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Wedma

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Insgesamt 549 Bewertungen
Bewertung vom 10.12.2015
Madame le Commissaire und der verschwundene Engländer / Kommissarin Isabelle Bonnet Bd.1
Martin, Pierre

Madame le Commissaire und der verschwundene Engländer / Kommissarin Isabelle Bonnet Bd.1


ausgezeichnet

Die Rezension bezieht sich auf das Hörbuch Spieldauer: 9 Stunden und 19 Minuten, gesprochen von Gabriele Blum.
Auf der Suche nach einem netten Hörbuch, das mir heimisches Werkeln unterhaltsamer gestalten ließe, war ich bei Madame le Commissaire und dem verschwundenen Engländer angelangt. Der Anfang hörte sich gut an, ich holte das Buch und stellte fest, dass es eine sehr gute Entscheidung war.
Es ist ein gekonnt geschriebener, spannender Krimi, der von seinen Figuren und dem südfranzösischen Flair lebt.
Isabelle Bonnet, Leiterin einer Spezialeinheit in Paris, will sich von ihren Verletzungen nach dem Bombenanschlag auf den Präsidenten erholen und fährt nach Fragolin, Präfektur Toulon, Unterpräfektur Brignoles/Draguignan. Fragolin ist ein kleiner Ort, wo sie zur Welt kam und bis zum Autounfall ihrer Eltern lebte, als sie noch ein kleines Mädchen war. Ihr wird von ihrem Chef in Paris, der auch gleichzeitig ihr Mentor und ein guter Freund ist, ein scheinbar einfacher Fall übergeben, eher um sie leicht auf Trab zu halten, während sie sich physisch wie psychisch erholt. Sie soll kurz nachschauen, was es mit der Frauenleiche auf sich hat, die in einer Villa unweit von Fragolin entdeckt worden war. Eigentlich sollte der Fall nach paar Tagen ad acta gelegt werden, aber er entpuppt sich als etwas, was Isabelle doch länger beschäftigen und ihr auch helfen wird, dem Unfall ihrer Eltern auf den Grund zu gehen: Zwei Handlungsstränge, die für die nötige Spannung und Abwechslung sorgen.
Die Figuren fand ich authentisch, lebendig und so unterschiedlich, dass es schlicht Spaß gemacht hat, sie kennenzulernen. Der Assistent von Isabelle ist vordergründig ein Tölpel, der Gedankenfaden oft verliert, unterschiedliche Socken trägt, die Krawatte schiefsitzend hat und in Toulon in Polizeiarchiv gesteckt wurde. Als er Isabelle bei der Mordermittlung eher aus Spott zugeteilt wird, offenbart er sehr nützliche Eigenschaften, die die Ermittlungen in beiden Fällen, dem um den Engländer und dem um den Unfall von Isabelles Eltern, wesentlich erleichtern und nicht nur das. Auch ihre Freunde aus der Kindheit, die sie zum Essen einladen, der neue Bürgermeister, der sie das Lebengenießen lehrt, der Älteste im Dorf, der stets herumläuft, schimpft und vor die Füße spuckt, dennoch zu den Ermittlungen beiträgt, auch die Verdächtigen im Engländerfall, alle Figuren haben ihre eigene Geschichte und tragen zum hohen Unterhaltungswert bei.
Die Handlung fand ich prima komponiert, die beiden Stränge mit gekonnter Leichtigkeit miteinander verwoben. Wer der Täter war, wusste ich bis zum Schluss nicht, was nicht besonders oft vorkommt.
Und natürlich das südfranzösische Flair: es wird gut gegessen, mit Freunden gegrillt, morgens gibt es Croissant mit Milchkaffe, mittags ein Glas gut gekühlten Rosé. Die Ausflüge ans Meer, an eine schöne Insel vor der Küste, auch einiges an lebensphilosophischen Überlegungen tragen zu guter Unterhaltung bei.
Ein kleiner Wermutstropfen: es war mir stellenweise zu viel erklärt, wiederholt und zusammengefasst. Aber es hielt sich doch in Grenzen.
Die Sprecherin Gabriele Blum hat sehr gut gelesen. Ihre Stimme passt perfekt zu der Geschichte. Sie hat Isabelle und weitere Figuren für mich zum Leben erweckt, auch Männer klangen absolut überzeugend. Ich habe die Geschichte sehr gerne gehört und wollte gar nicht so schnell eine Pause einlegen, sodass es viel zu schnell zu Ende war. Also beschloss ich den Fall zwei „Madame le Commissaire und die späte Rache“ zu holen.
Fazit: ein gut geschriebener Krimi, prima Unterhaltung, als Hörbuch eine klare Empfehlung.

