlaf und Chevie findet im Keller des FBI einen Jungen vor, der einem Roman von Charles Dickens zu entstammen scheint. Es ist Riley, gerade noch im viktorianischen London unterwegs unter den Fittischen des brutalen, geheimnisvollen und sehr gefährlichen Zauberers und Mörderers Garrick, der auch vor einer Verfolgung des Jungen durch die Jahrhunderte nicht haltmacht. Können Chevie und Riley diesen Unholt gemeinsam aufhalten?

Wenn man das Buch auch kaum vor anhaltender Spannung kaum aus der Hand legen kann, da sich hier die Ereignisse nur so überschlagen, so ist es doch wieder in erster Linie Colfers besonderer Humor, der mich nach einem etwas verworrenen Einstieg nur so durch die Seiten fliegen ließ, und die vielen Seitenhiebe und Zitate auf Klassiker aus Film und Literatur, die man häufig nur als Erwachsener - oder älterer Jugendlicher - verstehen mag, aber auch, wenn man nicht jede Anspielung aufspüren kann, hat man sehr viel Spaß mit Colfers verrückten Ideen, wenn er den Jungen aus dem viktorianischen London auf unsere moderne Welt prallen lässt.

'Riley rülpste. "Diese Take That klingen sehr melodisch. Und dem Himmel sei dank, dass es Harry Potter gibt, sonst wäre ganz London von den dunklen Künsten verschlungen worden." ' (S.111)

Und dem Himmel sei Dank, dass es Eoin Colfer gibt, der bereits an der Fortsetzung schreibt, denn nach dem schon fies zu nennenden Epilog am Ende von "Der Quantenzauberer" bei dem Colfer dem Leser ein paar magere Brotkrumen ausstreut, wie es in seinem WARP-Universum weitergehen könnte, ist für den Leser eins kristallklar: WIPP - weiterlesen ist Pflichtprogramm!

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 24.02.2014
Wie im Drehbuch!
Cantu, Jérôme

Wie im Drehbuch!


sehr gut

... genauso liest sich Jérôme Cantus Roman:
Filmjournalist Marius avanciert mit seinem Debütroman zum gefeierten Newcomer-Autor und sein Buch steht kurz vor der Verfilmung.
Nach einer langen Partynacht bei seiner Exfreundin und deren neuem Partner, wacht er mit totalem Filmriss auf muss feststellen, dass er nicht nur mit der Geliebten einer seiner Freunde geschlafen hat, sondern auch ein ernsthaftes Drogenproblem am Hals hat, denn Myriam - die Geliebte seines Freundes - hatte einen Kurierdienst auszuführen, doch das Päckchen Koks ist am nächsten Tag genauso verschwunden wie sämtliche Erinnerungen Marius' an die vergangene Nacht.
Nach und nach lassen sich die Ereignisse rekonstruieren, doch mit den ersten Erinnerungsfetzen beginnt sich ein großer Schlamassel zusammenzubrauen, durch den Marius' Filmprojekt sowie einige seiner Freundschaften zum Scheitern verurteilt scheinen.

Jerome Cantus Buch überzeugt durch Witz und Lokalkolorit, der Anfang liest sich weg wie nix und hat mich bestens amüsiert.
Im Verlaufe der Geschichte konnte mich das Buch jedoch nicht mehr völlig für sich vereinnahmen, da die Geschichte mit ihrer kompakten Länge zwar ohne Lücken zu unterhalten weiß, aber die Charakterausarbeitung auf Grund des gerigen Umfangs etwas hinten runterfällt. Das ist gerade deshalb sehr schade, weil Cantus Figuren allesamt die Geschichte bereichern, nicht nur die Hauptfiguren sind witzig und authentisch geschildert, gerade sein Nebenpersonal verleiht der Geschichte viel Witz und Tiefe. Auf 198 Seiten finden aber leider nicht alle genug Raum, um sich richtig zu entfalten. Ebenso hätte es mir sehr gut gefallen, wenn der Autor noch mehr Seiten zur Verfügung gehabt hätte, um seine gekonnt gesetzten Seitenhiebe und Zitate zur Filmindustrie unterzubringen, da dieses Stilmittel dem Buch das gewisse Etwas verleiht, welches es aus den gut gefüllten Reihen der Unterhaltungsliteratur hervorhebt und das Thema des Buches vertrefflich untermalt.

