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Mikka Liest
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⇢ Ich bin: Ex-Buchhändlerin, Leseratte, seit 2012 Buchbloggerin, vielseitig interessiert und chronisch neugierig. Bevorzugt lese ich das Genre Gegenwartsliteratur, bin aber auch in anderen Genres unterwegs. ⇢ 2020 und 2021: Teil der Jury des Buchpreises "Das Debüt" ⇢ 2022: Offizielle Buchpreisbloggerin des Deutschen Buchpreises

Bewertungen

Insgesamt 735 Bewertungen
Bewertung vom 15.05.2014
Unter dem Südseemond
Gärtner, Regina

Unter dem Südseemond


gut

Pro:
Das Cover fand ich direkt sehr ansprechend mit seinen sommerlichen Farben und seinem exotischen Touch! Ich versprach mir davon eine historische Geschichte mit einem ganz eigenen Flair, und genau das bietet das Buch auch - für mich leider mit kleinen Einschränkungen.

Mir gefiel sehr gut, dass hier nicht einfach nur die Geschichte einer jungen Frau geschildert wird, die in den Zwängen und Erwartungen ihrer Zeit gefangen ist, sondern dass sie auch ihr ganzes vertrautes Leben hinter sich lassen und in ein Land ziehen muss, das ihr so fremdartig ist wie der Mond - und in dem sie einerseits fremde Zwänge, und andererseits ungeahnte Freiheiten findet. Die Mischung war für mich originell, interessant und (größtenteils) unterhaltsam!

Alma war mir direkt sympathisch: eigentlich hatte sie sich ihr Leben schon in allen Einzelheiten ausgemalt. Ihren Hannes wollte sie heiraten, ihm Kinder gebähren und ein friedliches Leben führen. Aber ihre Schwester Käthe, die ihr schon immer unerklärlich neidisch gesonnen war, zerstört alle diese Zukunftspläne gedanken- und gnadenlos, und so findet sich Alma mit einem älteren Mann verheiratet wieder, der zwar im großen und Ganzen ein anständiger Mensch zu sein scheint, den sie aber nicht lieben kann. Dass sie ihm auch noch nach Samoa folgen muss, erscheint Alma erst wie das Ende der Welt. Aber sie findet Mut in sich, den sie nicht für möglich gehalten hätte!

Im Buch spielen tief verschüttete Familiengeheimnisse eine Rolle, geschwisterliche Rivalität, gesellschaftlicher Neid und Standesdünkel... Auch das Thema Rassismus wird angeschnitten, da die deutschen und englischen Familien, die auf Samoa leben, auf ihre dunkelhäutigen Angestellten herunterschauen und sie für zurückgeblieben, diebisch und unfähig halten. Aber gerade unter den einheimischen Charakteren gab es ein paar wirklich liebenswerte und interessante, die Autorin lässt also keinen Zweifel daran, wie ignorant diese Vorurteile sind!

Der Schreibstil ist leicht und flüssig zu lesen, und besonders die Beschreibungen von Land und Kultur fand ich sehr einnehmend und erfrischend.

Kontra:
So originell die Mischung aus geschichtlichen Ereignissen, familiären Verwicklungen und exotischen Landschaftsbeschreibungen auch ist, in zwei Bereichen ging diese Originalität für mich leider etwas verloren.

Einmal in der Charakterentwicklung. Mehr als einmal ist mir sauer aufgestoßen, dass die unsympathischen Charaktere meist die hässlichen oder zumindest unscheinbaren sind. Alma, die gute, aufopfernde Schwester, ist z.B. wunderschön, und Käthe, das intrigante Biest, ist pummelig und wenig ansehlich. Außerdem blieb gerade Käthe, die ein zentraler Charakter ist, für mich eher blass und auf wenige Attribute reduziert: Neid, Missgunst, Gier. Auch viele andere Charaktere kann man mit wenigen Eigenschaften beschreiben und sie verändern sich im Laufe des Buches nur wenig.

Die Liebesgeschichte verläuft immer wieder für lange Zeitstrecken im Sand. Immer kommt etwas dazwischen, immer gehen die besten Pläne im letzten Moment schief... Das erschien mir manchmal sehr erzwungen, und so nach und nach ging mir, was die Liebesgeschichte betraf, die Spannung verloren.

Vom Ende hatte ich mir mehr erwartet, das ging mir einerseits zu glatt, und andererseits blieb vieles offen.