1 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 02.12.2015
Tödliche Camargue / Capitaine Roger Blanc ermittelt Bd.2
Rademacher, Cay

Tödliche Camargue / Capitaine Roger Blanc ermittelt Bd.2


sehr gut

Die Rezension bezieht sich auf das Hörbuch, Spieldauer: 10 Stunden und 23 Minuten, gelesen von Oliver Siebeck.

Es ist ein solider, gekonnt aufgebauter Krimi mit spannenden Figuren, einem recht ausgeprägten Bezug zur Kunst und Politik, in der Vergangenheit wie in der Gegenwart. Gute, intelligente Unterhaltung.

In der sengenden Augusthitze untersuchen Roger Blank, ein aus Paris in die Provence versetzte Capitaine und seine Kollegen den Tod von Albert Cohen. Er war ein Reporter eines Politmagazins, TV-Star, von dem man nicht gleich vermuten würde, dass er durch die Camargue mit dem Rad unterwegs ist. Sein Tod ist schon recht skurril: ein Kampfstier hat ihn aufgeschlitzt. Vordergründig sieht es nach einem Unfall aus. Roger Blank will aber das Ganze nicht dabei bewenden lassen und ermittelt zunächst, als ob es ein Mord gewesen wäre. Es stellt sich heraus, dass Albert Cohen im Haus seines Verlegers wohnte und einen Artikel über Vincent van Gogh für sein Magazin schreiben wollte. Aber wie und warum es zu Cohens Tod kam, ob wegen seiner Recherchen zu van Gogh oder aus einem anderen Grund, das will Captaine Blank genauer unter die Lupe nehmen.
Dieser Fall hört sich fast wie eine Gesellschaftsstudie an: Der Bezug zur Politik ist schon recht präsent, ob heute, egal, dass Provence weiter weg vom Paris liegt, die Strippen werden immer noch dort gezogen, oder vor paar Jahrzehnten, als eine terroristische Gruppierung einige Morde auch im Süden verübt hatte. Die Probleme von Blancs Kollegin, die vor der Hochzeit mit ihrer Lebensgefährtin vom Bürgermeister die Steine in den Weg gelegt bekommt, kommen hier und dort zur Sprache. Die hohen Politiker in Paris und die jungen Leute in der Provence, die Drogen als festen Bestandteil des Lebens erachten, etc. all diese Dinge lassen an eine kritische Analyse der heutigen franz. Gesellschaft denken. Zugleich ist es eine Art Kunststudie, die Geschichte ungemein bereichert: Der Bezug zur Kunst durch die Untersuchungen zu van Gogh erlaubt einige ungewöhnliche Einblicke in sein Leben und die Wahrnehmung seiner Künstlerperson und ihrer Bedeutung heute. Die Morduntersuchung an sich ist der Motor der Handlung und hält alle Stränge zusammen, obschon ich einen guten Tipp gleich zu Anfang hätte, wer der Mörder ist. Aber das ist vor dem reichhaltigen Hintergrund nicht weiter von Bedeutung.
Die Figuren sind spannend, haben alle ihre eigenen Geschichten und auch die Mordmotive. Die Begegnung mit ihnen hat für unterhaltsame Stunden gesorgt. Etwas zum legendären roten Reis aus der Camargue erfährt man auch so ganz nebenbei. Das heimische Werkeln fiel damit wesentlich leichter aus. Ich war so von diesem Krimi begeistert, dass ich gleich den ersten Fall mit Roger Blanc als Hörbuch geholt habe.
Oliver Siebeck hat wunderbar gelesen. Auch Frauenfiguren gelingen ihm sehr gut. Seine Stimme passt zu der Geschichte und ihrem südfranzösischen Flair. Danach geht einem fast so, als ob man in der Provence Urlaub gemacht hätte.

