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yellowdog

Bewertungen

Insgesamt 2022 Bewertungen
Bewertung vom 03.10.2022
Lektionen
McEwan, Ian

Lektionen


ausgezeichnet

ein reichhaltiger, epischer Roman

Der neue Roman des Superstars der britischen Literatur ist umfangreich und zeichnet das Leben eines Engländers nach, der 1948 geboren wurde, in Libyen aufwuchs, dann in ein englisches Internat kommt. Dort hat er als 13jähriger eine unerlaubte, verstörende Beziehung zu seiner Klavierlehrerin und später, 1987, wird er alleinerziehender Vater, nachdem seine Frau ihn verlassen hat.
Die einzelnen Lebensepisoden von Roland Baines sind so geschildert, dass man als alles nachvollziehen kann. Es bleibt aber überwiegend undramatisch.
Zweifellos hat dieses geschilderte Leben auch viel mit dem Autor selbst zu tun, denn einige Eckdaten decken sich. Dadurch wird es natürlich nicht autobiographisch, denn Roland wird kein erfolgreicher Schriftsteller. Seine Ex-Frau Alissa hingegen schon.

Immer wieder werden bestimmte Aspekte der Zeitgeschichte ins Spiel gebracht: Kubakrise, die weiße Rose, Tschernobyl etc.
So wird es auch ein Buch über die letzten Hundert Jahre Europas.

Da das Buch lang ist, nimmt sich Ian McEwan die Zeit manche Nebengeschichten ausführlich zu erzählen. Zum Beispiel die über seine deutsche Schwiegermutter oder manchmal auch nur Rolands Lektüre des Buches Jugend von Joseph Conrad, dessen Plot man dadurch komplett erfährt.
Manche dieser Abschnitte konnten mich sehr interessieren, andere aber auch nicht. Ein Stück weit ist der Roman verplaudert, aber dieses Lesegefühl gibt sich mit der Zeit und man bleibt doch durch all die Jahre gespannt an der Seite von Roland.

Bewertung vom 02.10.2022
Die rätselhaften Honjin-Morde / Kosuke Kindaichi ermittelt Bd.1 (eBook, ePUB)
Yokomizo, Seishi

Die rätselhaften Honjin-Morde / Kosuke Kindaichi ermittelt Bd.1 (eBook, ePUB)


gut

Der Klang der Koto

Ich bin immer auf der Suche nach neuen Büchern aus dem asiatischen Raum. Der 1902 geborenen Japaner Seishi Yokomizo, von dem ich vorher noch nicht gehört hatte, gehört aber eher zu den Klassikern der Kriminalliteratur. Die Handlung spielt sich 1937 ab.
Das Cover ist zwar bluttriefend, aber ansonsten ist das Buch eher Cozy.
Die bewährte Usrula Gräfe hat die Übersetzung übernommen.

Schon die Erzählweise ist klassisch und absolut prägend. Ein Kriminalautor erzählt den Fall der rätselhaften Honjin-Morde, bei dem ein Brautpaar getötet wurde. Dabei ist der Raum von innen verschlossen und es ist unklar, wie der Mörder herausgekommen sein sollte. Es ist also ein Locked Room Murder Mystery.
Es gefällt mir gut, wie der Erzähler Bezug auf internationale Kriminalliteratur nimmt.
Die teilweise detaillierten Beschreibungen sind überhaupt gut, zum Beispiel die lange Episode der Hochzeit und die der Ermittlung.

Der Privatdetektiv Kosuke Kindaichi kommt erst relativ spät ins Spiel, so in der Mitte des Buches. Er bringt noch einmal Leben in das Buch.

Für mich waren die japanischen Begriffe und Motive interessanter als der eigentliche Mordfall, der mich im letzten Romandrittel wirklich nicht mehr fesseln konnte.

