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⇢ Ich bin: Ex-Buchhändlerin, Leseratte, seit 2012 Buchbloggerin, vielseitig interessiert und chronisch neugierig. Bevorzugt lese ich das Genre Gegenwartsliteratur, bin aber auch in anderen Genres unterwegs. ⇢ 2020 und 2021: Teil der Jury des Buchpreises "Das Debüt" ⇢ 2022: Offizielle Buchpreisbloggerin des Deutschen Buchpreises

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Insgesamt 735 Bewertungen
Bewertung vom 04.05.2014
Dark Canopy / Joy und Neél Bd.1
Benkau, Jennifer

Dark Canopy / Joy und Neél Bd.1


sehr gut

Pro:
Das grundlegende Thema hat im Genre Science Fiction schon fast Tradition:
Körperlich und geistig überlegene Supermenschen - hier die Percents - werden gezüchtet und dann gnadenlos als Soldaten und entbehrliche Arbeitskräfte ausgenutzt. Sie erhalten keinerlei Rechte und werden gezwungen, sogar lebensgefährliche Aufgaben zu übernehmen - wie z.B. Arbeiten in radioaktiv verseuchten Gebieten. Schließlich lehnen sich die Percents erfolgreich gegen ihre Herrscher auf und drehen den Spieß um: jetzt sind es die Menschen, die gnadenlos unterdrückt und mitunter auch getötet werden. "Dark Canopy" beginnt einige Zeit nach der Machtübernahme und spielt dadurch in einer Welt, in der die Percents die Tyrannen und die Menschen die verachtete Unterschicht sind.

Die Autorin verpackt diese alte Idee frisch und interessant als Jugendbuch, bei dem ich persönlich nie das Gefühl hatte, das hätte ich schon tausendmal gelesen! Außerdem wirft das Thema viele interessante ethische Fragen über Gewalt und Gegengewalt auf, und die Autoren bringt interessante neue Ideen und Details ein.

Joy ist ein erstaunlicher Charakter - Sie konnte mich oft überraschen, und das nicht immer 100%ig positiv. Aber ich mag Charaktere, die wirkliche Ecken und Kanten haben, das macht sie doch realistischer! Joy hat aber auch viele positive Eigenschaften: sie ist entschlossen und mutig, einfallsreich und geschickt... Und sie ist loyal. Für ihre Freunde ist sie bereit, sich selbst in Gefahr zu begeben, auch wenn die Chancen katastrophal schlecht stehen.

Der junge Percent Neel, dem Joy in die Hände fällt, wirkt anfangs wie ein grausamer, gefühlloser Fiesling - das aber zum Teil deshalb, weil Joy ihn so sehen will, weil sie nichts anderes von einem Percent erwartet. Es wird allerdings relativ schnell klar, dass mehr hinter der kalten Fassade steckt!

Die Passagen, die aus Joys Sicht geschrieben sind, waren für mich meist sehr spannend und ich fand es dann schwer, das Buch auch mal wegzulegen! Ein Teil der Spannung entstand aus der unheilvollen Erwartung auf das Chivvy, sozusagen das große Finale (und diese Spannung ist im Endeffekt leider etwas verpufft, s. "Kontra") - aber viel von der Spannung kam auch aus der Interaktion zwischen Joy und Neel. Sehr gut fand ich dabei, dass sich das Ganze nicht direkt zur Liebesgeschichte entwickelt; dazu steht zwischen den Beiden einfach zu viel an Vorurteilen und problematischer Geschichte. Die Autorin gibt dieser Entwicklung viel Zeit!

Der Schreibstil hat mir gut gefallen. Alle Szenen konnte ich mir gut vorstellen und vor mir sehen, und ich gewann schnell ein Gefühl für die verschiedenen Charaktere, die Geschichte dieser Welt, die politischen Spannungen etc.

Kontra:
Am Ende ging mir alles etwas zu schnell und plötzlich - das ganze Buch hindurch wird immer wieder Spannung versprochen, was das Chivvy betrifft, und dann ist es in ein paar Seiten erledigt und vorbei. Für mich war das sehr enttäuschend und antiklimatisch.

Der Rebell Matthial war ein Charakter, mit dem ich einfach nicht warm wurde. Ich kann nicht mal sagen, woran es genau lag, aber immer, wenn die Perspektive und der Fokus der Geschichte zu ihm wechselte, hätte ich am liebsten weitergeblättert, weil mich diese Passagen gelangweilt haben.

Im Endeffekt habe ich mir irgendwie mehr von der Handlung erwartet - es kommt mir so vor, als wäre am Schluss unterm Strich wesentlich weniger tatsächlich passiert, als die Handlung anfangs versprach.

