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Benutzername: 
Glüxklaus
Wohnort: 
Franken

Bewertungen

Insgesamt 577 Bewertungen
Bewertung vom 18.03.2020
Die Glasschwestern
Hauser, Franziska

Die Glasschwestern


gut

Familienroman mit besonderem Sprachstil - tiefsinnig, aber stellenweise ziemlich anstrengend

Saphie lebt mit ihren beiden erwachsenen Kindern in der Stadt und arbeitet als Deutschlehrerin für Ausländer, Dunja führt ein Hotel in ihrem Heimatdorf an der früheren innerdeutschen Grenze. Dunja und Saphie sind definitiv besondere Schwester, Zwillingsschwestern, von den Nachbarn auch „Glasschwestern“ genannt. Wie es der Zufall so will, sterben ihre beiden Ex-Ehemänner ausgerechnet am selben Tag. Die Trauer führt die Frauen zusammen, beide verarbeiten den Verlust aber auf völlig unterschiedliche Weise....

Franziska Hauser hat einen sehr außergewöhnlichen Schreibstil, für mich war er recht herausfordernd und manchmal anstrengend zu lesen. Sie schreibt aus der Perspektive der Schwestern, stets im Präsens, schildert all ihre Gedanken und Vorstellungen ungefiltert . Dabei kommt es immer wieder auch zu Zeitsprüngen, Gedanken laufen schließlich nicht chronologisch ab. Es fiel mir oft schwer, konzentriert zu lesen, ich empfand den Stil teilweise als überfrachtet, fast wie „Reizüberflutung“. Die unklare Sprache wirkt oft aber auch poetisch. Immer wieder finden sich im Text beeindruckende Formulierungen wie:
„Die Verbindung, die sie eben noch zueinander gesucht haben, wird zu einem schwarzen Loch und lässt die Schwestern wie zwei Sterne im All um Lichtjahre auseinanderrasen. Eine unheimliche Stille entsteht, und die Telefonleitung will nicht das leiseste Geräusch mehr übertragen.“
Die verwendeten Metaphern lassen viel Raum für Interpretationen. Auffällig auch die besonderen Kapitelüberschriften, Sprichwörter, wie „Was man sich wünscht, das glaubt man gern“, die immer mehr oder weniger versteckten Bezug zum Inhalt des Abschnitts haben und mir gut gefallen haben.

Durch den speziellen Schreibstil, der alle Gedanken der Schwestern exakt darstellt, werden die Schwestern für den Leser- zumindest im Moment des Lesens- zwar durchsichtig wie Glas, sind aber bei der Flut an Informationen über sie trotzdem sehr schwer zu fassen. Dunja und Saphie ändern im Laufe der Handlung ihrer Rollen, haben so beide etwas Uneindeutiges, Ambivalentes an sich. Daher waren sie mir trotz der sehr ausführlichen Charakterisierung emotional nicht besonders nah. Andere Figuren wie bspw. den Hotelangestellten Nino empfand ich als sympathischer.

Die Charaktere bestimmen die Handlung. Wichtiger Faktor der Handlung ist, was der Tod der Exmänner in den Schwestern bewirkt. Oft wird der Plot durch die Gedanken der Schwestern vorangetrieben. In den Köpfe der beiden „arbeitet“ es ständig und so gibt es immer etwas zu erzählen. Am Ende gelangt die Autorin zu einem stimmigen, runden Ende.

Franziska Hauser hat definitiv einen interessanten, nachdenklich stimmenden Roman geschrieben. Trotz aller negativen Gedanken der Figuren, einen mit positivem, versöhnlichem Abschluss. Anstrengend, herausfordernd, uneindeutig und ambivalent aber genauso besonders, künstlerisch und bemerkenswert. Ich werde „Die Glasschwestern“ noch öfter auf verschiedene Weise deuten, die beiden „undurchsichtigen“ Schwestern bleiben mir sicher noch länger in Erinnerung. Wer einen Faible für außergewöhnliche Sprache mit vielen Metaphern hat und Gelesenes gerne interpretiert, der wird an diesem Roman seine wahre Freude haben.

