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Benutzername: 
dorli
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Berlin
Buchflüsterer: 

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Insgesamt 878 Bewertungen
Bewertung vom 16.09.2015
Die Salbenmacherin Bd.1
Stolzenburg, Silvia

Die Salbenmacherin Bd.1


ausgezeichnet

Konstantinopel, 1408. Die 16-jährige Olivera darf Laurenz Nidhard, einen Handelspartner ihres Vaters, heiraten. Nach der Hochzeit reist die junge Frau voller Vorfreude mit Laurenz in dessen Heimat Tübingen. Doch schon die Reise ist anstrengender, als Olivera vermutet hat, außerdem verändert sich der zunächst äußerst charmante Laurenz mehr und mehr zum Negativen und in Tübingen wird sie von den Einheimischen nicht besonders herzlich empfangen…

In ihrem historischen Roman „Die Salbenmacherin“ entführt Silvia Stolzenburg den Leser in das frühe 15. Jahrhundert nach Konstantinopel und Tübingen und erzählt die Geschichte der jungen Salbenmacherin Olivera. Durch die ausführlichen Beschreibungen der Schauplätze und die lebhaften Schilderungen der Ereignisse ist man ruckzuck mittendrin im Geschehen und bekommt nicht nur sehr interessante und aus heutiger Sicht zum Teil recht amüsante Fakten über die damalige Heilkunst vermittelt, sondern erhält auch spannende Einblicke in den im Mittelalter blühenden Handel mit gefälschten Reliquien.

Silvia Stolzenburg hat einen angenehm flott zu lesenden Schreibstil. Schon auf den ersten Seiten zeigt sich, wie ausgezeichnet die Autorin in der Lage ist, dem Leser die jeweilig vorherrschende Stimmung zu vermitteln. Ob nun die farbenfrohe Atmosphäre auf dem Markt, das geschäftige Treiben im Hafen oder auch die ungeahnten Strapazen während der langen Reise von Konstantinopel nach Tübingen - man erlebt alle Ereignisse sehr intensiv mit den Akteuren mit.

Silvia Stolzenburg lässt ihre Hauptfiguren abwechselnd zu Wort kommen, so dass man die jeweiligen Gedanken und Gefühlen bestens miterleben kann.
So konnte ich sehr gut nachvollziehen, dass Olivera sowohl Laurenz’ Wandlung und sein abweisendes Verhalten, als auch die Feindseligkeit der Einheimischen nur schwer ertragen kann. Wenn sie sich nicht mit ihrer Arbeit im Spital an der Seite ihres Schwagers und der Herstellung von Salben und Tränken hätte ablenken können, hätten ihr Kummer und ihre Sehnsucht nach Konstantinopel sie schier aufgefressen.
Die Darstellung von Laurenz hat mir besonders gut gefallen. Sein unbedingter Wille, zur Oberschicht dazuzugehören und in den Rat zu kommen, lassen ihn lange blind sein für die furchtbaren Machenschaften, die das fälschen der Reliquien mit sich bringt. Als er den ganzen Umfang der Grausamkeiten erkennt, gerät er immer mehr ins Schwanken, fürchtet um sein Seelenheil und droht in einen bodenlosen Abgrund zu stürzen, kann aber gleichzeitig dem verlockenden Angebot seines Auftraggebers nicht widerstehen – eine Zwickmühle, die die Autorin hervorragend schildert.

„Die Salbenmacherin“ ist ein lebhaft erzählter historischer Roman, der mir nicht nur spannende, unterhaltsame Lesestunden beschert hat, sondern mir auch interessante Einblicke in Reliquienhandel und Heilmethoden des Mittelalters ermöglicht hat.

Bewertung vom 07.09.2015
Finstere Geschäfte
Härtl, Cornelia

Finstere Geschäfte


ausgezeichnet

Offenbach. Emilia Hornauer wird erhängt im Stadtwald aufgefunden. Selbstmord, so die mehrheitliche Meinung. Doch Lena Borowski glaubt nicht daran, dass ihre stets fröhliche Kollegin sich das Leben genommen hat. Ihre Vermutung, dass Emilia ermordet wurde, wird durch brisante Unterlagen, die Lena in der Aktentasche der Toten findet, bestärkt. Emilia war einigen Ungereimtheiten in ihrer Behörde auf der Spur – Mauschleien bei Abrechnungen und eine drohende Insolvenz lassen Lena hellhörig werden und eigene Nachforschungen anstellen…

„Finstere Geschäfte“ ist bereits der zweite Fall für Lena Borowski, für mich war dieser Einsatz im Rhein-Main-Gebiet der erste, den ich mit der toughen Sozialarbeiterin erleben durfte. Auch ohne Kenntnis des vorhergehenden Bandes habe ich Lena gut kennengelernt und hatte zu keiner Zeit das Gefühl, dass mir wichtige Informationen fehlen würden.