Zusammenfassung:
Wer Dystopien mit einer Prise Romantik mag, sollte "Dark Canopy" eine Chance geben! Zugegeben, das Buch hat seine Schwächen - aber die Protagonisten, der gelungene Schreibstil und die vielen interessanten Ideen und Details machen das wieder wett.

Im Ganzen hat mir das Buch sehr gut gefallen und ich werde auf jeden Fall auch den zweiten Band lesen!

Bewertung vom 27.04.2014
Blut und Kupfer
Wilken, Constanze

Blut und Kupfer


gut

Das Titelbild weckt mit der opulenten Farbe des offensichtlich edlen historischen Kleides direkt Vorfreude - auf einen hoffentlich ebenso opulenten, edlen Historienschinken. Ein bisschen Romantik verspricht es auch, schließlich wird das Kleid von einer anscheinend relativ jungen Frau getragen... Und ist das nicht meist eine Romantik-Garantie?

Ja, und das waren die Erwartungen, mit denen ich an "Blut und Kupfer" herangegangen bin.

Sind sie erfüllt worden? Jein. Das Buch ist auf jeden Fall opulent, eine Liebesgeschichte gibt es auch, aber überzeugen konnte es mich leider dennoch nicht hundertprozentig - wobei ich mir nicht sicher bin, ob das am Buch lag oder an mir. Manchmal ist das mit Büchern wie mit Menschen - man trifft sich und ist sich irgendwie nicht grün.

Ich habe keinen Zweifel daran, dass die Autorin ihren Roman gut recherchiert hat - Namen, Orte, politische Begebenheiten und viele kleine Details des damals alltäglichen Lebens, sei es auf einem Gut oder an Hof, verweben sich zu einem schlüssigen, buntenTeppich. Manchmal schwirrte mir da sogar ein wenig der Kopf, aber ich gebe freimütig zu, dass mir vielleicht auch einfach das nötige historische Grundwissen fehlt. Auch der Schreibstil war für mich sehr gewöhnungsbedürftig. Er war sicher nicht schlecht, das will ich damit nicht sagen, aber vielleicht kein guter Einstieg für jemanden, der eher selten historische Romane liest, so wie ich?

Die originelle Grundidee rund um das Geheimnis der vier Tafeln bot viel Potential für Spannung, die für mich aber aus irgendeinem Grund einfach nicht zündete. Tatsächlich habe ich mich oft regelrecht durch die Geschichte geschleppt, was zum Teil sicher daran lag, dass die Charaktere mich nicht richtig packen konnten. Ich konnte mich nicht mehr als oberflächlich in die meisten hineinfühlen, obwohl einige durchaus Potential hatten! Marie war mir sympathisch, aber tiefergehend mitgelitten habe ich auch mit ihr nicht.

Mir ging die romantische Seite der Geschichte am Anfang ein bisschen plötzlich - Marie trifft Ruben, und der Leser weiß direkt: aha, das ist derjenige welche! Natürlich sieht er gut aus, und Marie fällt prompt erstmal fast die Treppe runter. Sonst könnte Ruben sie ja nicht auffangen (oder zumindest stützen), um seine Männlichkeit zu demonstrieren! Aber das klingt jetzt negativer, als ich es meine - ich wollte ja eine Liebesgeschichte, nicht wahr? Und Ruben ist da wahrlich origineller als viele Protagonisten, die sich in Büchern tummeln, das muss ich zugeben. Er trägt einiges zur Vielschichtigkeit der Geschichte bei!

Ich habe das Gefühl, ich bin möglicherweise nicht die richtige Person, um dieses Buch zu empfehlen oder von ihm abzuraten! Mich hat es nicht gepackt und ich vermute, dass es vielleicht nicht das richtige Einstiegsbuch für LeserInnen ist, die historische Romane nicht oder nur selten lesen. Aber wer historische Romane gerne liest, sollte der Leseprobe eine Chance geben - ich denke, dass das Buch an sich gut geschrieben ist, aber einfach nicht meinen Geschmack trifft.

Bewertung vom 25.04.2014
Ich bin kein Serienkiller / John Cleaver Bd.1
Wells, Dan

Ich bin kein Serienkiller / John Cleaver Bd.1


ausgezeichnet

Normalerweise tue ich mich sehr, sehr schwer mit soziopathischen Charakteren - besonders Charakteren, die einen deutlichen Drang zu Mord und Gewalt haben. In diesem Buch, dank der Schreibkünste von Dan Wells, hat es der 15-jährige John Wayne Cleaver jedoch mühelos geschafft, nicht nur mein Interesse, sondern auch mein Mitgefühl zu wecken.