Bewertung vom 17.03.2020
Echo des Schweigens
Thiele, Markus

Echo des Schweigens


sehr gut

Was Recht ist, muss nicht gerecht sein

Anwalt Hannes Jansen steht kurz vor seinem großen Karriere-Durchbruch: Wenn er seinen aktuellen Fall gewinnt und den Mordverdächtigen Maik Winkler vor dem Gefängnis bewahrt, winkt ihm die Partnerschaft in der Anwaltskanzlei seines Chefs Boogs und zusätzlich eine große Bonuszahlung. Doch alles läuft leider nicht wie geplant. Kurz vor dem Schlussplädoyer bekommt er neues Beweismaterial zugespielt, dass Winklers Schuld beweisen könnte. Außerdem liegt ein neues rechtsmedizinisches Gutachten der Pathologin Sophie Tauber vor, das gegen Winkler spricht.
Sophie und Hannes lernen sich durch Zufall auf anderem Wege kennen und interessieren sich sehr füreinander, ohne zu wissen, dass sie vor Gericht auf verschiedenen Seiten stehen.
Auch Sophie hat es gerade nicht leicht. Nachdem ihre Mutter gestorben ist, erfährt sie einige prekäre Geheimnisse aus ihrer Familiengeschichte, die ihr Leben entscheidend verändern. Eine vertrackte und komplizierte Situation für alle Beteiligten....

Aufmachung und Cover des Buchs finde ich gelungen. Ein schwarz-weißes Titelbild, darauf sind Menschen und ihre langen Schatten zu sehen. Schlicht, aber wirkungsvoll.

Markus Thiele schreibt klar verständlich und flüssig. Ein angenehm zu lesender Roman, ohne künstliche, die Lektüre erschwerende, stilistische Schnörkel.

Die Geschichte spielt auf verschiedenen Zeitebenen. Neben Hannes und Sophies aktueller Situation werden auch zahlreiche Szenen aus der Vergangenheit, zur Zeit des Krieges oder aus dem Jahr 1979 geschildert. Die einzelnen Erzählstränge stehen anfangs noch isoliert da, sie werden nach und nach immer mehr miteinander verwoben. Diese Erzählweise macht die Spannung des Romans aus: Unglaublich aufregend, herauszufinden, wie die Teile der Handlung miteinander zusammenhängen, wer zu wem welche Beziehungen pflegt und wie sich Hannes und Sophies Situation weiterentwickelt. Erst zum Schluss verbindet sich alles zu einem großen Ganzen und der Roman kommt zu einem runden stimmigen Ende, das aber dann letztendlich doch nicht ganz so atemberaubend und spektakulär daherkommt, wie ich erwartet habe. Dadurch wird es aber glaubwürdiger, die Ereignisse sind an wahre Begebenheiten angelehnt, aber nicht ganz real, daher für mich kein klassischer Kriminalroman, eher eine Mischung aus Gerichtskrimi, historischem Krimi und Familienroman.

Sophie und Hannes sind zwei sehr ausführlich und nachvollziehbar dargestellte Charaktere. Beide erfahren neue Dinge, die sie vor große Herausforderungen stellen. Sie befinden sich durch ihr Wissen in moralischen Zwickmühlen und müssen entscheiden, wie sie darauf reagieren. Sowohl Sophie als auch Hannes konnte ich gut verstehen, sie sind sympathische Charaktere. Dadurch wurde ich als Leser emotional berührt. Ich habe die Geschichte nicht mehr aus der Distanz verfolgt, sondern fühlte mich „mittendrin“ im Geschehen und fragte mich selbst: Wie würde ich an Stelle der beiden handeln? Was ist moralisch richtig, was wäre Recht, was Gerechtigkeit? Am Ende war ich ganz schön mitgenommen und betroffen von all den aufrüttelnden Ereignissen.

„Echo des Schweigens“ hat mich nachdenklich zurückgelassen. Es ist alles andere als einfach, sich immer moralisch richtig zu verhalten. Autor Markus Thiel arbeitet selbst als Anwalt und weiß, wovon er schreibt: Recht ist nicht immer Gerechtigkeit. Und was ist überhaupt Gerechtigkeit? Oft gibt es trotz der Gesetze kein eindeutiges richtig und falsch, sondern ganz viele Abstufungen. Wir müssen immer wieder neu entscheiden, wie wir handeln und dabei lernen, mit den Konsequenzen unseres Handels zu leben. Ein wichtiger, interessanter, anregender Roman, der ganz viele Fragen aufwirft, die sich Menschen schon immer stellen. Bereits Aristoteles wusste: Wer Recht erkennen will, muss zuvor in richtiger Weise gezweifelt haben.

