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Buchdoktor
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Deutschland
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Romane, Krimis, Fantasy und Sachbücher zu sozialen und pädagogischen Tehmen interessieren mich.

Bewertungen

Insgesamt 612 Bewertungen
Bewertung vom 02.01.2017
Drum hab ich kein Gesicht
Hrsg. v. Helga Levend u. Ludwig Janus

Drum hab ich kein Gesicht


sehr gut

Berichte von Betroffenen und Therapeuten
Stellungnahmen prominenter Vordenker zum Thema ungeplante Schwangerschaft beschränken sich häufig auf den Hinweis, dass ja Adoption möglich sei und es in Deutschland Babyklappen gebe. Die Autoren des vorliegenden Sammelbandes (Betroffene und Therapeuten) behandeln das Thema differenzierter und mit größerem Einfühlungsvermögen in die betroffenen Eltern und Kinder. Bereits in der Einleitung weist eine der Herausgeberinnen darauf hin, dass eine Entscheidung gegen einen Schwangerschaftsabbruch nicht automatisch eine Entscheidung für das erwartetet Kind sein muss. Die Ablehnung des eigenen Kindes verknüpft mit Schuldgefühlen würde häufig zu einer problematischen Beziehungen zwischen Mutter und Säugling führen. Therapeuten beobachteten bei Kindern, die ungewollt waren, unabhängig davon, ob sie davon wussten oder die Tatsache bisher nur ahnten, deutlich destruktive Tendenzen und Gefühle von Wertlosigkeit.

Die Berichte Betroffener zeigen überdeutlich, dass Kinder, die ungeplant in einer für die Mutter schwierigen Situation geboren wurden, als Erwachsene häufig selbst problematische Beziehungen eingehen und mit widersprüchlichen Erwartungen schwanger werden. Ihre Probleme können sie durch die Geburt eines Kindes nur selten lösen. Beeindruckend lesen sich die Berichte von Adoptivkindern, die übereinstimmend den dringenden Wunsch äußern, ihre leiblichen Eltern kennen zu lernen. Besonders der zweite Bericht zum Thema Adoption, verfasst von einer Autorin, die selbst adoptiert wurde, ist sehr praxisbezogen und kann betroffenen Eltern in stürmischen Phasen Unterstützung bieten.

Sehr bewegend gibt der Bericht eines Psychotherapeuten Einblick in die Gefühls-Welt seines kleinen Patienten Jonas, eines "schwierigen" Kindes, das die Erwartungen der Eltern nicht erfüllen konnte. Ob die Berichte von Klienten stammen, die sich einer klassischen Psychoanalyse unterzogen oder von Menschen, die wissen, dass die Mutter vergeblich versuchte, die Schwangerschaft selbst zu beenden, gemeinsam ist den Betroffenen dieser Texte die Überzeugung, auf der Welt keinen Platz zu finden. Weitere Autoren gehen auf Schwangerschaften ein, die in der Hoffnung entstanden, mit dem Kind eine kriselnde Beziehung zu retten. Beim Thema ungeplante Schwangerschaften von Teenagern konstatieren die beteiligten Experten eine auffällig hohe Zahl von Jugendlichen, die selbst im Heim oder als Halbwaisen aufwuchsen. Die Kenntnis von Verhütungsmethoden wird dann keine frühen Schwangerschaften verhindern, wenn das Motiv der unerfüllte Wunsch der Jugendlichen nach Nähe ist. Auf den Zusammenhang zwischen psychisch belastenden Schwangerschaften und Frühgeburten geht ein weiterer Artikel ein, der bedauert, wie selten in der gynäkologischen Sprechstunde nach sozialen oder psychischen Ursachen vorzeitiger Wehen gefragt werde. Ein sehr kurzer Artikel verweist auf das Moses-Projekt des SKF.

"Drum hab ich kein Gesicht" versammelt 15 Artikel zum Thema "ungeplante Kinder" aus unterschiedlichsten beruflichen oder persönlichen Blickwinkeln.

