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MaWiOr
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Halle

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Insgesamt 3580 Bewertungen
Bewertung vom 15.03.2022
Die schönsten Märchen
Bechstein, Ludwig

Die schönsten Märchen


ausgezeichnet

Ludwig Bechstein (1801-1860) war neben den Brüdern Grimm der zweite bedeutende Sammler und Herausgeber deutscher Volksmärchen. Über 150 Märchen gehen auf Bechsteins Bearbeitungen und Sammlungen zurück. Zu seinen bekanntesten Märchenversionen gehören beispielsweise „Der kleine Däumling“ oder „Aschenbrödel“. Seine Märchenbücher sind in zahlreiche Sprachen übersetzt worden. Im Vergleich zu den Grimms Märchen sind Bechsteins Märchen oft kindgerechter (braver) und nicht so grausam.

Der sehr schön gestaltete Inselband (Großformat) bringt eine Auswahl von neunzehn Bechstein-Märchen – von „Schwan, kleb an“ (eine Version der „Goldenen Gans“) über „Das Märchen vom Schlauraffenland“ und „Die vier klugen Gesellen“ bis zu „Des kleinen Hirten Glückstraum“. Die Märchen sind durch farbige (teilweise ganzseitige) Abbildungen von Markus Lefrancois wunderbar illustriert. Fazit: Ein märchenhaftes Geschenk nicht nur für Märchen-Freunde.

Bewertung vom 15.03.2022
POLAAH und das Rhabarber-Kompott
Engler, Michael

POLAAH und das Rhabarber-Kompott


sehr gut

„Rhabarber-Komplott .., ist das beste Essen der Welt“, meint Mampf. Davon haben aber seine Freunde Ping, Hops, Gru-Gru und Polaah noch nie etwas gehört. Das muss also etwas ganz Besonderes sein. Sie wissen noch nicht einmal, was Rhabarber ist. Also machen sie sich auf die Suche und sie entdecken tatsächlich die rötlichen Stiele des Rhabarbers. Gemeinsam werden die Stiele geputzt und zerkleinert … und schon dampft der Rhabarber im Kochtopf. Danach sitzen alle fünf Freunde am Strand, beobachten den Sonnenuntergang und mampfen genussvoll ihren Rhabarber-Kompott.

Eine weitere humorvolle Kindergeschichte aus der Bestsellerreihe „Polaah“, wieder liebevoll illustriert von Joelle Tourlonias. Außerdem gibt es ein Rhabarber-Kompott-Gedicht und ein leckeres Rezept.

Bewertung vom 15.03.2022
Orestie
Euripides

Orestie


ausgezeichnet

„Orestes“ ist ein Spätwerk des griechischen Dramatikers Euripides (um 480 v.u.Z.- 406 v.u.Z.). Iphigenie, die Tochter von Agamemnon und Klytämnestra, wurde in Aulis geopfert, um das nach Troja segelnde Heer der Griechen von einer Flaute zu befreien. Für den Verlust ihrer Tochter nahm Klytämnestra Rache und ermordete ihren Ehemann Agamemnon, als dieser siegreich heimkehrte. Dabei half ihr Aigisthos, den sie nun zum Mann nahm. Für den Gattenmord wiederum musste Klytämnestra büßen, sie wurde von ihrem eigenen Sohn Orestes umgebracht, zusammen mit Aigisthos und angefeuert von seiner Schwester Elektra. Opfertod einer Tochter, Gattenmord, Muttermord - das ist die furchtbare Abfolge des Orestie-Stoffes. Am Ende mündet er in die Ablösung der Blutrache durch das Recht und in die Einsetzung der Polis, des athenischen Stadt- und Rechtsstaates.

Der Schriftsteller Raoul Schrott hat diese Tragödie um Schuld, Rache und Sühne, die heute nur noch selten gespielt wird, neu übertragen. Aus dieser Neuübertragung entstand ein fast dreistündiges Hörspiel. Schrott ist es dabei gelungen, mit schlagfertigen Dialogen und gereimten Wechselgesängen, die an die antiken Chöre erinnern, die Tragödie in die Gegenwart zu transferieren. Außerdem werden Geschlechterfragen angesprochen, denn Euripides hat in seinem Stück auch die Gleichberechtigung thematisiert: Ist Tochtermord schlimmer als Gattenmord? Ist Muttermord weniger schlimm als Gattenmord? Für die wirklich gelungene Hörspielfassung konnten bekannte Stimmen gewonnen werden – wie Melika Foroutan, Michael Rotschopf, Friedhelm Ptock, Ulrich Matthes, Corinna Harfouch, Ulrich Noethen oder Patrick Güldenberg. Sehr informativ auch das beigefügte Booklet.