Zusammenfassung:
Einerseits bot das Buch thematisch mehr, als ich erwartet hatte - anderseits blieb vieles für mich merkwürdig flach und vorhersehbar. Der Roman ist unterhaltsam, aber wirklich emotional berührt hat er mich nur selten, und im Endeffekt muss ich leider zugeben, dass er für mich deutliche Längen hatte. Kein schlechtes Buch, aber auch keins meiner Monatshighlights!

4 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 15.05.2014
Gegen die Gezeiten
Salberg, Mia

Gegen die Gezeiten


sehr gut

"Gegen die Gezeiten" von Mia Salberg
http://mikkaliest.blogspot.de/2014/05/gegen-die-gezeiten-von-mia-salberg.html

Pro:
Nach dem Klappentext und dem Titelbild hatte ich schon ziemlich genaue Vorstellungen, worum es in diesem Roman gehen würde, und welche mythologischen Kreaturen dabei möglicherweise eine größere Rolle spielen würden. Ich habe vieles vorausgeahnt - und mit vielem gründlich daneben gelegen, denn die Autorin erzählt eine weitaus komplexere, detailliertere und fantasievollere Geschichte, als ich erwartet hatte! Ja, manches kommt einem aus Märchen und Sagen ein wenig bekannt vor, aber alles wird originell weitergesponnen oder neu interpretiert, so dass für mich keinerlei Langeweile aufkam.

Im ersten Drittel des Buches ist der Roman für mich vor Allem ein klassisches Jugendbuch: ein junges Mädchen kehrt in den Heimatort ihrer verstorbenen Mutter zurück und fühlt sich dort fremd, missverstanden und keineswegs willkommen. Die eigene Tante und der eigene Onkel scheinen ihr wenig mehr als Pflichtbewusstsein entgegen zu bringen, und zu allem Überfluss gibt es noch nicht einmal Internet- oder Handyempfang, so dass sie auch von ihrern Freunden daheim völllig abgeschnitten ist. Da konnte ich richtig gut verstehen, dass Ella manchmal patzig, mürrisch und bockig reagiert - sie ist mit der Situation einfach überfordert und versteht nicht, in was sie da hineingeraten ist. Eigentlich hat sie ein gutes Herz, und eigentlich ist sie auch sympathisch, nur geht das manchmal (verzeichlicherweise) ein wenig in der Frustration unter. Aber das macht sie in meinen Augen nur echt und realistisch.

So nach und nach webt sich dann aber das Übernatürlich in die Geschichte hinein: Märchen, die Ella liest und die ihr erzählt werden. Detaillierte Träume, die unglaublich real zu sein scheinen und manchmal sogar Vorahnungen zu enthalten scheinen. Und immer wieder Andeutungen, dass ihre Mutter eine Verräterin war, eine Diebin, Schuld an... ja, Schuld an was? So genau weiß Ella das nicht, und eigentlich will sie das alles nur für Unsinn halten, und dennoch die Wahrheit über ihre Mutter erfahren.

Dann gibt es da natürlich noch Luke, der sie anzieht - und der sie mal freundlich behandelt und dann wieder barsch vor den Kopf stößt. Was soll Ella nur davon halten? Mir gefiel gut, dass sich da nicht einfach nur eine durchschnittliche Liebesgeschichte entfaltet, sondern dass auch da die Geschichte der Insel wieder eine größere Rolle spielt.

Ganz zu schweigen von all den anderen Dorfbewohnern, die sie stets misstrauisch mustern: der geheimnisvolle Dorfkünstler, der barsche Museumswächter, die jugen Leute, die unter fremdartigen Namen der Insel huldigen... Ella weiß nicht mehr, ob es sie unter Verrückte verschlagen hat, oder ob es eben doch mehr zwischen Himmel und Erde gibt, als sie für möglich gehalten hätte.

Das ist alles sehr detailliert und interessant beschrieben, und überhaupt gefiel mir der Schreibstil sehr gut. Die Autorin webt mit ihren Worten eine magische, dichte Atmosphäre, und verbindet dabei ganz souverän verschiedene Genres: Jugendbuch, Liebesgeschichte, Urban Fantasy, Märchen, Abenteuer...