Cornelia Härtl versteht es ausgezeichnet, den Leser einzufangen und die Spannung schon nach wenigen Seiten auf ein hohes Level zu katapultieren. Durch die detaillierten Schilderungen der Ereignisse und die ausführlichen Beschreibungen der Schauplätze war ich stets mittendrin im Geschehen und konnte bestens mit den Figuren mitfühlen und bei den Ermittlungen prima miträtseln.

Die Autorin beginnt diesen Krimi mit einem kurzen, aber sehr aufwühlenden Prolog: Eine verzweifelte junge Frau versucht aus einen Zimmer zu entkommen, als sie schreckliche Geräusche aus dem Nebenzimmer hört.

Im Folgenden lernt man Lena Borowski kennen. Die sympathische Sozialarbeiterin wird facettenreich dargestellt. Im Berufsalltag ganz die selbstbewusste, starke Frau, zeigt sie in ihrem Privatleben einige Unsicherheiten, besonders, wenn es um ihr Liebesleben geht. Ihre Emotionen fahren gerade Karussell, denn ihre japanische Geliebte Tamae ist in ihre Heimat zurückgekehrt und ihre zweite Geliebte Karin hat sich in letzter Zeit ohne erkennbaren Grund zurückgezogen. Und dass sie sich plötzlich zu der Frankfurter Rotlichtgröße Gerd Rohloff hingezogen fühlt, verwirrt Lena erst recht.

In einem zweiten Handlungsstrang geht es um Sunita. Das junge Mädchen aus Nigeria wurde von Menschenhändlern nach Frankfurt gebracht. Obwohl sich schnell abzeichnet, was Sunita im Verlauf der Geschichte blüht, hofft man ständig, dass ihr Schicksal eine andere Richtung nehmen wird. Was Sunita erdulden muss, ist grausam. Brutale Freier, Schläge und Angst bestimmen ihren Alltag. Das eingeschüchterte Mädchen hat weder den Mut noch die Kraft, sich gegen ihre Peiniger zur Wehr zu setzen.

Kriminalkommissarin Jutta Ernst sieht - anders als ihr Kollege und ihr Vorgesetzter - einige Unklarheiten im Fall Emilia Hornauer und behält die Akte im Auge, obwohl der Mord an einer unbekannten Frau die polizeilichen Ermittler in Atem hält.

Die Handlung ist durchweg spannend und mitreißend. Die von Lena gesammelten Informationen und Erkenntnisse bringen im Verlauf der Geschichte einige Überraschungen mit sich. Lena deckt diverse Unstimmigkeiten auf, hat aber bis fast zum Schluss keine Ahnung, wem sie mit ihren Nachforschungen auf die Füße tritt. Gegen Ende des Krimis spitzt sich die Lage für Lena dann dramatisch zu.

„Finstere Geschäfte“ ist ein spannender, aufwühlender Krimi, der mich von der ersten bis zur letzten Seite fest im Griff gehabt hat.

Bewertung vom 06.09.2015
Verräterische Gebeine
Starr, Mel

Verräterische Gebeine


ausgezeichnet

Oxford/Bampton, Herbst 1363. Chirurg Hugh de Singleton verarztet den verunfallten Lord Gilbert Talbot und wird nach erfolgreicher Behandlung von diesem gebeten, sich als Arzt in Bampton niederzulassen. Ein Angebot, das Hugh gerne annimmt - nicht ahnend, dass er mit dieser Zusage auch zum Detektiv wider Willen wird…

In seinem historischen Krimi „Verräterische Gebeine“ entführt Mel Starr den Leser in das 14. Jahrhundert nach Bampton, England und erzählt die Geschichte des Chirurgen Hugh de Singleton.