Bewertung vom 15.03.2022
An des Abgrunds schmalem Saume
Leifhelm, Hans

An des Abgrunds schmalem Saume


ausgezeichnet

Der deutschsprachige Schriftsteller Hans Leifhelm (1891-1947) ist heute nahezu vergessen, dabei hatte er einen großen Wirkungskreis. Als junger Autor war er zunächst am Niederrhein tätig, später profilierte er sich in Graz, in der Steiermark, wo er Anschluss an die dortigen Künstlerkreise fand. Eine Stelle als Berufsberater und Arbeitsvermittler beim Steirischen Arbeitsnachweis gab der Familie die finanzielle Sicherheit für seine literarischen Aktivitäten. Leifhelms Versuche, danach noch einmal in Deutschland beruflich Fuß zu fassen, scheiterten jedoch. Leifhelm, der vor allem als Lyriker tätig war, korrespondierte u.a. mit Stefan Zweig und Thomas Mann. Die letzten Lebensjahre ver-brachte er mit massiven Gesundheitseinschränkungen in Italien, wo er am 1. März 1947 in Riva verstarb.

Die einbändige Werkausgabe aus dem Quintus Verlag bietet eine Übersicht in Leifhelms literarisches Schaffen, wobei auch bisher unbekannte Gedichte, Erzählungen und Essays aus dem Nachlass aufgenommen wurden. Seine Gedichte, die häufig in Tageszeitungen und Zeitschriften abgedruckt wurden, waren früher auch in nahezu allen namhaften Anthologien vertreten.

Darüber hinaus war Leifhelm als Übersetzer italienischer Literatur bekannt; Beispiele dafür finden sich in der vorliegenden Ausgabe. Sie präsentiert auch den oft unterschätzten Erzähler und Essayisten – u.a. mit einer Auswahl von Texten zur Literatur- und Kunstgeschichte, sowie zur Ökonomie und Arbeitsmarktpolitik. Daneben widmete sich Leifhelm auch der Beschreibung von Landschaften und ihren Menschen oder von Kunstwerken.

In seinem Nachwort gibt der Herausgeber Ralf Georg Czapla einen kompakten Überblick zu Biografie und Werk von Hans Leifhelm. Fazit: Eine willkommene Neuerscheinung, um mit einem in Vergessenheit geratenen Dichter bekannt zu machen.

Bewertung vom 14.03.2022
Kunst für Keinen

Kunst für Keinen


ausgezeichnet

In der Vergangenheit lag der Schwerpunkt der Auseinandersetzung der deutschen Kunst in den 1930er und 1940er Jahren zumeist in der Gegenüberstellung von NS-Kunst und „entarteter Kunst“ oder in der Darstellung der Exil-Kunst. Die Ausstellung „Kunst für Keinen 1933-1945“ in der Schirn Kunsthalle Frankfurt (4. März bis 6. Juni 2022) richtet den Blick nun auf die Künstler und Künstlerinnen, die nach 1933 in Deutschland blieben, sich aber abseits des nationalsozialistischen Kunstbetriebs bewegten. Sie fanden bisher kaum Beachtung. Mit der Ausstellung rücken neben ihrem Werk auch ihre Lebens-und Arbeitssituationen in das Interesse der Öffentlichkeit. Dabei werden anhand von vierzehn Biografien die künstlerischen Handlungsspielräume während des Nationalsozialismus beleuchtet.

Im Hirmer Verlag ist der umfangreiche, zweisprachige (dt./engl.) und reich illustrierte Be-gleitkatalog zu dieser bemerkenswerten Ausstellung erschienen. Die vierzehn Künstler*innen (Willi Baumeister, Otto Dix, Hans Grundig, Lea Grundig, Werner Heldt, Hanna Höch, Marta Hoepffner, Karl Hofer, Edmund Kesting, Jeanne Mammen, Ernst Wilhelm Nay, Franz Radziwill, Hans Uhlmann und Fritz Winter) werden zunächst mit einem kurzen biografischen Datenblatt vorgestellt, wobei die Palette von der Malerei über die Grafik bis zur Fotografie reicht. Darauf folgen einige Reproduktionen von Werken, die in der Zeitspanne von 1933 bis 1945 entstanden sind. Im Anschluss geben renommierte Kunstwissenschaftler*innen einen Überblick über das Schaffen des jeweiligen Künstlers/der jeweiligen Künstlerin in diesem Jahrzehnt. Die Beispiele zeigen, wie unterschiedlich die Künstler*innen auf die Einschränkungen der nationalsozialistischen Kulturpolitik reagierten – vom Rückzug aus der Gesellschaft oder die Übersiedlung aus den Kunstmetropolen in eine ländliche Gegend. Fazit: Ein ambitioniertes Ausstellungsprojekt und ein informativer Katalog.

