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Raumzeitreisender
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Buchwurm, der sich durch den multidimensionalen Wissenschafts- und Literaturkosmos frisst

Bewertungen

Insgesamt 743 Bewertungen
Bewertung vom 27.07.2016
Die Geschichte der Schönheit
Eco, Umberto (Hrsg.)

Die Geschichte der Schönheit


sehr gut

Von der Antike bis zur Gegenwart

Der bekannte Erfolgsautor und Professor für Semiotik Umberto Eco gibt in seinem Werk einen Abriss über die verschiedenen Gesichter der Schönheit von der Antike bis zur Gegenwart. Eco geht von dem Prinzip aus, dass Schönheit nichts Absolutes und Unveränderliches ist. Beginnend mit dem ästhetischen Ideal Griechenlands, spannt Eco einen Bogen über zahlreiche große Werke der Bildhauerei, Malerei, Architektur, Literatur und Philosophie, bis in die Neuzeit zur Avantgarde und den provozierenden Arbeiten von Andy Warhol.

Wir beurteilen etwas als schön, wenn es wohlproportioniert ist. Pythagoras untersuchte die mathematischen Beziehungen in der Musik, die Proportionen der Intervalle und die Beziehung zwischen der Länge einer Saite und der Tonhöhe. Aber nicht nur in der Musik spielen Proportionen eine große Rolle, sondern auch in der Architektur, z.B. bei den Abständen zwischen den Säulen der Bauwerke und bei der Gliederung der verschiedenen Teile der Fassaden.

Im 15. Jahrhundert führten die Entdeckung der Perspektive in Italien, die Einführung neuer Maltechniken in Flandern, der Einfluss des Neoplatonismus und der von dem Dominikaner Savonarola ausgehende Mystizismus dazu, dass Schönheit auf zwei unterschiedliche Weisen verstanden werden kann. Man kann die Natur nachahmen oder versuchen, die übersinnliche Realität zu verstehen und künstlerisch zum Ausdruck zu bringen. Die rätselhafte Schönheit von Leonardo da Vincis Frauengesichtern findet hier ihre Erklärung.

Ist Schönheit eine Qualität des Objekts? Im 18. Jahrhundert bildete sich eine neue Auffassung vom Schönen heraus. Das Subjektive trat in den Vordergrund und der Fokus lag auf der Wahrnehmung. Das, was schön ist, definiert sich durch die Art und Weise, in der wir es erfahren. Daneben existiert etwas, vor dessen Darstellung unsere physische Natur ihrer eigenen Grenzen gewahr wird, nämlich das Erhabene. Für Kant ist es der Sternenhimmel, der das Erhabene zum Ausdruck bringt.

Was sind die Merkmale der Schönheit des 20. Jahrhunderts? Für die Beantwortung dieser Frage fehlt uns die zeitliche Distanz. Der Hang zum künstlerischen Experiment manifestiert sich im Kubismus, Expressionismus und Surrealismus. Die Kunst nimmt sich nicht mehr vor, ein Bild der natürlichen Schönheit zu liefern. Sie will lehren, die Welt mit anderen Augen zu deuten. Und genau damit reflektiert sie die Erkenntnisse der modernen Naturwissenschaften, die längst ein Bild der Wirklichkeit zeichnen, das nicht mehr verstanden werden kann.

Das Buch ist thematisch aufgebaut und enthält reichhaltige Illustrationen. Es beinhaltet eine weit gefächerte (aber nicht tief gehende) Beschreibung der Geschichte der Schönheit, deutlich gemacht anhand der Werke von Künstlern der Weltgeschichte. Die Beschreibungen sind gegliedert in durchgehende Texte für die Schnellübersicht sowie klein gedruckte Detailbeschreibungen. In der Summe handelt es sich um ein informatives Kompendium für eine breite Leserschaft. Der Aufbau des Werkes in siebzehn abgeschlossene Kapitel erlaubt es, einzelne Bereiche gezielt herauszugreifen.