Bewertung vom 01.10.2022
Monterosso mon amour (eBook, ePUB)
Pfeijffer, Ilja Leonard

Monterosso mon amour (eBook, ePUB)


gut

Wer unter Wasser schwimmt

Die gefällig erzählte Novelle lebt von der Protagonistin Carmen, die eine Lesung mit dem Schriftsteller Ilja Leonard Pfeijffer organisiert, der momentan En Vouge ist.
Die Begegnung mit ihm wird für sie zum Wendepunkt.

Die Novelle scheint ein Nebenprodukt des Romans Das schönste Mädchen von Genua zu sein.

Am Ende des Buches trifft Carmen den Schriftsteller nochmals zufällig im Flugzeug und es kommt zu einer Aussprache.

Es ist eine Mischung aus Selbstironie und Selbstgefälligkeit mit einer Prise selbst inszenierten Hype. Daher würde ich das Buch nicht überschätzen, aber man muss es auch nicht bereuen, es gelesen zu haben.

Bewertung vom 01.10.2022
Nehmt uns endlich ernst!
Klaar, Ananda

Nehmt uns endlich ernst!


sehr gut

Bewusstsein schaffen

Das Buch hat einen provokanten Titel und noch mehr der Untertitel, aber man sollte den Inhalt dennoch ernst nehmen, denn Ananada Klaar zeigt deutlich die Gefühlslage junger Leute.
Klaar legt teilweise schon sehr deutlich den Finger zielgerichtet in die Wunde, zum Beispiel im Bereich Bildung. Deutlich werden auch die schweren Einschränkungen einer ganzen Generation durch die Pandemie sowie die Härten, die Kinder durchmachen, deren Eltern Hartz4 beziehen.
Es gibt viel Ungerechtigkeiten und die Themen der jungen müssen mehr berücksichtigt werden.

Bewertung vom 28.09.2022
Jeder sollte zwei Leben haben. Sylvia Plath
Frieling, Simone

Jeder sollte zwei Leben haben. Sylvia Plath


sehr gut

Über die Autorin der Glasglocke

Simone Frielings Biografie über die amerikanische Schriftstellerin Sylvia Plath ist interessant und auch ohne große Vorkenntnisse lesbar, wobei Leser, die Plath Werk gut kennen, sicher auch einiges mehr erkennen.

Das Buch hat Atmosphäre wie die Texte von Sylvia Plath, die neben Lyrik der einzige Roman Die Glasglocke ist.
Es gibt auch viel über Ted Hughes, den untreuen Ehemann von Sylvia Plath, der selbst Dichter war. Es war eine schwierige Beziehung. Das wird im Buch sehr gut herausgearbeitet.

Auch das gelegentlich Stimmen zwischengeschaltet sind, z.B. Susan Sontag, Ulla Hahn oder Ingeborg Bachmann ist effektvoll und passend.

Bewertung vom 26.09.2022
Das Haus über dem Fjord
Valla, Kristin

Das Haus über dem Fjord


gut

Familiendrama in Norwegen

Das Haus über dem Fjord ist ein eher unspektakuläres Buch. Keineswegs sollte man hier einen Krimi erwarten, dafür hat Kristin Valla literarische Qualitäten und die Spurensuche der Protagonisin Elin hat mehr einen journalistischen Ansatz.

Elin hat im einem Dorf in Nordnorwegen als 10jährige ihren Vater und die Brüder verloren.
20 Jahre später kehren die Erinnerungen an diesen Verlust zurück, als sie zurückkehrt um das Elternhaus zu verkaufen. Sie trifft auch ihren Jugendfreund Ola wieder.

Norwegische Literatur habe ich noch nicht so viel gelesen. Der Schauplatz prägt auch das Buch.

Wegen der Ausgangsposition wird relativ verhalten erzählt. Manchmal herrscht Tristesse vor.
Elin ist dem Familiengeheimnis auf der Spur.
Es ist nicht unbedingt das spannenste Buch, aber es gibt einige gute Formulierungen.
Man muss es nicht bereuen, dieses Buch gelesen zu haben.