Bewertung vom 11.03.2022
Babettes Gastmahl
Blixen, Tania

Babettes Gastmahl


ausgezeichnet

Die Französin Babette, daheim eine Spitzenköchin, hat es in das norwegische Dörfchen Berlevaag verschlagen, wo sie seit Jahren ihren Dienst im Haushalt der beiden Pfarrerstöchter Philippa und Martine erledigt. Ihre Herrinnen wissen nicht, über welche Talente Babette eigentlich verfügt. Im hohen pietistischen Norden hat kaum jemand Interesse an Gourmetgenüssen. Hier muss Babette meist Stockfisch und Brotsuppe zubereiten. Doch eines Tages ergibt sich die Gelegenheit, dass Babette ihre Kochkünste zeigen kann. Sie hat in der Lotterie gewonnen und lädt die beiden Damen und eine Handvoll Gäste zu einem echten französischen Festmahl ein. Mit ihrer lukullischen Verführungskunst begeistert sie die Gäste mit einem meisterhaften und romantischen Dinner.

Mit der anrührenden Erzählung ist Tania Blixen ein literarisches Glanzstück gelungen. Im Mittelpunkt stehen die Gäste, die mit effektiven Beschreibungen vorgestellt werden. Auch die Jugend von Philippa und Martine wird skizziert. Am Ende gibt Babette ihr Geheimnis preis: „Ich bin eine große Künstlerin“, doch sie beschwert sich nicht, nicht einen Moment. Fazit: eine unbedingt empfehlenswerte Lektüre. Zwei Stunden Lesespaß sind garantiert.

Bewertung vom 10.03.2022
Immer schön langsam
Weitzel, Barbara

Immer schön langsam


ausgezeichnet

Der Spaziergang erlebt während der Pandemie seine große Renaissance. Aber bereits seit der Antike hilft er den Menschen beim Entspannen und Denken, beim Zusichkommen und die Umwelt mit anderen Augen zu sehen. „Das Gehen bringt einen am dichtesten an die Welt heran“ lautet ein Sprichwort. Gemeint ist das Flanieren nicht im Jogging-Tempo.

Die freie Autorin und Redakteurin Barbara Weitzel war in den letzten vier Jahren in Berlin unterwegs. Bei ihren Spaziergängen erkundet sie die Stadt, sie notiert ihre Eindrücke und die zahlreichen Begegnungen mit den BerlinerInnen. Immer auf der Suche nach Unbekanntem … und alles wie beiläufig, ohne Plan oder Anstrengung. Die Autorin hat Zufallserlebnisse, entdeckt Altes und Neues, Geschichte und Gegenwart der Stadt. Berlin wird mit allen Sinnen erkundet, meistens zu Fuß.

In rund achtzig kurzen, durchaus poetischen Geschichten hält sie ihre Eindrücke fest. Dabei wird auch Unscheinbares entdeckt, das man häufig übersieht. Aus den vielen Einzelbeobachtungen entsteht ein vielschichtiges Kaleidoskop der Stadt. Die Geschichten machen Lust zum Selbstentdecken.

Bewertung vom 28.02.2022
Charlotte Berend-Corinth

Charlotte Berend-Corinth


ausgezeichnet

Charlotte Berend-Corinth (1880-1967) war nicht nur Ehefrau und Muse des bekannten Malers Lovis Corinth (1858-1925). Obwohl sie jahrelang auf diese Rolle beschränkt war, war sie doch auch eine eigenständige Künstlerin und gehörte zu den wenigen weiblichen Mitgliedern der Berliner Secession. Sie setzte schon früh eigene künstlerische Akzente und spielte nach dem Tode ihres Mannes eine zentrale Rolle in der Kunstszene von Berlin.

Das Saarlandmuseum – Moderne Galerie präsentiert vom 5. November 2021 bis 20. Feb-ruar 2022 die fulminante Doppel-Ausstellung „Lovis Corinth – Das Leben, ein Fest!“ und „Charlotte Berend-Corinth – Wiederentdeckt!“. Insgesamt 170 Exponate veranschaulichen den lebendigen Dialog dieses engagierten Künstlerpaares. Im Hirmer Verlag ist der umfangreiche zweisprachige (dt./engl.) Katalog zum Berend-Corinth-Teil der Ausstellung erschienen. Neben der Ausstellung stellt auch der Begleitkatalog eine Pionierarbeit dar, denn er ist nicht nur die erste umfassende Dokumentation zum Werk der Künstlerin, sondern auch eine entscheidende wissenschaftliche Aufarbeitung ihres Werkes im Kontext der Moderne.

