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MaWiOr
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Halle

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Insgesamt 3579 Bewertungen
Bewertung vom 30.04.2022
Robinson Crusoe
Defoe, Daniel

Robinson Crusoe


ausgezeichnet

Der Roman „Robinson Crusoe“ des englischen Schriftstellers Daniel Defoe (1660-1731) gilt oft als Kinderabenteuerbuch, dabei ist er längst ein Klassiker der Weltliteratur geworden. 1719 veröffentlicht, Defoe war da bereits 59 Jahre, verarbeitete er darin die wahren Erlebnisse eines Seemanns, der sich auf einer Insel vor der chilenischen Küste für vier Jahre aussetzen ließ.

Defoe erzählt dagegen die Geschichte eines Kaufmanns, der gegen den Willen seiner El-tern seine gesicherte Existenz aufgibt und zur See fährt. Er besteht einige Abenteuer und erleidet schließlich Schiffbruch, den er als einziger der Besatzung überlebt. 28 Jahre voller Abenteuer und Gefahren verbringt Robinson auf einer unbewohnten Insel. Mit einfachsten Mitteln muss sich der Gestrandete ein neues Leben fernab von aller Zivilisation aufbauen. Doch mit Ausdauer, Geschicklichkeit und Beobachtungsgabe sichert er sein Überleben. Detailliert schildert Defoe, wie sich Robinson mühsam auf der Insel einrichtet. Nach geraumer Zeit entdeckt er Fußspuren im Sand: auf der einsamen Insel leben auch „wilde Männer“, die gerade einen Mann töten wollen. Robinson rettet den Eingeborenen und gewinnt dadurch einen Freund, den er Freitag nennt. Nach 28 Jahren legt endlich ein Schiff an und Robinson kann mit Freitag in seine englische Heimat zurückkehren.

In der Penguin Edition ist jetzt eine preiswerte Ausgabe des Klassikers erschienen, die von einem ausführlichen Nachwort des Herausgebers Hans Reisiger (1884-1968) ergänzt wird. Der Schriftsteller und Übersetzer beleuchtete darin die Biografie von Daniel Defoe und die historischen Hintergründe des Romans.

Bewertung vom 29.04.2022
Die schönsten Sagen der Antike

Die schönsten Sagen der Antike


ausgezeichnet

Die antike Sagenwelt ist ungeheuer vielfältig, denn sie erzählt von olympischen Göttinnen und Göttern, von Helden und Ungeheuern. Die griechische Mythologie bietet reichlich Stoff an spannenden und phantastischen Geschichten.

Der wunderbar gestaltete Inselband bietet die 21 schönsten Sagen der Antike – nacherzählt von Matthias Reiner. Den Auftakt macht die Sage „Wie die Welt entstand“, als am Anfang das Nichts war, nur endlose Ödnis. Dann erschien Gaia, die Göttin der Erde und des Lebens. Neben solchen bekannten Sagen wie „Prometheus“, „Der Sturz des Ikarus“, „Europa und der Stier“ oder „Orpheus und Eurydike“ finden sich hier auch weniger bekannte Sagenstoffe. Neben Homer und Hesiod wurden auch die Werke Apollodors, Pausanias‘ und Ovids berücksichtigt.

Das Highlight der Neuerscheinung sind die modernen, ganzseitigen Illustrationen von Burkhard Neie. Die eigenwilligen und ausdrucksstarken Abbildungen machen den Inselband selbst zu einem kleinen Kunstwerk.

Bewertung vom 29.04.2022
Die schönsten Balladen

Die schönsten Balladen


ausgezeichnet

Der Reclam-Band versammelt eine Auswahl von rund fünfzig deutschen Balladen, die in verschiedene thematische Kapitel (wie „Wagemut und Heldentod“, „Die Macht der Liebe“ oder „Wunderbares und Rätselhaftes“) aufgeteilt sind. Es ist eine breitgefächerte Auswahl von knapp vierzig SchriftstellerInnen. Natürlichen fehlen „Der Zauberlehrling“, „Erlkönig“ (Goethe), „Der Taucher“, „Die Bürgschaft“ (Schiller) oder „John Maynard“ (Fontane) nicht, die man sicher noch aus der Schulzeit kennt.

