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melange
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Bonn
Buchflüsterer: 

Bewertungen

Insgesamt 866 Bewertungen
Bewertung vom 18.03.2018
Höllenjazz in New Orleans / City-Blues-Quartett Bd.1
Celestin, Ray

Höllenjazz in New Orleans / City-Blues-Quartett Bd.1


ausgezeichnet

Gelungene Melange

Zum Inhalt:
New Orleans, kurz nach dem ersten Weltkrieg: Der Axeman geht um – ein kaltblütiger Killer, der seine Opfer erst mit einer Axt abschlachtet und dann eine Tarotkarte am Tatort hinterlässt, um schließlich spurlos zu verschwinden. Drei Personen mit unterschiedlichem Hintergrund versuchen unabhängig voneinander, das Geheimnis um die Morde aufzudecken: Der Polizist Michael, Luca, sein Ex-Mentor mit Verbindung zur Mafia und Ida, Mitarbeiterin einer Detektiv-Agentur. Trotz unterschiedlicher Ansätze kommen sie dem Axeman auf die Spur und nah, lebensgefährlich nah.

Mein Eindruck:
Celestin ist zwar nicht der erste, der einen echten, ungelösten Kriminalfall mit Personen der Zeitgeschichte und fiktionalen Elementen verknüpft, aber einer, dem dieses sehr gut gelingt. Er versteht es, das New Orleans von vor 100 Jahren vor dem geistigen Auge auferstehen zu lassen – ein Schmelztiegel von Rassen, Musik, Gewalt und mit dem auch heute noch eigenen Verständnis von Recht und Ordnung, das eher großzügig als buchstabengetreu bemessen ist. Wunderbar die Anlage seiner Charaktere, welche zwar im Kleinen ihre Geheimnisse haben (der weiße Polizist mit farbiger Frau und Kindern, das Mädchen, das sich nicht mit ihrer Schreibtischrolle bei Pinkertons abfinden will, der Expolizist, der sich der Mafia verschrieben hat), im Großen jedoch mit den Zuständen leben: Keiner begehrt offen auf, alle akzeptieren die herrschenden Regeln. Und wenn zu den Regeln gehört, dass viele Polizisten korrupt sind, der Bürgermeister sich schmieren lässt und Schwarze im Bus hinten sitzen müssen, dann ist das halt so – man muss mit dem vorhandenen Material agieren und das tun Celestins Figuren.
Ein paar weniger davon hätten es aber gerne sein dürfen; bei den vielen Namen verliert man leicht den Überblick und im Personenregister zu Beginn des Buchs werden zwar sämtliche Namen genannt, jedoch nur nach Gruppen geordnet und ohne weitere Differenzierung. So weiß man beispielsweise nicht, ob vom Anwalt oder vom Kronprinzen der Mafiafamilie die Rede ist und kann dieses Dilemma noch nicht einmal mit einem Blick in diese Liste lösen. Perfekt dagegen die Liste mit Begriffserklärungen zum Schluss des Buchs: Hier zeigt sich die gute Recherche des Autors.
Die Geschichte zwischen den Listen gestaltet sich interessant, folgerichtig und sehr, sehr böse. Viele Personen geraten in Gefahr, einige müssen ihr Leben lassen – teilweise unter sehr grausamen Umständen. Dass dabei gute, schlechte und wichtige Charaktere über die sprichwörtliche Klinge springen, steigert die Spannung zusätzlich.