Bewertung vom 02.01.2017
Die Blitze des Zeus
Baursch, Eugen

Die Blitze des Zeus


ausgezeichnet

Die Buchstaben taten, was sie wollten
Der Autor erlitt mit knapp 70 Jahren einen Schlaganfall mit Teillähmung und Aphasie. Noch bevor die Diagnose Wernicke-Aphasie gestellt wird, erlebt der Patient sich als fremd in der eigenen Muttersprache, merkt, dass die Wörter sich wie vor einem Gitter in seinem Hals stauen. Er beginnt Ordnung in seinem Kopf zu schaffen, indem er trotz des Eindrucks, nicht sprechen und nicht schreiben zu können, sich vom ersten Tag im Krankenhaus an Notizen macht. Baursch versucht, eine Liste aller Bundeskanzler und Bundespräsidenten aufzustellen und beschließt am vierten Tag seiner Krankheit, um 5.00Uhr aufzustehen, damit er gewaschen und rasiert ist, wenn die Schwester ihre Morgenrunde beginnt. Ebenso ehrgeizig wie an der Wiedererlangung seiner motorischen Fähigkeiten arbeitet der Patient am Neuerlernen der Sprache. Beim ersten Besuch einer Logopädin am Krankenbett wird Baursch klar, in welch chaotischem Zustand sich sein Sprachvermögen befindet. Der Patient hat größte Probleme damit, Drei-Wort-Sätze zu sprechen. "Die Buchstaben, taten, was sie wollten", stellt er fest. Doch die Hoffnung, dass sich Nervenenden neu verknüpfen lassen, gibt der Autor nicht auf und erledigt sorgfältig die von der Logopädien aufgegebenen Hausaufgaben.

Die protokollierten Erfahrungen Eugen Baurschs sind ein einzigartiges Dokument. Der Autor stellt seine Aufzeichnungen in "aphasischer" Sprache, die während seines 25-tägigen Krankenhausaufenthaltes entstanden, unbearbeitet auf die jeweils linke Buchseite und ergänzt die Texte auf der rechten Buchseite mit seiner nachempfundenen Erinnerung. Die für den ungeübten Leser beinah unverständlichen Satzkonstruktionen dokumentieren seine Erkrankung, seine Gefühle und seinen erstaunlichen Genesungsprozess. Die Abbildungen der Originalarbeitsblätter vermitteln gesunden Lesern die beklemmende Einsicht in die Welt eines erwachsenen Patienten, der täglich die Zeitung liest und am politischen Geschehen Anteil nimmt, während er sich parallel dazu mit Vater-und-Sohn-Geschichten seine Alltagssprache zurück erobert. Vom Tag der Entlassung aus dem Krankenhaus an sind Baurschs Aufzeichnungen unbearbeitet. Einige Worte tun noch immer, was sie wollen, doch der Autor hat die Sprache und seine Fähigkeit, zu schreiben, zurückgewonnen.

Eugen Baursch gibt uns Einblick in die Situation eines Aphasikers. Das Gefühl, anderen Menschen sprachlos ausgeliefert zu sein, als er zum CT in ein entferntes Krankhaus gebracht, dort nicht wieder abgeholt wird und sich niemandem verständlich machen kann, schildert der Autor sehr eindringlich. Wie beängstigend auf den Patienten der bürokratische Ablauf und der Kampf um die Kostenerstattung für eine stationäre logopädische Therapie wirkt, haben die damals zuständigen Sachbearbeiter wohl kaum erfasst. Man kann nur hoffen, dass Baurschs Aufzeichnungen in der Mediziner- und Krankenpflegeausbildung zukünftig die Perspektive der betroffenen Patienten vermitteln werden.

Bewertung vom 02.01.2017
Älterwerden ist nichts für Feiglinge
Lange, Elisabeth

Älterwerden ist nichts für Feiglinge


ausgezeichnet

Ein langes Leben in körperlicher und geistiger Gesundheit
Die Lebenserwartung in den westlichen Industrienationen ist stetig gestiegen. Wir haben inzwischen eine realistische Chance, das Alter von 80 Jahren in körperlicher und geistiger Fitness zu erreichen. Was beim Altern im menschlichen Körper geschieht und ob dieser Prozess stärker durch Veranlagung oder durch unsere Lebensweise beeinflusst wird, beschreibt die Ernährungswissenschaftlerin Elisabeth Lange. Sie untersucht den Einfluss von Lebensmitteln, einzelnen Nährstoffen und Nahrungsergänzungsmitteln auf den Alterungsprozess. Auch die persönliche Wahrnehmung von Belastungen, der Umgang mit Stress und die Fähigkeit, mit den Anforderungen des Lebens zurechtzukommen, habe einen entscheidenden Einfluss auf die Lebensqualität im Alter. Eine Pille gegen geistigen Abbau hat Lange nicht entdecken können; sie erklärt stattdessen geistige und körperliche Herausforderungen zum Wundermittel gegen frühzeitiges Altern. Untersuchungen am Arbeitsplatz zeigten, dass ältere Arbeitnehmer anders denken und eher aus Fehlern lernen als jüngere Kollegen. Wer diese Information ohne den betrieblichen Zusammenhang betrachte, übersehe, dass Vorsicht (nicht mit Langsamkeit gleichzusetzen) für die Zukunft ganzer Firmen und Staaten lebenswichtig werden könnte, konstatiert die Autorin.