Kontra:
Manchmal, aber wirklich nur manchmal, erschien mir Ella ein klein wenig naiv, und sie stand gelegentlich ein bisschen auf dem Schlauch. Andererseits: wir haben so ein gefestigtes Bild im Kopf, wie unsere Welt funktioniert und was möglich ist und was nicht, da ist es vielleicht beinahe unmöglich, diese Vorstellung so schnell loszulassen.
Über einige Charakter hätte ich gerne noch deutlich mehr erfahren, und ich wäre einer Fortsetzung nicht abgeneigt! (Und das will was heißen, mir gehen die ständigen Reihen und Trilogien im Moment etwas auf die Nerven.)

Zusammenfassung:
Eine Geschichte voller Mythen, Sagen, Fantasie, die dennoch durch ihre moderne Heldin fest in der Gegenwart verankert ist! Mir hat das Buch gut gefallen, aber ich würde es auch und vor allem jüngeren (oder jungegebliebenen) LeserInnen empfehlen.

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 14.05.2014
Dark Places
Flynn, Gillian

Dark Places


ausgezeichnet

Gillian Flynn schreibt schwierige, sperrige weibliche Charaktere, die es einem nicht leicht machen, sie zu mögen.

Auch in diesem Buch ist die Protagonistin alles andere als eine strahlende, sympathische Heldin. Im zarten Alter von sieben Jahren hat sie die Morde an ihrer Mutter und ihren beiden Schwestern miterlebt, ihren Bruder Ben vor Gericht der Taten beschuldigt, und seither wird ihr ganzes Leben davon bestimmt. Damit meine ich nicht nur die emotionalen Narben - und die hat sie definitiv. Sie trinkt zuviel, sie kann oft tagelang kaum das Bett verlassen, gelähmt von Depressionen und Antriebslosigkeit. Sie stiehlt alles, was sie in die Finger bekommt. Sie kann sich kaum dazu bewegen, Lebensmittel für sich und ihre ständig hungrige Katze zu kaufen. Sie hat überlebt, aber irgendwie ist ihr Leben seither erstarrt, fast schon vorbei.

Sie hat nie gelernt, ihr Leben wirklich selber in die Hand zu nehmen. Auch über zwanzig Jahre später lebt sie immer noch von den letzten Resten großzügiger Spendengelder, sie hat nie gearbeitet oder auch nur einen Beruf erlernt... Ihr Jugend hindurch ist sie von entferntem Verwandten zu entferntem Verwandten abgeschoben worden, da sie immer wieder durch ihr aggressives, unverschämtes Verhalten auffiel - einmal ging sie sogar soweit, den Schoßhund ihrer Tante zu misshandeln und dabei ausversehen zu töten. So verständlich ihr Zorn auf das Schicksal auch ist, so dachte ich mir als Leserin doch öfter: jetzt komm, du musst jetzt langsam mal aufstehen und dein Leben in den Griff bekommen! Aber das ist natürlich einfacher als gesagt, und im Endeffekt macht sie die ersten wichtigen Schritte nicht, um endlich zu heilen, sondern nur, um mehr Geld aus der Tragödie herauszuschlagen. Mehr möchte ich hier noch nicht verraten, aber an dieser Stelle beginnt eine widerwillige Reise Libbys zu sich selbst.

Für mich sind die Bücher von Gillian Flynn nicht wirklich Thriller. Psychologische Geschichten von Gewalt, Verbrechen, Sucht und Hilflosigkeit, ja. Düstere Familiengeheimnisse, abgründige Kleinstadtgeschichten. Fehlgeleitete Charakter, moralische Zweideutigkeit... Wie oben schon gesagt: für mich entwickelt diese originelle Mischung einen unglaublichen Sog, und dadurch sind die Bücher auch von vorne bis hinten spannend - es ist eben nicht immer die typische Thrillerspannung, manchmal ist sie eher langsam und schleppend, oder unterschwellig halb verborgen. Ich denke, da muss jeder mal reinlesen und selber entscheiden, ob ihm diese Mischung gefällt.

Der Schreibstil schwankt zwischen den oft nüchteren, fast beißenden Gedanken Libbys, ihrem schwarzem Humor, hastig unterdrückter leiser Hoffnung, ihrer unbestimmten Sehnsucht nach einem gesünderen, harmonischeren Leben... Sie beschönigt nichts, gerade nicht ihre eigenen Fehler, und genau deswegen funktioniert der Schreibstil für mich so gut: er ist ehrlich, schonungslos.

Manche Passagen sehen wir auch durch die Augen anderer Charaktere, aber diese Schonungslosigkeit zieht sich durch das ganze Buch... Und dabei wird immer klarer, dass gut und böse selten klar umrissene Konzepte sind.