Der Katalog gibt einen Überblick über das vielschichtige Werk - von der Lithografie über Porträts berühmter Zeitgenossen bis hin zu außergewöhnlichen Selbstporträts. Außerdem beleuchten renommierte KunsthistorikerInnen in sechs Essays die unterschiedlichen Aspekte im Oeuvre von Berend-Corinth. So widmet sich Andrea Jahn unter dem Titel „Eine schwere Geburt“ den Bildern von Charlotte Berend über „weibliche“ Kreativität und Selbstbehauptung, während Kristina Kratz-Kessemeier die Künstlerin als kunstpolitische Netzwerkerin und Mitgestalterin einer freien staatlichen Moderneförderung der Weimarer Republik vorstellt.

Die meist großformatigen Abbildungen der Ausstellungswerke sind in die Texte integriert, ergänzt werden sie durch persönliche Abbildungen oder Gemäldereproduktionen ihres Mannes. Der Katalog vermittelt auch einen Einblick in die Berliner Kunstszene zu Beginn des 20. Jahrhunderts.

Bewertung vom 24.02.2022
längst fällige verwilderung
Lappert, Simone

längst fällige verwilderung


ausgezeichnet

Simone Lappert ist eine Schweizer Schriftstellerin, die ihr literarisches Debüt mit dem Roman „Wurfschatten“ vorlegte. Nun ist mit „längst fällige verwilderung“ ihr erster Lyrikband erschienen. Der schmale Band versammelt Gedichte, die viele Bereiche unseres Lebens berühren. Man könnte sagen, es sind liebevolle Bestandsaufnahmen des Lebens. Dabei sind die Sujets und Themen vielfältig, die Lappert bewegend und emotional gekonnt verarbeitet.

In den rund sechzig Gedichten spürt man eine Feinfühligkeit und gleichzeitig eine Zeitlosigkeit, egal an welcher Stelle man den Gedichtband aufschlägt. Mit seiner gelungenen Aufmachung ist er ein Kleinod in jedem Bücherregal.

Bewertung vom 22.02.2022
Venedig
Ackroyd, Peter

Venedig


ausgezeichnet

Eine Biografie der Lagunenstadt. Der bekannte britische Schriftsteller Peter Ackroyd geht dabei nicht streng chronologisch vor. Er beginnt natürlich mit den Ursprüngen, als bereits im 8. vorchristlichen Jahrhundert Vertriebene vom Festland sich der Inselchen in der Lagune bemächtigten. Der Aufbau der Stadt selbst begann im 6. Jahrhundert und irgendwann war die Stadt dann fertig, Für Ackroyd etwa Mitte des 16. Jahrhunderts.

Nach diesem historischen Überblick beleuchtet Ackroyd sehr ausführlich verschiedene Aspekte dieser jahrhundertlangen Entwicklung. Er erzählt von den Konflikten mit anderen Städten wie Byzanz oder Genua und berichtet, wie die Stadtpolitik zur Zeit der Dogen alles der Eigenständigkeit und dem wirtschaftlichen Erfolg der Stadt unterordnete. Nichts lässt der Autor aus: in knapp vierzig Kapiteln erfahren wir etwas über die prächtigen Kirchen und Paläste der Stadt, über die Kaufleute und ihre Geschäfte, über die Gondeln, das berühmte Gefängnis, die Künstler, den Karneval und natürlich über die Touristen, die Jahr für Jahr Venedig aufsuchen. Ein Bildteil mit zahlreichen Gemäldereproduktionen in der Mitte der Neuerscheinung zeigt, welche bedeutenden Künstler und Maler sich von Venedig inspirieren ließen.

Ackroyd versteht es wunderbar, Bilder und Emotionen der Lagunenstadt vor dem Auge des Lesers/der Leserin entstehen zu lassen. Die geschichtlichen und kulturellen Zusammenhänge werden so spannend und intensiv erzählt, dass man das Buch nicht so schnell aus der Hand legt. Die knapp 600 Seiten sind eine Liebeserklärung untermauert mit vielen Details und Fakten. Unbedingt lesenswert, wenn auch nicht als Reiseführer geeignet.

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