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Benutzername: 
Xirxe
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Hannover
Buchflüsterer: 

Bewertungen

Insgesamt 869 Bewertungen
Bewertung vom 02.10.2013
Wo die Angst ist / Behrens & Kamm Bd.1
Golch, Dinah Marte

Wo die Angst ist / Behrens & Kamm Bd.1


sehr gut

Ein türkischer Jugendlicher, der eine erfolgreiche Antirassismusinitiative gegründet hat, wird kurz vor Weihnachten brutal zusammengeschlagen und dabei lebensgefährlich verletzt. Tatverdächtig ist ein Nazi, den ein Zeuge vor Ort gesehen hat und der noch Schlimmeres verhinderte. Dem Vater des Opfers gehen die Ermittlungen zu langsam voran und er beginnt, auf seine Art den Hinweisen nachzugehen. Als der Zeuge nach einem Überfall aus Angst um seine Familie seine Aussage zurückziehen will, wird die Situation äusserst brisant... Hauptkommissar Sigi Kamm und die Psychologin Alicia Behrens, die seit einer gemeinsamen Begegnung vor Gericht eine gegenseitige Abneigung miteinander verbindet, sind gezwungen, in diesem besonders brisanten Fall zusammenzuarbeiten.
Die beiden Hauptfiguren könnten kaum gegensätzlicher sein. Während die Psychologin davon überzeugt ist, dass Worte und Geduld mehr ausrichten können als Gewalt und Zwang, ist der Hauptkommissar nach vielen Berufsjahren der Auffassung, dass bei seiner Aufgabe nichts mehr hilft als Härte und Druck. Die Zwei fetzen sich immer und immer wieder und doch müssen sie (widerwillig) anerkennen, dass jede/r auf auf seine/ihre Weise auch Erfolg hat. Es macht Vergnügen, den Wortduellen der Beiden zu folgen.
Die Geschichte selbst besitzt für einen Krimi einen ungewohnt hohen psychologischen Anteil, was jedoch der Spannung nicht im Geringsten abträglich ist, ganz im Gegenteil. Man gewinnt einen kleinen Einblick in ein Nazimilieu, bei dem einem das Messer in der Tasche aufgeht ('Wie übe ich Druck aus, ohne dass ich strafrechtlich belangt werden kann?' Trifft natürlich auf alle anderen kriminellen Bereiche ebenso zu). Man lernt eine völlig normale Familie kennen, die jedoch alles andere als normal ist und doch in dieser und ähnlicher Konstellation vermutlich überall anzutreffen ist. Kurz: Ein Krimi, der wie aus dem echten Leben gegriffen scheint.
Einziges Manko: Ausgerechnet beim Täter bleiben die psychologischen Erklärungen, weshalb er dies alles so steuern konnte, im Dunkeln. Schade, das hätte mich doch sehr interessiert.

Bewertung vom 26.09.2013
Die Eistoten
Buder, Christian

Die Eistoten


gut

Es gibt eine neue Ermittlerin im Krimi-Bereich: Alice, eine 11jährige Hochbegabte mit der (zweifelhaften?) Gabe, tote Philosophen zu sehen und sich mit ihnen unterhalten zu können. Insbesondere Wittgenstein gesellt sich immer wieder an ihre Seite. Doch statt philosophische Gespräche zu führen, ist Alice auf der Suche nach einem Serienmörder in ihrem kleinen beschaulichen Dorf im Allgäu, in dem der Stumpfsinn regiert. Seit mehreren Jahren gibt es immer wieder Tote im Winter, die man erfroren auffindet. Auch Alices Mutter gehörte dazu, doch wie in allen anderen Fällen ist die Polizei davon überzeugt, dass es sich um einen Unfall handelte. Doch Alice glaubt daran nicht: Als sie gemeinsam mit ihrem Freund Tom ein erfrorenes Mädchen im Wald entdeckt, machen sie sich auf die Suche.
Es ist wirklich eine andere Art von Krimi: Alice, die schlaue und auch altklug daherkommende Elfjährige, amüsiert immer wieder mit ihren klasse Bemerkungen und stellt wiederholt die passenden, von den Erwachsenen jedoch unbeachteten Fragen. Immer wieder werden philosophische Betrachtungen dazwischen gestreut, jedoch nie unverständlich oder in übertriebenem Maße, sodass man beim Lesen nie Gefahr läuft sich plötzlich zu fragen, ob man vielleicht das falsche Buch in Händen hat. Und spannend ist das Ganze auch, wobei gelegentlich einige kleine Ungereimtheiten auftauchen (Weshalb ist die Polizei so blind? Und der Vater sooo taub?) Doch die fallen nicht allzu sehr ins Gewicht, zumindest nicht in den ersten Teilen.
Doch damit ist es meiner Meinung nach spätestens im letzten Abschnitt vorbei. Ein Ende, das jedem Hollywood-Actionfilm Ehre machen würde; Erklärungen, die nicht nachzuvollziehen sind und schlicht Unlogiken, die einen nur den Kopf schütteln lassen. Schade, wirklich sehr schade, denn so bleibt ein eher fader Nachhall.
Allerdings ist mir nach dem Lesen des Interviews mit dem Autor (im Anhang des Buches) klar geworden, weshalb die Story so abbaute. Originalzitat: 'Das Ende schreibe ich nur, um eines zu haben.' Kein Wunder, dass das Buch so abfiel. Nochmals: Schade, denn so ist aus einem zu Beginn durchaus starken Krimi nur noch Durchschnittware geworden. Vielleicht sollte Herr Buder seine Einstellung zum Ende noch einmal überdenken.

