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Isabel von Belles Leseinsel
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Mainz
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Bewertungen

Insgesamt 585 Bewertungen
Bewertung vom 06.01.2011
Sterbenskalt
French, Tana

Sterbenskalt


ausgezeichnet

Und wieder gelingt es Tana French quasi mit dem ersten Satz, einen an das Buch zu binden, ohne die geringste Chance, es vor dessen Beendigung aus der Hand legen zu können. Ihr Schreibstil ist wieder kraftvoll, bildhaft, stellenweise regelrecht poetisch und einfach nur absolut fesselnd. Die eigentliche Krimihandlung ist zwar ständig präsent, jedoch liegt der Focus eindeutig bei ihrem Protagonisten und seinem bisherigen Leben.
Durch ständige Rückblicke erfährt man als Leser so nach und nach das triste, arme und von Gewalt geprägte Leben von Frank kennen. Ganz eindeutig hat ihn die Zeit in Faithfull Place fürs Leben geprägt. Frank meidet keine Schlägerei, geht bei seinen Nachforschungen stellenweise sehr rabiat und gewalttätig zu Werke, manipuliert Menschen nach Gutdünken und hasst seine Familie. Und doch merkt man mit der Zeit, dass seine Wurzeln immer noch in Faithfull Place verankert sind, er sich selbst als schlechten Menschen sieht, für seine kleine Tochter töten würde, noch einiges für seine geschiedene Frau empfindet und er immer noch nicht mit seiner Vergangenheit abgeschlossen hat. Frank hat viele Charaktereigenschaften, die einfach nur unsympathisch sind und dennoch gelingt es der Autorin problemlos, dass man mit ihm mitfühlt, er einem Leid tut, man Verständnis für sein Handeln aufbringt und ihm etwas Glück im Leben wünscht. Dies liegt möglicherweise auch daran, dass Tana French ihren Protagonisten selbst die Geschichte erzählen lässt und man so seine Beweggründe besser versteht.

Alle ihre Charaktere nehmen fast augenblicklich Konturen an, so liebevoll und detailreich sind sie gezeichnet und vor allem, so authentisch. Da ist der vom Leben enttäuschte Vater, der seinen Frust über Jahrzehnte hinweg im Alkohol ertränkt und ganz besonders im stark betrunkenen Zustand zu extremer Gewalt neigt. Da ist die ständig meckernde, fast schon herzlose Mutter, die kaum noch fähig ist, ihre Gefühle gegenüber ihren Kindern zu zeigen. Franks Geschwister Jackie, Carmel, Shay und Kevin: Alle so unterschiedlich im Charakter, doch alle fixiert auf die Eltern, die umsorgt sein müssen und denen immer noch wichtig ist, was andere Leute über sie denken, dass der Schein nach außen hin immer gewahrt werden muss. Hier ist nicht unbedingt Liebe zwischen den Familienangehörigen zu spüren, sondern vielmehr Verantwortung und Zusammengehörigkeitsgefühl, für den anderen einstehen und da zu sein. Frank hatte damals den Absprung auch ohne Rosie geschafft, seinen Geschwistern ist dieses Glück nicht vergönnt gewesen. Sie leben sie nach wie vor noch in Faithfull Place, dessen Leben sich so wenig seit damals verändert hat.

Anfangs wirkt die Story recht geradlinig, doch immer mehr tauchen kleine Ungereimtheiten auf, neue, unerwartete Ereignisse geschehen, sodass allein hierdurch schon die Spannung auf einem hohen Level ist. Aber der größte Spannungsfaktor entsteht durch den atmosphärisch so dichten Schreibstil von Tana French und der Geschichte rund um Rosie und Frank, auf der das eigentliche Hauptaugenmerk liegt. So zeichnet die Autorin wunderbar das Bild eines ärmlichen Viertels in Dublin und dessen Menschen Mitte der 1980er Jahre. Man hat Faithfull Place regelrecht vor Augen, kann sich die Tristesse, die Spießigkeit, Gewalttätigkeit und den Mangel an Privatsphäre hervorragend vorstellen. Und dies macht den eigentlichen Zauber dieses hervorragenden Buches aus, der Krimi ist eigentlich hierbei nur ein Nebenschauplatz.

10 von 12 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 03.01.2011
Der gefrorene Rabbi
Stern, Steve

Der gefrorene Rabbi


weniger gut

In welches Genre dieses Buch passt, kann ich einfach nicht sagen. Einerseits ist es ein Familiendrama, dann wieder ein historischer Roman, nicht zu vergessen sind hier aber auch die vielfachen esoterischen Ansätze und dann driftet es wieder in ein Jugendbuch ab. Mir ist es auch ein Rätsel, welche Zielgruppe der Autor hier vor Augen hatte. Irgendwie wirkt alles etwas überladen, zu viele verschiedene Ansatzpunkte werden in den Roman gepackt, es ist einfach keine Richtung erkennbar, da auf nichts tiefgründiger eingegangen wird.