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 22.09.2022
Maremma
Stadler, Anna Maria

Maremma


sehr gut

Gedanken einer Camperin

Anna Maria Stadlers Debütroman Maremma ist bei Jung und Jung erschienen und auf der Shortlist Debüt vertreten.
Es geht um eine Gruppe von Freunden auf einem Campingplatz in Maremma in Italien. Dieses Sumpfgebiet prägt das Buch.
Die Erzählerin ist eine Beobachterin und hat einen genauen Blick, auf die Umgebung wie auf die anderen Menschen.
Die Beschreibungen sind teilweise minutiös und erstrecken sich über Tage.
So sehr ich die Formulierungen auch bewundere fühle ich mich beim Lesen durch sie auch fast erschlagen.

Die aus Salzburg stammende Schriftstellerin Anna Maria Stadler hat eine Sprache, die auffällt. Ich gebe ihr eine gute Chance für den Debüt-Preis.

Bewertung vom 21.09.2022
Aufruhr der Meerestiere
Gamillscheg, Marie

Aufruhr der Meerestiere


ausgezeichnet

Die Erschütterung der Meerwalnuss

Die Meeresbiologin Luise ist Wissenschaftlerin durch und durch. Das nimmt den Raum in ihrem Leben ein und lässt wenig anderes übrig. Das wichtigste überhaupt ist ihr das Forschungsobjekt, die Meerwalnuss, eine Qualle.
Der Roman ist anfangs so gemacht, dass man tief in Luises Welt eintaucht.
Dann ergibt sich für sie die Chance, in Graz mit einem Tierpark zu kooperieren. In Graz ist Luise aufgewachsen
Dann kommen die Passagen in Graz, die ihr Verhältnis zum Vater zeigen, das auch nicht ganz einfach ist. Als Jugendliche hatte sie Essstörungen.
Im Verlaufe des Romans erfährt man durch Luises Erinnerungen schließlich mehr über sie, ihre Sensibilität und Labilität und ihren Problemen und warum sie die Welt der Wissenschaft wählte. Doch das nur in Ansätzen, viel bleibt auch rätselhaft und das ist von der Autorin Marie Gamillscheg bewusst so gewählt.

Es gibt einige gute Beobachtungen. Ich mochte z.B. Luises Ankunft in Graz oder die Passagen im Tierpark. Die sprachlichen Qualitäten der Autorin sind bemerkenswert.

Das Buch ist von den Metaphern durchdrungen, sprachlich gediegen gemacht.

Bewertung vom 21.09.2022
Nebenan
Bilkau, Kristine

Nebenan


gut

Verhalten erzählter, ruhiger Roman

Kristine Bilkau dritter Roman hat es auf die Short-List des Deutschen Buchpreises 2022 geschafft. Für mich ein wenig überraschend, da der Roman so betont ruhig und unspektakulär ist.
Der Roman überträgt wenig Handlung dafür Stimmungen und zeigt einen Zustand.
Es gibt 2 Protagonistinnen, Julia und Astrid, beide sind sensible Frauen und realistisch wirkende Figuren, sie sind aber auch irgendwie verschlossen. Beide ihre Handkungen werden nebeneinander erzählt, sie begegnen sich kaum.

Die 30jährige Julia ist erst vor kurzen aus der Stadt aufs Land gezogen und hat einen starken Kinderwunsch, der sich bisher nicht erfüllt.
Astrid ist die Dorfärztin, 60, eine starke Frau, aber plötzlich wird sie anonym bedroht.
Die Situation ist eigentlich spannend, aber es bleibt doch verhalten.

Ein ruhiges Buch, bei dem ich lange Zeit ratlos war, was ich damit nun anfangen soll.
Dennoch ist das Buch gut geschrieben und es ist kein schwaches Buch, dazu gibt es zu viele gelungene Passagen.