Der Autor zeichnet ein sehr glaubwürdiges Bild des mittelalterlichen englischen Landlebens. Die Beschreibungen der Schauplätze und die Schilderungen der Ereignisse sind überaus gut gelungen, so dass man ruckzuck mittendrin im Geschehen ist.

Mel Star hat einen angenehm zügig zu lesenden Schreibstil. Der Autor lässt seine Hauptfigur lebhaft und mit einer großen Portion Witz in der Stimme von seinen Erlebnissen erzählen und wartet dabei mit tollen Formulierungen und vielen klugen Sätzen auf, wie zum Beispiel: „…dass die unangenehme Wahrheit ein Baum ist, der angenehme Früchte tragen kann…“ (S.38) oder „…Es ist das Wesen der Sünde, dass sie uns Vergnügen bereitet, sonst hätten wir weniger Mühe, sie zu meiden…“ (S.161) oder auch „…Ich bin das, was Gott geschaffen hat und was ich aus dem Material, das er bereitgestellt hat, gemacht habe…“ (S.172).

Hugh de Singleton ist ein sehr sympathischer Mann. Er ist gewissenhaft, ehrlich, bescheiden und äußerst selbstkritisch. Er ist davon überzeugt, ein guter Chirurg zu sein, schätzt aber seine Fähigkeiten als Ermittler als sehr gering ein. Lord Gilbert sieht das anders und so macht Hugh sich, wenn auch zunächst widerwillig, auf die Suche nach dem Mörder. Sein Gerechtigkeitssinn und seine Neugier treiben ihn an.
Der Fall erweist sich als knifflig, da die Morde schon einige Monate zurückliegen, aber Hugh kommt der Lösung durch gute Beobachtungsgabe und gewiefte Fragestellungen Stück für Stück näher. Auch sein umfangreiches medizinisches Wissen ist bei der Spurensuche sehr hilfreich, außerdem kommt ihm ab und an der Zufall zu Hilfe.
Die Handlung ist durchweg fesselnd, eine nicht vorhersehbare Wendung im letzten Drittel des Buches katapultiert die Spannung noch einmal kräftig nach oben.

Es hat mir großen Spaß gemacht, Hugh de Singleton durch diese spannende und humorvolle Geschichte zu begleiten und freue mich schon sehr auf seinen nächsten Fall.

Bewertung vom 03.09.2015
Das große Schweigen
Montejano, Katja

Das große Schweigen


ausgezeichnet

Bern. Staranwalt Ferdinand Bouillé wird in seiner Kanzlei niedergestochen. Obwohl die Identität der Angreiferin schnell feststeht, bleibt das Motiv der scheinbar verwirrten Frau zunächst einmal im Dunklen…

Katja Montejano versteht es hervorragend, den Leser einzufangen und die Spannung schon nach wenigen Seiten auf ein hohes Level zu katapultieren. Gleich im Prolog ist es mir kalt den Rücken runter gelaufen. Ein junges Mädchen wird von drei Männern erbarmungslos misshandelt.

Im Folgenden lernt man die sehr selbstbewusste Primrose Bouillé kennen – die ehemalige Kripobeamtin macht sich mit ihren Ex-Kollegen auf die Suche nach den Hintergründen des Anschlags auf ihren Vater und gerät dabei nicht nur selbst in das Visier des Täters, sondern muss auch hilflos zusehen, wie der Killer gnadenlos und brutal ihre Freunde ermordet.

Hintergrund für diesen Roman ist düsteres Kapitel der Schweizer Geschichte: die administrative Versorgung. Ein Thema, das einfach sprachlos macht. Menschen, deren Lebensweise nicht den gängigen Vorstellungen von Moral und Ordnung entsprach, wurden auf Behördenentscheid in Heil- oder Strafanstalten eingewiesen und blieben auf unbestimmte Zeit weggesperrt.

Katja Montejano hat auf Grundlage dieser furchtbaren Menschenrechtsverletzungen einen spannenden, mitreißenden Thriller geschrieben. Der gesamte Verlauf der Handlung ist rasant, actionreich, dramatisch – die Autorin gönnt dem Leser bis zur letzten Seite keine Atempause. Das zum Teil recht grausame Geschehen wird deutlich beschrieben, das Foltern der Opfer genau geschildert. Eine Szenerie, die nichts für schwache Nerven ist.