Hielt man anfangs die Geschichte der Gegenwart noch für eine witzig, skurrile Story, so driftet sie mit der Zeit immer mehr ins Esoterische ab, als Bernie beginnt, seine außerkörperlichen Reisen in den Himmel anzutreten. Während seine Seele auf Wanderschaft ist, merkt er nicht, was mit seinem Körper passiert. So kann es passieren, dass er plötzlich in einem Spind aufwacht und keine Ahnung hat, wie er da hingekommen ist. Und dies alles nur, weil er sich intensiv mit dem jüdischen Glauben beschäftigt.

Dann war ich eigentlich auch der Meinung, dass es hier hauptsächlich um den Rabbi und seine Erfahrungen im 21. Jahrhundert gehen würde, wieder eine falsche Interpretation der Kurzbeschreibung von meiner Seite. Jedoch wird dieser zwischenzeitlich nur am Rande – wenn überhaupt – erwähnt und die Story in der Gegenwart entwickelt sich zu einer pubertierenden Geschichte rund um Bernie.

Ja, und dann die vielen jüdischen Begriffe. Ich bin ja eigentlich immer offen für neue Informationen und freu mich auch, wenn ich einem Buch so ganz nebenbei etwas über fremde Kulturen oder andere Religionen kennen lernen kann. Aber hier ist dem Guten einfach zu viel. Im historischen Teil passt es ja noch ganz gut hinein, aber die verdrehten Satzstellungen und die jüdischen Begriffe auch in der Gegenwartsstory lesen zu müssen, war mir dann doch zu viel. Eigentlich kann es nicht die Absicht des Autors gewesen sein, dass Buch einem breiten Publikum zukommen zu lassen, dafür ist es einfach zu speziell. Aber hierüber wird in der Kurzbeschreibung nicht eingegangen und so geht man zwangsläufig unter falschen Voraussetzungen an das Buch. Ich weiß nicht, wie es bei der Gebundenen Ausgabe ist, aber bei meinem Leseexemplar war kein Glossar dabei, will heißen, ich musste jeden Begriff im Internet nachlesen, den ich nicht verstanden habe, und dass waren schon einige und das nervt.

Was mich ja dann doch immer wieder zum Weiterlesen ermutigt hat, war der historische Teil des Buches. Dieser ist wirklich interessant und unterhaltsam angelegt, auch wenn die vielen jüdischen Begriffe auch hier oft nerven. Allerdings musste ich auch feststellen, dass mir einige ganz geläufig waren, auch wenn ich sie auf den ersten Blick durch die jiddische Schreibweise nicht sofort erkannt habe.

Auch ist auffällig, dass die Figuren seltsam blass und konturenlos bleiben, kann natürlich auch sein, dass es nur mir so ging. Jedenfalls habe ich während des gesamten Buches von keiner Figur eine konkrete Vorstellung bekommen.

Bewertung vom 28.12.2010
Ohnmachtspiele / Polizeimajor Johannes Schäfer Bd.2
Haderer, Georg

Ohnmachtspiele / Polizeimajor Johannes Schäfer Bd.2


ausgezeichnet

Mit der falschen Fährte ans Ziel?

Eine junge Frau wird tot aus dem Fluss geborgen. Alles deutet auf einen Unfall oder Selbstverschulden hin. Doch Major Johannes Schäfer aus Wien hat so seine Zweifel. Und dann ist da noch der skelettierte Tote aus dem Wienerwald. Als dann kurze Zeit später noch eine junge Frau tot in der Badewanne ihres Hauses gefunden wird, ist Major Schäfer überzeugt, einem Serienmörder auf der Spur zu sein. Doch nur er sieht hier Verbindungen, für den Polizeipräsidenten sind dies nur Unfälle und ein Drogentoter. Allerdings lässt Schäfer sich davon nicht abschrecken und beginnt teilweise auf eigene Faust Ermittlungen anzustellen. Und sein Polizeiinstinkt soll Recht behalten.