Bewertung vom 16.03.2020
Die Farben der Schönheit - Sophias Hoffnung / Sophia Bd.1 (eBook, ePUB)
Bomann, Corina

Die Farben der Schönheit - Sophias Hoffnung / Sophia Bd.1 (eBook, ePUB)


sehr gut

Solide Unterhaltung - perfekt für eine kleine Auszeit vom Alltag

Berlin 1926: Nachdem sich die junge Chemiestudentin Sophia Krohn auf eine Affäre mit ihrem Professor, Dr. Georg Wallner, eingelassen hat, wird sie ungewollt schwanger. Doch weder Georg noch ihre Eltern sind bereit, sie als ledige Mutter zu unterstützen. Sophia muss ihr Elternhaus verlassen, das Studium abbrechen und steht nun ganz alleine und ohne Hilfe da. Glücklicherweise kommt sie bei ihrer Freundin der Tänzerin Henny unter, die ihr eine Arbeit am Theater vermittelt. Als Henny ein Engagement in Paris erhält, entschließt sich die hochschwangere Sophia Henny zu begleiten. In der französischen Hauptstatdt angekommen, hofft sie darauf, ihr Hobby, die Herstellung von Kosmetik zum Beruf zu machen und im Unternehmen der weltberühmten Helena Rubinstein eine Anstellung zu finden.

Das bunte Titelbild zieht definitiv Blicke auf sich, die optische Gestaltung passt perfekt zum Titel der Trilogie „Sophias Farben“. Das Cover hat ohne Zweifel Wiedererkennungswert.

Für mich liest sich der Roman sehr angenehm unanstrengend und flüssig. Corina Bomann pflegt- wie gewohnt- einen recht schlichten, klaren und unkomplizierten Schreibstil.

Die Geschichte um Sophias Weg zu beruflichem Erfolg und ihre Unabhängigkeit ist interessant, mitreißend und unterhaltsam. Hauptfigur Sophia erlebt so einiges in ihrem jungen Leben
Durch die ungeplante Schwangerschaft befindet sie sich in einer aussichts- und trostlosen Lage, denn es sind Zeiten, in denen derartige moralische Fehltritte nicht toleriert werden. Aber Sophia lässt sich nicht unterkriegen und nimmt den Leser mit auf eine abenteuerliche Reise. Die Geschichte beginnt in Deutschland, spielt anschließend in Paris und endet zunächst in New York. Die verschiedenen Schauplätze sorgen für Abwechslung in der Handlung.

Sophia als Charakter dürfte Bomann-Leserinnen durchaus bekannt vorkommen, denn Bomanns Figuren sind oftmals recht ähnlich gezeichnet. Sophia wird als eine sensible, intelligente und willensstarke Frau dargestellt, die für ihr Hobby, die Herstellung von Kosmetika, brennt und genau weiß, was sie will. Ich empfand Mitleid für sie, sympathisch war sie mir aber nicht direkt. Sie kam für meine Begriffe ein wenig spröde und unnahbar rüber. Etwas mehr Temperament und Emotionalität, hätten sie mir sicher noch näher gebracht. Ganz anders Helena Rubinstein, sie ist ein historisch belegter Charakter, eine sehr bewundernswerte, eindrucksvolle und faszinierende Frau, die sich selbständig ein Kosmetikimperium aufgebaut hat. Dass auch real existierende Figuren wie Rubinstein oder ihre Konkurrentin Elisabeth Arden vorkommen, macht den Roman lebendiger, authentischer und glaubwürdiger.

Auf Corina Bomann ist Verlass. Sie ist für mich Garant für unterhaltsame, historische Romane um starke Frauen, die auf der Suche nach ihrem persönlichen Glück gegen viele Widerstände zu kämpfen haben. Auch dieser Roman „Sophias Hoffnung“ hat mich überzeugt. Natürlich keine große, tiefgründige Literatur, aber eine nette Lektüre und ideal geeignet, um sich eine kleine Auszeit vom Alltag zu nehmen und sich von Sophia in längst vergangene, aufregende Zeiten entführen zu lassen. Ich bin neugierig, wie sich Sophia noch entwickeln wird und freue mich jetzt schon auf ein paar schöne Lesestunden mit den beiden Fortsetzungsromanen.