Mein Fazit:
Ein Spiegel der Zeit

Bewertung vom 13.03.2018
Körpersammler (eBook, ePUB)
Kope, Spencer

Körpersammler (eBook, ePUB)


sehr gut

(Un)sichtbare Spuren

Zum Inhalt:
Jedermann hat einen farbigen „Schein“, der für die mit einer besonderen Gabe versehenen Menschen an den Plätzen zu erkennen ist, an denen sich diese Person (oder ihre unsterbliche Seele) aufgehalten hat. Auf dieser Grundidee beruht das Buch von Spencer Kope, der mit Magnus einen „Sehenden“ geschaffen hat, welcher durch diese Gabe eine große Unterstützung einer FBI-Sondereinheit ist. Denn Magnus kann spüren, ob der Besitzer des Scheins lebt, tot ist oder für den Tod einer anderen Person gesorgt hat. Und so versucht er das Rätsel um den Serienkiller Frowney zu lösen, welcher einige brünette und erfolgreiche Frauen entführt und getötet hat.

Mein Eindruck:
Spencer Kope hat mit Magnus einen Ermittler mit besonderen Fähigkeiten erdacht, glücklicherweise jedoch keinen Superman. Denn so können die Leser sich mit einer Figur identifizieren, die mit ihrer Begabung hadert und sich immer wieder vor Augen führen muss, dass bei allem Leid auch Freude oder wenigstens Erleichterung daraus erwächst. An diesen Stellen zeigt sich das große Talent des Autors, nicht nur Grausamkeiten, sondern auch Gefühle glaubhaft und eindringlich zu schildern, ohne zu dick dabei aufzutragen. Auf das Miteinander im Team und Gespräche abseits des Business geht Kope zum Teil sehr detailliert ein, - das kann man mögen oder auch nicht, es ist auf jeden Fall eine Abwechslung zu den oft gewählten Problemen mit Suchtmitteln, Ehe und/oder sonstigen Animositäten, welche sonst gerne Thriller oder Krimis „auflockern“.

Die Mördersuche gestaltet sich schwierig und – durch sehr viele Opfer an sehr vielen Plätzen – leider ein wenig unübersichtlich für die Leserschaft. Hier wäre möglicherweise weniger mehr gewesen, da Empathie erwiesenermaßen durch schiere Masse leidet. Langweilig wurde mir jedoch nicht und die Einschübe von zumeist schwarzem Humor trafen ins Ziel. Eine Enttäuschung war jedoch der unbefriedigende Abschluss des Falls, - gerade von einem Profiler hätte ich etwas mehr Hintergrund zum Täter erwartet. Im Großen und Ganzen fühlte ich mich jedoch von diesem E-Book, welches zu einem moderaten Preis angeboten wird, gut unterhalten.

Bewertung vom 10.03.2018
Das Geheimnis der Muse
Burton, Jessie

Das Geheimnis der Muse


sehr gut

Traurig schön

Zum Inhalt:
Olive ist die Tochter einer reichen, jedoch leicht gemütskranken Mutter und eines jüdischen Vaters, der im Wien der 30er Jahre eine Kunstgalerie führt. Die Familie wird nach Spanien verschlagen, wo Olive Teresa und Ivan kennenlernt, ein Geschwisterpaar, welches ihr die Augen zu den politischen und ökonomischen Umständen öffnet.
Odelle hingegen lebt in den 60er Jahren in London. Sie kommt von den Kolonien und wird wegen ihrer Hautfarbe zwar nicht geächtet, aber doch gemieden, bis sie das Glück hat, eine Anstellung bei der kapriziösen Marjorie Quick zu bekommen.
Beide Frauen sind, ohne es zu wissen, durch das Schicksal dieser Dame verbunden.