„Das große Schweigen“ ist ein fesselnder und gut durchdachter Kriminalroman, der mich bis zum Schluss fest im Griff hatte.

Bewertung vom 02.09.2015
Volldampf voraus!
Witemeyer, Karen

Volldampf voraus!


ausgezeichnet

Texas 1851. Als ihr Vater schwer erkrankt, macht sich Nicole Renard auf den Weg nach New Orleans, um einen passenden Ehemann für sich und damit einen geeigneten Erben für die Schifffahrtsgesellschaft ihres Vaters zu finden.
Unter anderem in Nicoles Gepäck: der Lafitte-Dolch – ein Familienerbstück und seit vielen Jahren Glücksbringer der Renards. Und auch der Grund, weswegen Nicole verfolgt wird, denn die Jenkins-Brüder sehen sich als wahre Eigentümer des Dolches und schrecken vor nichts zurück, diesen in ihre Hände zu bekommen…
Um ihre Verfolger auszutricksen, reist Nicole nicht wie geplant nach New Orleans, sondern zunächst in das Städtchen Liberty. Auf der Suche nach einem Job landet sie als Sekretärin bei dem Unternehmersohn Darius Thornton…

Karen Witemeyer lässt in ihrem Roman „Volldampf voraus“ zwei äußerst liebenswürdige Sturköpfe aneinanderrasseln. Die Autorin hat eine sehr humorvolle Ausdrucksweise, so dass es großen Spaß macht, das ständige Geplänkel und Gezanke zwischen Nicole und Darius zu verfolgen.

Darius wirkt wie ein chaotischer Professor – er ist besessen von der Erforschung der Dampfkessel. All sein Denken und Handeln dreht sich um die Verbesserung der Sicherheitsvorkehrungen auf Dampfschiffen.

Die kluge, selbstbewusste Nicole hat nur das zu rettende Vermächtnis ihrer Familie im Sinn und lässt sich nicht von ihrer Mission abbringen, in New Orleans einen Ehemann für sich zu finden.

Obwohl Nicole und Darius sich schnell zueinander hingezogen fühlen, scheint eine gemeinsame Zukunft wenig wahrscheinlich, denn beide halten beharrlich an ihren ursprünglich gefassten Zielen fest, da ist kein Platz für den jeweils anderen. Nicole und Darius haben einen langen - für den Leser spannenden und amüsanten - Weg vor sich, bis sie erkennen, wie gut sie zusammenpassen.

Mir hat das Buch sehr gut gefallen - eine muntere Geschichte, bei der Humor, Spannung und Romantik nicht zu kurz kommen und auch der christliche Glaube eine kleine, aber wichtige Rolle spielt.

Bewertung vom 01.09.2015
Ein Sommer in Wales
Wilken, Constanze

Ein Sommer in Wales


sehr gut

London 2012. Die Journalistin Ally Carter ist entsetzt, als von ihr verlangt wird, eine Story über Cardigan Bay und Morlan House zu schreiben, denn dort ist vor 10 Jahren ihr Bruder Simon auf mysteriöse Weise ums Leben gekommen. Sie will den Auftrag ablehnen, doch ihr Chef ist unnachgiebig – da Ally ihren Job behalten möchte, bleibt ihr nichts anderes übrig, als sich gemeinsam mit dem Fotografen Nick Bellamy auf den Weg nach Wales zu machen…

In ihrem Roman „Ein Sommer in Wales“ entführt Constanze Wilken den Leser an die malerische Westküste Wales und wartet mit einer tollen Mischung aus Spannung, dramatischer Familiengeschichte und Romantik auf.

Es gelingt der Autorin ausgezeichnet, den Leser von der ersten Seite an ins Geschehen zu ziehen. Der Roman beginnt mit einem kurzen Ausflug in das Jahr 2002, man lernt Simon kennen, der ganz aufgeregt auf einen Mann wartet, der ihm Morlan House zeigen will. Mehr erfährt man an dieser Stelle nicht.