Bewertung vom 13.03.2020
Keiner hat gesagt, dass du ausziehen sollst
Hornby, Nick

Keiner hat gesagt, dass du ausziehen sollst


ausgezeichnet

Witzig und treffend - Hornby in Bestform

In Janes und Toms Ehe läuft es nach Janes Affäre mit einem anderen Mann nicht mehr so richtig. Um ihre Probleme in den Griff zu bekommen, nehmen die beiden eine Eheberatung in Anspruch. Vor den Sitzungen treffen sie sich noch kurz in einem Pub und sprechen über Gott und die Welt und natürlich ihre Beziehung.

Die Geschichte ist nahezu ausschließlich in direkter Rede verfasst. Es geht nur um die Gespräche - insgesamt sind es zehn-, die Jane und Tom jeweils im Pub führen, während sie darauf warten, dass ihre Sitzungen bei der Paartherapeutin beginnen. Der Roman liest sich unkompliziert und flüssig, Hornby schreibt wie gewohnt mit Witz, locker, klar, leicht verständlich und äußerst unterhaltsam.

Es passiert äußerlich sehr wenig. Hin und wieder bekommt der Leser durch Janes und Toms Kommentare mit, wie es anderen Paaren ergeht, die Jane und Tom beobachten. Aber das zentrale Thema sind natürlich die Dialoge des Paares. Und diese haben es in sich. Nick Hornby hat schon in seinen vorherigen Romanen bewiesen, dass er meisterhaft in der Lage ist, menschliche Kommunikation zu analysieren und realistisch, aber gleichzeitig voller Ironie, darzustellen. Egal, worüber die beiden Protagonisten sprechen, sei es über den Brexit, Lieblingsserien, Subtexte oder die Sitzung von letzter Woche, sie sprechen doch immer irgendwie über sich und ihre Beziehung. Beeindruckend, wie es Hornby gelingt, nur anhand von zehn Gesprächen, die Situation, die Ehe der beiden, perfekt und glasklar abzubilden. Zu lesen, wie Jane und Tom aufeinander oder nicht aufeinander eingehen, wie sie - stets schlagfertig- die Sätze des jeweils anderen auf manchmal recht absurde Art interpretieren, wie sehr sie - trotz aller Diskrepanzen- verbunden sind, ist faszinierend.
Dabei erfährt der Leser natürlich sehr viel über die zwei Figuren, die beide für mich nachvollziehbar, authentisch und trotz ihrer Fehler und Schwächen sympathisch sind.

Unglaublich amüsant und treffend: Prägnanter und witziger lässt sich das Bild einer Ehe wohl nicht zeichnen. Empfehlenswert für alle, die noch etwas über Kommunikation und Beziehungen lernen und dabei den Humor nicht verlieren möchten.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 12.03.2020
Karl Valentin ist tot / Hauptkommissar Tom Perlinger Bd.3 (eBook, ePUB)
Vöhringer, Sabine

Karl Valentin ist tot / Hauptkommissar Tom Perlinger Bd.3 (eBook, ePUB)


sehr gut

Aufregend und lesenswert- nicht nur für Münchner

„Es muß was g’scheng, weil, wenn ned boid was g’schieht, dann passiert no was!“
Passiert ist eine ganze Menge: Am Münchner Karl-Valentin Gymnasium geht es sogar ganz besonders heiß her. Nach einem Brand im Gebäude der Schule wird dort eine Tote gefunden, die stellvertretende Direktorin Marianne Eichstätt. Aber das ist nicht die einzige Leiche im Keller der Schule, vor einiger Zeit hatte der Schüler Fabian Brühl Selbstmord verübt. Hauptkommissar Tom Perlinger und seine Kollegin Jessica ermitteln und decken dabei traurige und erschütternde Zusammenhänge auf.....

Sabine Voehringer schreibt flüssig und gut verständlich. „Karl Valentin ist tot“ ist ein sehr angenehm zu lesender Roman. Für Abwechslung sorgen immer wieder die amüsanten und geistreichen Zitate von Karl Valentin.

Die Handlung des Falls ist sehr spannend. Aufregend, aber auch erschreckend, was da an schlimmen Zuständen hinter der schönen Fassade zum Vorschein kam. Ein wenig konstruiert wirken manche Details des Plots zwar schon, aber der Roman hat definitiv einen großen Unterhaltungswert. Einige Verbindungen waren für mich etwas kompliziert nachzuvollziehen, aber nur deshalb, weil mir die Vorgängerromane nicht bekannt sind und für das Verständnis Vorwissen hilfreich gewesen wäre.