Mein Eindruck:
Olive und Odelle – zwei Frauen, zwei Welten. Beide sind sie Außenseiterinnen mit einer künstlerischen Begabung ohne eine nahe Familie, bei Olive durch das Unverständnis, das ihre Eltern ihrer Kunst entgegenbringen, bei Odelle durch die räumliche Entfernung. Und beide bringen sie ihrer Umwelt eine gewisse Abgeklärtheit entgegen. Wenn sie an ihrem Schicksal manchmal zu verzweifeln drohen, schaffen sie es, sich am eigenen Zopf aus dem Sumpf zu ziehen, - wenn auch auf eine zum Teil sehr unorthodoxe Art und Weise.
Die Autorin weiß sehr geschickt, Umstände und Umgebungen zu schildern. Einiges, was heute unmöglich erscheint, war vor noch nicht allzu langer Zeit absolut üblich: Offene Diskriminierung des Geschlechts und der Hautfarbe. Der Umgang durch ihre Protagonistinnen mit dieser Herabwürdigung ist zeitgemäß – nicht grober Klotz auf grobem Keil, sondern fließend wie das Wasser, welches Felsen brechen kann.
Die Intensität, mit der sich Burton ihren Frauenfiguren widmet, lässt sie ein wenig bei den männlichen Charakteren vermissen. Einzig Isaac, ein spanischer Revolutionär und Olives Objekt der Begierde, gewinnt an Kontur, die restlichen Herren sind eher Beiwerk oder Stichwortgeber für den weiblichen Part.
Die Gliederung in einige große Kapitel mit zwei Unterkapiteln, welche sich jeweils mit dem Schicksal Odelles und Olives befassen, lassen den Leser langsam, aber unaufhaltsam auf eine Katastrophe hinzulaufen, welche die Verbindung der beiden Frauen erklärt. Diesem Augenblick fiebert man entgegen und versinkt in einem Buch, das vermag, die kleinen Schicksale im großen Ganzen zu vermitteln.

Mein Fazit:
Kleine Geschichten in der großen Geschichte

Bewertung vom 26.02.2018
Die Rache der Polly McClusky
Harper, Jordan

Die Rache der Polly McClusky


ausgezeichnet

Ein Schlag in die Magengrube

Zum Inhalt:
Die elfjährige Polly wundert sich, als ihr Vater Nate sie an der Schule abpasst. Dann erfährt sie, dass es einen Mordbefehl gegen ihre Eltern und sie gibt, welcher schon an ihrer Mutter vollstreckt wurde. Um sich und Polly zu schützen, versucht Nate ihr alles beizubringen, was er in seiner kriminellen Karriere gelernt hat und gleichzeitig einen Weg zu finden, den Befehl rückgängig zu machen.

Zum Stil:
In relativ kurzen Kapiteln, überschrieben mit der Person, aus deren Sicht erzählt wird, schildert der Autor die atemberaubende Flucht in vier Akten. Dadurch wirkt der Roman fast wie eine Oper: Mit Ouvertüre, Zwischenspiel und großem Finale. Es folgt zwar noch eine Art Epilog, aber dieser ist fast als kleine Medizin zum Abebben des Herzschlags notwendig.

Mein Eindruck:
Was für ein Debüt! Es ist fast nicht zu glauben, dass es sich bei „Die Rache der Polly McClusky“ um einen Erstling handeln soll, so intensiv ist die Schreibe von Jordan Harper, so tief trifft er seine Leser ins Herz. Gut, als Drehbuchautor sollte er sich mit Dialogen auskennen, jedoch stehen Milieubeschreibungen und die Schilderungen der Gedanken seiner beiden Hauptpersonen Nate und Polly diesen in nichts nach. Bei dem Leser weckt das zwiespältige Gefühle: Einerseits hofft er auf ein baldiges Ende der Flucht vor den bösen Heerscharen, andererseits fürchtet er dieses, da damit der Roadtrip ebenfalls vorbei sein müsste. Die Verwandlung des kleinen, ängstlichen Mädchens in eine Rächerin ist zwar unglaublich, gelingt Harper aber so gut, dass man ihm jedes einzelne Detail davon abnimmt, bis Polly von einem unauffälligen Braunschopf in ein wassermelonenfarbenes Stahlauge von der Venus geworden ist. Trotz viel Gewalt (auch gegen Kinder und Tiere) ist das Lesen dieses Thrillers ein Genuss, da an vielen Stellen auch die Menschlichkeit ihr Gesicht zeigen darf und ein wunderbar schwarzer Humor an den unwahrscheinlichsten Stellen aufblitzt.
Auf die Verfilmung darf man also jetzt schon gespannt sein.