Eigentlich ist Johannes Schäfer noch krankgeschrieben, Diagnose: Burnout. Die für ihn mysteriösen Todesfälle lassen ihn jedoch keine Ruhe und so erklärt er sich kurzentschlossen wieder für gesund und beginnt, zusammen mit seinem Assistenten Bergmann und der jungen Kriminalinspektorin Kovacs, mit den Ermittlungen in den ungeklärten Fällen. Allerdings werden ihnen von Seiten der Obrigkeit massive Knüppel in den Weg gelegt. Denn die neue Polizeireform sieht Sparmaßnahmen vor, die Statistik muss stimmen, alles andere zählt nicht. Und so muss Schäfer zusehen, wie er seine Ermittlungen mit den Sparmaßnahmen in Einklang bringen kann, was ihn zu einigen ziemlich unkonventionellen Vorgehensweisen zwingt.

Der Fall entwickelt sich von Anfang an sehr interessant und fesselnd. Immer wieder gelingt es Georg Haderer neue Fakten in die Ermittlungen einzubringen, die ungeahnte Wendungen herbeiführen. Der Leser ist ständig auf dem gleichen Wissenstand wie Schäfer und öfters mal überrascht über seine Gedankengänge, die ihn zwar auch das eine oder andere Mal auf eine falsche Spur führen, was aber gerade die Spannung in dem Krimi fördert. Und die Auflösung ist wirklich sehr überraschend, lange nicht ersichtlich und absolut logisch umgesetzt. Ergo: eine komplexe, gut durchdachte Story.

Der Schreibstil des Autors ist flüssig, bildhaft und stellenweise sehr ruhig und oft nachdenklich, mit einem guten Schuss Humor durchsetzt und durchweg äußerst fesselnd. Dadurch kommt während des gesamten Krimis nie ein Hauch von Langatmigkeit auf und auch die Wechsel zwischen den Ermittlungen und dem Privatleben von Johannes Schäfer sind hervorragend dosiert. Zumal Schäfer selbst während seiner privaten Zeit seine Gedanken nie ganz von dem Fall lösen kann und man dadurch seinen stellenweise leicht verworrenen Gedankengängen folgt. So ist das Buch perfekte Unterhaltung mit einem überwiegenden Krimianteil, welches sogar noch mit einem Hauch von Thrillerfeeling aufwarten kann.

Georg Haderer konzentriert sich bei seinem zweiten Schäfer-Krimi überwiegend auf seinen Protagonisten und so bekommt man schnell eine Vorstellung von ihm. Der Autor zeichnet den Major als einen zu Depressionen neigenden Menschen, der diesen aber auch mit einem guten Schuss Selbstironie gegenübertritt, sich durch den neuen Fall selbst aus dem Sumpf herauszieht und ziemlich dickköpfig, eigenbrötlerisch und vor allem stur seinen Weg geht. Hierbei interessiert es ihn auch herzlich wenig, ob ihm durch sein Verhalten ein Disziplinarverfahren drohen könnte oder er sich gar ziemlichen Ärger mit dem Polizeipräsidenten einhandelt. Durch diese Eigenarten wirkt die Figur von Major Schäfer äußerst sympathisch und gerade diese Fehler und Macken lassen ihn sehr authentisch wirken, zumal diese niemals überzogen beschrieben sind.

Fazit: Beste Krimiunterhaltung auf hohem Niveau mit einem Protagonisten, der Ecken und Kanten haben darf und einer Story, die von Anfang an überzeugt.

0 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 20.12.2010
Die Rose von Salerno
Trodler, Dagmar

Die Rose von Salerno


sehr gut

Anno 1084: Zusammen mit ihrer Schwester, ihrem Großvater und Aidan, dem jüngeren Bruder ihres verstorbenen Verlobten, begibt sich die Adlige Ima von Lindisfarne auf eine Pilgerreise nach Santiago de Compostela, um am Grab des Apostels für ihren Verlobten zu beten. Stephens früher Tod kann Ima bis heute nicht verwinden und ständig hängen ihre Gedanken bei Stephen und ihrer gemeinsamen Zeit. Bei einer Rast lernt sie unter ziemlich widrigen Umständen den Ritter Gérard de Hauteville kennen, dessen rüde Art sie anfangs abschreckt. Kurze Zeit später eröffnet ihr Aidan, dass er als Knappe in den Dienst eines Ritters getreten ist und mit ihm nach Salerno reist. Ima ist entsetzt, ist Aidan ihrer Meinung nach doch noch viel zu jung dafür und ihr Entsetzen wird noch größer, als sie erfährt, in wessen Dienst er getreten ist. Es ist kein geringerer als Gérard des Hauteville.