Die vielfältigen Charaktere des Krimis empfinde ich als interessant, sie werden allesamt nachvollziehbar dargestellt. Während mir die Ermittler Jessica und Tom sowie dessen Familie recht sympathisch waren, kamen manche Figuren ziemlich schlecht weg, eine sehr ausgewogene Mischung an Personen also. An waschechten Bösewichten mangelt es in diesem Roman definitiv nicht, aber die braucht es ohne Frage für das Gesamtkonstrukt und die Dramaturgie.

Ein wirklich unterhaltsamer, lesenswerter Krimi! Gut gefallen hat mir auch, dass München eine Hauptrolle einnimmt. Für mich ein großes Plus, dass die Schauplätze wirklich existieren und man selbst vielleicht sogar eigene Erinnerungen damit verbindet. Münchner werden bei der Lektüre sofort an „zu Hause“ erinnert. Auch dass Karl Valentin, ein für mich hochinteressanter Mann, für den Fall eine große Bedeutung hat und immer wieder zitiert wird, beurteile ich als sehr positiv und bereichernd. Mit ihm werde ich mich nach dem Buch sicher noch näher beschäftigen. Ob die ganze Angelegenheit realistisch ist, darüber lässt sich vermutlich streiten. Die Zustände an der Schule scheinen mir aber keine reine Fiktion zu sein. Dass das Bildungssystem an einigen Stellen hakt, die Schüler häufig nur auf ihre Leistungen reduziert und sich sogar schon in der Grundschule unter Druck gesetzt fühlen, das alles ist nicht von der Hand zu weisen. Unschön und unangenehm, aber authentisch. Ein spannender Lokalkrimi mit sympathischen Ermittlern, der die negativen Seiten des Schulsystem thematisiert. Nicht nur für Münchner empfehlenswert. Die Vorgängerbände setze ich nun definitiv auf meine Wunschliste.

Bewertung vom 12.03.2020
Luftpiraten
Orths, Markus

Luftpiraten


ausgezeichnet

Besonderes Hörerlebnis für die ganze Familie - intelligent und voller Magie und Humor

Echte Luftpiraten haben graue Haut, sind ständig unzufrieden und wütend und tun nichts lieber als Streiten. Sie verfügen über ein sehr aufbrausenden Temperament und können unglaublich laut wettern, blitzen und donnern. Liebe und Zuneigung sind ihnen völlig fremd. Besonders gut in allem, was ein Luftpirat so ausmacht, ist Amadeus Adiaba. Er bringt nicht umsonst den Luftpiratenkindern als Lehrer alles Wichtige bei. Eines Tages erhält er per Luftpost ein Paket mit einem kleinen Luftpiraten, Zwolle. Doch der entspricht leider so gar nicht der allgemeinen Vorstellung von einem wohlgeratenem, nützlichem Luftpiraten. Nicht nur dass er sich stets freundlich und gut gelaunt zeigt, seine Haut ist dazu auch noch weiß. Der kleine Kerl sorgt für allerlei Wirbel und Chaos in der Welt der Luftpiraten.....

Markus Orths hat einen wunderbaren Schreibstil: Klar und verständlich, poetisch und vor allem voller Wortwitz, gespickt mit vielen lustigen Wortspielen. So gibt es in „Firmament“ „Luftmolche“ und „Windschleichen“. Bei Gericht trifft man auf die „Zwölf Verschworenen“ und weggeschickt wird jemand mit den Worten: „Sieh zu dass du Luft gewinnst!“ Orths Sprache macht schlicht und einfach Spaß.

Die Welt der Luftpiraten, ganz Firmament, ist als Schauplatz so ganz anders als unsere Welt. Es gibt kein Miteinander, kein Helfen, keine Freunde, nur Streit, Zorn und Wut und das ist das Maß aller Dinge. Der liebenswerte Zwolle hat es da natürlich besonders schwer. Wirklich spannend, was er alles erlebt und wie er nach und nach die Luft-Welt ein kleines bisschen verändert.

Nicht nur der Handlungsort ist originell. Auch die vorkommenden Charaktere sind ungewöhnlich: die Luftpiraten Adiaba und Zwolle, die viel voneinander lernen, die ewig wütende und energiegeladenen Franka, die immer nur das tut, was sie möchte und sich von nichts und niemanden davon abbringen lässt, Luftikus Caspar, der verschiedene Gestalten annehmen kann, Bösewicht Kapitän Per Dekret, aber auch Professor Theo Rettich mit seiner Universaltheorie vom Urknall und nicht zuletzt die Stimme Charlie Gottchen.