Fazit: Für all diejenigen, die etwas für Kunst, Geschichte und Politik übrig und nichts gegen eine Reise in die Provence, bzw. Camargue, wie ein Glas Rosé einzuwenden haben. Dafür gibt es vier hell leuchtende Sterne und eine Hörempfehlung.

Bewertung vom 01.12.2015
Wintergäste in Trouville / Kommissar Leblanc Bd.2 (MP3-Download)
Simon, Catherine

Wintergäste in Trouville / Kommissar Leblanc Bd.2 (MP3-Download)


sehr gut

Die Rezension bezieht sich auf das Hörbuch, gesprochen von Martin Kautz, Spieldauer: 7 Stunden und 25 Minuten.
Wintergäste in Trouville ist ein guter gemütlicher (cosy) Krimi aus der Normandie. Trouville liegt im Norden an der sandigen Küste Frankreichs, etwa 200 Km von Paris entfernt, sodass viele, die in Paris gearbeitet haben oder dies noch tun, dort ihren (zweiten) Wohnsitz haben, oder wie Kommissar Leblanc dorthin versetzt wurden.
Kommissar Leblanc, ein ca. 50-Jähriger Mann, der gutes Essen und Wein schätzt, und unter ausgeprägter Bindungsangst leidet, ermittelt in einem Mordfall, bei dem eine recht bekannte Journalistin erdrosselt im Keller des renommierten Hotels des Ortes „Hôtel des Roches Noires“ aufgefunden wurde. Der Fall führt Leblanc zu Monsieur Adler, einem über 90 Jahre alten und gut betuchten Mann, der im Hotel wohnt. Seine Geschichte und die seiner Familie werden im Laufe der Ermittlung unter die Lupe genommen. Da tun sich die menschlichen Abgründe auf und die Geschichte mit ihren 1.ten und 2.ten Weltkriegen wird aus der Sicht des alten Herrn kurz aufgerollt. Aber die heiße Spur führt letztendlich in eine Schönheitsklinik, die mit sicheren Erfolgen im Bereich Übergewichtbekämpfen &Co. lockt.
Marie, Leblancs Freundin aus den Pariser Zeiten, auch in Trouville ansässig, entdeckt die Leiche und nun laufen sie sich hin und wieder im Laufe der Ermittlungen über den Weg. Zu weiteren Unstimmigkeiten im privaten Bereich sorgt Leblancs Mutter, die bei ihrer Schwester wohnt und ihr Schwierigkeiten macht, da sie mit seltsamen Pflanzen aus Afrika handelt und bei ihr die Afrikaner ein aus ausgehen. Leblanc verspricht der Tante, zu ihr hinzufahren und mit Mutter zu reden, findet aber immer wieder eine plausible Ausrede.
Es gibt also ganz deutlich zwei Ebenen: die der Ermittlung des Mordes und die Private, die ebenso wichtig ist und entsprechend viel Raum genießt, was dem gemütlichen Krimi guttut.
Die Handlungszeit ist die Adventszeit, paar Tage kurz vor Weihnachten. Die große Schlussszene der Privatebene spielt am Heiligen Abend, ist gesellig und einfach schön.
Die Geschichte lebt eindeutig von den Figuren und ihren Lebensgeschichten. Prima ausgearbeitet und in Szene gesetzt, scheinen die handelnden Personen wie dem Leben entsprungen. Der alte Monsieur Adler und seine Lebensgeschichte ist schon faszinierend. Im Vergleich dazu sind die seiner beiden Söhne, obwohl auch gut im Leben dastehend, eher weniger spektakulär, sie fügen sich aber sehr gut ins Gesamtbild.
Womit ich gar nicht gerechnet habe ist die Gesellschaftskritik. Sie passt aber perfekt ins Geschehen hinein und erklärt die Handlungsmotive einiger wichtiger Figuren.
Die Themen der Familie, des familiären Zusammenhalts kommen deutlich zur Geltung.
Also alles in einem ist es ein gut durchdachter und gut komponierter Krimi, bei dem die gemütliche Seite, wie bei solcher Art Krimis insgesamt, nicht zu kurz kommt.
Der Erzähler Martin Kautz hat wunderbar gelesen. Seine Stimme passt auch wunderbar zu dieser Geschichte und hat ihr noch einen besonderen Charakter verliehen.