Mein Fazit:
Glänzende Unterhaltung, viel Blut, viel Feinde, aber auch viel Ehre
5 Sterne

Bewertung vom 26.02.2018
Die erstaunliche Familie Telemachus
Gregory, Daryl

Die erstaunliche Familie Telemachus


gut

Familiengeschichte, - nicht leicht gemacht

Zum Inhalt:
Von der schon früh verstorbenen (Groß-)Mutter haben die Telemachuskinder und –enkel übersinnliche Fähigkeiten geerbt – Telekinese, Sicht in die Zukunft und vieles mehr. Leider sind diese Fähigkeiten vor allem für die direkte Nachfolge-Generation eher Fluch denn Segen, Enkel Matt kostet die Möglichkeit, außerhalb seines Körpers schweben zu können weidlich aus. Richtig kompliziert wird es, als sich nicht nur der Familienpatriarch Teddy, sondern auch sein Sohn Frankie mit einem Mafiaboss anlegen und damit die gesamte Familie in Gefahr bringen.

Mein Eindruck:
„Richtig kompliziert“ ist für mein Dafürhalten das, was die Story dieses Buches ausmacht. Beginnt es – wie vom Klappentext suggeriert – als Geschichte eines pubertierenden Teenagers, leicht gespickt mit Fantasy-Elementen, wird es dann zur Gaunerkomödie und schließlich zu einem handfesten Krimi, nur unterbrochen von einem Drama um gebrochene Herzen und frühe Waisenschaft. Nun könnte man – in der roten Ecke – diese Gemengelage wohlwollend als „spritzige Familiengeschichte in einem Genremix, der seinesgleichen sucht“ betiteln oder – in der blauen Ecke – nicht ganz so wohlwollend als „absolutes Stil-Durcheinander eines Autors, der sich nicht festlegen kann oder will“.
Ich verhalte mich einmal violett und versuche zu schildern, was mir persönlich gefallen hat, - oder eben auch nicht.
Sehr schön ist die Idee, jedes Kapitel aus Sicht einer Person zu beschreiben. So erhält der Leser Einblicke in die durchaus ambivalenten Gefühle, welche die Mitglieder der Familie für die Umstände hegen. Dadurch, dass diese Kapitel jedoch bis kurz vor Schluss eine gewisse Länge aufweisen, wirken sie manches Mal ein bisschen dröge und die Story kommt nicht wirklich in die Puschen. Der Autor hat ein großes Maß an Fantasie und weiß seine Figuren liebevoll in Szene zu setzen, aber genau dieses Maß an Fantasie vermittelt oft das Gefühl, dass er sich in seiner Mixtur verzettelt. Erst zum Schluss – mit schnellen Wechseln der Perspektiven, einem Zusammentreffen aller wichtigen Personen des Telemachus-Universums und dem folgenschweren Showdown kommt echte Stimmung in die Vorstadt-Bude.

Mein Fazit:
Es kommt (zu) langsam, dann aber gewaltig. Leider sehr spät.

Bewertung vom 18.02.2018
Eine Insel zwischen Himmel und Meer
Wolk, Lauren

Eine Insel zwischen Himmel und Meer


ausgezeichnet

Ein warmes Märchen

Zum Inhalt:
Der Einsiedler Osh findet ein Neugeborenes am Strand, welches in einem Boot auf einer entfernten Insel ausgesetzt worden ist. Er nennt das Mädchen Crow. Als Crow älter wird, sucht sie beharrlich nach ihren Wurzeln und findet diese auf einer Insel, auf der Leprakranke behandelt wurden. Zusammen mit Osh und der Nachbarin Miss Maggie gräbt sie buchstäblich tiefer und gerät dadurch in Gefahr.