Ja, er ist ein Soziopath. Er empfindet Liebe und Freundschaft nicht, wie es "normale" Menschen tun. Er hat kein Gespür dafür, was richtig und was falsch ist. Er hat Gewaltfantasien und ist besessen von Serienkillern. Wenig macht ihn glücklicher, als im Bestattungsunternehmen seiner Mutter dabei helfen zu dürfen, die Leichen zu balsamieren. Ihm ist erst im Alter von 8 Jahren klargeworden, dass andere Menschen es nicht unterhaltsam finden, Tiere zu quälen.

Aber seit dieser Zeit - seit ihm bewusst ist, dass er anders ist - kämpft er darum, ein guter Mensch zu sein. Er hat Angst davor, zum Serienkiller zu werden, und er tut alles, wirklich ALLES, um das zu verhindern. Er beobachtet seine Mitmenschen akribisch, um zu lernen, was genau diese für richtig und falsch halten, und imitiert dann ihr Verhalten. Er übt sich darin, Emotionen erkennen zu lernen. Nach und nach hat er sich ein strenges Regelwerk zusammengestellt, um seine gewalttätigen Tendenzen im Schach zu halten und so normal wie möglich zu erscheinen. Zum Beispiel besagt eine Regel, dass er jedes Mal, wenn er das Gefühl hat, einen Menschen verletzten zu wollen, diesem sofort und auf der Stelle ein Kompliment machen muss, um von den gefährlichen Gedanken wegzukommen.

Für mich hatte das etwas Rührendes, sogar Herzzerreißendes. John ist wie eine makabre Version von Pinocchio - er will verzweifelt ein echter Junge werden, ein normaler Junge! (Tatsächlich wollte Dan Wells dem Buch erst einen Titel geben, der sich darauf bezog, aber der Verlag war dagegen.)

Da wir die Geschichte durch Johns Augen sehen, bekommen wir natürlich ein leicht verzerrtes Bild, besonders was andere Menschen betrifft. Aber ich hatte dennoch den Eindruck, dass seine Mutter und seine Tante ihn über alles lieben, auch wenn sie manchmal aus Hilflosigkeit falsche Entscheidungen treffen. Auch Johns Schwester kommt vor, bleibt aber eher ein periphärer Charakter, da sie im ständigen Konflikt mit Johns Mutter liegt.

Es ist an sich schon originell, einen jugendlichen Soziopathen zum Protagonisten eines Buches zu machen - das übrigens in Großbritannienn als Jugendbuch vermarktet wird und in Deutschland als Thriller für Erwachsene -, aber Dan Wells geht noch einen Schritt weiter: er vermischt zwei Genres, die nicht oft Hand in Hand gehen: Thriller und Urban Fantasy. Ich spoilere nicht, wenn ich sage, dass John es mit echten Dämonen zu tun bekommt, weil er das direkt innerhalb der ersten Seiten anspricht. Meine erste Reaktion war leichte Enttäuschung. Um ehrlich zu sein hatte mich an dem Buch gerade das Psychologische gereizt - das, was im echten Leben tatsächlich so passieren könnte.

Aber im Laufe des Buches habe ich mich mit dieser Mischung angefreundet, und sie gefiel mir immer besser. Ich fand den Kontrast interessant: ein Junge, der sich selber für ein Monster hält (oder zumindest für einen zukünftigen Serienkiller) stellt sich dem Kampf gegen ein richtiges, echtes Monster mit Hörnern und Klauen. Das Tragische daran ist, dass das echte Monster es einfacher findet, sich in die menschliche Gesellschaft zu integrieren, als John.

Der Schreibstil hat mir sehr gut gefallen, allerdings muss ich sagen, dass die deutsche Übersetzung etwas an Charme und Flair verliert. (Ich habe das gedruckte Buch auf deutsch und das eBook auf englisch.) Dennoch liest sich das Buch auch auf Deutsch gut, und ich fand faszinierend, wie komplex und schlüssig der Autor seinen jugendlichen Antihelden porträtiert.

Eine ungewöhnliche Mischung aus Thriller und Urban Fantasy, die mich von der ersten bis zur letzten Seite gefesselt hat.

Bewertung vom 24.04.2014
Meuchelbrut
Böhme, Dorothea

Meuchelbrut


gut

Pro:
Das Schöne an Regionalkrimis ist für mich dieser Kontrast zwischen ländlicher Idylle und Mord und Totschlag. Oft kommt das Ganze mit augenzwinkerndem schwarzen Humor daher, und meist sind die Bücher voller schrulliger, liebenswerter Charktere, die einem ans Herz wachsen. Genau das habe ich mir auch von "Meuchelbrut" versprochen, aber leider wurden meine Erwartungen nur teilweise erfüllt.