Im 19. Jahrhundert entstanden zahlreiche Balladen, sie machen einen Großteil der Neuerscheinung aus. Hier einige Namen: Doste-Hülshoff, Freiligrath, Eichendorff, Hebbel, Rückert oder Schwab. Der aufmerksame Leser wird entdecken, dass die Ballade „Botenart“ von Anastasius Grün gewissermaßen die Vorlage für Hallervorden-Sketch „Kuh Elsa“ bildete. Aber auch das 20. Jahrhundert ist zahlreich vertreten (Hauptmann, Kolmar, Brecht, Biermann oder Kästner). Ergänzt wird der Band durch ein Vorwort der beiden Herausgeberinnen. Fazit: Eine gelungene Auswahl zum Kennenlernen der deutschen Balladen.

Bewertung vom 29.04.2022
Ein Tag am See

Ein Tag am See


ausgezeichnet

Ein Tag am See … was kann es Schöneres geben. Auch wenn es früher noch keine Stehpaddelbretter oder Wasserskianlagen gab, so ein Tag am See wurde vielfach in Gedichten festgehalten. So ein See strahlt Ruhe und Frieden aus. Hier kann man neue Kraft schöpfen und ungestört seine Gedanken schleifen lassen.

Der schmale Reclam-Band bietet eine breite Auswahl von „See“-Gedichten; dabei reicht die Palette der LyrikerInnen von Rainer Maria Rilke bis zu Eva Strittmatter, von Theodor Fontane bis zu Ulla Hahn. Es sind besinnliche und nachdenkliche Gedichte, die vor allem die Naturschönheit besingen; man findet aber auch einige humorvolle Verse von Christian Morgenstern oder Joachim Ringelnatz. Die Gedichte sind in thematische Kapitel (wie „Sommersee“, „Abend am See“ oder „Nixenzauber“) unterteilt. Ergänzt wird der Band durch ein Vorwort des Herausgebers Eberhard Scholling. Fazit: Eine gelungene Auswahl, die in den Rucksack für einen Tag am See gehört.

Bewertung vom 29.04.2022
Sturmhöhe
Brontë, Emily

Sturmhöhe


ausgezeichnet

Der Roman „Sturmhöhe“ ist ein düster-romantisches Werk um Liebe und Rache und zugleich eine der schönsten und abgründigsten Liebesgeschichten. Dargestellt an der tragischen Geschichte zwischen Catherine, der Tochter des Landbesitzers Earnshaw, und dem verwahrlosten Heathcliff, der als Findelkind auf dem Gutshof aufwächst. Obwohl beide eine innere Zuneigung verbindet, weist Catherine seine Liebe zurück – zu ungebildet und zu ungehobelt erscheint ihr der unberechenbare Ziehbruder. Als Heathcliff erfährt, dass seine vergötterte Catherine den Sohn des benachbarten Gutsbesitzers Linton heiraten will, verlässt er gekränkt und geradezu wütend den Hof. Nach Jahren kehrt Heathcliff als reicher Mann zurück. Er sinnt auf Rache, will die beiden Landgüter in seinen Besitz bringen und die Familien bis ins zweite Glied ruinieren:

Nach einem skrupellosen Rachefeldzug voller Hass und Zerstörungswut und dem frühen Tod Catherines wird Heathcliff in seinem Träumen von ihrem Geist heimgesucht. Erst nach seinem eigenen Tod unter mysteriösen Umständen findet Heathcliff schließlich seinen Frieden mit seiner Geliebten. Die Dorfbewohner jedenfalls wollen ihre Geister gemeinsam im Moor gesehen haben.