Mein Eindruck:
Mit viel Wärme und Einfühlungsvermögen gelingt es Lauren Wolk, den relativ eintönigen Alltag dreier Menschen auf einer Insel zu Beginn des letzten Jahrhunderts so zu beschreiben, dass den Lesern dieses Leben absolut erstrebenswert erscheint – ganz ohne größeres Kulturangebot und Elektrizität, im Einklang mit der Natur. Eingestreute Weisheiten in der Art von „gib jedem Menschen eine Chance, bewerte ihn einzeln nach seinem Handeln und schere nicht alle über einen Kamm“ werten die Geschichte spielerisch auf und sind dabei so unauffällig, dass sie von der jugendlichen Zielgruppe nicht als erzieherische Maßnahme erachtet werden. Dieser Zielgruppe ist wohl die Krimihandlung geschuldet, die zwar nicht unbedingt notwendig wäre, die Story aber auf jeden Fall aufpeppt. Die Wahl einer Ich-Erzählerin in der Person von Crow sorgt zusätzlich für eine Identifikation, da die Sprache einfach, jedoch nicht langweilig gehalten ist. Einzig (und das wird wohl ein Fehler der Übersetzung sein), dass Crow Miss Maggie anfangs duzt und später siezt sorgt für ein Stolpern des Leseflusses.
Der Abschluss der Geschichte ist rund und gefällig, obwohl nicht alle offenen Fragen geklärt werden und sich so manches nicht zur vollständigen Zufriedenheit Crows auflöst. Aber das ist das wahre Leben und wenn einem alles sofort in den Schoß fällt, gibt es ja auch nichts mehr, das man anstreben und auf das man sich freuen kann.

Mein Fazit:
Ein Hohelied auf die Familie – wenn auch nicht durch Geburt

Bewertung vom 16.02.2018
Der Mann, der nicht mitspielt / Hardy Engel Bd.1
Weigold, Christof

Der Mann, der nicht mitspielt / Hardy Engel Bd.1


ausgezeichnet

Gut kombiniert

Zum Inhalt:
Da seine Schauspielkünste im Hollywood der Zwanzigerjahre nicht besonders gefragt sind, verdingt sich der deutsche Hardy Engel als Privatdetektiv. Von der jungen und sehr hübschen Pepper wird er auf Virginia Rappe angesetzt – ein Starlet, welches sich ein Zubrot durch Erpressungen verdient. Hardy findet Virginia auf einer Party des gefeierten Komikers Fatty Arbuckle, doch kurz danach ist sie tot, Fatty verdächtig und Hardy der Meinung, dass nicht alles mit rechten Dingen zugeht. Er beginnt auf eigene Faust zu ermitteln und bringt sich und Pepper in tödliche Gefahr.

Mein Eindruck:
Geradezu meisterhaft verbindet Christoph Weigold einen überaus interessanten und bis jetzt nicht aufgeklärten wirklichen Fall und echte Berühmtheiten mit seiner Fantasie und der fiktionalen Figur des Hardy Engel. Diese geschickte Melange führt dazu, dass man sich außerhalb der Buchdeckel informiert und das Angebot der Aufklärung, die vom Autor geboten wird, gerne annimmt. Die Figuren sind lebensecht, ein Spiegel ihrer Zeit und – wie auch die Schauplätze – äußerst bildhaft beschrieben. So erscheinen die Charaktere und die Straßen von Hollywood und San Francisco sowie die Clubs mühelos vor dem geistigen Auge des Lesers. Der Protagonist ist kein Übermensch, er trägt Blessuren an Körper und Seele davon und wirkt damit umso glaubhafter. Die zynischen Züge der Figur werden gut durch die Kriegserfahrung und den Kampf mit den täglichen Gegebenheiten erklärt, trotzdem bewahrt sich Hardy einen gewissen Glauben an das Gute und Richtige in dem Sumpf, in dem er fast buchstäblich watet. Diese Vielschichtigkeit seines Personals und die Prominenz bescheren dem Leser einen vergnüglichen Blick durch das Schlüsselloch auf das Sündenbabel vor 100 Jahren. Glücklicherweise kann man Tote nicht verleumden – der Autor hätte sonst wohl einige neuzeitliche Klagen am Hals.
Die Geschichte ist gut durchstrukturiert, hat jedoch einige Längen, die man gerne verzeiht, da sie wenn auch nicht für die Kriminalgeschichte, so doch für die zeitliche Einordnung hilfreich sind.