Gillian Flynns Bücher sind für mich das, was man im englischen "aquired taste" nennt: etwas, an dessen Geschmack man sich erstmal gewöhnen muss, und dann liebt man es - oder man hasst es. Ich liebe die Bücher, und wenn ich einmal eines angefangen habe, kann ich es kaum noch weglegen! Am Besten, man löst sich direkt von Anfang an von allen Erwartungen, die möglicherweise durch den Klappentext oder den Ausdruck "Thriller" geweckt werden; meiner Meinung nach lesen sich die Bücher am Besten, wenn man nicht versucht, sie in eine bestimmte Schublade zu stecken.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 14.05.2014
Heute leider kein Foto für dich, Baby
Philipps, Carolin

Heute leider kein Foto für dich, Baby


sehr gut

Pro:
Das Cover ist mal etwas ganz anderes: statt dem stark geschminkten, durchgestylten Mädchen im Designerkleid, das man bei diesem Buchtitel eigentlich vermuten würde, ist das Titelbild eher schlicht - aber unvermutet aussagekräftig. Das Kleid, das ausgerechnet aus den Worten besteht, mit denen bei GNTM der Traum einer Kandidatin endet, die sportlichen Schuhe darunter, die einen ganz anderen Lebensstil andeuten... Das macht neugierig, und das zu Recht!

Ja, einerseits ist das Buch irgendwie wie eine Staffel GNTM im Zeitraffer. Würde das Buch aber nur das und nicht mehr bieten, wäre es wahrscheinlich nur für diese eine Zielgruppe wirklich tauglich: Mädchen im Teenageralter, die selber gerne bei einer solchen Casting-Show antreten würden und vielleicht heimlich im Hausflur den Catwalk üben.

Aber hier kommt die gute Nachricht: das Buch beschränkt sich nicht darauf, einfach nur eine Casting-Show in Buchform zu sein. Und das ist vor allem Pia zu verdanken, durch deren Augen wir die ganze Geschichte sehen und erleben, und durch die eine tiefere emotionale Bindung an das Geschehen möglich wird. Wir sehen nicht nur das Gute und Glamoröse am Modelleben, nicht nur die üblichen fernsehtauglichen Soundbites und das aufgeputschte Drama, sondern erleben auch Pias Zweifel, ihre Ängste, ihre Hoffnungen... Durch sie werden auch ernsthaftere Themen angesprochen: ihre Trauer um die Mutter, die sie als strahlende Schönheit in Erinnerung hat, und über die sie jetzt Dinge erfahren muss, die sie nie geahnt hat. Die erste große Liebe und die Frage, inwiefern man trotz Beziehung die eigenen Träume ungebremst leben kann. Konflikte mit ihren Konkurrentinnen, die Bulimie einer Mitbewerberin... Man hat tatsächlich den Eindruck, als würde man Pia als stumme Beobachterin über die Schulter sehen. Sie ist auch alles andere als eine typische Kandidatin: im alltäglichen Leben hat sie für Mode und Schminke lange wenig übrig gehabt; stattdessen ist sie eine erfolgreiche Fussballspielerin, die sogar Chancen hat, ins Nationalteam aufzusteigen! Sie ist kein eindimensionales Modepüppchen, sondern das echte Mädchen von nebenan, mit echten Wünschen und Träumen.

Die Idee, Pias Freund Leon als Mädchen in die Show einzuschmuggeln, sorgt einerseits für eine Dosis Humor und eine Prise zusätzlicher Spannung - und auch für ein enormes Spannungspotential zwischen Pia, die ihren Traum leben will, und Leon, der sie dabei bremsen will, weil er Angst hat, sie zu verlieren. Beide machen manchmal Fehler, beide kommunizieren oft nicht richtig über ihre Konflikte, aber sie sind Teenager und haben noch nicht viel Erfahrung mit Beziehungen - auch sowas muss man eben erstmal lernen!

Die Romanze zwischen den beiden ist richtig süß, trat für mich aber oft hinter den anderen Themen zurück. Für mich war Pias Reise zur Selbsterkenntnis wichtiger als die Liebesgeschichte, wobei diese dabei natürlich auch eine Rolle spielt. Die Spannung lag für mich von Anfang an weniger darin, ob Pia gewinnen wird oder nicht, sondern mehr darin, was sie wohl daraus lernen wird! Ich denke, dass das Ganze sicher noch viel spannender für Mädchen ist, die gerade selber dabei sind, sich und ihren Lebensweg zu finden.