Zeitsprung in das Jahr 2012. Man begleitet die mittlerweile 26-jährige Ally nach Wales, an den Ort, an dem vor 10 Jahren der Albtraum ihres Lebens begann. Die damaligen Geschehnisse haben Ally geprägt, bis heute hat sie den schweren Schicksalsschlag nicht überwunden.
Nicht nur der immense Verlust macht Ally zu schaffen, auch der fehlende Rückhalt ihrer Eltern und die anhaltende Ungewissheit darüber, was damals wirklich geschehen ist, lassen Ally nicht zur Ruhe kommen. Am schwersten jedoch wiegen die quälenden Selbstvorwürfe, nicht da gewesen zu sein, als ihr Bruder sie gebraucht hätte.

Kaum in Aberaeron angekommen, holen die verhängnisvollen Ereignisse sie wieder ein. Zusätzlich erschwert wird Ally der Aufenthalt, als sie David begegnet – dem Mann, mit dem sie damals verabredet war, als Simon ertrunken ist.

Constanze Willken schildert Allys Erlebnisse sehr emotional, man kann die vielfältigen Gefühle, die auf Ally einprasseln, sehr gut nachvollziehen.
Die knifflige Suche nach der Wahrheit ist spannend – ich konnte über die vielen Ungereimtheiten und Merkwürdigkeiten grübeln und habe durchweg mit Ally und David über den wirklichen Ablauf an dem schicksalhaften Tag im August 2002 am Morlan House gerätselt.

„Ein Sommer in Wales“ lässt sich angenehm zügig lesen und hat mir spannende, unterhaltsame Lesestunden beschert.

Bewertung vom 01.09.2015
Marktplatz der Heimlichkeiten
Waldis, Angelika

Marktplatz der Heimlichkeiten


ausgezeichnet

Juni/Dezember 2012 – ein Medienhaus in der Schweiz. Hier tummeln sich tagtäglich unter einen Dach viele Menschen, die ihrer Arbeit nachgehen – miteinander oder auch gegeneinander. Sie alle haben ihre Eigenarten und Geheimnisse, die hier nach und nach von Angelika Waldis aufgedeckt und präsentiert werden.

In „Marktplatz der Heimlichkeiten“ begibt man sich auf eine Wanderung durch das Medienhaus, öffnet die Türen zu den verschiedenen Ressorts und lernt 27 ganz unterschiedliche Mitarbeiter kennen. 26 Akteure von der Verträgerin bis zum Chef, die dem Leser nacheinander einen kurzen, aber sehr intensiven Einblick in ihr derzeitiges Leben und Denken gewähren – gerade jetzt, wo Worte wie Umstrukturierung und Massenentlassung durch die Korridore geistern; 26 Menschen, die ihre Ängste und Sorgen, ihre Vorlieben und Abneigungen, ihre Angewohnheiten, Geheimnisse, Wünsche und Träume offenbaren. Und mittendrin die Volontärin, die immer wieder durch Zwischenrufe in Erscheinung tritt und scharfzüngig das Leben und Treiben um sich herum kommentiert.

In den insgesamt 28 Episoden bringt Angelika Waldis Erstaunliches, Absurdes, Dramatisches und Bewegendes ans Tageslicht – mir haben diese kleinen Geschichten sehr gut gefallen. Das Buch steckt voller interessanter Begebenheiten. Manche zum Schmunzeln. Viele zum Nachdenken. Einige zum Kopfschütteln.
Die Autorin hat eine angenehme Art, dem Leser die Gedanken und Geheimnisse der unterschiedlichen Mitarbeiter näherzubringen. Schnörkellos und mit treffenden Formulierungen. Besonders gut haben mir die bissigen Kommentare der Volontärin gefallen – eine Aneinanderreihung von Gedankensplittern, die das jeweilige Geschehen exakt auf den Punkt bringen.

Ein außergewöhnliches Buch über die ungesagten Geschichten im Arbeitsalltag. Absolute Leseempfehlung.

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Bewertung vom 20.08.2015
Baumgartner und die Brandstifter
Kleindl, Reinhard

Baumgartner und die Brandstifter


ausgezeichnet

Südsteiermark. Die fast 90-jährige bettlägerige Kunigunde Egger ist allein zu Hause, während die Familie die Hochzeit des Sohnes Max feiert. Auf dem Hof bricht ein Feuer aus und die alte Frau kommt darin um. Was zunächst wie ein Unglücksfall aussieht, stellt sich schnell als Brandstiftung heraus…

„Baumgartner und die Brandstifter“ ist bereits der zweite Fall für den Grazer Kommissar Franz Baumgartner. Für mich war dieser Krimi das erste Buch, das ich von Reinhard Kleindl gelesen habe, aber auch ohne Kenntnis des ersten Bandes habe ich schnell in das Geschehen hineingefunden und hatte zu keiner Zeit das Gefühl, dass mir wichtige Informationen fehlen würden.