Mein Fazit:
Diesem Detektiv schaut man gerne beim Ermitteln zu

5 Sterne

Bewertung vom 16.02.2018
In eisiger Nacht / Detective Max Wolfe Bd.4
Parsons, Tony

In eisiger Nacht / Detective Max Wolfe Bd.4


sehr gut

Menschenhandel

Zum Inhalt:
Zwölf Frauen erfrieren in einem Laster, da ihr Schleuser nicht an die automatische Kühlung gedacht hat. Max Wolfe beginnt mit seinen Recherchen in Chinatown, dem Fundort des Wagens. Bald muss er jedoch feststellen, dass das Krebsgeschwür des modernen Sklavenhandels nicht nur wuchert, sondern von heller Farbe ist.

Mein Eindruck:
Der Journalist Tony Parsons schreibt für die Boulevardpresse in Großbritannien – und das merkt man seinem Stil an. Auf den Punkt, schnörkellos und mit dem Ohr am Stammtisch der Welt sind seine Krimis eher reißerisch und blutig und die Schauplätze drastisch umschrieben. Die Charaktere zeichnen sich leider entweder durch eine gewisse Farblosigkeit aus (das Kollegium um Max Wolfe) oder sind absichtlich gegen den Strich gebürstet – so viele im Grunde ihres Herzens doch eigentlich ganz sympathische Kriminelle wie hier findet man wohl eher nicht im wahren Leben. Richtig Spaß machen der immer vorhandene, subtile Humor und der Protagonist, der das Herz am rechten Fleck hat, seine Handlungen und die seiner Behörde hinterfragt und gerne einmal politisch absolut unkorrekt denkt: Zum Beispiel halten er und seine Kollegen sich bei einer Schlägerei von verfeindeten Gangstergruppen heraus, anstatt sich selber durch ein Intervenieren in Gefahr zu bringen. Gut auch, dass Max privat wenigstens relativ glücklich ist, zwar ohne Frau, dafür mit kleiner Tochter, die jedoch für ihr Alter zu eloquent redet und handelt – das hätte der Autor besser regeln können.
Die Szenen sind gut ausgewogen zwischen privaten Teilen und Ermittlungen, eher stillen Momenten und Action und der Leser kann sich mitgenommen fühlen und kommt – wenn er sich aufmerksam verhält – auf die gleiche Lösung wie die Beamten; der bittere Moment zum Schluss ist ein Markenzeichen von Parsons-Krimis.

Mein Fazit:
Ein schlüssiger Aufbau, unkompliziert in Stil und Sprache, mit leichten Schwächen in den Charakteren, aber spannend

Bewertung vom 21.01.2018
Tiefe Saat
Löffler, Falko

Tiefe Saat


ausgezeichnet

Großartig

Zum Inhalt:
Peter Sander, geschieden, ein Sohn, ist BKA-Beamter und momentan an einigen Berliner Konvertiten interessiert. Diese könnten einen Anschlag auf eine durch den deutschen Verteidigungsminister Gehrke initiierte Konferenz planen. Sander kennt Gehrke aus mehreren Einsätzen als Personenschützer und versucht auch bei dieser Aufgabe wieder, sein Bestes zu geben. Doch dann muss er bemerken, dass der Feind wohl auch in den eigenen Reihen zu suchen ist, - und dieser Feind ist skrupellos.