Emily Brontë bediente sich in dem Psychodrama einer unkonventionellen Erzähltechnik, denn die erschütternde Geschichte wird aus der Perspektive zweier außenstehender Ich-Erzähler berichtet, von dem Pächter Mr. Lockwood und der Haushälterin Nelly Dean. Beide verfügen über Realitätssinn und gesunden Menschenverstand, wodurch ihre Schilderungen der abgrundtiefen Geschehnisse an Wahrhaftigkeit gewinnen. Wegen seiner dämonischen Düsterkeit bis hin zum Tierhaften im Menschen und der Negierung aller gesellschaftlichen Normen stieß der Roman beim viktorianischen Publikum auf empörte Ablehnung. Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde ihm die literarische Anerkennung zuteil. Heute, wo Triebhaftigkeit und das angebliche „Böse“ längst Einzug in die Literatur gehalten haben, zählt der Roman mit seiner Inszenierung von Leidenschaft, Gewalt, Übersinnlichkeit und Naturkräften zu den wichtigsten Werken der englischen Literatur, ja der Weltliteratur.

Bewertung vom 28.04.2022
Bartleby, der Schreibgehilfe
Melville, Herman

Bartleby, der Schreibgehilfe


ausgezeichnet

Die skurrile Erzählung Bartleby the Scrivener (dt. Bartleby der Schreiber) des amerikanischen Schriftstellers Herman Melville erschien zuerst 1853 in der Zeitschrift Putnam’s Monthly Magazine erschien. Ein alternder Anwalt (der Ich-Erzähler) hat eine neue Schreibkraft namens Bartleby eingestellt, die zunächst die aufgetragenen Arbeiten mit Fleiß und Hingabe erfüllt. Aber plötzlich verweigert Bartleby die Büroarbeiten. Völlig ungerührt antwortet er stets: „I would prefer not do“ („Ich möchte lieber nicht“).

Bartleby wird immer schweigsamer und landet schließlich im Gefängnis, wo seine Arbeitsverweigerung in eine generelle Lebensverweigerung umschlägt. Nach ein paar Tagen findet ihn sein Dienstherr, der ihn besuchen will, zusammengekauert und tot im Innenhof des Gefängnisses liegen. Mit seinem Aufbegehren gegen bestehende Normen machte Bartleby aber auf Melvilles Zeitgenossen keinen Eindruck, erst im 20. Jahrhundert wurde der radikale Individualist Bartleby zu einer Schlüsselfigur der modernen Weltliteratur.

Die Penguin-Ausgabe wird durch ein ausführliches Nachwort von H.M. Compagnon. Der Literaturwissenschaftler beleuchtet hier u.a. Melvilles Figur in der Rezeption und Forschung im 20. Jahrhundert.

Bewertung vom 28.04.2022
Naturkalender 2023
Bastin, Marjolein

Naturkalender 2023


ausgezeichnet

Der Naturkalender ist gleichzeitig eine Art Tagebuch, denn er kommt in Buchform mit Spiralbindung daher. Jede Woche wird auf einer Doppelseite präsentiert, wobei eine Seite für jeden Wochentag ausreichend Platz für Termine, Erinnerungen und natürlich für Naturbeobachtungen bietet. Die gegenüberliegende Seite ist stets mit naturgetreuen Zeichnungen von Marjolein Bastin gestaltet. Die filigranen Naturabbildungen sind mit persönlichen Beobachtungen in Textform ergänzt, die gewissermaßen als Anregungen für eigene Notizen dienen können.

Darüber hinaus gibt es noch weitere Extraseiten für Notizen und Beobachtungen sowie einen mehrseitigen Adressenteil. Außerdem bietet der Kalender eine kleine Innentasche zum Aufbewahren von Handzetteln. Durch die Ringbindung ist auch ein bequemes Aufschlagen der aktuellen Woche möglich. Fazit: Ein sehr praktischer Kalender in einer gediegenen künstlerischen Ausstattung.

Bewertung vom 18.04.2022
Atlas der Unordnung
Papin, Delphine

Atlas der Unordnung


ausgezeichnet

Bisher galten Grenzen als untrennbarer Teil moderner Staaten, dabei sind sie die schlechteste Erfindung, denn meist waren sie das Ergebnis von kriegerischen Auseinandersetzungen. Obwohl Grenzen künstlich sind, sind sie doch ein Kompromiss, um menschliches Zusammenleben möglich zu machen.