Eine wirklich phantasievolle, traumhafte, tief- und hintergründige - aber auch zuversichtliche - Geschichte, die zeigt, wie wichtig Freundschaft ist und dass sich aus Gegensätzlichkeit eine besondere Dynamik entwickeln kann. Vielfalt ist bereichernd. Das macht Zwolle Franka recht deutlich, aber auch die anderen Figuren spielen jede ihre eigene Rolle auf dem Weg zum Happy End. Für Kinder ein wunderschönes spannendes Märchen, Erwachsenen können bei all der Doppeldeutigkeit für sich persönlich noch so viel mehr entdecken und „herausziehen“. Was, das liegt bei jedem selbst...

Axel Prahl liest das Ganze einfach unvergleichlich, für mich perfekt. Er gibt den Figuren eigene Stimmen, wettert, donnert oder erzählt ganz ruhig und unaufgeregt, je nachdem wie es gerade angebracht ist. Er verleiht der Geschichte Leben, ich höre ihm dabei sehr gerne zu.

Ein intelligentes zeitloses außergewöhnliches Hörerlebnis voller Magie, Humor und Feinsinn zum Nachdenken oder einfach Genießen für die ganze Familie. Eines, das man immer wieder hören kann und dabei vielleicht immer neue Details wahrnimmt.

Bewertung vom 07.03.2020
Tagesschau und Co. - Wie Sender und Redaktionen Nachrichten machen
Welk, Sarah

Tagesschau und Co. - Wie Sender und Redaktionen Nachrichten machen


ausgezeichnet

Sehr informativ und trotzdem sehr unterhaltsam
Das Sachbuch „Tagesschau & Co- Wie Sender und Redaktionen Nachrichten machen“ beantwortet zahlreiche Fragen zum Thema Nachrichten, z.B.: Was sind Nachrichten? Wie werden sie gemacht? Wer bestimmt, welches Thema in den Nachrichten behandelt wird? Warum kommen fast nur schreckliche Nachrichten vor? Wie finden Journalisten die Wahrheit raus? Was sind Fake News, wer erfindet sie und warum?....

Zu einem bestimmten Aspekt des Themas ist jeweils ein längerer Sachtext formuliert. Auf bunt gedruckten Notizzetteln finden sich auf den Seiten noch weitere Informationen, die für das Verständnis des Textes wichtig sein können, diesen vertiefen oder ergänzen. Zwischendrin lockern Rätselfragen das Ganze auf und die Kinder können überprüfen, ob sie das Gelesene richtig verstanden haben. Zusätzlich werden noch verschiedene bekannte Journalisten wie Tagesthemen- Moderator Ingo Zamperoni oder Marietta Slomka vom Heute-Journal interviewt. Nicht nur Nachrichtensendungen für Erwachsene sind Gegenstand des Buches, auch die Kindersendung „Logo“ wird immer wieder ausführlich behandelt.

Autorin Sarah Welk trifft genau den richtigen Ton. Sie schreibt klar und gut verständlich, aber nicht belehrend. Der Leser wird immer wieder direkt angesprochen. Durch den lockeren abwechslungsreichen Schreibstil kommt keines der etwas „trockeneren“ Themen auch nur ansatzweise langweilig rüber. Zum Selberlesen ist das Buch sicherlich ab 10/12Jahren geeignet, wenn die Kinder schon erste Erfahrungen mit dem Internet oder sozialen Medien gesammelt haben.

Die Gestaltung des Sachbuchs finde ich sehr gelungen. Die einzelnen Seiten sind mit netten Illustrationen versehen. Die kleinen witzigen, teils cartoonartigen, teils an Piktogramme erinnernden Bilder von Dunja Schnabel beziehen sich immer auf den Inhalt. Überhaupt ist das gesamte Layout gut durchdacht und stimmig, es erinnert an eine bunte Zeitschrift.