Bewertung vom 26.07.2016
Life
Richards, Keith

Life


ausgezeichnet

The Main Offender

Die Geschichte beginnt mit einer Festnahme wegen Drogenbesitzes 1975 in Arkansas. Anwalt Bill Carter regelt den Fall; die Anklage wird fallengelassen. Keith und Ronnie (der war auch dabei) können ihre Tour fortsetzen. Wer diese Geschichte aus einer anderen Perspektive lesen möchte, braucht nur in Ronnie Woods Biografie nachlesen. Keith Richards hat aufgrund seines Lebenswandels oft am Abgrund gestanden. Das Buch hat aber mehr Facetten, als nur Drogengeschichten. Primär geht es darum, wie Musik sein Leben geprägt hat und was er daraus gemacht hat.

Richards beschreibt seine Kindheit in Dartford, eine typische Nachkriegskindheit in ärmlichen Verhältnissen. Als kleiner Junge wurde er oft verprügelt und konnte sich erst im Laufe der Jahre durchsetzen. Er beschönigt nichts. Seine Verbindung zu Musikinstrumenten hat sein Großvater Gus gefördert. Bei einem Besuch nach Jahrzehnten in Dartford ist es der Geruch der Heide, der Richards Erinnerungen weckt. Richards Ausführungen wirken authentisch.

In allen folgenden Kapiteln dominiert die Musik. Er liebt den Sound von Chuck Berry, Muddy Waters, Howlin' Wolf, John Lee Hooker, Bo Diddley und B. B. King und träumt davon Musiker zu werden. Sein Leben wird vom Rythm and Blues bestimmt. Aufgrund seines rebellischen Charakters fliegt er von der Kunstschule. Mick Jagger, den er von früher kennt, läuft ihm über den Weg und hilft ihm dabei, seine Kontakte zur Musikszene auszubauen. Es folgen Hungerjahre, wie die heutigen Superstars sie nicht kennen.

Keith Richards hat, ebenso wie Bill Wyman, Tagebuch geführt. Seine Einträge enden jedoch, als die Stones bekannter werden. Das Tagebuch hilft bei der Aufarbeitung der frühen Erinnerungen. Als Musiker haben sie alle mal mit Alexis Korner zusammen gearbeitet, der Anfang der 1960er Jahre in der Londoner Musikszene eine bekannte Größe war. Keith Richards verbringt seine Zeit mit Gitarre spielen und es folgt eine beispiellose Karriere als Rockmusiker.

Richards rechnet mit Brian Jones ab, räumt mit Mythen auf und verarbeitet Erlebnisse in Musik, so z.B. die Beziehung zu Anita Pallenberg in „Can't Be Seen“. Er spricht über „Flash“ (gemeint ist „Jumpin' Jack Flash“), erklärt die Geheimnisse des typischen Sounds der Stones und erläutert, wie man Songs schreibt. Gerade in anderen Büchern über die Stones vermisse ich Hintergrundinformationen zu den Songs. Auch Bill Wyman äußert sich in seinem sonst erstklassigen Buch nur dürftig zu den einzelnen Songs der Stones.

Es sind die manchmal sentimentalen Momente, die man Keith Richards gar nicht zutraut. So z.B. als er mit Ronnie Bennett von den Ronettes auf einer Tour durch England bei starkem Nebel eine Unterkunft aufsucht. Richards überrascht mit seinen Geständnisse in Sachen Frauen (S. 285). Sie müssen aber wohl relativiert werden, wenn man die weiteren Kapitel liest.

Auffallend ist Richards Respekt vor erfahrenen Musikern. Dieser Respekt war für ihn immer Antrieb, noch besser zu werden. Er liebt den Blues, wollte (in den Anfangsjahren) zur besten Bluesband Londons gehören, und hat weit weniger als Mick Jagger das Bedürfnis auch Popsongs zu produzieren.