So macht sie sich alleine auf den Weg nach Salerno, um Aidan wieder zurückzuholen. Auf ihrem Weg lernt sie den Mönch Thierry kennen, doch ihre Wege trennen sich in Salerno wieder, als gewalttätige Männer versuchen, sie zu überfallen. Eine Gauklertruppe rettet sie und bei ihnen verbringt Ima eine zwanglose Zeit bis sie sich wieder ihres Planes entsinnt und Erkundigungen über Aidans Aufenthaltsort anstellt. Hierbei erfährt sie, dass Aidan und Gérard im Heer von Robert Guiscard auf den Weg nach Rom sind, um Papst Gregor VII. aus der Engelsburg zu befreien. Getarnt als Junge schließt sie sich der gewaltigen Streitmacht an und ist beim Einzug in Rom dabei. Schon bald wird Rom erobert und Aidan stirbt in ihren Armen. Ihr bleibt nur noch der Weg zurück nach Salerno, den sie zusammen mit Gérard antritt.

Dagmar Trodler gelingt es bereits nach wenigen Seiten, ihren Lesern das 11. Jahrhundert mit all seinen Widrigkeiten, Schmutz, Gerüchen und Gewalt vor Augen zu führen. Dies ist nicht nur ihrem bildgewaltigen, farbenprächtigen Schreibstil zugute zu halten, sondern man merkt auch recht bald, dass hier eine sehr fundierte Recherche zugrunde liegt. Und somit ist auch die Geschichte sehr abwechslungsreich aufgebaut und bietet so ziemlich alles, was man in einem historischen Roman lesen möchte: Liebe und Intrigen, eine wenig Politik und große Schlachten und das alltägliche Leben der damaligen Zeit. Dies alles ist wohldosiert, wobei mir allerdings zwischendurch das Mystische etwas überhand genommen hat und auch die viele Kräuterkunde an einigen Stellen einfach zu sehr in den Vordergrund rückt.

Dadurch, dass die Geschichte mal aus Sicht von Ima, dann wieder aus Sicht von Gérard erzählt wird, kann man sich sehr gut in die beiden Charaktere hineinversetzen. Ihre Figuren, allen voran natürlich Ima, sind sehr detailreich und sauber herausgearbeitet. Ima ist eine junge Adlige, die den Tod ihres Verlobten auch nach gut einem Jahr noch nicht verschmerzen kann. Ihr bisheriges Leben hat sie sehr behütet auf einer kleinen englischen Insel verbracht, auf der Gewalt ein Fremdwort war. Doch mit der Idylle ist es vorbei, als ihr Vater plötzlich verschwindet und ihre Mutter immer mehr dem Wahnsinn verfällt. Zudem wird sie überall auf der Insel an Stephen erinnert. So ist die Pilgerreise für sie eine willkommene Abwechslung.

Ima ist für ihre Zeit eine sehr selbstbewusste, tapfere Frau, die sich mutig mit jedweden Schwierigkeiten auseinandersetzt, auch Gefahren nicht aus dem Weg geht und immer versucht, das Beste aus der momentanen Situation zu machen. Trotzdem hat sie natürlich auch Angst, es verlässt sie öfters auch mal der Mut und mehr als einmal hadert sie mit ihrem Schicksal und mit ihren Gefühlen Gérard gegenüber. Aber genau dies lässt sie sehr lebendig herüberkommen.

Und auch die Figur von Gèrard überzeugt. Normalerweise ist keine Frau vor dem Schwerenöter sicher, doch bei Ima ist alles anders. Ihr ist er vom ersten Augenblick an hoffnungslos verfallen. Und obgleich es absolut nicht seinem machohaften Verhalten entspricht, nimmt er von der normannischen Schönhei

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 14.12.2010
Dunkelstein
Schindel, Robert