Der vorliegende „Atlas der Unordnung“ gibt in über 60 Karten und Grafiken eine Übersicht über die Herausbildung von Grenzen. In fünf Kapiteln werden die unterschiedlichen Grenzziehungen in der menschlichen Geschichte anschaulich dargestellt. Zunächst wird in „Grenzen als Vermächtnisse“ von Grenzen voller Geschichte erzählt – von Kriegen und Diplomatie – bis in die Gegenwart hinein. Mit der Zunahme neuer Staaten seit 1990 entstanden z.B. zahlreiche neue Grenzen. Häufig bilden Ozeane, Meere, Ströme und Flüsse Grenzen, obwohl sie hier nicht einfach zu ziehen sind. Eine ständige Quelle für Konflikte.

Mauern gehörten zu den frühesten Grenzbefestigungen. Heute werden es wieder mehr, um illegale Einwanderung, Schmuggel, Drogenhandel oder Terrorismus abzuwenden. Im Kapitel „Spezielle Grenzen“ werden Raritäten, Skurrilem und Kuriosa von Grenzen vorgestellt. Solche Sonderfälle sind u.a. der US-Marinestützpunkt Guantánamo, die Region Cooch Behar oder die bekannte Datumsgrenze. Den Abschluss bildet das Kapitel „Umstrittene Grenzen“. Hier sich Beispiele wie die Sahelzone, die Golanhöhen, die Altstadt von Jerusalem oder die explosive Grenze zwischen Russland und der Ukraine. Im abschließenden Fazit „Eine glänzende Zukunft“ geben die AutorInnen einen Ausblick: Grenzen werden auch in Zukunft einerseits verstärkt und andererseits überwunden werden.

Fazit: Die Neuerscheinung punktet neben der thematischen Vielfalt vor allem durch die gelungene grafische Umsetzung. Ein Füllhorn an Informationen und Wissenswertem. Sehr empfehlenswert.

Bewertung vom 21.03.2022
Dostojewskij und die Frauen
Keller, Ursula;Sharandak, Natalja

Dostojewskij und die Frauen


ausgezeichnet

Zum 200. Geburtstag des russischen Schriftstellers Fjodor M. Dostojewski (1821-1881) haben die beiden Autorinnen ein Biografie vorgelegt, die Dostojewskis Leben und Werk im Spiegel der Frauen, die ihn maßgeblich prägten, vorgelegt. Als junger Mann war Dostojewski überaus schüchtern und gehemmt, später konnte er mit seiner Persönlichkeit die Damenwelt durchaus beeindrucken.

Die erste Ehe mit Maria Dmitrijewna war nicht sehr glücklich und bestand am Ende nur noch auf dem Papier. Die zentrale Frauenpersönlichkeit in seinem Leben war unbestritten seine zweite Ehefrau Anna Grigorjewna, die er als junge Stenografin kennengelernt hatte, und die sich ganz dem Schriftsteller und Menschen Dostojewski verschrieb. Dennoch war sie von den emanzipatorischen Ideen ihrer Zeit geprägt. Für Dostojewski war sie auch Korrektorin, Kritikerin und später (nach seinem Tod) auch Verlegerin seines Werkes.

Dostojewski hatte aber auch zu einigen außergewöhnlichen und starken Frauen eine enge freundschaftliche Beziehung – z.B. mit der Frauenrechtlerin Anna Filossofowa oder mit Sofja Andrejewna Tolstaja, der Ehefrau von Lew Tolstoi, die selbst Schriftstellerin und in Sankt Petersburg Hausherrin eines Salons war. Daneben werden auch weibliche Romanfiguren beleuchtet, die häufig ein Abbild seiner Frauenpersönlichkeiten waren.

Die beiden Autoren greifen bei ihren Betrachtungen auf eine Reihe von Erinnerungen, Briefen, Tagebüchern und neuen biografischen Forschungen zurück. Mit dem weiblichen Blickwinkel ist eine neue und interessante Sicht auf Leben und Werk von Dostojewski gelungen.