Kontra:
Der Schreibstil ist meist sehr einfach und stach für mich dadurch nicht sonderlich heraus, aber er lässt sich leicht und locker runterlesen. So ist das Buch bestimmt auch für jüngere LeserInnen gut zu lesen. Ich denke, auch eher ungeübte Leser, die vielleicht gerade erst ins Lesen als Hobby reinschnuppern, sollten mit dem Buch gut auskommen!

Zusammenfassung:
Auch für Jugendliche, die nicht heimlich vom Modelleben träumen, hat das Buch Einiges an Themen zu bieten - im Mittelpunkt steht eigentlich die Reise eines jungen Mädchens zu sich selbst, und sie weiß selber noch nicht, ob diese Reise sie jetzt auf den Laufsteg, den Fußballplatz oder sonstwohin führen wird.

Bewertung vom 14.05.2014
Eine zauberhafte Gabe
Webber, Heather

Eine zauberhafte Gabe


ausgezeichnet

Das Buch bietet eine interessante, abwechslungsreiche, originalle Mischung aus Übernatürlichem, Romantik, Krimi, Familiengeschichte, Freundschaft und vielem mehr - und trotz alldem fand ich es immer einfach, den roten Faden im Blick zu behalten und war dadurch nie verwirrt oder überfordert. Der Roman ist wie eine Schachtel Pralinen: man weiß von Seite zu Seite nie so genau, was man kriegt, aber es ist alles wie feinste Schokolade.

Lucy hat sich in dem Buch wirklich mit einigem herumzuschlagen: schließlich wurde ihre Familie vom Liebesgott Amor gleich zweierlei bedacht. Einmal mit der Gabe, auf den ersten Blick zu erkennen, wenn zwei Personen füreinander bestimmt sind - und diese Gabe hatte Lucy eigentlich auch, bevor sie ihr als Teenager durch einen Stromschlag jäh ausgetrieben wurde -, und dann, sozusagen als Preis für die Gabe, mit einem Fluch. Denn die Valentines können die Auren aller Menschen sehen, nur nicht die eigene oder die eines Familienmmitglieds... Ihre Liebesbeziehungen scheinen immer in die Brüche zu gehen. Und so sind sie scheinbar auf immer verdammt, anderen die Liebe zu bringen und selber daran zu scheitern.

Lucy ist eine entschlossene, selbstständige junge Frau, die mir sehr sympathisch war. Nach dem Verlust ihrer ursprünglichen Gabe entwickelte sich bei ihr eine andere: sie kann verlorene Dinge finden, und diese Gabe setzt sie dafür ein, verschwundene Menschen zu suchen, vorzugsweise verlorene Lieben. Wenn sie z.B. die Hand eines Mannes berührt, der der verschwundenen Frau einmal einen Verlobungsring geschenkt hat, kann sie in Visionen sehen, wo dieser Ring inzwischen ist - und manchmal führt sie das dann auch zu der Verschwundenen. Lucy hat ein wirklich gutes Herz und tut sowas eigentlich mehr aus dem Bedürfnis heraus, Menschen zu helfen, als aus dem Wunsch, viel Geld damit zu scheffeln.

Um nur mal ein paar Dinge aufzuzählen, mit denen Lucy sich in diesem Buch beschäftigt: sie sucht eine Frau, in die ein alter Mann vor über 40 Jahren unsterblich verliebt war - und findet mehr als erwartet. Sie hilft der Polizei dabei, herauszufinden, ob eine verschwundene junge Mutter noch lebt und was, so oder so, mit ihr geschehen ist. Sie kämpft gegen ihre romantischen Gefühle zu dem Polizisten Sean, denn sie hat Angst davor, dass Amors Fluch zuschlagen wird, sobald sie sich eingesteht, dass sie Sean möglicherweise lieben könnte. Sie findet sich widerwillig damit ab, von einer ehrgeizigen jungen Reporterin bei ihren Fällen begleitet zu werden, und findet eine unerwartete Verbündete. Und, und, und...

Ich fand jeden Aspekt der Geschichte auf seine eigene Art und Weise spannend: die Liebesverwicklungen, die Krimielemente, Lucys Familie... Ich habe mich an keiner Stelle gelangweilt oder fand das Tempo zu langsam oder zu schnell. Mir gefiel der Schreibstil ohnehin sehr gut, ganz wunderbar zu lesen!