Fazit: Das Hörbuch Wintergäste in Trouville fand ich schön, unterhaltsam (so kann man sich das Erledigen der Hausarbeiten versüßen), ungewöhnlich für dieses Genre in die Tiefe gehend, und bin auf weitere Fälle mit Kommissar Leblanc sehr gespannt.

Bewertung vom 28.11.2015
Ein anderes Paradies
Philpot, Chelsey

Ein anderes Paradies


sehr gut

Es ist eine gut gelungene, authentische Geschichte übers Erwachsenwerden, eine bildhafte Schilderung der Selbstwerdung einer jungen Person, in der physischen und in der beruflichen Dimension: von einer Möchte-gerne zu einer ausgebildeten, erfolgreichen Künstlerin, gesetzt in Kontrast zu ihrer weniger zielgerichteten Freundin.
Charlotte, 16 zu Anfang der Geschichte, kommt aus eher bescheideneren Verhältnissen und ist auf dem privaten Internat St. Anne’s. Die Ferien verbringt sie im Haus ihres Vaters, der mit seiner neuen Partnerin zwei Jungs hat und eine Autowerkstatt unterhält. Charlotte kellnert im Sommer im naheliegenden Hotel und passt in der Freizeit auf die Jungs auf. Charlottes Mutter lebt woanders, das Mädchen hat keinen guten Draht zu ihr, zu der neuen Frau ihres Vaters auch nicht.
Im Internat lernt Charlotte Julia Buchanan kennen, die einer wohlhabenden Familie mit vier Kindern angehört, ihre ältere Schwester ist tot, der Vater war mal ein Senator, und Charlottes Leben verändert sich seit der Begegnung immer mehr: eine neue, faszinierende Welt öffnet sich ihr. Charlotte wird Julias beste Freundin, besucht sie auf ihre Einladung in den Ferien auf dem Familienanwesen auf der Insel und lernt die ganze Familie kennen, die sie schlicht verzaubert: Vater, Boom genannt, Mutter namens Teresa, zwei ältere Brüder und die kleinere Schwester Cornelia, die auch auf auch Oops hört. Julia aber hat einen labilen Charakter, sie versucht mit einem Problem fertig zu werden, das Charlotte erst am Ende der Geschichte ganz aufschlüsselt. Bis dahin gibt es schicke Parties zu feiern, auf Hochtürme mit atemberaubenden Aussichten zu klettern, sich auf die Suche nach sich selbst zu begeben, sich zu verlieben (es gibt paar sehr gut geschriebene Liebesszenen) und zu entlieben, Freundschaften zu schließen und zu beenden, etc. Die Themen wie Familie, Freundschaft, Liebe, Selbstfindung, Umgang mit schwerwiegenden Problemen, Alkoholismus unter Jugendlichen, etc. sind in diesem Jugendbuch sehr präsent.