Dunkelstein


ausgezeichnet

Zwischen den Stühlen
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Kurz vor dem 2. Weltkrieg: In Wien ist Rabbi Saul Dunkelstein Leiter der Auswanderungsabteilung. Hier versucht er mit allen Mitteln, so viel Juden wie nur möglich zur Emigration zu bewegen und somit ihr Leben zu retten. Allerdings sehen zahlreiche Juden zu diesem Zeitpunkt die herannahende Gefahr durch den Nationalsozialismus noch nicht und Dunkelstein gerät somit oft in die Kritik. Ihm wird sogar eine Zusammenarbeit mit den Nazis unterstellt. Diese dagegen sind mit der Arbeit von Dunkelstein zufrieden, gestaltet sich die Deportation der Juden aus Wien doch genau nach ihren Vorstellungen.
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Der Regisseur und Lyriker Robert Schindel hat seine Realfarce als Theaterstück aufgebaut, dass sich wie ein Drehbuch liest. So wechselt die Geschichte ständig zwischen den Schauspielern, die ihre Meinung zu dem Stück äußern, teilweise sogar noch eigene Erinnerungen an die Nazizeit mit einbringen können und dem eigentlichen Theaterstück rund um Saul Dunkelstein, der immer mehr in den Fokus des Geschehens rückt.
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Anfangs hatte ich einige Probleme, mich durch die Art der Darstellung in die Geschichte einzufinden und auch die entsprechenden Personen zuzuordnen. Doch je länger man liest umso mehr fesseln die Geschehnisse und die Art des Schreibens von Robert Schindel einen und bald schon ist man so in das Drama eingebunden, dass einen der ungewohnte Drehbuchstil wie selbstverständlich erscheint.
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Der Autor erzählt die Geschichte von Saul Dunkelstein recht neutral, ja fast schon sachlich und zurückhaltend. Hierdurch ist es dem Leser selbst überlassen, sich eine Meinung zu dem Verhalten des Rabbis zu bilden, was ich als sehr angenehm empfand. So erhält man viel besser die Chance, sich selbst mit dem brisanten Thema auseinanderzusetzen. Und dies macht man zwangsläufig auch, denn die Geschichte beschäftigt einen auch nach Beendigung des Buches.
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Stellenweise haben die jüdischen Begrifflichkeiten etwas den Lesefluss gestört, da ich doch des Öfteren nachschlagen musste, um mir diese erklären zu lassen, welche übrigens im Anhang aufgeführt sind. Und auch die vielen Mitwirkenden sind auf der ersten Seite aufgelistet, was einem anfangs gut hilft, den Überblick zu behalten. Im Nachwort geht der in Wien lebende Schriftsteller und Historiker Doron Rabinovici ausführlich auf die Entstehung der Realfarce ein, die auf eine wahre Begebenheit beruht. Hierdurch erhält man zusätzliche Hintergrundinformationen, die einige Szenen in der Geschichte für den Leser verständlicher machen.
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Fazit: Eine interessante und nahe gehende Umsetzung des Themas der Deportation jüdischer Mitbürger aus Wien während der Nazizeit und in jedem Fall sehr empfehlenswert.

Bewertung vom 13.12.2010
Der Geruch von Blut
Piccirilli, Tom

Der Geruch von Blut


sehr gut

Ein guter Polizist
Der blinde Finn arbeitet als Lehrer an einem Internat. Früher war Finn Polizist, ein missglückter Selbstmordversuch ist schuld an seiner Behinderung. An einem kalten Wintertag findet er auf dem nahegelegenen Friedhof die verletzte Harley. Um sie zu verarzten, bringt Finn die junge Harley zurück zum Internat, doch kurz danach verschwindet sie. Vorher warnt Harley ihn noch und gibt ihm die Schuld an den kommenden Ereignissen. Doch woran soll Finn schuld sein, hat er doch keine Ahnung, wovon Harley spricht. Noch am selben Tag schlägt das Wetter um und ein schwerer Schneesturm treibt unaufhaltsam auf den kleinen Ort zu. Mit dem Schnee kommt auch ein wahrer Alptraum auf das Internat zu und Finn muss um sein Leben und das der Schüler und Lehrer fürchten.
Mithilfe von Finns Erinnerungen erzählt Tom Piccirilli zwischendurch immer wieder dessen Leben vor seinem Selbstmordversuch und so erfährt man nach und nach die Gründe hierfür. Und auch, wenn genau diese Erinnerungen immer an den interessantesten Stellen in Erscheinung treten, kommt anfangs wenig Spannung auf. Bis etwa zur Mitte des Thrillers lernt man stattdessen erst einmal sehr ausführlich den Protagonisten kennen und seinen Umgang mit der Blindheit. Dies beschreibt der Autor sehr einfühlsam und - soweit dies möglich ist - nachvollziehbar. Gleichzeitig stellt Tom Piccirilli seinen Lesern auch die weiteren Beteiligten und die Bewohner des Internats vor und auch diese Charaktere sind klar gezeichnet und nehmen schnell Konturen an.
So entwickelt sich der Thriller anfangs erst einmal zu einer Studie über einen blinden Mann, der versucht, nach seinen schrecklichen Erlebnissen in der Vergangenheit, mit seinem jetzigen Leben fertig zu werden. Dies ist Tom Piccirilli gut gelungen, allerdings fehlt hier eindeutig der Thrilleranteil und dies könnte manchen Leser enttäuschen und auch als langatmig empfinden lassen.
Doch wie aus dem Nichts nimmt die Story plötzlich massiv Fahrt auf und der flüssige und dann auch sehr fesselnde Schreibstil des Autors sorgt dafür, dass man das Buch kaum noch aus der Hand legen mag. Schuld daran ist auch, dass Tom Piccirilli seinen Thriller ab diesem Zeitpunkt atmosphärisch dicht umgesetzt hat und geschickt die Blindheit und somit die Orientierungslosigkeit von Finn einsetzt, um hierdurch eine düstere, beklemmende Stimmung aufzubauen. So spürt man deutlich die Hilflosigkeit von Finn, die durch den anrückenden Schneesturm immer schlimmer wird, da ihm bald jeder Orientierungspunkt auf dem Internatsgelände fehlt und die Kommunikationsmöglichkeiten durch die Abgelegenheit des Internats sowieso nur bedingt vorhanden sind.
Lange rätselt man über die mysteriösen Äußerungen von Harley und hat anfangs – genau wie Finn – absolut keine Ahnung, in welche Verstrickungen dieser verwickelt sein soll. Doch so nach und nach kristallisieren sich diese heraus und Finn muss bald feststellen, dass ihn die Vergangenheit sogar an diesem abgelegenen Ort wieder einzuholen scheint.
Fazit: Das Buch überzeugt mit einer komplexen, rätselhaften Story. Allerdings lässt sich der Autor viel Zeit, bis sich die Geschichte auch zu dem versprochenen Thriller entwickelt.