Bewertung vom 22.09.2013
Ludwig will es wissen!
Rose, Barbara

Ludwig will es wissen!


sehr gut

Es ist soweit: Ludwig kommt in die Schule und findet es einfach toll. Die vielen Freunde, die ihn sogar besuchen wenn er krank ist; die 'wissenschaftlerischen' Experimente, die tolle Lesenacht, der Ausflug in den Wald undundund. Und manchmal kann er sogar seinen geliebten Frosch Luis mitbringen.
Die einzelnen Geschichten wechseln vom eher Abenteuerlichen (Ausflug in den Wald incl. Verirren) über Lehrreiches (dass man Brote auch tauschen kann statt sie wegzuwerfen) bis zu Unterhaltsamen (Verkleiden gibt's auch in der Schule). Für Kinder von fünf bis sieben Jahren sind sie vermutlich schön zum Zuhören bzw. zum Selberlesen, wobei sich LeseanfängerInnen wohl noch schwer tun dürften. Obwohl sich die Autorin um einen kindgemäßen Ton bemüht (spezielle Worte werden so geschrieben wie man sie spricht), wirkt gelegentlich der Erzählstil doch recht erwachsen. Insgesamt sind die Sätze jedoch ziemlich kurz und gut verständlich.
Die begleitenden Illustrationen sind zwar nicht besonders einprägsam, aber farbenfroh und wirken fröhlich, ganz so wie es der Hauptperson Ludwig entspricht. Kurzum ein unterhaltsames Buch für die oben genannte Altersgruppe.

Bewertung vom 21.09.2013
Die irgendwie richtige Richtung
Lewis-Kraus, Gideon

Die irgendwie richtige Richtung


gut

Eine Pilgerreise verspricht der Untertitel dieses Buches, doch eigentlich handelt es sich eher um drei. Wobei die Dritte dann doch keine ist, sondern vielmehr eine Vater-Sohn-Zusammenführungsunternehmung oder sowas in der Art. Und Pilgerreisen sind auch nicht das allein bestimmende Thema dieses Buches, sondern die Suche des Autors nach einem Ziel, einer Richtung in seinem Leben sowie die Bewältigung des Konflikts mit seinem Vater, der seinen Söhnen erst spät eröffnete, dass er schwul ist.
Was sich in dieser 'Kürzestzusammenfassung' wie auch im Klappentext vielleicht als amüsantes Pilger-Roadmovie à la Hape Kerkeling anhört, entwickelt sich jedoch zunehmend als zeitweise recht anstrengend zu lesendes philosophisches Traktat über das Wesen des Pilgerns an sich wie auch als selbstreflexive Studie über das Verhalten des Autors aufgrund seiner verkorksten Vater-Beziehung.
Die erste Strecke führt ihn zusammen mit seinem Freund Tom auf den Jakobsweg quer durch Spanien, während er als zweite Route einen Pilgerweg in Japan auswählt, der ungleich schwieriger ist. Parallel zur anstrengenderen körperlichen Herausforderung werden auch die Überlegungen des Autors anspruchsvoller und komplexer. Und manchmal leider so komplex, dass ich schlicht den Sinn dahinter nicht mehr verstanden habe. Dies setzt sich auch bei der dritten Reise nach Uman fort, die er mit seinem Vater und seinem Bruder unternimmt, welche eher eine Art Wallfahrt darstellt, die mit den früheren Pilgerreisen nicht vergleichbar ist. Nur ein Beispiel: 'Am Ende einer Pilgerfahrt wird dem Schmerz und dem Elend rückwirkend ein Platz in der Ordnung der Dinge gewährt.' So weit, so gut. Weshalb er sich jedoch hierbei auf Nietzsche, Camus, Dorothea Brooke (wer immer das auch sei) und Rilke bezieht, ist mir völlig unklar. Um nicht falsch verstanden zu werden: Es gibt durchaus eine Menge amüsante und schräge Geschehnisse in diesem Buch, aber sie nehmen nicht den Hauptteil ein.
Wer also schlicht und einfach 'nur' gute Unterhaltung sucht, dürfte sich mit diesem Buch nicht unbedingt einen Gefallen tun.