Lange beschreibt an drei Beispielen den Zusammenhang zwischen ausgewogener Ernährung, Bewegung und Gesundheit. Ihre Prototypen
+ gestresster Anwalt mit ungesunder Ernährung,
+ ehrgeizige Studentin, die an Magersucht erkrankt und
+ Gicht-geplagter Schlemmer
verkörpern anschaulich den derzeitigen Wissensstand über den Einfluss unserer Lebensweise auf die körperliche und seelische Gesundheit. Die Autorin hält das Risiko, an Bluthochdruck, Diabetes, Gicht oder hohem Blutfett-Wert (dem "'metabolischen Syndrom'") zu erkranken, für den größten Risikofaktor einer sitzenden Lebensweise. Ein weiteres Hindernis auf dem Weg zu einem gesunden Lebensstil sei der Mangel an kompetenter Beratung und ein für den Patienten undurchsichtiger Dschungel selbsternannter Ernährungsexperten. Unter dem Schlagwort Anti-Aging angebotene einseitige Wunderdiäten und Hormontherapien sieht die Autorin sehr kritisch. Als positives Beispiel für ein Alter in körperlicher Fitness und seelischer Ausgeglichenheit stellt Lange eine Gruppe betagter italienischer Radrennfahrer vor, deren Gesundheit wissenschaftlich untersucht wurde. Sie haben beim Training Spaß, erhalten Kondition und Muskelkraft und essen nur soviel, dass sie "noch den Berg hinauf kommen".

Elisabeth Lange beschreibt humorvoll und mit treffenden Beispielen den Alterungsprozess und die Verantwortung jedes Einzelnen, den eigenen Körper nicht nur äußerlich attraktiv zu erhalten. Sie vertritt dabei erfreulich deutlich Verbraucher-freundliche, Medizin-kritische Standpunkte.

Bewertung vom 02.01.2017
Unter dem Nachrichtenbaum
Thorer, Axel

Unter dem Nachrichtenbaum


gut

Legenden über die Savannen-Society am Lagerfeuer erzählt
Andy aus Südafrika, Karame aus Botswana, Rieke aus Deutschland, X'Oli der Buschmann, und der Autor Axel trafen sich am Lagerfeuer in der Nähe eines legendären Baobab-Baumes. Einige Legenden des südlichen Afrika hat fast jeder Besucher schon mal an einem Lagerfeuer gehört, doch meist nicht von jemandem, der selbst dabei war. Die fünf Reisegefährten tauschen Wildhüter-Legenden und Anekdoten über Begegnungen mit Tieren aus. Hauptsächlich tratschen sie über legendäre Figuren wie Doc Hans. Für jeden ist etwas "Tatataka" dabei, das er so vorher noch nicht gehört hatte. X'Oli hat es sich meist in einer Sandkuhle gemütlich gemacht und gibt vor, schon zu schlafen. Sein schlagfertig aus dem Hintergrund abgefeuerter Buschmann-Humor gibt den märchenhaften Erzählungen eine besondere Note. Einige Geschichten drehen sich um weiße Autorinnen, die ihre Beziehungen zu schwarzen Partnern auf Europas Buchmarkt in klingende Münze umwandeln. Thorer kannte und kennt die komplette Savannen-Society: George Adamson, Dian Fossey, den namibischen Staatspräsidenten - und natürlich auch Doc Hans. Die genannten Prominenten werden in Kurzbiografien im Anhang vorgestellt.

"Unter dem Nachrichtenbaum" ist ein liebevoll in Sepia-Tönen gestaltetes Buch mit zahlreichen Fotos und Abbildungen, das im Stil des Boulevard-Journalismus Legenden der Gegenwart aus Namibia, Botswana und anderen afrikanischen Ländern versammelt.