5 von 11 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 11.12.2010
Die Frau vom Leuchtturm
O'Rourke, Sally

Die Frau vom Leuchtturm


sehr gut

Liebe macht blind

Susan Marks ist verzweifelt. Ihr Freund Bobby, ein Berufspilot, ist verschollen. Sein Flugzeug ist irgendwo im Indischen Ozean abgestürzt. Um auf andere Gedanken zu kommen und ihre grenzenlose Trauer verarbeiten zu können, kehrt sie in die Familienvilla auf Rhode Island zurück. Eines Nachts entdeckt sie in ihrem Turmzimmer die Gestalt einer jungen Frau, die aus dem Fenster blickt, ihren Blick traurig auf den gegenüberliegenden Leuchtturm gerichtet. Die Neugier in Susan erwacht und sie möchte unbedingt erfahren, um wen es sich bei dem Geist handelt. Zusammen mit Dan, den sie von früher kennt, beginnt sie ihre Familiengeschichte aufzuarbeiten. Und dabei entdeckt sie ein dunkles Geheimnis, welches die junge Aimee auch nach Jahrzehnten nicht ruhen lässt und als Geist immer wieder in das Turmzimmer zurückkehren lässt.

Man könnte meinen, dass die traurige Grundlage des Romans diesen in eine melancholische, vielleicht sogar kitschige Richtung abdriften lässt. Doch Sally O’Rourke gelingt es hervorragend, zum einen dem Leser die Gefühle von Susan näher zu bringen, ohne auch nur einmal zu sehr auf die Tränendrüse zu drücken und zum anderen schnell eine mysteriöse, spannende Stimmung aufzubauen.

Die Autorin lässt ihre Protagonistin Susan selbst die Geschichte erzählen. Auf diese Weise lernt man natürlich Susan sehr schnell kennen und schließt sie fast augenblicklich ins Herz, kann sich gut in ihr Gefühlschaos hinein fühlen und lernt hierdurch auch sehr gut die weiteren Charaktere des Buches kennen. Hierbei handelt es sich erst einmal um ihren langjährigen, exzentrischen Firmenpartner und platonischen Freund Damon, der absolut kein Blatt vor den Mund nimmt und einem durch seine herrlich direkte Art sofort sympathisch wird. Aber auch, weil man sofort merkt, dass ihm Susan sehr viel bedeutet und er sie unbedingt wieder glücklich sehen möchte. Tja, und dann darf natürlich bei so einem Roman die Liebe nicht fehlen. Und diesen Platz nimmt Dann Freedman ein. Der erfolgreiche Künstler war bereits früher schon in Susan verliebt und steht ihr in sehr selbstloser Art zur Seite und unterstützt Susan, wo er nur kann. Keine Frage, Dan wächst einem sofort ans Herz. Und dann ist da noch Bobby: Susan ist blind vor Liebe zu Bobby, doch irgendwie wird man das Gefühl nicht los, dass mit Bobby irgendetwas nicht so ganz stimmen kann. Ansonsten gibt es noch einige Dorfbewohner von Freedman‘s Cove, die aber eher nur eine Statistenrolle inne haben.