Charlotte ist eine bemerkenswerte Person. Sie ist lebensklug, authentisch und lässt sich stets von ihren inneren Werten leiten, die sie wohl nie im Stich lassen. Das sind u.a. die Eigenschaften, die sie so attraktiv für die Familie Buchanan machen, die für alles den Preis, aber nicht den Wert zu kennen scheinen.
Auch alle anderen Figuren, ob Erwachsen oder Kinder, sind überlebensgroß und faszinierend, jede auf ihre Weise. Man fühlt sich gleich in diese Welt versetzt und erlebt die Geschichte vom Anfang an hautnah mit.
Es ist eine Ich-Erzählung, die wunderbar zur Geltung kommt. Zwischendurch gibt es E-Mails und die kurzen Texte, die die Handlung ergänzen bzw. erklären, aber nicht den Hauptkapiteln zugeordnet sind. Die Länge der Kapitel ist gut gewählt: mal sind sie kurz, mal länger. All das lockert das Ganze zusätzlich auf. Aber auch die 34 Hauptkapitel lassen sich wunderbar lesen. Die Sprache muss ich an der Stelle loben: wunderbare, unverbrauchte Sprachbilder, insgesamt liest die Geschichte sich leicht und angenehm. Auch deshalb möchte man immer weiterlesen, um schlicht diese Sprache weiter zu genießen.
Das Spiel mit Kontrasten hat mir gut gefallen: ein Mädchen aus bescheidenen Verhältnissen, aber mit starken inneren Werten vs. ein Mädchen aus einer wohlhabenden Familie ohne solche und mit einem großen Problem, das allen Beteiligten kein einfaches Leben beschert.
Man mag das Buch auch deshalb nicht aus der Hand legen, weil eine unterschwellige Spannung in der Luft liegt. Man weiß, Julia ist für jede Überraschung gut und vermutet, es wird eines Tages etwas Schreckliches passieren.
Das Cover passt sehr gut zum Inhalt. Diese Pastelltöne spiegeln den Ton und Charakter der Erzählung wider. Auch das hübsche Mädchen, das aus dem luxuriös anmutenden Etwas schon fast sehnsüchtig in die Welt hinausschaut, bildet die Protagonistin bestens ab.
Fazit: eine in leisen, aber eindringlichen Tönen gekonnt geschriebene Geschichte zu einem wichtigen Thema.