Bewertung vom 02.01.2017
Tai Chi, das Praxisbuch
McFarlane, Stewart

Tai Chi, das Praxisbuch


sehr gut

Die Form nach Cheng ManChing mit vielen Fotos
Im Stil der bekannten Sachbücher aus dem Dorling Kindersley Verlag führt Stewart MacFarlane ins Tai Ji nach Meister Cheng Man-Ching ein. Er beginnt mit einer historischen Einführung, grundsätzlichen Anmerkungen zur Ausführung der Übungen und einigen Dehnungsübungen, die auf den Bewegungsablauf des Tai Qi vorbereiten sollen. Die einzelnen Bewegungen sind mit zahlreichen großformatigen Fotos samt Anleitung, Weisheiten des Meisters und der chinesischen Bezeichnung der Bewegung illustriert, die Fußstellung wird jeweils durch eine Grafik vermittelt.

Das Buch enthält die Übungen:

Abwehr nach links und rechts, Zurückweichen, Drücken und Stoßen, Drehung und Hände sinken, Kleine Peitsche, Hände heben, Schulterstoß, Der Kranich breitet die Flügel aus, Knie streifen und Drehung, Die Laute spielen, Knie streifen, Hände kreuzen, Den Tiger zum Berg tragen, Abwehr, Diagonale Peitsche, Schritt zurück und den Affen abwehren, Diagonales Fliegen, Wolkenhände, Gehockte Peitsche, Der Hahn steht auf einem Bein, Fußstoß rechts und links, Fersenstoß, kleine Peitsche, Weberin am Webstuhl, Abwehr, Gehockte Peitsche, Schritt nach vorn zu den sieben Sternen, Schritt zurück, um den Tiger zu reiten, Drehung und Tritt, Den Tiger mit dem Bogen erlegen, Schritt nach vorn, Ablenken, parieren und stoßen, Hände kreuzen und Abschluß.

Cheng Manching (1901-1975) war Schüler von Yang Chengfu und vereinfachte die lange Form zu einer kurzen Form von 37 Bewegungen. Cheng sah die Kurzform des Taijiquan als wertvoll für die Volksgesundheit an, weil sie sich mit wenig Aufwand in jeden Tagesablauf integrieren lässt. Er floh aus der Volksrepublik China nach Taiwan, unterrichtete dort weiter und später auch in Amerika.

Umstritten ist, ob Tai Ji durch ein Buch vermittelbar ist. "Tai Chi. Das Praxisbuch" ist mit Schritt-für-Schritt-Abbildungen illustriert und führt den kompletten Ablauf der Form auf dem vorderen und hinteren Vorsatzpapier auf. Es kann Einsteigern helfen, Ablauf und Begriffe zu wiederholen und das Gelernte zu vertiefen.

Bewertung vom 02.01.2017
Schreiben ist Gold
Altemöller, Eva-Maria

Schreiben ist Gold


ausgezeichnet

Fundgrube für Buchliebhaber und Hobby-Autoren
In ihrem opulent illustrierten und ausgestatteten Buch führt die Autorin ihre Leser in die Welt des Seemannsgarns, des Jägerlateins, der Märchen, Reiseberichte und Tagebücher ein. Sie rät, sich ein altmodisches Notizbuch anzuschaffen, gibt zahlreiche Leseempfehlungen und verführt dazu, die eigene Familiengeschichte aufzuschreiben. Altemöller lästert über Kitsch in verschiedenen Epochen und den Literaturmarkt an sich. Sie regt zum spielerischen Umgang mit Sprache an und bietet die Möglichkeit, mit verschiedenen Textarten zu experimentieren.