Reinhard Kleindl schickt mit seiner Mordgruppe Graz ganz unterschiedliche Charaktere ins Rennen – jeder hat seine Eigenarten und Besonderheiten. Das hat zur Folge, dass die Akteure sich nicht immer grün sind und die Zusammenarbeit im Ermittlerteam nicht reibungslos verläuft.
Gregor Wolf leitet die Mordgruppe als Interimschef, solange Chefinspektor Franz Baumgartner spurlos verschwunden bleibt. Als Baumgartner nach wochenlanger Abwesenheit ohne Erklärung oder Entschuldigung plötzlich wieder auftaucht und sich, obwohl es ihm noch nicht wirklich gut geht, an den Ermittlungen beteiligen möchte, merkt man Wolf deutlich an, wie sehr es ihn ärgert, nur als Lückenbüßer gedient zu haben. Diese gereizte Stimmung ist durchweg greifbar und verleiht der ganzen Geschichte eine zusätzliche Portion Spannung.

Der Kriminalfall selbst ist äußerst rätselhaft - die Familienmitglieder und besonders Friederike, die Schwiegertochter der in den Flammen umgekommenen Kunigunde Egger, verhalten sich merkwürdig. Man spürt deutlich, dass hier einiges verheimlicht wird, das unter keinen Umständen ans Tageslicht kommen soll. Nur, was verbergen die Eggers?

In einem weiteren Handlungsstrang lernt man Anna und Juri kennen. Ihre Geschichte wird zunächst weitestgehend unabhängig von dem Kriminalfall erzählt, eine Verbindung zu dem Brand auf dem Egger-Hof scheint es nicht zu geben. Anna fühlt sich verfolgt – nur Einbildung?

„Baumgartner und die Brandstifter“ hat neben einer großen Portion Spannung auch aktuelle Themen wie Fremdenfeindlichkeit und Vorratsdatenspeicherung im Gepäck, die sich, ohne aufgesetzt zu wirken, sehr gut in die eigentliche Krimihandlung einfügen. Die ausdrucksstarken Figuren und die stets fesselnde Handlung lassen zu keiner Zeit Langeweile aufkommen. Absolute Lesempfehlung.

Bewertung vom 20.08.2015
Bärenklau
Waiblinger, Ralf

Bärenklau


ausgezeichnet

Ex-Kommissar Spekulantius Bösenschreck ist seit einem halben Jahr nur noch Vorzeigeehemann - seine Frau Barbarella Piepenbringts schleppt ihn von einer kulturellen Veranstaltung zur nächsten.
Als seinen Eltern ein wertvolles Backbuch gestohlen wird und Kriminaloberkommissar Butscher, Bösenschrecks Nachfolger bei der Kripo, wegen fehlender Einbruchsspuren keinen Handlungsbedarf sieht, erwacht Bösenschrecks Ermittlerherz zu neuem Leben. Er bricht aus seinem goldenen Käfig aus und macht sich auf die Suche nach dem gemeinen Dieb. Als einige Rezepte aus dem gestohlenen Buch in einer Kochshow präsentiert werden und kurz darauf ein Mord geschieht, nimmt der ganze Fall richtig Fahrt auf…

„Bärenklau“ ist bereits der zweite Fall für den ehemaligen Kriminalhauptkommissar Spekulantius Bösenschreck, dieser Krimi ist aber auch ohne Kenntnis des ersten Bandes bestens verständlich.

Ralf Waiblinger erzählt den Hundekrimi mit viel Schwung. Es geht in diesem Buch frisch, locker und lebhaft zu, der Autor beschreibt detailreich und mit viel Humor Bösenschrecks einfallsreiche Ermittlungen. Die Dialoge sind mit ganz viel Wortwitz gespickt, den Protagonisten wurden viele lockere Sprüche in den Mund gelegt und es gibt reichlich Situationskomik. Darüber hinaus wartet die sprachlich ausgefeilte Geschichte mit zahlreichen Anspielungen und allerlei Doppelsinnigem auf und die gut durchdachte Krimihandlung lädt zum Miträtseln und Mitraten ein - das Lesen macht einfach Spaß.