Richards kann zwischen seiner eigenen Wahrnehmung und seinem Image unterscheiden. „Die Leute lieben dieses Image. Sie haben sich ein Fantasiebild von mir gemalt, sie haben mich gemacht, die Leute da draußen haben sich diesen Volkshelden geschaffen.“

Keith Richards hat als Musiker alles erreicht. Er ist unabhängig, unangepasst und muss sich oder anderen mit diesem Buch nichts beweisen – er ist Keith Richards, ein Original. Viele selbsternannte oder in Fernsehshows gekürte Superstars sind 2000 Lichtjahre von diesem großen Rythm and Blues Veteranen entfernt. Das Destillat aus den Erzählungen ist der Mensch Keith Richards und der kommt authentisch rüber.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 26.07.2016
Du bleibst, was du bist
Maurer, Marco

Du bleibst, was du bist


sehr gut

Bildungschancen in der deutschen Klassengesellschaft

„Und so liegt Deutschland in der Kategorie Bildungsgerechtigkeit noch immer ziemlich weit hinten, und die Schulleistung ist stark an die soziale Herkunft gekoppelt. Damit ist unser Schulsystem weder gerecht noch schlank, noch effizient, noch schön anzusehen. Es verschenkt Chancen wie Deutschlands Rumpelfußball früherer Tage.“ (305)

Autor Marco Maurer bringt zielsicher auf den Punkt, worum es geht. Er selbst ist Subjekt und Objekt der Analysen zur Bildungsmisere in Deutschland. Als Arbeiterkind mit Empfehlung für die Hauptschule aber mittlerweile Hochschulabschluss ist er sensibilisiert für die Fallstricke unserer Bildungslandschaft.

Von 100 Akademikerkindern in Deutschland studieren 77 und von 100 Nichtakademikerkindern lediglich 23. Maurer analysiert die Ursachen. Dabei liegt sein Fokus auf dem Einfluss der sozialen Herkunft und nicht auf den Auswirkungen der Veranlagung. Er behauptet nicht, dass jeder die gleichen Fähigkeiten hat. (37)

„Das Problem in Deutschland ist nur, dass es zu viele Menschen gibt, die gar keine Chance bekommen, ihr Können zu zeigen.“ (37) Wer es schaffen will, muss sich gegen widrige Umstände (Geldnot, mangelnde Förderung, fehlende Beziehungen, Vorurteile) mühsam hoch arbeiten.

Die Zuordnung der Kinder zu verschiedenen Bildungsklassen erfolgt bereits nach der Grundschule. Und hier setzt der Autor, im Hinblick auf das Modell Finnland, den Hebel an. Einen Vergleich mit Finnland halten deutsche Schulen nicht stand.

Eine umfassende Schulreform ist in Deutschland nicht in Sicht. Ole von Beust, der die Bildungssituation in Hamburg gerechter gestalten wollte, ist am Widerstand des gehobenen Bürgertums gescheitert. Statt Kooperation und Chancengleichheit zu wagen, wurden die Nachteile von Kindern aus weniger begüterten Haushalten zementiert.

Chancengleichheit ist ein wichtiges Ziel, dennoch wirken Maurers Ausführungen manchmal auch klischeehaft. Warum wird beim Besuch einer Berliner Hauptschule ein Diebstahl thematisiert, den es auch an jeder anderen Schule geben kann? (134)

Maurer hat den Aufstieg geschafft, auch ohne Lob von seinen Lehrern und ohne Empfehlung für das Gymnasium. Wird der Einfluss der Lehrer da nicht überbewertet? Auch gibt es Menschen, die unabhängig von schulischen Empfehlungen, die Schule abbrechen und als Selbstständige erfolgreich Unternehmen gründen.

Daher hat Rüdiger Grube recht, wenn er sagt, dass „Schulnoten nur begrenzt etwas über die Fähigkeiten eines Menschen aussagen“. (299) So stellt sich die Frage, ob die besten Abiturienten auch die besten Ärzte werden? Wie wird soziale Kompetenz nachgewiesen, zumal ein empathischer Arzt Wunder bewirken kann?