Die Handlung entspricht auf den ersten Blick ziemlich genau diesem "Regionalkrimi-Beuteschema":
* ländliche Idylle ✓
* Mord und Totschlag ✓
* schwarzer Humor✓
* schrullige Charaktere ✓

Das gibt vielleicht keine Pluspunkte in der Kategorie "Originalität", aber gerade diese heimelige Vertrautheit kann auch was Schönes sein. (Schaut ihr vielleicht im Fernsehen die Rosenheim-Cops? Da läuft jede Folge gleich ab, und es ist trotzdem mörderisch unterhaltsam.)

Die Autorin schlägt ein rasches, oft rasantes Tempo an, so dass das Buch sich größtenteils schnell und flüssig runterlesen lässt. Der Schreibstil hat mir gut gefallen, nur ab und an hätte i mia no a bisserl mehr Lokalkolorit gewünscht! Viele Szenen fand ich wirklich witzig - abstrus abgedreht und voller schwarzem Humor.

Kontra:
Manchmal las sich das Buch ein bisschen, wie drei Tage alter Reindling schmeckt - immer noch süß, aber ein klein bisschen abgestanden. Wie oben schon erwähnt, erwarte ich von Regionalkrimis nicht viel Originalität, aber die ein oder andere überraschende, frische Idee hätte ich mir dann doch gewünscht. Sozusagen die extra Rumrosine im Teig!

Leider kam ich ziemlich schnell darauf, wer hinter den ganzen Morden stecken muss - vielleicht war das aber auch ein Glückstreffer?

Mit den Charakteren hatte ich so meine Probleme. Die meisten davon lassen sich in wenigen Worten beschreiben, und mehr Tiefe entwickeln sie dann im Laufe des Buches auch nicht. Da haben wir die mannstolle Diva, das dumme Muttersöhnchen, den raffinierten Alten, die eingebildete Kranke... Und noch schlimmer: die meisten Charaktere waren mir zutiefst unsympathisch. Das war größtenteils sicher gewollt und Teil des schwarzen Humors - man SOLL über die Hinrichsens fassungslos den Kopf schütteln, so dass einem das Lachen im Halse stecken bleibt -, aber auch mit den "guten" Charakteren konnte ich mich nicht wirklich identifizieren. Ich persönlich brauche immer mindestens einen Charakter, den ich rundum sympatisch finden kann.

Manchmal kam der Humor mir etwas zu bemüht vor. Auch die Handlung erschien mir oft deutlich zu konstruiert und konfus, und so kam für mich keine rechte Spannung auf.

Zusammenfassung:
Auf Amazon hat dieses Buch bisher ausschließlich 5-Sterne-Bewertungen. Vielleicht finde ich persönlich einfach keinen rechten Draht zu Frau Böhmes Stil? Mir gefiel das Buch einfach nur rundum mittelmäßig.

Bewertung vom 21.04.2014
Cry Baby - Scharfe Schnitte
Flynn, Gillian

Cry Baby - Scharfe Schnitte


ausgezeichnet

Für mich ist dieses Buch kein Thriller. Düster, morbide, manchmal erschreckend, ja - aber kein Thriller. Und für mich ist das auch ok.

Allerdings würde ich das englische Original empfehlen - nicht, dass die deutsche Übersetzung schlecht wäre, aber im Original entfaltet die Sprache nochmal einen ganz anderen Sog.

Die Spannung liegt weniger in den Mordfällen und deren Aufklärung. Tatsächlich kamen mir diese eher wie ein Aufhänger vor, der Camille dazu zwingt, in ihren Heimatort (scheinbar idyllisch) und zu ihrer Mutter (scheinbar perfekt) zurückzukehren und sich den Dämonen ihrer Kindheit zu stellen. Was mich von Anfang an fasziniert und durch das Buch hinweg bei Stange gehalten hat, sind die Abgründe einer harmonischen Kleinstadt und die Psychologie einer kranken und kaputten Familie, die nach außen hin erscheint wie eine Bilderbuchfamilie.

Bis ganz zum Schluss war ich mir sicher, dass ich ohnehin schon wusste, was passiert ist und warum - und dennoch war es für mich spannend und ich habe die Seiten quasi verschlungen. Allerdings lag ich falsch! Nicht komplett, aber die Auflösung war komplexer, als ich vermutet hatte.

So abgründig, wie es die Geschichte manchmal ist, ist auch die Protagonistin. Camille ist auf jeden Fall keine typische Heldin - ihre Vergangenheit hat Spuren hinterlassen, auf ihrer Haut und ihrer Seele, und sie reagiert auf vieles sehr extrem. Ich fand es manchmal richtig schwer, über ihr selbstzerstörerisches Verhalten zu lesen, wobei sich gerade da zeigt, wie gut die Autorin schreiben kann. Die Wörter, die sich Camille in die Haut ritzt, flüstern und reden zu ihr, und sie bilden einen ständigen unterschwelligen Kommentar zu den Geschehnissen.