Durch Amors Fluch sind die Liebesgeschichten in diesem Buch natürlich teilweise eher problematisch, und gerade Lucy muss im Laufe des Buches erst nach und nach lernen, dass es auch für "normale" Menschen nie eine 100%ige Happy-End-Garantie gibt. Manchmal erfordert Liebe eben den Sprung ins Ungewisse und die Bereitschaft, ein großes Risiko einzugehen. Ich fand es sogar sehr schön, dass sich die Dinge dadruch zwangsweise eher langsam entwickeln - dadurch blieb das ganze Buch hindurch das Kribbeln erhalten!

"Eine zauberhafte Gabe" ist vielleicht kein Buch mit enormem intellektuellen Tiefgang, aber es ist durchaus ein Buch, in dessen zauberhaften kleinen Geschichten sich ein paar stille Lebensweisheiten verstecken. Und vor Allem ist es sehr unterhaltsam und locker zu lesen! Romantisch, spannend, manchmal herzerwärmend... Genau das Richtige, um zwischendurch ein bisschen vom Alltag abzuschalten und sich treiben zu lassen.

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 14.05.2014
Liebe ist keine Primzahl
Renk, Ulrike

Liebe ist keine Primzahl


sehr gut

Hier wird viel mehr angesprochen als die erste Jugendliebe: wie lebt man als Kind und Teenager mit einem Elternteil, der ernsthaft psychisch krank ist? Ist das vererblich? Mit wem spricht man darüber? Ist es Verrat, sowas seiner besten Freundin zu verschweigen? Und dann gibt es noch völlig andere Themen: wie lebt es sich in einer Patchwork-Familie, vor allem wenn die beste Freundin auf einmal zur Stiefschwester wird? Darf die neue Stiefmutter einem wirklich Vorschriften machen? Ist das ok, wenn der eigene Vater der neuen Schwester auf einmal Geschenke kauft - und man selber keine bekommt? Beide Mädchen haben mit Neid zu kämpfen, und mit dem Gefühl, auf einmal zurückstecken und um die Aufmerksamheit ihrer Eltern buhlen zu müssen.

Ich muss ehrlich sagen, ich hatte öfter das Gefühl, es hätte dem Buch gutgetan, wenn nicht so viel auf relativ wenigen Seiten abgehandelt worden wäre. Beide Themen sind wichtige, umfangreiche Themen, aber beide zusammen sind vielleicht einfach zuviel auf einmal. Im ersten Teil steht noch Nessie und ihr Verhältnis zur psychisch kranken Mutter im Vordergrund, aber später fällt dieser Aspekt der Geschichte immer mehr einfach unter den Tisch.

Was ich auch zum Teil sehr verwunderlich fand: auf manche Ereignisse wird über lange Passagen hinweg hingearbeitet - und dann werden sie einfach übersprungen. Da ist zum Beispiel ein Kapitel, in dem Nessie ihre Mutter in der psychiatrischen Wohneinheit besuchen soll. Und sie will nicht, sie bekommt hysterische Anfälle, die sträubt sich, die tobt... Die ganze Reise nach Berlin, wo die Mutter lebt, ist für sie eine Tortur. Und dann wird die Begegbnung nicht einmal beschrieben - mit keinem Wort. Die Geschichte springt einfach von der Hinreise direkt zur Rückreise. Das waren einfach Szenen mit unglaublich viel Potential, die da gänzlich verschwiegen wurden, oder die dann höchstens im Rückblick knapp und mit emotionaler Distanz angesprochen wurden.

Abgesehen von dieser für mich doch ziemlich gravierenden Schwäche fand ich das Buch spannend, und die Gefühle von Nessie kamen mir immer glaubhaft und gut recherchiert vor. Überhaupt war sie für mich ein sympathisches junges Mädchen, das ich immer gut verstehen konnte - auch dann, wenn sie mal zickig, unfair und launenhaft vor. Es ist schwer genug, ein Teenager zu sein, und sie hat ja an viel mehr zu knabbern als der typische Teenager! Sie hat auch jede Menge gute Eigenschaften, ganz besonders ihre Fähigkeit, über ihr eigenes Verhalten nachzudenken, sich zu entschuldigen und nach einem Streit wieder auf Menschen zuzugehen.