Trotz relativierender Einwände ist Chancengleichheit notwendige Voraussetzung für freie Entscheidungen. Letztlich muss jeder den für sich persönlich passenden Weg finden und auch realisieren können. In diesem Sinn kann ein Studium für ein Arbeiterkind sinnvoll sein aber auch eine Berufsausbildung für ein Akademikerkind.

Das Buch ist politisch, sozialkritisch, verständlich und informativ. Erfahrungen des Autors sowie einiger Interviewpartner, die trotz schwieriger Startbedingungen Karriere gemacht haben, fließen ein. Aber es sind auch Lücken erkennbar: Der Autor verliert kein Wort darüber, dass Jungen mittlerweile die großen Verlierer unserer Bildungspolitik sind.

Maurer spart nicht mit Selbstkritik, wenn er thematisiert, dass Journalisten kaum aus bildungsfernen Milieus stammen und im Allgemeinen auch nicht die Anwälte der sozial Schwachen sind. (273) Er hat ein wichtiges Buch geschrieben, welches unsere Gesellschaft spiegelt. Chancengleichheit gehört in Deutschland auf die Tagesordnung.

Bewertung vom 26.07.2016
Wirtschaftsinformatik für Dummies
Thesmann, Stephan; Burkard, Werner

Wirtschaftsinformatik für Dummies


sehr gut

Eine Wissenschaft stellt sich vor

Die Informatik befasst sich mit der systematischen Verarbeitung von Informationen. Damit stellt sich bereits die erste Frage, was Informationen sind. Die Antwort erhalten die Leser auf Seite 240, wo die Begriffe "Daten", "Informationen" und "Wissen" erläutert und voneinander abgegrenzt werden. Der Zusatz "Wirtschaft" impliziert, dass es sich um angewandte Informatik für Wirtschaftsunternehmen handelt.

Das Buch gliedert sich in 28 übersichtlich strukturierte Kapitel. Die Grundlagen und Aufgaben der Wirtschaftsinformatik werden verständlich vorgestellt. Die für Bücher aus der Reihe Dummies typischen Konventionen werden auch im vorliegenden Buch beachtet. Dazu gehören u.a. der Lehrbuchcharakter, die Abgeschlossenheit der Kapitel, die spezielle Symbolik und der Top-Ten-Teil am Schluss.

Die einzelnen Kapitel sind fünf Hauptteilen zugeordnet, in denen es um die Grundlagen der Informatik, um betriebliche Informationssysteme (Übersicht) und den Betrieb von Informationssystemen (Schwerpunkt Sicherheit) sowie um die Entwicklung von Informationssystemen geht. Der Top-Ten-Teil enthält in humorvoller Aufbereitung Tipps, Denkfehler und Gebote zur Wirtschaftsinformatik und deren Protagonisten.

Die Aufgaben und Probleme der Wirtschaftsinformatik werden anhand eines durchgängigen Beispiels erläutert. Im Fokus steht die Meblo-AG, ein Einrichtungshaus, welches Möbel importiert, anfertigt und veräußert. Deutlich wird, dass das Rad nicht ständig neu erfunden werden muss, sondern dass Ähnlichkeiten in Aufbau und Struktur von Firmen auch zu Ähnlichkeiten in Aufbau und Struktur von IT-Systemen führen.

Die Autoren erläutern keine Programmiersprachen, sondern die Architektur von IT-Systemen für Unternehmen und in groben Zügen, wie diese entwickelt werden. Es geht um betriebliche Abhängigkeiten, Abläufe und Zusammenhänge und die Methoden, wie diese in der Informatik abgebildet werden können. Die Leser werden keine Experten für DV-Konzepte und Datenbanken, aber sie erhalten einen Einblick in die Methoden.

Ausgehend vom Architekturkonzept integrierter Informationssysteme (ARIS) wird die Konzeption verschiedener Sichten und Ebenen erläutert. Die Leser werden mit Produktbäumen, Organigrammen, ERD/ERM und Funktionsbäumen konfrontiert. An manchen Stellen ist der Leser direkt gefordert, wenn es darum geht, Aufgaben zu lösen. Am Ende vieler Kapitel folgen Hinweise auf weitergehende Literatur.