Oft habe ich allerdings nur noch den Kopf schütteln können über Camilles Verhalten. Besonders die Beziehung, die sie zu ihrer 13-jährigen Schwester aufbaut, ist alles andere als altersgerecht oder gesund. Allerdings benimmt sich das Mädchen ohnehin weder noch... (Mehr möchte ich hier noch nicht verraten, aber das Verhalten der Schwester und anderer Teenager in diesem Buch ist manchmal sehr verstörend.)

Das soll aber nicht heißen, dass ich Camille als Charakter nicht mochte! Sie ist schwierig, sie ist ein psychisches Wrack, sie ist voller Wut und Selbsthass... Aber sie ist auch glaubhaft, und ich habe mit ihr mitgelitten. Jede schlechte Entscheidung, die sie trifft, jede kaputte Beziehung, die sie eingeht, sind das Resultat von einem Familiengeheimnis, das sie selber erstmal gar nicht realisiert.

Mehr kann ich hier wirklich nicht sagen, ohne zuviel zu verraten!

Die meisten Charaktere haben ihre Abgründe, sogar die Kinder. Deswegen fand ich es manchmal schwer, eine richtige Beziehung zu ihnen aufzubauen, aber interessant fand ich sie alle. Mir war nach dem Klappentext schon klar, dass das hier kein bequemes Buch sein würde, und es ist manchmal richtig sperrig und schwer zu lesen, aber meiner Meinung nach lohnt es sich!

Hier kommt alles mögliche vor, von Massentierhaltung über Mobbing bis zu Drogenkonsum von Kindern, und das könnte leicht überfrachtet wirken, aber das verhindert der eher karge, oft fast sterile Schreibstil. Was keine Kritik am Schreibstil sein soll - der funktioniert hier tadellos!

Man sollte an dieses Buch nicht mit falschen Erwartungen herangehen - es ist weniger ein Thriller als ein Familiendrama. Darüber muss man sich im Klaren sein. Meiner Meinung nach wird das Buch wirklich falsch vermarktet.

Wer Bücher mag, in denen es um psychologische Probleme und (oft unterschwellige) menschliche Abgründe geht, der liegt mit dem Roman sicher nicht ganz falsch, aber wer einen typischen Thriller mit Hochspannung, Action und blutiger Gewalt sucht, ist hier möglicherweise falsch beraten. Ich fand das Buch einfach großartig, aber man muss sich nur die Kritiken auf Amazon ansehen - viele Thrillerleser fühlten sich betrogen. Deswegen würde ich jedem Leser dringend erstmal die Leseprobe empfehlen!

5 von 7 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 21.04.2014
Never Forget
Henry, April

Never Forget


gut

Das Cover ist hübsch und ansprechend, aber nichts wirklich Besonderes - leider fasst das für mich schon ganz gut zusammen, wie das Buch mir gefallen hat.

Die Geschichte hat originelle Aspekte, aber wirklich überrascht hat sie mich dennoch selten - die ein oder andere Entwicklung habe ich kommen sehen, und die ein oder andere Erklärung hat mich nicht vollständig überzeugt. Aber im Ganzen würde ich dem Buch in der Sparte "Originalität" solide 3 von 5 Sternen geben, da es doch genug Neues bietet, um ansprechend und abwechslungsreich zu sein.

Ich habe das Buch in einem Rutsch durchgelesen, weil ich wissen wollte, wie es mit Cady weitergehen wird, insofern fand ich das Buch definitiv spannend. Auch hier gibt es jedoch ein "Aber": Aber es war keine wirkliche Thriller-Hochspannung, sondern eher eine milde Krimi-Spannung - interessant, aber nicht nervenzerfetzend. Für mich war es auch so, dass das Buch sich zu einem gewissen Spannungsniveau hochschraubt, um dann relativ schnell und abrupt zu enden. Da hätte man meiner Meinung nach noch viel mehr herausholen können! Auch für "Spannung & Tempo" habe ich 3 von 5 Sternen vergeben.