Der Roman ist sehr flüssig, leicht zu lesen und überrascht immer wieder durch Wendungen in der Geschichte, mit denen man nicht unbedingt rechnet. So entwickelt er sich zum Schluss sogar noch zu einem richtigen Thriller, der ein hohes Tempo an den Tag legt und hervorragend die stürmischen Herbsttage auf Rhode Island einfängt.

Fazit: Ein durchweg sehr unterhaltsam, mystisch angehaucht erzählter Roman mit einer nicht unbedingt vorhersehbaren Story, der zum Schluss sogar noch richtig spannend wird.

Bewertung vom 09.12.2010
Im Zeichen der Angst
Bechtheim, Mika

Im Zeichen der Angst


ausgezeichnet

Schatten der Vergangenheit

Seit 20 Jahren hat Clara nichts mehr von ihrer Mutter gehört, da erhält sie Besuch von der Polizei. Ihre Mutter ist ermordet worden und Clara gerät schnell in den Kreis der Verdächtigen. Denn sie saß bereits einmal wegen Totschlags im Gefängnis. 13 Jahre zuvor soll sie den Entführer ihrer kleinen Tochter Johanna ermordet haben, die bei der Entführung starb. Nun hat Clara wieder eine kleine Tochter und schon nach kurzer Zeit sieht alles danach aus, dass die Schatten der Vergangenheit Clara und ihre Tochter Josey wieder einholen.

Aus Sicht ihrer Protagonistin Clara erzählt Mika Bechtheim die vorliegende Geschichte, welche von Anfang an ein sehr hohes Tempo vorlegt und absolut fesselnd, spannend und auch beklemmend umgesetzt wurde. So hält sich Mika Bechtheim auch nicht viel mit Vorgeplänkel und der Vorstellung aller Beteiligten auf, sondern steigt sofort in die Story ein. Clara, selbst Reporterin, beginnt schnell, eigene Ermittlungen über das mysteriöse Leben ihrer Mutter anzustellen und vertraut dabei weder der Polizei noch ihren Freunden, was sie aus Sicht der Polizei zur Verdächtigen macht. Und plötzlich, wie aus dem Nichts, sieht sie plötzlich das Leben von Josey bedroht. Ein wahrer Alptraum beginnt für Clara.

Dieses Gefühlschaos, welches Clara während des gesamten Thrillers durchlebt, ist absolut authentisch und nachfühlbar umgesetzt. Die Story entwickelt sich immer mehr zu einer atemlosen Jagd und je mehr Details Clara erfährt, umso verwirrender wird für sie die ganze Situation und somit auch für den Leser. Man weiß absolut nicht, was sich hinter den Ereignissen verbirgt, ist genauso ratlos wie Clara und die ständigen Wendungen in der Story sorgen hier wirklich nicht für Klarheit. Aber genau diese Ungewissheit sorgt durchgängig für eine extreme Spannung. Ganz zum Schluss verbinden sich dann die vielen losen Fäden zur einer absolut schlüssigen Lösung.

Mika Bechtheim beschreibt ihre Charaktere detailreich und sehr lebendig, sodass sie fast augenblicklich Konturen annehmen, wobei es ihr aber auch hervorragend gelingt, durch kleine Bemerkungen oder Hinweise immer wieder einen zu verunsichern. So weiß man eigentlich, außer bei Clara, nie ganz genau, ob und was sie zu verbergen haben, inwieweit sie in den Fall involviert sind oder ob Clara ihnen vertrauen kann.

Clara selbst ist eine 45-jährige Reporterin und Bestsellerautorin, die nach der Trennung von ihrem Mann Kai ihre kleine Tochter alleine erzieht. Dies ist mit den üblichen Problemen behaftet, aber ihr gelingt der Spagat ziemlich gut. Fremde Hilfe mag sie eher weniger annehmen, ist sehr selbstständig, kann als ziemlich stur bezeichnet werden und sie ist eine Frau, die man sofort sehr sympathisch findet.

Ganz am Anfang und noch einmal zum Schluss verweist die Autorin darauf, dass Clara, die neben der Arbeit als Reporterin auch sehr erfolgreich Krimis schreibt, ihre Bücher unter dem Pseudonym Mika Bechtheim veröffentlicht. Auch sind in der Vita der Autorin wie auch bei der Protagonistin einige Übereinstimmungen festzustellen. Inwieweit das Buch somit authentische Züge hat, muss jeder Leser selbst entscheiden.

Fazit: Ein extrem spannender Thriller mit einer nicht minder fesselnden und komplexen Story, der einem schier den Atem beim Lesen raubt.