Natürlich darf auch in einem Jugendbuch mit ernsthaften Themen eine Prise Humor nicht fehlen, und da hat mich das Buch auch nicht enttäuscht! Was die im Titel versprochene Liebe betrifft: meiner Meinung nach geht es hier weniger um romantische Liebe als um familiäre und freundschaftliche Liebe. Ja, Nessie und Kim verlieben sich natürlich auch mal, das wäre in ihrem Alter ja auch verwunderlich, wenn nicht, aber im Großen und Ganzen stand das für mich eher im Hintergrund und war meist eher ein Auslöser - manchmal für Konflikte zwischen Nessie und Kim, manchmal für schwesterlichen Zusammenhalt.

Ich hätte mir wirklich gewünscht, die Autorin hätte entweder ein dickeres Buch geschrieben und somit beiden der großen Themen - psychische Erkrankung eines Elternreils / Patchworkfamilien - viel mehr Raum gegeben, oder sich auf eines davon beschränkt. So hatte ich einfach immer wieder das Gefühl, dass etwas zu kurz kam oder ganz unterschlagen wurde. Aber dennoch fand ich das Buch immer noch spannend und gut zu lesen, und ich finde es durchaus auch für erwachsene Leser interessant. Die beiden jungen Heldinnen sind sympathisch und glaubhaft, und besonders das Thema psychischer Erkrankungen ist einfühlsam und lebensecht beschrieben - wenn auch etwas zu kurz!

Bewertung vom 13.05.2014
Klammroth
Grimm, Isa

Klammroth


ausgezeichnet

Auf dem Cover sieht man die Szene, mit der alles beginnt: ein junges Mädchen wandert im Feuerschein aus einem Tunnel ins Tageslicht. Jeden Moment werden jetzt heftige Explosionen den Tunnel hinter ihr erschüttern, und die feurige Druckwelle wird sie beinahe von den Füßen reißen und ihre Haare lichterloh in Brand stecken...

Die Autorin beschreibt diese Szene mit einer seltsamen Klarheit, fast sogar Leichtigkeit - und da hatte sie mich auch schon mit ihrem wunderbaren Schreibstil begeistert und fest gepackt. Sie schildert die Ereignisse mit einer ganz eigenen Stimme und interessanten und originellen Bildern, so dass die Geschichte fast schon etwas Märchenhaftes an sich hat. Der scheinbar verfluchte Tunnel, die möglicherweise böse Stiefmutter, die tapfere (?) Überlebende, der seltsame uralte Mann... Das alles könnte fast schon eine Erzählung der Gebrüder Grimm sein, nur in modernisierter Form.

Und dennoch ist nichts daran abgedroschen oder schon tausendmal gehört - zu diesen märchenhaften Elementen kommt ein bisschen Mystery, eine gute Portion Grusel, und auch einige ganz realistische Themen wie das Leben mit Schuldgefühlen (ganz besonders die Art Schuldgefühl, an dem Überlebende einer Katastrophe oft dafür leiden, dass sie nicht auch gestorben sind), Sucht, Selbstverletzung, Depressionen... In meinen Augen eine sehr ansprechende, wenn auch nicht immer leicht zu verdauende Mischung!

Die Spannung variierte für mich im Laufe des Buches sehr stark. Im ersten Drittel hielt mich vor allem der Schreibstil bei der Stange - ich konnte gar nicht genug davon bekommen, und so waren diese Passagen für mich alleine dadurch schon spannend. Den unterschwelligen Grusel fand ich in diesem Teil des Buches auch sehr angenehm! Im mittleren Drittel wurde die Geschichte für mich zeitweise plötzlich eher schleppend und konnte mich nicht 100%ig packen (dafür gab es einen leichten Punktabzug), aber im letzten Drittel stieg die Spannung dann wieder stark an, und auch die gruseligen Elemente wurden drängender und temporeicher. Außerdem baut die Autorin hier noch ein paar Wendungen ein, die ich so nicht kommen sehen habe, und nach denen ich erstmal nochmal durchs Buch blättern musste um zu sehen, welche Hinweise ich übersehen habe - denn es gibt tatsächlich welche! Beim Ende bin ich mir allerdings immer noch nicht sicher, ob es mir vollkommen gefällt... Es ist auf keinen Fall schlecht, aber es blieben noch Fragen offen.