2 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 10.09.2013
Das Erbe des Zauberers / Scheibenwelt Bd.3
Pratchett, Terry

Das Erbe des Zauberers / Scheibenwelt Bd.3


sehr gut

Statt wie es der Tradition entspricht, sein Erbe dem achten Sohn eines achten Sohnes zu vermachen, fällt die Wahl des Zauberers Drum Billett auf die erste Tochter des Schmiedes nach sieben Söhnen. Kein leichtes Los für die kleine Eskaterina, denn Zauberinnen gibt es nicht und hat es auch noch nie gegeben. Doch mit Hilfe der Hexe Oma Wetterwachs, die, wenn auch nur widerstrebend, das Zauberinnenschicksal Esakterinas akzeptiert hat, machen sie sich auf den Weg in die Unsichtbare Universität, wo aber der Tradition gemäß nur Zauberer ausgebildet werden.
Im Gegensatz zu anderen Romanen von Pratchett läuft diese Geschichte hier eher ruhig ab. Nur wenige außergewöhnliche Figuren (die sonst immer die Scheibenwelt bevölkern) tauchen auf und die geschilderten Abenteuer bleiben bis auf das Ende eher verhalten. Auch der Wortwitz ist nicht in der Menge wie in anderen Scheibenwelt-Büchern vorhanden, aber trotzdem liest sich das Ganze ausgesprochen amüsant, unter anderem auch da die Parallelen zur 'echten' Welt unübersehbar sind. Eskaterinas und Oma Wetterwachs' Eindringen in diese jahrhundetealte Männerdomäne kommt einem ebenso wie die dazugehörigen Argumente sehr bekannt vor: Tradition steht über allem, es gibt keinen Präzedenzfall, es war schon immer so, so etwas ist noch nie geschehen.
Richtig schöne Unterhaltung!

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 06.09.2013
Die unheimliche Bibliothek
Murakami, Haruki

Die unheimliche Bibliothek


ausgezeichnet

Ein Junge gibt zwei Bücher in der Bibliothek ab, die er bereits von vorhergehenden Besuchen kennt und möchte sich ein neues ausleihen. Dazu sucht er einen alten Herrn auf, der ihm zwar weiterhilft, ihn jedoch in einem Labyrinth unterhalb der Bibliothek einkerkert. Zwar sind die Überlebenschancen düster, doch die Verpflegung ist überraschend gut. Und der merkwürdige Schafsmann sowie das wunderhübsche stumme Mädchen, die sich um ihn kümmern, scheinen ihm wohlgesonnen.
Es ist mein erster Marukami, den ich hiermit gelesen habe und die Geschichte hat mir sehr gefallen. Zwar ist der Text recht schlicht gehalten, doch dies entspricht durchaus dem Stil eines ca. 12jährigen, dem ungefähren Alter des Protagonisten. Rätselhaft sind die Dinge, die sich in der Bibliothek abspielen ebenso wie die Personen, die dort auftreten und die begleitenden Illustrationen sind bestens dazu geeignet, diesen Effekt zu verstärken. Da sich nichts von allem aufklärt und alles unergründlich bleibt, empfinde ich diese Erzählung als durchaus geeignet zum wiederholten Lesen.
Der Preis mag happig erscheinen für 30 min Lesezeit. Aber die Gestaltung des Büchleins ist überdurchschnittlich: gedruckt auf hochwertigem Papier, was den Illustratinen geschuldet sein mag.
Fazit: Wer schöne Geschichten und schöne Bücher mag, liegt hier richtig.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 01.09.2013
Schneemann / Harry Hole Bd.7
Nesbø, Jo