"Schreiben ist Gold" ist ein wunderbar altmodisches Buch, illustriert wie ein klassisches Reisetagebuch mit Fotos in Sepiatönen, Papier- und Textschnipseln lang vergangener Zeiten, Briefmarken aus aller Herren Länder und Zeichnungen der Autorin. Die abgebildeten und gezeichneten Fundstücke könnten von einem Dachboden unserer Großeltern oder Urgroßeltern stammen. Kein Objekt, das nicht Ideen für eigene Texte liefert: vom klassischen Bleistift-Verlängerer bis zur profanen Tipp-Ex-Verpackung, die eine wichtige Rolle in der Reform der deutschen Rechtschreibung spielte. (Tipp kommt von Tipp-Ex ;-).)Für Hobby-Autoren der Gegenwart haben die Artefakte eine besondere Bedeutung: Noch kann die mittlere Generation die Muttersprache oder den Heimat-Dialekt verstehen, die Tagebücher der eigenen Eltern lesen. Für die folgende Generation werden diese Fundstücke ein Buch mit sieben Siegeln sein. Es wird also höchste Zeit, den Erinnerungsstücken ihre Geheimnisse zu entlocken. Die Autorin (gelernte Dolmetscherin und Übersetzerin, als Buchhändlerin und Verlegerin tätig) will zum Schreiben verführen und überwindet mit ihrem Buch die Kluft zwischen den Epochen Notizbuch und Palm-Top. Das sehr ausführliche Literaturverzeichnis endet leider mit Titeln des Jahres 1997.

Altemöllers elegant gestaltetes Buch bietet Buchliebhabern, Hobby-Autoren, Literatur- und Schreibgruppen eine Fülle von Anregungen, Spielen und Zitaten - ein ideales Geschenk.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 02.01.2017
Der Besitzer
Gordimer, Nadine

Der Besitzer


ausgezeichnet

Zeitloser Klassiker
Der Südafrikaner Mehring hat sich eine Farm gekauft, als Geldanlage und Abschreibungsobjekt. Doch er will sich als Wochenendfarmer auch nicht blamieren und lernt alles über das Thema Landwirtschaft. Am Wochenende erstattet Mehrings schwarzer Verwalter Jacobus Bericht und bespricht mit Mehring die Arbeit für die nächste Woche. Ihre Beziehung zueinander ist ein feines Netz aus Führung, Fürsorge, Verantwortung und gegenseitigen Ansprüchen. Mehring trägt die Verantwortung für Land, Mensch und Tier; Jacobus ist Mehring Rechenschaft schuldig. Der Baass braucht nicht alles zu wissen, was während der Woche passiert.

Für die schwarzen Arbeiter der Gegend ist Jacobus Vermittler von Hilfsjobs auf der Farm; er muss den richtigen Moment abpassen, in dem er dem Baas eine weitere Arbeitskraft aufschwatzen kann. Mehring lebt ein unordentliche Leben, getrennt von Frau und Kind. Seinen Sohn sieht er nur, wenn der aus dem Internat zu Besuch kommt. Der Kauf der Farm wirft die Frage auf, ob Mehring das Land überhaupt lange genug besitzen wird, um die Farm auf Vordermann zu bringen – oder ob weiße Farmer bald enteignet werden. Mehring entdeckt sein Interesse am Naturschutz und bemüht sich, Jacobus, den schwarzen Arbeitern und ihren Familien Achtung für die Natur zu vermitteln. Als Mehring zwei europäische Kastanienbäume pflanzen lässt, meint er zynisch: „Ich habe die Kastanien gepflanzt, damit die Schwarzen Feuerholz haben, wenn sie die Macht übernommen haben.“ Mehring hat sich entschieden; Laubbäume pflanzt man für seine Enkel.

Der 1974 unter dem Titel The Conservationist erschienene Roman spielt zur Zeit der Apartheid in Südafrika noch vor den Ereignissen von Soweto (1976) und zur Zeit, als Namibia noch als „Südwest“ unter südafrikanischer Verwaltung stand.

Zu Beginn der Handlung wird auf Mehrings Land ein toter Schwarzer gefunden; die Polizei vertuscht den Vorfall und begräbt den Leichnam an Ort und Stelle. Mehring und auch die Leser fragen sich, was Jacobus wohl über die Sache weiß und wie er sich aus der Angelegenheit heraus lavieren wird. Zum Ende der Handlung wird der Tote während eines Unwetters aus dem Boden gespült. Bei seiner Veröffentlichung in Deutschland 1977 wurde Gordimers Roman als Roman über die Rassentrennung bezeichnet. Das ist er auch, aber nicht nur. Sehr ausführlich wird die halblegale Existenz des indischen Händlers Bismillah beschrieben, der seinen kleinen Laden offiziell nicht am Ort betreiben dürfte und es dennoch tut, immer auf der Hut vor den Behörden. „Der Besitzer“ ist inzwischen ein zeitloser Südafrika-Roman, der das heikle Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitern, zwischen Schwarzen, Weißen und „Farbigen“ mit großer Empathie beschreibt. Mehrings Bezeichnung als „Besitzer“ polarisiert unnötig; er wird dem Begriff des „Conservationist“ im Originaltitel nicht gerecht und ignoriert Mehrings Verantwortung für seine Arbeiter.