Anfangs war ich skeptisch, ob es möglich ist, ein so komplexes Thema wie Nachrichten, für Kinder verständlich und motivierend aufzubereiten. Aber meine Skepsis war vollkommen unbegründet. Stellenweise war das Buch sogar für meinen sechsjährigen Sohn und meine achtjährige Tochter sehr interessant, obwohl diese eigentlich nicht direkt der Zielgruppe entsprechen. Vor allem die Interviews, die Rätselfragen und die kleinen witzigen Anekdoten, wie die über Pannen beim Fernsehen oder den „Speiseplan“ von Auslandskorrespondenten, haben ihnen sehr gut gefallen. Ich als Erwachsene habe auch noch einiges dazulernen können, z.B. worin sich „die Tagesschau“ und „Heute“ unterscheiden. Es ist deutlich zu merken, dass die Autorin vom Fach ist, sich gut auskennt und genau weiß, worüber sie schreibt. Sie stellt die komplexen Zusammenhänge nicht zu vereinfacht dar, sondern erklärt sie kindgerecht, aber umfassend.
Ein wirklich tolles Buch zum Thema: informativ, gut recherchiert und vor allen Dingen unterhaltsam.
Genauso stelle ich mir ein perfektes Kindersachbuch vor.

Bewertung vom 06.03.2020
Die Schule am Meer
Lüpkes, Sandra

Die Schule am Meer


gut

Hochinteressanter Roman, in holprigem Schreibstil verfasst

1925 ziehen Anni Reiner, ihr Mann Paul und die drei Töchter auf die Insel Juist. Sie wollen dort gemeinsam mit engagierten Kollegen eine reformpädagogische Schule, ein Internat, gründen und ganz neu anfangen. Doch für die neuen pädagogischen Ideen, gemeinsames gleichberechtigtes Miteinander und Lernen im Einklang mit der Natur hat nicht jeder Verständnis. So haben die Schulgründer mit viel Gegenwind zu kämpfen. Einige Bewohner der Insel wollen die Schule lieber heute als morgen geschlossen sehen. Und dann erleben die Nationalsozialisten nach und nach immer größeren Zulauf. Keine einfache Situation für die Jüdin Anni.

Das Cover ist definitiv sehr positiv hervorzuheben. Es erzählt seine eigene kleine Geschichte: Junge Mädchen im Badeanzug sind darauf abgebildet, sie wirken zufrieden, ein Foto aus den 20er Jahren, der Mode nach zu urteilen. Definitiv ein Hingucker. Gut gefällt mir auch der Verzicht auf die Plastikfolie, das passt ideal zum naturnahen Konzept der Schule.

Sandra Lüpkes Schreibstil macht es dem Leser nicht ganz leicht: Die Autorin schreibt recht unklar, ein wenig holprig, wechselt immer wieder die Zeitformen - Moskitos Perspektive ist z.B. immer im Präsens formuliert- . Diese sprachlichen Eigenarten wirken ein wenig sehr bemüht und gekünstelt und hemmen den Lesefluss. Ich musste mich beim Lesen erst an die Sprache gewöhnen.

Das Thema zu diesem Roman ist hochinteressant. Die Schule am Meer in Juist hat es wirklich gegeben. Das zugrundeliegende Konzept mit dem Schwerpunkt gleichermaßen auf musische, physische und handwerkliche Ausbildung war damals ziemlich revolutionär. So hat mich die Geschichte recht schnell gepackt und ich fand den Roman sehr informativ und unterhaltsam. Dass die Handlung manchmal nicht chronologisch erzählt wird, nimmt dem Buch leider allerdings ein wenig die Spannung. Einige, meiner Ansicht nach sehr wichtige, Ereignisse finden nicht direkt statt, der Leser erfährt erst später im Rückblick davon, während Nebensächliches viel intensiver und ausführlicher thematisiert wird.

Die Geschichte wird aus verschiedenen Perspektiven erzählt. Beschrieben werden die Sichtweisen der Lehrerin Anni Reiner, des Schüler Maximilian, genannt Moskito, dessen Familie in Südamerika eine Zinnmine besitzt und der an starkem Heimweh leidet, des Musiklehrers Eduard Zuckmayer, Bruder des berühmten Schriftstellers Carl Zuckmayer, der Köchin Fräulein Kea und des Mädchens Marje, das nur durch Vermittlung ihrer Tante Kea einen Platz in der Schule erhält. Auch die Blickwinkel des Nationalsozialisten und Gemeindediener Gustav Wenniger und der Hotelierstochter Therese Gerken, denen die Schule ein Dorn im Aug ist, werden geschildert. Dass unterschiedliche Charaktere im Fokus stehen sorgt für Abwechslung, schließlich stellt die Schule für verschiedene Personen, Lehrer, Schüler und Angestellte ihren Lebensinhalt dar. Auch die Dorfbewohner sind vom Schulbetrieb beeinflusst. Trotzdem sich Autorin Lüpke beim Schreiben auf bestimmte Figuren konzentriert, fällt es schwer, sich auf diese einzulassen, sie blieben mir oft fremd und zu blass. Sympathisch waren mir zum Beispiel Anni oder Marje, darüber hinaus entwickelte ich aber keinen besonderen Zugang zu ihnen.