Schneemann / Harry Hole Bd.7


ausgezeichnet

'Schneemann', der siebte Fall mit Harry Hole, ist spannend bis zum Schluss wie auch schon die anderen Bände dieser Reihe. Mit seiner neuen Kollegin Kathrine Bratt ist Harry Hole auf der Suche nach einem Serienmörder, der seit Jahren unerkannt Mütter verschwinden lässt und am Ort seiner Tat immer einen Schneemann hinterlässt. Einen Verdächtigen gibt es schnell - zu schnell, wie man anhand der Dicke des Buches sofort erkennen kann. Und so darf man auf's Neue wieder Nesbøs Fähigkeiten bestaunen, eine unerwartete Wendung nach der nächsten zu präsentieren bis zum grandiosen Finale kurz vor dem Ende, das sich ebenso logisch klar präsentiert wie bei seinen anderen Harry-Hole-Romanen. Harry hält sich trotz aller Rückschläge dieses Mal erstaunlich gut, denn der Griff zum Alkohol kommt vergleichsweise selten vor. So schöpft man Hoffnung für ihn...
Endlich habe ich nun alle Bände dieser Serie gelesen (wenn auch nicht in der richtigen Reihenfolge) und freue mich bereits auf den im November erscheinenden neuen Harry Hole. Und irgendwann, wenn ich mal richtig viiiel Zeit habe, lese ich alles noch einmal. Denn auch bei dieser Lektüre passierte es mir wie schon früher: Vieles im Buch Geschriebene versteht man erst im Zusammenhang mit der Lösung. So wird das 'Zweit-Lesen' zu einem Aha-Erlebnis :-)

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 18.08.2013
Das Erbe des Bösen
Remes, Ilkka

Das Erbe des Bösen


sehr gut

Rolf Narva, ein finnischer Wissenschaftler der in Nazi-Deutschland studierte, promovierte und anschließend in den USA arbeitete, reist nach Berlin um eine alte Freundin aufzusuchen und verschwindet dort spurlos. Sein Sohn Erik, ebenfalls Wissenschaftler, macht sich auf die Suche und kommt einer Vergangenheit seiner Familie auf die Spur, die ihm bis dato völlig unbekannt war und deren Auswirkungen höchst aktuelle Konsequenzen hat.
Ilkka Remes versteht es wirklich, einen äußerst packenden Thriller zu schreiben. Tatsächliche vergangene Ereignisse werden geschickt mit heutigen gegenwärtigen Entwicklungen und Geschehnissen in Verbindung gebracht, was die ganze Geschichte umso wirklicher erscheinen lässt. Selbst wenn ab und an der Gedanke in einem auftaucht:' Jetzt nehmen die Verschwörungstheorien doch etwas überhand.', lässt einen kurz darauf der Bezug zu einer realen Begebenheit oder Person sofort weiter in die Erzählung eintauchen. Denn so ganz unwahrscheinlich ist es ja doch nicht...
Kleine Mäkeleien am Rande meinerseits gibt es aber dennoch ;-) Nach meinem Empfinden wurde zu Beginn eine Hauptfigur aufgebaut, die jedoch bereits nach knapp 2/5 des Buches das Zeitliche segnet, was mich doch recht verwirrte. Wie will der Autor denn jetzt noch über 300 Seiten füllen? Natürlich gelingt es ihm und zwar mit dem Schwenk zu einer neuen Person, die nun im Mittelpunkt der Geschichte steht. Meine zweite 'Mäkelei' betrifft das Ende, mit dem ich nicht so ganz glücklich bin. Wohl werden sämtliche mysteriösen Vorkommnisse aufgeklärt, doch die Art der Darstellung wirkte auf mich etwas konstruiert, als ob der Autor auf jeden Fall jetzt alles noch unterbringen müsste (Naja klar, wann denn auch sonst :-) ?). Da die ganze Geschichte ansonsten ausgesprochen schlüssig daherkommt, fällt eine entsprechende Abweichung natürlich umso mehr auf. Vielleicht wären weniger Handlungsfäden in diesem Falle etwas mehr gewesen?
Trotzdem: Alles in allem ein überaus fesselnder Thriller in einem historischen und aktuellen Kontext, der einem zudem auch noch einiges Neues verrät (zumindest mir).