Bewertung vom 26.11.2015
Putin
Seipel, Hubert

Putin


ausgezeichnet

Ich muss das Werk sowohl für die Themenauswahl als auch für die tolle Ausführung loben. Die Themen sind nicht nur hochaktuell: Ukraine, Krim, Rolle der USA bei den Kernfragen der Weltpolitik zu Anfang von Putins Regierungszeit und heute, Kampf gegen Terrorismus, Beresowski und andere Oligarchen, Blitzkrieg in Georgien 2008, Sotchi 2014, etc. Die besprochenen Punkte liefern den Lesern die Einsichten, sowie eine plausible Erklärung der gegenwärtigen politischen Lage. Dabei werden die Interessen der jeweiligen Seite klar genannt und begründet.
Die Ausführung lässt keine Wünsche offen: Eine klare, aussagekräftige Sprache in Kombination mit der sachlichen wie entspannten Haltung zur Person und Machtmenschen Putin sorgen nicht nur für die hohe Glaubwürdigkeit, sondern bereitet ein Lesegenuss, der seinesgleichen sucht. Das Buch liest sich sehr angenehm und leicht.
Es ist ein hochspannendes Material, den H. Seipel seinen Lesern liefert. Definitiv KEIN 08/15 Zeitungswissen. Zum ersten Mal las ich von der Rolle von Fr. Merkel als Mittelerin im ukrainischen Konflikt 2014, die nun gar nicht so positiv ausfällt, wie man es sonst aus den Öffentlich-rechtlichen und den Tageszeitungen entnimmt.
Die komplexesten Dinge sind gut verständlich und anschaulich geklärt. Die Ursache-Wirkung Verhältnisse, wie die Zusammenhänge perfekt formuliert auf den Punkt gebracht, unabhängig davon, welches Thema gerade besprochen wird, ob es um die Rolle der Medien und der dt. Journalisten geht oder um die schwierigen Fragen der Beziehung Russlands zur EU oder USA. Als Beispiel des soliden, hochprofessionellen und hochqualitativen Journalismus kann man guten Gewissens dieses Werk nennen.
Zwei kleine Kostproben: „Die beiderseitige Abneigung ist über die Jahre gewachsen. Die Pose der moralischen Überlegenheit, die der US-Präsident in öffentlichen Auftritten zum Thema Russland an den Tag legt, nervt Putin. Wie zuletzt jene Attacke, als Obama Russland als Regionalmacht und den russischen Präsidenten als unkonzentrierten Schuljungen in der letzten Schulbank verspottete. Wladimir Putin hat sich bislang mit persönlichen Angriffen zurückgehalten. Er attackiert dafür regelmäßig den alleinigen Großmachtanspruch der USA.“ S. 27. Oder das hier: „Unsere journalistischen Beziehungen zum neuen Russland sind ein emotionaler Cocktail aus Sympathie und eigener Größenvorstellung. Bereits nach dem Kollaps der Sowjetunion produzierten deutsche Journalisten im neuen Wir-Gefühl Tausende von Artikeln mit gutgemeinten Ratschlägen und strengen Warnungen vor Irrwegen. Wir haben nie damit aufgehört, Kopfnoten für korrektes Verhalten zu verteilen, und glauben stets genau zu wissen, wie der „failed state“ Russland auf dem Weg in den Westen weiter vorankommen könnte. Die russische Politik zeigt sich für das Engagement deutscher Reformpädagogik allerdings nur bedingt empfänglich. Auf die Richtung der Marschroute war keineswegs abgesprochen. Und so endetet die Beziehung bald dort, wo unerwiderte Leidenschaft in der Regel immer endet: im gegenseitigen Frust.“ S. 18.
Auch Waldimir Putin als Mensch kommt deutlich rüber. Schön fand ich die Geschichte der heiligen Elisabeth, zu Lebzeiten Alexandra Luise Alice von Hessen-Darmstadt, die er in der ihr gewidmeten Privatkapelle erzählt. So sieht man Herrn Putin kaum heute in Medien. Somit wird es klar, dass die Person Putin, seine Rolle in der Politik und die Sachverhalte, die mit seiner Tätigkeit einhergehen, vielmehr mit der Art der Darstellung, dem Bild, das ihm die Medien verpasst haben, zu tu hat und weniger mit dem, wie er ist, was er denkt und wie er seine Politik macht. Für mich sind es nun zwei verschiedene paar Schuhe.
Ich habe das Buch sehr gerne gelesen und ich kann es wärmstens weiterempfehlen. Man muss sich dabei nicht brennend für Politik interessieren. Das habe ich auch nicht getan. Danach wird einem das Bild der heutigen politischen Situation klar, in der man steckt und wer welche Rolle dabei spielt oder zu spielen versucht.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 25.11.2015
Veilchens Feuer / Valerie Mauser Bd.2
Fischler, Joe