Aber auch die Erläuterungen zu komplexen Systemen wie ERP sind hilfreich. Es geht darum, Aufbau und Funktionen solcher Systeme zu verstehen und nicht darum, solche Systeme zu bedienen oder gar zu administrieren. Die Leser erhalten einen Überblick über die Aufgaben und Anwendungsgebiete der Wirtschaftsinformatik. Das ist schon sehr viel und mehr ist in einem einzelnen Buch auch nicht möglich.

Bewertung vom 25.07.2016
Einstein sagt
Einstein, Albert

Einstein sagt


sehr gut

Ein genialer Wissenschaftler, ein großartiger Mensch

Max Born sagte von Einstein, dass er selbst dann zu den größten theoretischen Physikern aller Zeiten gehören würde, wenn er keine Zeile über Relativität geschrieben hätte. Einstein hat soviel Tiefsinniges produziert, dass man mit einem Zitat von ihm immer richtig liegt. Rein äußerlich gesehen verkörpert er den Prototyp eines zerstreuten Professors. Sein Typ dient als Vorlage für Film und Fernsehen.

Das Buch enthält Gedanken von Einstein über sich selbst sowie zu den Themengruppen „Freunde und Familie“, „Mathematik, Naturwissenschaft und Technik“, „Politik, Israel und Pazifismus“, „Religion und Philosophie“. Ergänzt wird das Werk durch Einsteins Stammbaum, eine Zeittafel über seine wichtigsten Stationen, Ansichten anderer Zeitgenossen über ihn und eine kleine Sammlung von Fragen von Nichtwissenschaftlern zu Einstein. Abgedruckt sind einige Fotos von Einstein und seinem Umfeld.

Das Buch ist keine Biographie, aber es ist mehr als eine reine Sammlung von Zitaten. Da es in vielen Fällen um Auszüge aus persönlichen Briefen geht, wird insbesondere ein Eindruck über den Menschen Einstein vermittelt. Diesem Zweck dienen auch die vielen Aussprüche zu Themen außerhalb der Naturwissenschaften. Das Vorwort hat der Physiker Freeman Dyson geschrieben. Er beschreibt Einstein nicht nur als großen Wissenschaftler, sondern als großen Menschen. Das Buch erklärt, warum.

Bewertung vom 25.07.2016
The Rolling Stones
Dezo Hoffmann/Norman Jopling

The Rolling Stones


sehr gut

Ein sehenswerter Bildband über die Rolling Stones und ihr Umfeld

Bei diesem Buch handelt es sich um einen Bildband über die Rolling Stones in schwarz/weiß. Zu den Bildern gibt es Kurzbeschreibungen in Englisch. Die Fotos stammen aus den Jahren 1963 – 1974, wobei die Anfangsjahre dominieren. Auf der ersten Seite befindet sich eine kurze Widmung von Mick Jagger. Die Fotos sind entstanden im legendären Crawdaddy Club, der TV-Sendung Ready Steady Go!, dem Heathrow Airport, der Albert Hall, dem Regent's Park und diversen Hotels und Studios. Für Fans handelt es sich um ein sehenswertes Dokument. Im Gegensatz zu den Fotos in dem Buch „According to The Rolling Stones“ sind viele Aufnahmen nicht gestellt.

Bewertung vom 25.07.2016
Vom Wesen physikalischer Gesetze
Feynman, Richard P

Vom Wesen physikalischer Gesetze


ausgezeichnet

Ein Meister der Wissensvermittlung

Das Buch enthält sieben Vorlesungen zum Wesen physikalischer Gesetze, die Richard Feynman 1964 im Rahmen einer interdisziplinären Veranstaltungsreihe an seiner ehemaligen Hochschule in Ithaca gehalten hat. Inzwischen sind mehrere Jahrzehnte vergangen und der Inhalt entspricht in Teilen nicht mehr dem aktuellen Wissensstand. Da es primär um übergeordnete Prinzipien der Physik geht, kann das vernachlässigt werden. Das Buch dient dem allgemeinen Verständnis und ersetzt keine Fachbücher.