Ich mochte Cady, fand es aber am Anfang etwas schwer nachzuvollziehen, wie relativ ruhig sie bleibt - hätte ich gerade mitangehört, wie zwei Männern meinen Tod besprechen, hätte ich mit Sicherheit mit hysterischer Panik reagiert! Aber das lässt sich vielleicht damit erklären, dass sie unter Schock steht oder noch benommen ist von ihrer Bewusstlosigkeit. Denoch hatte ich auch im Laufe des Buches immer das Gefühl, dass ich zu Cadys Emotionen nie so richtig Zugang fand, auch wenn gerade gesagt wird, sie habe extreme Angst, starke Schuldgefühle oder Ähnliches. Ich bekam einfach kein Gefühl dafür, wer sie wirklich ist, und das machte es schwer für mich, tiefergehend mit ihr mitzufühlen. Auch Ty, der Junge, der ihr später bei ihrer Flucht hilft, ist nett und sympathisch, aber auch bei ihm hatte ich das Gefühl, dass das Buch nur an der Oberfläche kratzt. Daher gibt es auch im Bereich "Charaktere" nur 3 von 5 Sternen.

Der Schreibstil liest sich einfach und flüssig - hier habe ich 3.5 Sterne vergeben.

Das Buch ist im Ganzen unterhaltsam und gut zu lesen, nur für mich war es nichts, was mich tiefer beschäftigt oder wirklich Hocker gerissen hätte, oder was mir wahrscheinlich länger in Erinnerung bleiben wird.

Bewertung vom 16.04.2014
Was ich dich träumen lasse
Moll, Franziska

Was ich dich träumen lasse


ausgezeichnet

Pro:
Das Cover ist wunderschön und träumerisch, und es hat mir sehr gut gefallen. Allerdings passt es nur bedingt zum Inhalt des Buches, denn das ist nicht immer wunderschön und träumerisch - es hat Ecken und Kanten, und manchmal zeigt es auch die hässlichen Seiten des Lebens.

Ich habe mir von diesem Roman viel erwartet, aber ehrlich gesagt nicht unbedingt Originalität. Es gibt inzwischen einige Bücher, in denen die Protagonistin eine Liste mit Zielen findet und abarbeitet, und am Schluss hat sie dann meist viel über sich und das Leben gelernt. Oberflächlich betrachtet passt "Was ich dich träumen" lasse sicher in dieses Schema, aber eben nur oberflächlich - die Geschichte gewinnt unglaublich viel an Originalität und Tiefgang durch ihre Heldin.

Elena ist eine sehr interessante Protagonistin: sie ist schwierig, manchmal sperrig, oft überraschend, gelegentlich schockierend... Sie kann aggressiv, unfreundlich und sarkastisch sein. Und dennoch mochte ich sie und habe mit ihr mitgelitten und mitgefiebert, denn unter all dem Bravado verbirgt sich eine verletzte Seele.

Die Autorin verrät uns nur nach und nach, Stückchen für Stückchen mehr über Elenas schwieriges Leben und ihre problematische Vergangenheit, und das hat für mich einen Großteil der Spannung ausgemacht - sogar mehr noch als die Frage, ob Rico aufwachen wird oder nicht. Ich war manchmal sehr überrascht über die Entscheidungen, die Elena trifft - katastrophal falsche Entscheidungen, die zeigen, wie verkorkst sie durch ihr bisheriges Leben ist... Aber das macht sie auch echt und komplex.

Rico ist ein sympathischer Charakter, den wir durch Elenas Erinnerungen kennenlernen. Er ist süß und nett und liebt seine Freundin und seine Familie offensichtlich über alles - aber er wirkt auch noch sehr jung, sehr naiv. Elena denkt öfter darüber nach, wie wenig Rico von den schlimmen Dingen weiß, die im Leben passieren können, und genau diese Unschuld macht für sie einen Teil dessen aus, warum sie ihn so sehr liebt - denn sie hat diese Unschuld schon lange nicht mehr. Die beiden sind unterschiedlich wie Tag und Nacht, aber vielleicht ergänzen sie sich dadurch so perfekt.

Aber mein Lieblingscharakter war Tim, der Krankenpfleger, der auf den ersten Blick ein grausamer Widerling zu sein scheint - und im Buch so nach und nach zu Elenas Vertrautem und einzigen Freund wird. Er hat mich immer wieder überrascht und gerührt, und er sorgt auch für etwas bösen Humor, der der Geschichte meiner Meinung nach gut tut.

Obwohl immer die Liebe im Mittelpunkt der Geschichte steht - romantische Liebe, familiäre Liebe, freundschaftliche Liebe -, ist "Was ich dich träumen lasse" keine typische oder seichte Liebesgeschichte. Manchmal ist das Buch herzzerreißend romantisch, aber es ist immer zu bittersüß, um kitschig zu sein.

Der Schreibstil ist ungewöhnlich und eigen und einfach perfekt für dieses Buch. Elenas Gedanken in der Gegenwart vermischen sich mit Dialogen, die Rico und Elena in der Vergangenheit geführt haben, mit Gefühlen und Erinnerungen und dem ganzen emotionalen Chaos, das Elena durchlebt. Er trägt viel dazu bei, dass das Buch nie in Kitsch oder Pathos abdriftet.