Veilchens Feuer / Valerie Mauser Bd.2


ausgezeichnet

Der zweite Fall mit Valerie Mauser, der Chefin der LKA aus Wien und ihrem Ermittler-Kollegen Manfred Stolwerk ist ein sehr gut gelungener Krimi mit Witz und Humor, mit einer philosophisch anmutenden Seite, rasant und hochspannend zum Schluss.
In dieser Folge vermittelt Veilchen im Milieu eines Rock-Musikers Wolf Rock, mit bürgerlichem Namen Gotthilf Semmelweiß, da er eine Drohung erhalten hat, dass er bei seinem Konzert in Innsbruck für „eine Schandtat ´76“ brennen würde. Veilchen ist wenig begeistert: sie mag weder den Musiker, der sich sehr zu inszenieren weiß, wie er es auf seiner Pressekonferenz deutlich demonstriert hat, noch sagt ihr seine Musik an sich zu. Ihr Chef lässt keine Zweifel offen: Veilchen muss ran. Also gewinnt sie und die Leser einige tiefe Einblicke ins Musikgeschäft und wie es um ´76 aussah. Die Aufgabe wird aber etwas versüßt: Sie trifft an der Pressekonferenz ihren Nachbaren, Musiker Sandro Weiler, der vor Wolf Rocks Konzert seinen Auftritt haben wird. Veilchen mag seine Lieder und ihn selbst findet sie auch recht sympathisch.
Wie im ersten Teil geht es auch in Veilchens Feuer schön humorig zu, was der Souffleuse auf Veilchens Schulter u.a. zu verdanken ist. Sie gibt ihre bissigen Kommentare zu Figuren und Geschehnissen und sorgt für eine gute Prise Ironie. Dieses Zusammenspiel vom Ironischen, Romantischen und Ernsten fand ich sehr gut gelungen.
Die Figuren sind überlebensgroß, haben ihren eigenen Charakter und eine spannende Vorgeschichte. Man fühlt sich sofort mitten im Geschehen, lernt „die Leute“ kennen, was bei mir dazu geführt hat, dass ich das Buch nicht aus der Hand legen mochte und es sehr schnell durch hatte. Stolwerk ist so ganz süß in dieser Folge. Er versucht, Veilchen mit einem schönen, selbst gekochten Abendessen und feinen Wein zu versorgen, damit sie etwas Anständiges mal isst. Veilchen aber rennt davon und stopft stattdessen eine Bratwurst und Bier aus der Dose an einer Bude draußen in sich hinein, da sie ja weiter ermitteln muss und der Zeuge, ein Reporter, eine köstliche Figur, wollte sich mit ihr eben sofort und an der Bude treffen. Mit dem Kollegen Geyer hat Veilchen wieder kein einfaches Auskommen, aber alles hat seinen Sinn und Zweck. Der Bürgermeister ist wieder da und nach wie vor wenig an der Wahrheitsfindung interessiert, eher am guten Image und hohen Verkaufszahlen. Der Wolf Rock, den Veilchen dann doch im Laufe der Ermittlungen besser kennenlernt, birgt schon die eine oder andere Überraschung. Unter der glitzernden wie stacheligen Oberfläche versteckt sich eine spannende und tragische Persönlichkeit, die Höhen und Tiefen des Lebens durchgemacht hat und immer noch bereit ist, sich dem Publikum zu stellen. Und natürlich das Mädchen, dessen Geschichte sich nach und nach, in kurzen, ein- bis halbseitigen, aber wunderbar dicht geschriebenen Texten vor Augen der Leser entfaltet. Sie ist der Teil des Puzzles, das zum Schluss gelöst wird, und gibt dem Leser Einblicke in die Welt dieses Mädchens, in ihre Ängste und Träume, und was dann daraus wird.
Der Schluss hat mir sehr zugesagt: Toll geschrieben, klasse durchkomponiert und vorbereitet. Diese Szenen im Stadion stehen einem so lebendig vor Augen, als ob man vor Ort dabei gewesen wäre, mit Veilchen in die Menge gesprungen ist und das Geschehen insg. miterlebt hat.
Die Sprache der Geschichte ist ein Genuss an sich. Der Ton ist mal ironisch, mal philosophisch angehaucht. Die Geschichte liest sich leicht, hat aber doch Tiefgang und wirft Fragen auf, z.B. zur Bedeutung der Familie, der echten Freundschaft, der Liebe, etc.
Veilchen vermisst ganz arg ihre Tochter, die sie vor ca. 20 Jahren weggeben musste. Ich vermute mal, dass der dritte Teil sich näher mit diesem Thema befassen wird. So oder so, ich habe Veilchens Feuer sehr gern gelesen, kann es gerne weiterempfehlen und bin bei der nächsten Folge dabei.
Die Ausgestaltung des Buches fand ich auch sehr gut gelungen. Diese runden Ecken, die haben schon ein besonderes Flair.

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 08.10.2015
Craft Beer Kochbuch
Paul, Stevan;Goffin, Torsten