Feynman erläutert das Gravitationsgesetz, die großen Erhaltungssätze und Symmetrien in physikalischen Gesetzen auf verständliche und unterhaltsame Weise. Systemimmanente Erkenntnisgrenzen sind ihm bewusst, wenn er insistiert, dass er mit Sicherheit behaupten kann, dass niemand die Quantenmechanik verstehen kann. Trotzdem sind seine Erläuterungen zum Doppelspaltexperiment so klar und präzise, dass deutlich wird, wo die Widersprüche liegen. Letztlich muss sich die Natur nicht so verhalten, dass wir sie verstehen. Der Grad unserer Erkenntnisfähigkeit ist durch unsere Biologie vorgegeben. Aus dem Blickwinkel der evolutionären Erkenntnistheorie geht es um Tauglichkeit fürs Überleben und nicht darum, dass wir die Welt verstehen.

In dem Kapitel „Die Beziehung zwischen Mathematik und Physik“ betont Feynman, dass die Sprache der Physik die Mathematik ist. Physiker bedienen sich gern brauchbarer Ketten von Schlussfolgerungen, die Mathematiker entwickelt haben. Feynman spricht auch über die Grenzen der Naturwissenschaften, indem er Newton zitiert: „Ich habe Ihnen gesagt, wie er [der Planet] sich bewegt, nicht warum!“

In „Die Unterscheidung von Vergangenheit und Zukunft“ erläutert Feynman, welche physikalischen Gesetze zeitlich umkehrbar sind. Hierzu zählt auch das Gravitationsgesetz, welches er bereits im ersten Kapitel ausführlich behandelt hat. Er erläutert den Begriff der Entropie und endet mit philosophischen Betrachtungen, die bei diesem Themenkomplex nicht ausbleiben dürfen. Im abschließenden Kapitel untermauert Feynman, wie schwierig es ist, neue physikalische Gesetze zu finden.

Das Buch gehört aufgrund der Art der Wissensvermittlung zu den Klassikern der Wissenschaftsgeschichte. Natürlich sollte Interesse und Verständnis für Naturwissenschaften vorhanden sein.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 25.07.2016
Kampf der Kulturen
Huntington, Samuel P.

Kampf der Kulturen


sehr gut

Das Ende der westlichen Vorherrschaft

Samuel P. Huntington beschreibt in seinem Klassiker „Kampf der Kulturen“ die Weltordnung nach dem Wegfall der Ost-West-Konfrontation. Seine zentralen Aussagen, die er ausführlich begründet, sind die, dass die Vorherrschaft der westlichen Welt zu Ende geht und dass die Grenzen der Zukunft nicht mehr die Ländergrenzen sind, sondern die Grenzen der Kulturen. Er beschreibt die verschiedenen, überwiegend religiös geprägten, Kulturkreise des 21. Jahrhunderts. Dabei glänzt er mit einem fundierten Detailwissen. Über seine Schlussfolgerungen kann man diskutieren.

Die Widersprüche in der westlichen Kultur bringt der Autor treffend auf den Punkt: „Die Demokratie wird gelobt, aber nicht, wenn sie Fundamentalisten an die Macht bringt; die Nichtweitergabe von Kernwaffen wird für den Iran und den Irak gepredigt, aber nicht für Israel; freier Handel ist das Lebenselixier des Wirtschaftswachstums, aber nicht in der Landwirtschaft; die Frage nach den Menschenrechten wird China gestellt, aber nicht Saudi-Arabien; Aggressionen gegen erdölbesitzende Kuwaitis werden massiv abgewehrt, aber nicht gegen nicht-ölbesitzende Bosnier.“ (293)

Huntington skizziert ein Beziehungsgeflecht zwischen den Kulturen, erläutert derzeitige Spannungsherde und prognostiziert künftige Konflikte. Da das Buch mittlerweile 20 Jahre alt ist, lassen sich seine Prognosen überprüfen. Der Autor hat die Krise zwischen Russland und der Ukraine vorausgesagt und auch seine Aussagen zur Entwicklung von China zur dominierenden asiatischen Macht bestätigen sich. Entsprechendes gilt für die Voraussage gewalttätige Strömungen im Islam.