Ich habe mich mehr als einmal bei dem Gedanken ertappt, dass die Hauptfigur, Anais, auch der Feder von Gillian Flynn entsprungen sein könnte - denn auch diese Autorin schreibt über kranke, kaputte, depressive, gestörte, traumatisierte Heldinnen, die neben sympathischen meist auch ernsthaft abschreckende Eigenschaften besitzen. Anais gehörte zu den Überlebenden der Katastrophe, die am glimpflichsten davongekommen sind: ihre Kopfhaut ist komplett verbrannt, aber wenn sie eine Perücke trägt, fällt das gar nicht auf. Aber ihre Mitmenschen in der kleinen Stadt, in der die Tragödie passiert ist, haben ihr nie wirklich verziehen - vor allem, weil sie später ein erfolgreiches Buch darüber geschrieben und veröffentlicht hat -, und sie sich selbst wohl auch nicht. Daher hat sie die Stadt so bald wie möglich verlassen, und lebt seither ein ganz anderes Leben als Bestsellerautorin und Performance-Künstlerin... Und nicht umsonst sind ihre Auftritte oft verstörend und haben mir Blut, Schmerz und Tod zu tun. Ich fand sie nicht immer sympathisch, aber immer interessant. Und oft habe ich wirklich mit ihr mitgelitten.

Ein dunkles Märchen, eine Tragödie mit übernatürlichen Elementen, die Geschichte einer Stadt, die an Schuldgefühlen, Hass und Neid krankt, eine ernsthaft gestörte Heldin, die die Katastrophe nie mehr wirklich losgelassen hat... Und noch vieles mehr. Man sollte keinen klassischen Thriller erwarten sondern einfach offen der Dinge harren, die da kommen werden - es lohnt sich meiner Meinung nach!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 04.05.2014
Mr. Monster / John Cleaver Bd.2
Wells, Dan

Mr. Monster / John Cleaver Bd.2


ausgezeichnet

Auch der zweite Band der Trilogie ist wieder eine originelle Mischung aus Thriller und Urban Fantasy, denn John kämpft erneut gegen seine eigene soziopathische Natur - und gegen eine unglaubliche, aber sehr reale dämonische Bedrohung.

Die Ereignisse des ersten Bandes haben ihre Spuren in Johns Psyche hinterlassen: es fällt ihm immer schwerer, seine Gewaltfantasien zu kontrollieren. Jede Nacht hat er brutale, blutige Träume, die er einerseits genießt, die ihm aber andererseits furchtbare Angst machen, dass er auf dem besten Weg ist, zum Mörder zu werden. Dass er tatsächlich eine Art Beziehung zu Brooke aufbaut, hilft dabei keineswegs - ganz im Gegenteil. In seinen Träumen foltert er sie und lauscht ihren Schreien.

Im Laufe des Buches verliert er mehr und mehr die Kontrolle. Nach und nach missachtet er seine eigenen Regeln, und John Cleaver und Mr. Monster verschmelzen. Und das ist erschreckend und verstörend. In diesem Buch tut er das erste Mal etwas, das mich wirklich schockiert hat, und nach dem ich erstmal das Buch weglegen und darüber nachdenken musste. Ich will noch nicht verraten, was es ist, aber es ist grausam und unmenschlich. Der einzige Grund, warum ich danach weiter über John lesen wollte: er hört nie auf zu kämpfen, gegen sich selbst und seine Natur, und ich habe einfach mit ihm mitgelitten und wollte sehen, ob es ihm gelingen würde, sich wieder unter Kontrolle zu bekommen.

Dieses Buch ist im Ganzen düsterer, blutiger und erschreckender als das erste. Es ist ja nicht nur John, der in seine gestörte Seelenwelt abdriftet - auch der Gegner in diesem Buch ist schrecklicher und dämonischer als der im ersten Band. Ich fand das alles sehr spannend und mitreißend!

Der Schreibstil gefällt mir auch wieder sehr gut. Ich bewundere besonders, wie Dan Wells es schafft, den Leser emotional einzufangen... Obwohl das Buch aus Sicht eines jungen Soziopathen geschildert wird, der selber die Emotionen anderer Menschen nicht begreift.

Wer den ersten Band mochte, wird bestimmt auch vom zweiten nicht enttäuscht sein - er ist spannend und gruselig und verstörend, und John ist ein innerlich zerissener junger Antiheld, mit dem man dennoch mitfühlen kann. Wer den ersten Band noch nicht gelesen hat, sollte das allerdings erstmal tun - es ist meiner Meinung nach keine gute Idee, mit dem zweiten Band anzufangen!