Mein Eindruck:
Löffler hat von vorne bis hinten eine absolut spannende Geschichte geschrieben, bei der man nur hoffen kann, dass möglichst viel davon in den Bereich der Fiktion gehört. Dazu beinhaltet dieser Thriller alles, was man sich für einen rasanten Roman wünschen kann – Liebe, Geld, Verschwörungstheorien, interessante Schauplätze – und wirkt trotzdem weder überfrachtet noch hat man das Gefühl, dass diese Zutaten auf einer Liste abgehakt werden und deshalb nur eine kurze Erwähnung finden.
Die Einteilung in vier große Kapitel mit kleineren Abschnitten (immer jeweils einen Tag und einen Schauplatz umfassend) war absolut unnötig, da es bei diesem Buch keine Abgrenzung geben muss, in die man sein Lesezeichen legt. Einmal zur Hand genommen, macht es einem die Story unmöglich, es wieder aus derselben zu legen. Dafür sorgt ein brillanter Stil – prägnant und trotzdem beschreibend – ein Protagonist mit dem man sich identifizieren kann, und die Kunst, die Leser zu verwirren, ohne sie zu betrügen. Wie Sander tappt man ein ums andere Mal in die Falle, die Autor bzw. seine erdachten Figuren für den Beamten und die Leser bereithalten und wird von einer Auflösung überrascht, die gefällt und stimmig erklärt wird.

Mein Fazit:
Einfach nur klasse, ich freue mich auf das nächste Buch dieses Autors

Bewertung vom 21.01.2018
Das Lied der toten Mädchen / Jan Römer Bd.3
Geschke, Linus

Das Lied der toten Mädchen / Jan Römer Bd.3


gut

Zum Inhalt:
Vor zwanzig Jahren wurde die Leiche eines hübschen, jungen Mädchens gefunden, neben ihr eine Spieluhr. Jetzt nehmen sich zwei Reporter – Jan und Stefanie - des Falles an, der damals ungelöst blieb. Sie entdecken, dass viele Leute im Spiel waren, die ihr Vorgehen um dubiose Vorgänge im Sauerland lieber geheim halten wollen. Und damit ist nicht nur der Todesfall gemeint.

Mein Eindruck:
Linus Geschke bedient zwei Anforderungen eines Thrillers perfekt: Ein packendes Eingangsszenario und ein furioses Ende – möglichst mit Überraschungen für Ermittler und Leser. Uneingeschränkt gelingt ihm dieses, aber im Mittelteil – und zwar in einem sehr ausführlichen Mittelteil – widmet er sich für meinen Begriff viel zu sehr dem teilverkorksten Privatleben seines Protagonisten. Augenzwinkernd sieht er ihm zu, wenn sich Jan bis zum Filmriss zuschüttet und seinen kindlichen Sohn mit Regeln zum effektvollen Schlagen füttern lässt. Auch wenn man kein pädagogischer Weichspüler ist, - diese Szenen sollten doch zu einem Stirnrunzeln der geneigten Leserschaft führen. Glücklicherweise beweist der Autor ein besseres Händchen, wenn er sich mit dem Umfeld von Tat und Täter heutzutage und zu damaliger Zeit befasst. Beweggründe werden deutlich, die Charaktere gut herausgearbeitet und der Lokal- und Zeitkolorit anschaulich geschildert. Besser als die weibliche (theoretische) Hauptperson: Über Stefanie, genannt Mütze, erfährt man nicht viel mehr, als dass sie hübsch und dunkelblond ist, gut recherchieren kann und immer eine Kopfbedeckung trägt. Möglicherweise behält sich Geschke das für einen Folgeband vor, es wäre auf jeden Fall angenehmer, etwas über ihren Hintergrund zu erfahren, als wieder einem Saufgelage seitens ihres Kollegen beizuwohnen.

Mein Fazit:
Interessante Ausgangsposition, überraschendes Ende, wegen zu viel Privatkokolores und genretypischer Probleme (nur) drei Sterne