Gibt es künftig nur noch Kriege zwischen unterschiedlichen Kulturkreisen? Knapper werdende Ressourcen lassen m.E. vermuten, dass es auch in Zukunft zu Konflikten innerhalb gleichartiger Kulturen kommen wird. Huntington erläutert auf überzeugende Weise, wie Spannungen reduziert werden können: „In der kommenden Ära ist es also zur Vermeidung großer Kriege zwischen den Kulturen erforderlich, dass Kernstaaten davon absehen, bei Konflikten in anderen Kulturen zu intervenieren.“ (522) Auch müssen wir lernen: „Modernisierung bedeutet nicht notwendig Verwestlichung.“ (113)

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 25.07.2016
Wie wir sind. Wie wir leiden. Wie wir gesunden
Deary, Vincent

Wie wir sind. Wie wir leiden. Wie wir gesunden


sehr gut

Gewohnheiten und Veränderungen

Psychotherapeut Vincent Deary analysiert in „Wie wir sind“ menschliche Verhaltensmuster. Diese beruhen zum Teil auf Denkmustern. Im Fokus steht einerseits die Macht von Gewohnheiten und andererseits die Motivation für Veränderungsprozesse. Entsprechend dieser gedanklichen Zweiteilung ist auch das Buch formal strukturiert. Damit verstärkt der Autor im Sinne seiner eigenen Thesen die Kraft seiner Aussagen. Es handelt sich um den ersten Band einer Trilogie zu menschlichen Verhaltensweisen.

Ausgetretene Pfade erfordern ein Minimum an Energie und so erklärt sich schon rein physikalisch die Anziehungskraft bewährter Routinen. Diese Routinen haben einen entscheidenden Nachteil: Die Prozesse laufen unbewusst ab. Wir verschlafen quasi einen Teil unseres Lebens, wenn wir uns nicht mit Veränderungen beschäftigen. Der Neurowissenschaftler Gerhard Roth, auf den sich Deary u.a. bezieht (54), hat die Zusammenhänge in „Das Gehirn und seine Wirklichkeit“ erläutert.

Damit ist aber noch nicht die Motivation für Veränderungen beschrieben. „Alle Veränderung resultiert aus Leid“ erkannte bereits Goethe. „Jedes menschliche Verhalten ist bedürfnisorientiert“, sagt Thomas Müller in „Bestie Mensch“. Deary spricht nicht von Leid und nicht von Bedürfnissen, sondern (an zahlreichen Stellen seines Buches) von Begehren. Das widerspricht dem zwar nicht, hätte aber differenzierter ausgeführt werden können.

Das Buch enthält zahlreiche markante Aussagen und Gedankengänge, die erläutert und begründet werden. So ist das Gedächtnis kein präzises Archiv (66), nennen wir Manifestationen des Begehrens Kultur (22), gibt es einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Denken und Sprache (98) und haben Requisiten eine Bedeutung, die schnell unterschätzt wird (100). Dass sich mancher Mafiosi in seinem Verhalten an seinem Film-Double orientiert, ist schon eine seltsam anmutende Wechselwirkung (230).

„Wie wir sind“ ist kein typischer Ratgeber, es ist eher ein unterhaltsames Aufklärungsbuch. Es handelt im Sinne von Robert Musils „Der Mann ohne Eigenschaften“ davon, wie aus Möglichkeitswelten eine Wirklichkeitswelt generiert wird. Durch das Buch werden die Leser „aus dem Automatik-Modus gerissen und ins Reich der bewussten Überlegungen katapultiert“ (261). Damit ist das Ziel erreicht. Mehr kann man von einem anregenden Buch nicht erwarten.