Ein durch die aktuellen Ereignisse in Südafrika, Namibia und Zimbabwe erstaunlich zeitloser Roman.

Bewertung vom 02.01.2017
Bücher binden selbst gemacht
Masok, N. N.

Bücher binden selbst gemacht


ausgezeichnet

klassisches Lehrbuch - ausführlich erklärt und sorgfältig illustriert
Der Autor erklärt ausführlich den Aufbau eines Buches und führt in das Fachvokabular des Buchbinders ein. Allen, die selbst Bücher reparieren oder binden möchten, vermittelt er grundlegende Kenntnisse der Materialeigenschaften von Papier, Einbandmaterialien, Werkzeug und Kleister. Die Werkzeuge des Buchbinders werden ausführlich mit aussagefähigen und exakt beschrifteten Illustrationen vorgestellt. Die Leser lernen den Einsatz von Heftlade, Presse und Buchbindebrettern kennen. Sie werden in die einzelnen Arbeitsschritte Heften der Lagen, Beschneiden des Buchblocks, Pressen und die Herstellung der Einbanddecke (Ganzband, Halbband und Ledereinband) eingeführt.

Ein Kapitel widmet sich dem sorgsamen Umgang mit Büchern und der Beseitigung kleiner Schäden wie Befestigen einer gelösten Lage, Befestigen eines gelösten Buchblocks oder Erneuerung der Einbanddecke. Das Neubinden eines beschädigten Buches und die Erneuerung der Klebebindung eines broschierten Buches werden anschaulich beschrieben. Die kunstvolle Verzierung eines Ledereinbands und auch die Herstellung von eigenen Papieren für das Überziehen der Buchdecke werden erläutert. Interessierte Hobby-Buchbinder lernen, Zeitschriften-Jahrgänge selbst einzubinden sowie Mappen, Schachteln und Alben herzustellen. Ein Ablaufschema eines klassischen Buchbinde-Arbeitsgangs ist auf dem Vorsatzpapier zu sehen; im Anhang des Buches folgen Leim-Rezepte, ein Glossar der Fachbegriffe und ein Register. Dass das sehr umfassende und sorgfältig gestaltete Buch nicht auf Bezugsquellen moderner Buchbindematerialien verweist, läst sich verschmerzen.

"Buchbinden selbstgemacht", der Nachdruck eines zuerst 1990 in Leipzig erschienenen Lehrbuchs, eignet sich bestens für handwerklich interessierte Laien.

Bewertung vom 02.01.2017
Buchbinden
Drastrup, A; Riberholt, K

Buchbinden


ausgezeichnet

klein und sehr anschaulich
Die Autoren führen kurz in Materialkunde, Buchbinderwerkzeuge und Aufbau eines Buches ein. Sie erklären Einbandtypen, die Arbeitsgänge Heften, Binden und Lumbecken. Unterschieden nach französischem Einband (mit tiefem Falz) und deutschem Einband (mit schrägem Falz) zeigen sie ausführlich und sorgfältig illustriert in Schritt-für Schritt-Anleitungen die Reparatur eines beschädigten Buches vom Auseinanderschneiden bis zur kompletten Erneuerung von Heftung und Bindung. Das Pressen, das Befestigen des Vorsatzes, Leimen des Buchrückens, Beschneiden des Schnitts mit dem Buchbinderhobel, Runden des Rückens, Färben des Schnitts, Anbringen des Kapitelbands und die Herstellung einer neuen Buchdecke werden in allen Einzelheiten gezeigt. Die Abbildungen sind so anschaulich, dass man die dargestellte Buchpresse leicht selbst nachbauen kann. Die Leser erfahren von der Laufrichtung des Papiers, von Maßen und Proportionen und bekommen Tipps zur Reparatur von Büchern.

Das kleinformatige Buch erschien zuerst 1978, wurde mehrere Male nachgedruckt und ist in Ausgaben mit unterschiedlichem Buchcover auf dem Markt. Es überzeugt durch die klare Darstellung und seine