Bewertung vom 05.12.2010
Könige der ersten Nacht
Hennen, Bernhard

Könige der ersten Nacht


ausgezeichnet

Die Geschichte des schwarzen Mönchs

In einer kalten Januarnacht des Jahres 1189 sucht der Ritter und Sänger Hartmann von Ouwe eine Unterkunft für die Nacht. Diese findet er auf Gut Waldeck. Hartmann ist auf dem Weg nach Cölln, um im Dom am Dreikönigenschrein zu beten und sich anschließend einem Kreuzzug ins Heilige Land anzuschließen. Durch widrige Umstände lernt er in dieser Nacht den Gutsbesitzer Ingerimm von Waldeck kennen, dieser bietet ihm an, ihn nach Cölln zu begleiten. Noch in derselben Nacht machen die Beiden sich auf den Weg in die Stadt am Rhein und unterwegs erzählt der seltsame Ingerimm ihm die Geschichte über die Reliquien der Heiligen Drei Könige und wie diese vor rund 25 Jahren ihren Weg nach Cölln gefunden haben.

Im Jahr 1162 belagert Friedrich Barbarossa mit seiner Armee Mailand. Grund hierfür sind die Reliquien der Heiligen Drei Könige, die sein Fürsterzbischof Rainald von Dassel um jeden Preis in den Dom von Cölln bringen möchte. Nach einer langen Belagerung fällt Mailand und die Reliquien gehen in den Besitz von Friedrich Barbarossa über. Die Ritter Rother, Anno, Ludwig und Heinrich werden von Rainald von Dassel beauftragt, die Reliquien sicher nach Cölln zu bringen. Doch die Heiligen bergen ein Geheimnis und der Weg der Ritter führt sie in einer abenteuerlichen Reise von Konstantinopel ins Heilige Land bevor sie nach langen Jahren ihr Weg zurück nach Cölln führt. Aber auch hier ist ihr Schicksal noch nicht erfüllt.

Geschickt verbindet Bernhard Hennen in der vorliegenden Geschichte Fiktion und Fakten zu einem äußerst opulenten Roman um die Legende der Reliquien der Heiligen Drei Könige. Durch seinen bildgewaltigen Sprachstil gelingt es ihm fast augenblicklich, einen in das 12. Jahrhundert eintauchen zu lassen, bedingt ist dies auch durch die Benutzung vieler altdeutscher Begrifflichkeiten sowie einer sehr detailgenauen Zeichnung des damaligen Lebens.

Der historische Roman ist von Anfang an äußerst fesselnd umgesetzt und der Autor vermittelt einem sehr gekonnt die geschichtlichen Hintergründe ohne auch nur einmal langatmig zu werden, ganz im Gegenteil. Die Abenteuer der Ritter sind durchweg spannend beschrieben und immer wieder tauchen während des Lesens viele historische Persönlichkeiten auf, die geschickt in die Geschichte mit eingearbeitet wurden. So hat man schon bald das Gefühl, dass die Auffindung der Reliquien sich genau so abgespielt haben muss.

Seine Figuren, seien es die historischen wie auch die erfundenen, sind durchweg sehr detailreich und absolut glaubwürdig umgesetzt. So steht am Anfang der junge Knappe Rother, der seiner Meinung nach zu Unrecht zum Ritter geschlagen wird und sein Leben den Drei Weisen verschrieben hat. Dann gibt es den Ritter Anno, der auch nach vielen Jahren immer noch um seine verstorbene Frau trauert und um jeden Preis seine Tochter Carla an den Hof der Kaiserin bringen möchte. Der Dritte im Bunde ist der Lebemann Ludwig, der weder Frauen noch dem Alkohol aus dem Weg gehen kann. Und zum Schluss Ritter Heinrich, welcher nur in der Hoffnung der Mission zugestimmt hat, dass er nach deren Erfolg aus dem Dienst des Fürsterzbischof entlassen wird und sich dem Templerorden anschließen kann.

Ja, und dann gibt es natürlich noch Hartmann von Ouwe und Ingerimm von Waldeck. Hartmann ist ein junger Ritter, der mehr auf sein Herz denn auf seinen Verstand hört und den Erzählungen des seltsamen, sein Gesicht hinter einer Maske versteckenden Ingerimm immer weniger Glauben schenkt, je mehr er von ihm über die Geschichte der Heiligen erfährt. Die sonderbarste und undurchsichtigste Figur des Romans ist Ingerimm selbst. Seine Identität bleibt einem bis zum Schluss ein Rätsel, welche er schlussendlich selbst löst.

Fazit: Ein opulenter, fesselnder und überaus spannend erzählter Roman, der geschickt historisch hinterlegte Fakten mit einer fiktiven Geschichte verwebt.

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.