Kontra:
Das Ende hat mich ein wenig enttäuscht. Nicht wegen dem, was am Schluss passiert oder nicht passiert (da will ich noch nichts verraten), sondern weil ich das Gefühl hatte, dass Elena einen Teil des emotionalen Wachstums, das sie im Laufe der Geschichte durchlebt hat, wieder wegwirft. Ganz objektiv betrachtet ist das Ende gut geschrieben, glaubwürdig und auf ganz eigene Art und Weise schön. Vielleicht habe ich einfach etwas anderes erwartet und mich zu sehr darauf versteift. (Und nein, damit meine ich nicht meine Erwartung, ob Rico aufwacht oder nicht!)

Zusammenfassung:
"Was ich dich träumen lasse" ist ein nachdenkliches Buch, ein trauriges Buch, ein überraschendes Buch... Mich hat es sehr berührt, und besonders der Schreibstil hat mich beeindruckt.

Bewertung vom 15.04.2014
Der eiserne Wald
Howard, Chris

Der eiserne Wald


sehr gut

Ein Endzeitroman mit dystopischen Elementen und ökologischen Themen - der Autor hat Abschlüsse in Waldökologie und Umweltwissenschaften, und das merkt man auch! Originell ist das auf jeden Fall, und zum Nachdenken regt es auch immer wieder an - wenn es auch gelegentlich schwer zu verdauen ist.

Es gibt keine Tiere mehr (bis auf fleischfressende Heuschrecken), keine Pflanzen, keine Hoffnung auf eine bessere Zukunft... Die Welt ist staubig und leer, bis auf die wenigen menschlichen Überlebenden, die sich gegenseitig misstrauisch beäugen und auch vor Gewalt nicht zurückschrecken, um einen weiteren Tag zu überstehen.

Die Idee der Baum-Meister (Tree Builder) fand ich sehr interessant, und ich könnte mir vorstellen, dass dieser Beruf tatsächlich sehr gefragt sein könnte bei den Reichen der Zukunft. In dieser grauen, hässlichen, staubigen Welt gibt es wenig Schönes, und ich denke, Schönheit ist ein menschliches Grundbedürfnis - und gleichzeitig ein Luxus, den sich nicht jeder leisten kann.

Das dystopische Element liegt in der Firma Gentech, die buchstäblich das Leben aller Menschen in der Hand hält - nur Gentech kann Nahrung anbauen (einen gentechnich modifizierten Super-Mais) und für frisches Wasser sorgen. Gentech nutzt seine Position hemmungslos aus, um Menschen, die ohnehin fast nichts mehr besitzen, auch noch dieses Wenige aus der Tasche zu ziehen. Sie haben die absolute Macht, und Macht korrumpiert bekanntlich.

Manchmal ist diese trostlose, traurige, scheinbar hoffnungslose Geschichte schwer zu lesen und man wünscht sich wenigstens ab und an eine positive Szene, bei der man durchatmen kann. Das drückt den Spaß am Lesen etwas herunter - denn immer, wenn man denkt, schlimmer geht es nicht mehr, beweist einem der Autor, dass es doch noch schlimmer geht! Er ist gnadenlos gegenüber seinen Charaktern und man sollte sich nie darauf verlassen, dass Hauptfiguren nicht sterben oder übelst verletzt und verstümmelt werden.

Apropos Charaktere: der Protagonist, Banyan, ist sympathisch und schlägt sich tapfer in einer gnadenlosen Welt durch. Er ist kein strahlender Held - oft hat er Angst, weiß nicht, was er tun soll, zögert und hadert... In den ersten zwei Dritteln des Buches sind es mehr als einmal seine Weggefährten, die die Handlung vorantreiben, während Banyan sich nur mitreißen lässt. Aber im Gegensatz zu vielen Menschen hat er sich einen guten, moralischen Kern bewahrt - auch wenn er Menschen oft weder retten noch ihnen helfen kann, versucht er es doch wenigstens.

Es dauert relativ lange, bis Banyan an den Ereignissen wächst und begreift, dass er sich nicht nur treiben lassen kann, aber dann wird er doch noch entschlossener und tatkräftiger. Ich fand diese Entwicklung ziemlich realistisch, und ich hoffe, dass Banyan sich in den nächsten Bänden weiter zu einem komplexeren Charakter entwickeln wird. Die anderen Charaktere sind überwiegend sehr interessant - und oft moralisch eher zwiespältig, denn sie sind das Produkt ihrer grausamen Welt und meist damit aufgewachsen, dass das eigene Überleben jedes Mittel rechtfertigt.