Ich hatte, was das Buch „Die Schule am Meer“ betrifft, sehr hohe Erwartungen. Diese konnte der Roman letztendlich nicht ganz erfüllen. Das sehr interessante Thema hat die auf Juist aufgewachsene Autorin etwas „verhalten“ und verkrampft umgesetzt. Gerade durch den eigenwilligen Schreibstil wurden meine Emotionen während der Lektüre gebremst, ein intensives Mitfiebern mit den Figuren blieb aus. Lesenswert, weil die Geschichte authentisch ist, einen realen historischen Hintergrund hat, aber für mich kein überragender „groß angelegter Gesellschaftsroman“.

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Bewertung vom 04.03.2020
Eiskalte Augenblicke / Thomas Andreasson Bd.10
Sten, Viveca

Eiskalte Augenblicke / Thomas Andreasson Bd.10


sehr gut

Vielfältiges Potpourri an spannenden Kurzgeschichten rund um Sandhamn

Wiedersehen mit Kommissar Thomas Andreasson und der Juristin Nora: In den zehn Kurzkrimis, die zu unterschiedlichen Zeiten spielen, erfahren die Leser bisher Unbekanntes über die beiden Charaktere: Wie haben sie sich eigentlich kennengelernt? Waren sie je verliebt? Wie hat sich Thomas Karriere entwickelt? Wann ist er zur Wasserschutzpolizei gegangen?...

Diese und viele weitere Fragen beantwortet Stens neues Buch. Diesmal nehmen zur Abwechslung auch einige Nebenfiguren aus den vorherigen Krimis Hauptrollen ein. So erlebt Nachbarin Signe eine unglückliche Liebe, Noras unangenehme Schwiegermutter Monica gerät unter Mordverdacht, die Tochter von Noras Freundin Eva schwebt in Gefahr und Noras Sohn Adam verbringt in Chamonix einen Luxus-Skiurlaub, der dann doch nicht ganz so positiv abläuft wie erhofft.

Ich bin ein großer Fan von Viveca Stens Kriminalromanen. Die Autorin schreibt klar und verständlich, ruhig und unaufgeregt, aber trotzdem packend. Bei der Lektüre von Stens Bücher, fühle ich mich fast so als besuche ich gute Freunde zu Hause. Ihre Figuren sind mir mittlerweile richtig ans Herz gewachsen, ich möchte unbedingt erfahren, wie sie und ihr Leben sich weiterentwickeln.
Dadurch dass Stens Romane immer wieder auf Sandhamn spielen, ist mir auch die Ortschaft nunmehr so vertraut, als wäre ich persönlich dort gewesen. Der Schauplatz wirkt auf mich gemütlich, ruhig und idyllisch. Viele verbringen dort ihre Ferien. Trotz der grausamen Verbrechen und ihrer mitreißenden Spannung stellen Stens Romane also irgendwie auch ein Stück Urlaub, etwas „heile Welt“ für mich dar. Zumindest äußerlich...

Stens Kurzgeschichten habe ich sehr genossen. Einige sind ganz klassische Krimis, andere überraschen durch eine unerwartete Wende, manche haben ein offenes Ende. Überall, auch da wo man es nicht erwartet, lauern Verbrechen und hinter der Fassade manch harmlos anmutender Menschen verbergen sich Abgründe. Dies machen die Texte mehr als deutlich. Die einzelne Geschichten erscheinen sehr unterschiedlich und individuell, aber ausnahmslos alle halte ich für spannend und unterhaltsam und lesenswert.
Und wieder sind mir Thomas und Nora ein Stück nähergekommen. Ich bin schon sehr neugierig auf den nächsten Fall der beiden. Diese Kurzgeschichten haben mir definitiv schon einmal die Wartezeit verkürzt.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.