Craft Beer Kochbuch


ausgezeichnet

Das Buch ist ein Schmuckstück. Sowohl die äußere Ausgestaltung als auch der Inhalt zeigen, dass es ein Geschenk ist, vor allem an die Genießer unter den Lesern, die das gute Essen und Trinken, wie gute Bücher zu schätzen wissen.
Zu Anfang findet man eine Einleitung (1 Seite), das Kapitel „Wesen des Brauens“ (3 Seiten), „Am Anfang stand IPA“ (2 Seiten). En weiteres Kapitel „Bitter sweet symphony“ geht auf die Kombination aus Bier und Speisen und die damit einhergehenden Geschmackserlebnisse ein (2 Seiten), in „Bier und Glaskultur“ wird die Wichtigkeit der richtigen Glaswahl hervorgehoben, eine Tabelle mit Bierglasformen und Empfehlungen für welche Bierstile diese optimal passen, ist mit von der Partie, und schließlich folgt eine Einladung zur Bierverkostung auf einer Seite, die das „theoretische Part“ abschließt. Ab Seite 24 geht es zu den Rezepten. Über hundert Seiten an Bildern lockern das Ganze auf.
Das Kochbuch bietet zweierlei Rezepte: die Gerichte, die zu bestimmten Bierstilen passen, also zum Bier genossen werden, z.B. „Coppa-Knusperstreifen mit Bierschnitten und Olivenöl“ auf S. 29, davon deutlich weniger als diejenigen, die das Bier als Zutat haben, z.B. Bierpizza mit Sauerkraut, Romadur und Majoransahne“, S. 44, bei dem das Bier in den Pizzateig getan wird, wie auch im Rezept „Sprotten auf Blinis mit Rote-Bete-Salat und Forellenkaviar“ auf S. 42, bei dem das Bier in Bliniteig kommt, oder „Bierzwiebeln“, auf S. 197, bei dem das Bier die Sauce verfeinert.
Es gibt folgende Verteilung der Rezepte: 16 aus der Kategorie „Feine Vorspeisen und kleine Gerichte“; 7 aus „Fisch und Meeresfrüchte“; 19 aus „Fleisch und Rotisserie“; 5 aus „Klassische Bierküche und Biersnacks“; 8 aus „Süsses und Desserts“.
Bei den Süßspeisen sind die Bierstile manchmal dazu empfohlen oder das Bier kommt in den Teig hinein wie beim Rezept „Süsse Bierwaffeln mit Sauerkirschen und Vanllejoghurt“ auf S. 231.
Alle Rezepte werden von den schön gemachten Food-Fotos der entsprechenden Gerichte begleitet, sodass man sofort mit dem Kochen und dem Freunde-zur-Bier-Verkostung-Einladen und Lecker-Essen loslegen möchte. Die Rezepte sind recht einfach, gut und verständlich beschrieben. Alle nötigen Angaben sind da, dem Gourmet-Glück kann also nicht mehr viel im Wege stehen.
Außerdem sind 10 Bierstile sind kurz und prägnant, je auf einer Seite beschrieben worden. Die Kriterien sind: „Ursprung“, „Charakter“, „Gärung“, „Alkoholgehalt“, „Trinktemperatur“, „Glaswahl“ mit Abbildung, „Referenzbiere“, i.e. Beispiele der Biere mit ihren jeweiligen Namen, „Rezepte“ aus dem Buch mit Seitenangabe, „Stil-Varianten“, i.e. Biernamen und kurze Erläuterungen, z.B. „weniger Alkohol“.
Und last but not least: 13 Brauereien (davon 8 aus Deutschland und je eine aus Belgien, Niederlande, Österreich, UK, und Australien) sind mit kurzen Texten (1 Seite) und Bildern von Anlagen, Verkostungen, Bierfesten, Familien, Kindern, Produktfotos, etc. (4 Seiten) in dem Buch präsentiert worden.
Nach dem Hauptteil gibt es auf S. 241 „Literaturempfehlungen“: 6 weitere Bücher, die das Craft Bier zum Gegenstand haben, wie auch eine Entschuldigung an einige Brauereien, die nicht in dem Buch präsentiert werden konnten.
Sympathisch und richtig fand ich die Vorstellung des 5-Köpfigen Teams mit Fotos und paar Worten zum Werdegang auf S. 247, das die Entstehung dieses professionell gemachten Buches ermöglicht hat.
Und einen besonderen Dank an Christian Brandstätter Verlag, Wien, für dieses wunderbare Kochbuch, das sich von anderen im positiven Sinne abhebt und sich als Geschenk, zu Festtagen und im Alltag als ein guter Begleiter erweist. Bitte mehr davon.