Das Tempo ist manchmal so schnell, dass jeglicher Tiefgang verloren geht (den das Buch doch eigentlich bietet), weil einfach keine Zeit für Erklärungen und detailliertere Beschreibungen der Geschehnisse bleibt. Einerseits hat der Leser so gar keine andere Wahl, als von der Spannung mitgerissen zu werden - andererseits ist es in diesen Szenen eine leere Spannung, die einen emotional kalt lässt.

Der Autor zeigt uns eine hässliche, trostlose Zukunft und Protagonisten, die oft nicht den Luxus haben, gute Menschen zu sein. Aber das Buch enthält auch viele ökologische Botschaften und einen intellektuellen Tiefgang, der nur in den spannendsten, rasantesten Szenen manchmal kläglich verloren geht. Das ist nicht einfach zu lesen, und man muss schon Interesse an solchen Themen mitbringen. Ich würde dringend empfehlen, erstmal die Leseprobe zu lesen!

Bewertung vom 13.04.2014
Broken Lands
Milford, Kate

Broken Lands


ausgezeichnet

Ich finde das Cover wunderschön - es vermittelt meiner Meinung nach sehr gut die Mischung aus Fantasy und Geschichte, die das Buch ausmacht. Im Buch finden sich übrigens auch weitere großartige Illustrationen der Künstlerin, Andrea Offermann, die das Titelbild gestaltet hat, und sie sind eine wahre Bereicherung für einen ohnehin fantastischen Roman!

Das Genre "Historic Fantasy" / "Fantastic History" ist bisher eher ein Stiefkind des Genres "Fantasy" - spontan fallen mir nur wenige Beispiele ein, wie zum Beispiel die Jugendbücher von Chris Moriarty. Dabei bietet es so viele spannende Möglichkeiten, und Kate Milford schöpft in ihrem Buch aus dem Vollen! Sie hat unzählige originelle Einfälle verarbeitet, ein wahres Feuerwerk an Ideen, die frisch und neu sind. Ich hatte nicht ein einziges Mal das Gefühl: sowas habe ich schonmal gelesen. Sie hat eine Welt geschaffen, die unserer wirklichen Welt sehr ähnlich ist, nur eben voller Magie und fantastischer Kreaturen. Einerseits erfahren wir ganz nebenbei Dinge, die in unserer Realität wirklich so waren - durch Sam erhaschen wir einen Blick auf das Leben nach dem amerikanischen Bürgerkrieg, und durch Jin einen Blick auf die chinesische Kultur -, und andererseits webt die Autorin Folklore, Mythen und Märchen zu einem bunten Teppich.

Ich fand das Buch sehr spannend, denn Jin und Sam müssen sich einer Herausforderung und Gefahr nach der anderen stellen - es steht nicht weniger auf dem Spiel als das Schicksal zweier Städte und derer Bewohner! Für mich gab es keine Längen oder schleppende Passagen.

Wenn in einem Buch sehr viele Charaktere vorkommen, habe ich oft das Problem, dass ich durcheinander komme und zurückblättern muss, um noch einmal nachzulesen. In "Broken Lands" werden uns direkt eine ganze Reihe an Charakteren vorgestellt, aber sie sind alle so voller Leben und Individualität, dass ich sie mir schnell merken konnte. Im Mittelpunkt stehen Sam und Jin, und sie sind beide ganz wunderbare Protagonisten. Sie hatten kein einfaches Leben und haben trotz ihrer jungen Jahre schon einiges an Verlust und Schmerz durchlebt. Besonders über Jin erfährt man im Verlauf des Roman viel Schlimmes. Aber dennoch sind alle beide mutig und entschlossen, loyal und selbstlos. Ich habe sie schnell ins Herz geschlossen!

Apropros Herz: man sollte in diesem Buch keine schnulztriefende Liebesgeschichte voller heißer Küsse und Sexszenen erwarten. Zwischen Jin und Sam entwickeln sich romantische Gefühle, aber da Jin in ihrer Vergangenheit sehr verletzt worden ist, kann sie sich nur langsam darauf einlassen, auch nur eine tiefere Freundschaft zu Sam zuzulassen. Und dennoch gibt es in "Broken Lands" Szenen, die herzzerreißend romantisch und anrührend sind - auf eine leise, zarte Art. Wunderwunderschön.

Der Schreibstil ist grandios und vermittelt mühelos Atmosphäre und Spannung. Ich werde definitiv die Augen offenhalten und auf weitere Bücher der Autorin hoffen.

Ich möchte das Buch wirklich jedem empfehlen, der gerne Fantasy liest und Lust auf etwas ganz Neues, Eigenes hat. Hier gibt es keine Vampire, Werwölfe, Engel oder Dämonen - stattdessen gibt es Unheimliche Wanderer, Hüter der Stadt und Flammenmeister. Ich fand es einfach nur grandios!