'Ich erinnere mich selbst heute nicht mehr daran, wo ich genau wann war, mit welchen Leuten ich gesprochen hatte und wie insgesamt die Nacht nach 01:30 Uhr morgens verlaufen war. Was aber so einer Partynacht unabwendbar folgte, war der "Tag danach", das Erwachen nach dem Sturm oder auch der "Sunday Morning After" wie ihn Amanda Marshall so passend besingt.' (S.31)

Auch wenn in meinen Augen einige Figuren und Handlungszüge zu knapp ausgefallen sind, so überzeugt Jérôme Cantus Debüt auf jeden Fall mit viel Witz und Tempo. Tatsächlich liest es sich nicht nur "Wie im Drehbuch!", sondern dank kurzweiligem Kopfkino beinahe wie die entsprechende Buchverfilmung dazu. Aus seiner Feder wünsche ich mir als nächstes ein Werk mit "Überlänge".

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 17.02.2014
In 120 Rezepten um die Welt
McEvedy, Allegra

In 120 Rezepten um die Welt


ausgezeichnet

"In 120 Rezepten um die Welt" ist wieder einmal eines dieser Kochbücher, die weniger aus dem Regal gezogen werden, um gezielt ein Rezept nachzuschlagen, das wir daraus nachkochen möchten, sondern es ist eines dieser Bücher, die so gespickt von den persönlichen Erfahrungen und Anekdoten des Kochs - oder hier der Köchin - gespickt sind, dass man es unheimlich gern zur Hand nimmt, um Seite an Seite mit ihr in die fernen Länder zu reisen, in denen sie dieses und jenes erlebt, dieses und das Gericht gegessen und für dieses Kochbuch nachgekocht, und vor allem: sie weitere Schätze für ihre Messersammlung mitgebracht hat, oder wie es der Titel des Originals so treffend auf des Messers Spitze bringt: Bought, borrowed and stolen!
Das Buch habe ich weit mehr als einmal zur Hand genommen, bevor die enthaltenen Rezepte neben den kurzweiligen Erzählungen von Allegra McEvedy überhaupt mein Interesse auf sich gelenkt haben. Zu interessant ist das Layout des Buches, zu viel Skurriles, Buntes, Verrücktes gibt es hier zu entdecken und zu lesen, dass man während des Guckens und Stöberns durchaus mal vergisst, dass "In 120 Rezepten um die Welt" nichtdestrotrotz ein Kochbuch ist. Aber eines mit einer Fassade, die gar nicht den gängigen Kochbüchern der großen Kochbuchverlage entspricht.:
Das Äußere ist bunt und knallt, hier versucht eindeutig jemand Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, doch nanu? Guckt man sich die präsentierten Rezepte an, revidiert sich dieser Eindruck etwas: das Essen wird aufgetafelt wie auf Mutterns Tisch oder einem gut geführten Imbiss. Das Geschirr ist meistens eher unscheinbar, mehr Aufmerksamkeit ziehen die Tageszeitungen des jeweiligen Landes auf sich, die als Unterlage für die Präsentation dienen.
Ansonsten trifft es der Titel Messer-Kunst-Koch-Tablebook am besten ;) Wer sich endlich satt gesehen und vor allem auch satt gelesen hat an den Besonderheiten der landestypischen Messer und den Kurzporträts, die Allegra McEvedy zu den von ihr bereisten Städten und Ländern geschrieben hat, widmet sich der "netten Zugabe" von landestypischen Rezepten. Statt einem neutralen Inhaltsverzeichnis, präsentiert sich jedes Land individuell mit einer eigenen Speisekarte (Einkaufszettel, Seite in einem Notizbuch usw.). Einige Rezepte werden von mir über den "gelesen" Status nicht herauskommen, wobei ich hier immer noch nicht genau sagen kann, ob mich mehr die Zutaten oder die unkonventielle Präsentation zögern lassen, das eine oder andere Rezept auszuprobieren. Aber auf einige schlichte Genüsse freue ich mich in den nächsten Monaten ganz besonders, wie zum Beispiel türkische Olivenpaste oder gestampfte Ofenkartoffeln mit geröstetem Knoblauch.
Das Buch hat vor dem Rezeptteil ein Inhaltsverzeichnis nach Ländern, hinter dem Rezeptteil befindet sich ein Register von A-Z nach Rezeptnamen und Hauptzutaten.
Wer Länderküche liebt, gerne neue Gerichte entdeckt und vor allem immer auf der Suche nach individuellen Kochbüchern ist, die mehr als nur die enthaltenen Rezepte von sich (und dem ausführenden Koch) preisgeben, der sollte sich "In 120 Rezepten um die Welt" nicht entgehen lassen!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.