Der Clou in diesem Buch sind ganz eindeutig die wunderbaren und zum Teil recht skurrilen tierisch-menschlichen Figuren. Ich habe mich über die humorvoll dargestellten Eigenarten und Besonderheiten der Akteure und ihr lebhaftes Zusammenspiel köstlich amüsiert.

Sehr gut gefallen haben mir auch die in lockeren Abständen eingestreuten Illustrationen, die die turbulente Szenerie ganz herrlich veranschaulichen. Ein vorangestelltes Mitspieler-Verzeichnis inklusive Profilzeichnungen und ein kleines Wörterbuch Kastalonisch – Deutsch im Anhang runden das Buch perfekt ab.

„Bärenklau“ ist ein äußerst spaßiger Krimi, der wunderbar kurzweilige Unterhaltung bietet.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 18.08.2015
Schlagzeile
Siebenthal, Rolf von

Schlagzeile


ausgezeichnet

Liestal. Tagblatt-Journalistin Tanja Schneider ist tot. Was zunächst wie ein Autofallfall aussieht, stellt sich sehr schnell als eiskalter Mord heraus. Max Bollag geht davon aus, dass Tanja jemandem mit ihren Recherchen mächtig auf die Füße getreten sein muss, und macht sich auf, den Täter zu finden…

„Schlagzeile“ ist für mich nach „Höllenfeuer“ der zweite Fall, den ich mit dem sympathischen Journalisten Max Bollag erleben durfte und wieder hat mich der Autor mit einer mitreißend erzählten Geschichte und einem gut durchdachten Handlungsverlauf rundum begeistert. Rolf von Siebenthal versteht es ausgezeichnet, die Spannung schon nach wenigen Seiten auf ein hohes Level zu katapultieren.

Die Beschreibungen der Schauplätze sind bestens gelungen und auch die Akteure werden allesamt interessant und vielschichtig präsentiert. Man lernt die handelnden Personen durchweg gut kennen und erlebt alles, was den Einzelnen beschäftigt, sehr intensiv mit. Ich habe jedem seine Probleme geglaubt und konnte das jeweilige Verhalten sehr gut nachvollziehen.

Rolf von Siebenthal wirbelt den Alltag seines Protagonisten gehörig durcheinander und konfrontiert Max nicht nur mit dem Tod seiner Kollegin, sondern auch mit einem übereifrigen Staatsanwalt, der ihn als Verdächtigen ins Visier nimmt. Damit nicht genug, ein angekündigter Personalabbau beim Tagblatt bereitet Sorgen und auch in Max’ Privatleben läuft es nicht rund - seine Beziehung zu der Bundesrätin Petra Mangold steht auf wackeligen Füßen, da sie aufgrund ihrer zahlreichen Aufgaben und Termine kaum Zeit für ihn hat.

Petra selbst hat mit Unternehmer und Ständerat Franz Heusser einen hinterlistigen Gegenspieler, der scharf auf ihren Posten im Bundesrat ist und sie daher wo es nur geht in Misskredit bringt. Gut, dass Petra eine starke Frau ist, die sich zu wehren weiß.

Bei der Spurensuche in dem Mordfall steht Max die Volontärin Rebecca Tobler zur Seite. Rebecca ist eine fröhliche junge Frau, die ihre Mitmenschen ganz raffiniert um den Finger wickeln kann, um an nötige Informationen zu kommen. Sie ist Max bei seinen Nachforschungen eine große Hilfe.

Der Kriminalfall ist knifflig. Rolf von Siebenthal versteht es außerordentlich geschickt, nicht nur Max und Kripo-Chef Neuenschwander, sondern auch den Leser an der Nase herumzuführen, indem er mehrere unterschiedliche Ansatzpunkte für die Ermittlungen ins Spiel bringt. Falsche Fährten, Wendungen und Überraschungen lenken den Blick immer wieder in eine neue Richtung, so dass man bis zum Schluss prima über Täter und Motiv rätseln und grübeln kann.

„Schlagzeile“ ist ein fesselnder, angenehm zügig zu lesender Krimi, der nicht nur spannende Unterhaltung bietet, sondern auch mit aktuellen Themen wie Stellenabbau und Versicherungsbetrug aufwartet.