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Raumzeitreisender
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Ahaus
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Buchwurm, der sich durch den multidimensionalen Wissenschafts- und Literaturkosmos frisst

Bewertungen

Insgesamt 757 Bewertungen
Bewertung vom 25.07.2016
The Rolling Stones.
Hoffman, Dezo

The Rolling Stones.


sehr gut

Ein sehenswerter Bildband über die Rolling Stones und ihr Umfeld

Bei diesem Buch handelt es sich um einen Bildband über die Rolling Stones in schwarz/weiß. Zu den Bildern gibt es Kurzbeschreibungen in Englisch. Die Fotos stammen aus den Jahren 1963 – 1974, wobei die Anfangsjahre dominieren. Auf der ersten Seite befindet sich eine kurze Widmung von Mick Jagger. Die Fotos sind entstanden im legendären Crawdaddy Club, der TV-Sendung Ready Steady Go!, dem Heathrow Airport, der Albert Hall, dem Regent's Park und diversen Hotels und Studios. Für Fans handelt es sich um ein sehenswertes Dokument. Im Gegensatz zu den Fotos in dem Buch „According to The Rolling Stones“ sind viele Aufnahmen nicht gestellt.

Bewertung vom 25.07.2016
Vom Wesen physikalischer Gesetze
Richard P. Feynman

Vom Wesen physikalischer Gesetze


ausgezeichnet

Ein Meister der Wissensvermittlung

Das Buch enthält sieben Vorlesungen zum Wesen physikalischer Gesetze, die Richard Feynman 1964 im Rahmen einer interdisziplinären Veranstaltungsreihe an seiner ehemaligen Hochschule in Ithaca gehalten hat. Inzwischen sind mehrere Jahrzehnte vergangen und der Inhalt entspricht in Teilen nicht mehr dem aktuellen Wissensstand. Da es primär um übergeordnete Prinzipien der Physik geht, kann das vernachlässigt werden. Das Buch dient dem allgemeinen Verständnis und ersetzt keine Fachbücher.

Feynman erläutert das Gravitationsgesetz, die großen Erhaltungssätze und Symmetrien in physikalischen Gesetzen auf verständliche und unterhaltsame Weise. Systemimmanente Erkenntnisgrenzen sind ihm bewusst, wenn er insistiert, dass er mit Sicherheit behaupten kann, dass niemand die Quantenmechanik verstehen kann. Trotzdem sind seine Erläuterungen zum Doppelspaltexperiment so klar und präzise, dass deutlich wird, wo die Widersprüche liegen. Letztlich muss sich die Natur nicht so verhalten, dass wir sie verstehen. Der Grad unserer Erkenntnisfähigkeit ist durch unsere Biologie vorgegeben. Aus dem Blickwinkel der evolutionären Erkenntnistheorie geht es um Tauglichkeit fürs Überleben und nicht darum, dass wir die Welt verstehen.

In dem Kapitel „Die Beziehung zwischen Mathematik und Physik“ betont Feynman, dass die Sprache der Physik die Mathematik ist. Physiker bedienen sich gern brauchbarer Ketten von Schlussfolgerungen, die Mathematiker entwickelt haben. Feynman spricht auch über die Grenzen der Naturwissenschaften, indem er Newton zitiert: „Ich habe Ihnen gesagt, wie er [der Planet] sich bewegt, nicht warum!“

In „Die Unterscheidung von Vergangenheit und Zukunft“ erläutert Feynman, welche physikalischen Gesetze zeitlich umkehrbar sind. Hierzu zählt auch das Gravitationsgesetz, welches er bereits im ersten Kapitel ausführlich behandelt hat. Er erläutert den Begriff der Entropie und endet mit philosophischen Betrachtungen, die bei diesem Themenkomplex nicht ausbleiben dürfen. Im abschließenden Kapitel untermauert Feynman, wie schwierig es ist, neue physikalische Gesetze zu finden.

Das Buch gehört aufgrund der Art der Wissensvermittlung zu den Klassikern der Wissenschaftsgeschichte. Natürlich sollte Interesse und Verständnis für Naturwissenschaften vorhanden sein.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 25.07.2016
Kampf der Kulturen
Huntington, Samuel P.

Kampf der Kulturen


sehr gut

Das Ende der westlichen Vorherrschaft

Samuel P. Huntington beschreibt in seinem Klassiker „Kampf der Kulturen“ die Weltordnung nach dem Wegfall der Ost-West-Konfrontation. Seine zentralen Aussagen, die er ausführlich begründet, sind die, dass die Vorherrschaft der westlichen Welt zu Ende geht und dass die Grenzen der Zukunft nicht mehr die Ländergrenzen sind, sondern die Grenzen der Kulturen. Er beschreibt die verschiedenen, überwiegend religiös geprägten, Kulturkreise des 21. Jahrhunderts. Dabei glänzt er mit einem fundierten Detailwissen. Über seine Schlussfolgerungen kann man diskutieren.

Die Widersprüche in der westlichen Kultur bringt der Autor treffend auf den Punkt: „Die Demokratie wird gelobt, aber nicht, wenn sie Fundamentalisten an die Macht bringt; die Nichtweitergabe von Kernwaffen wird für den Iran und den Irak gepredigt, aber nicht für Israel; freier Handel ist das Lebenselixier des Wirtschaftswachstums, aber nicht in der Landwirtschaft; die Frage nach den Menschenrechten wird China gestellt, aber nicht Saudi-Arabien; Aggressionen gegen erdölbesitzende Kuwaitis werden massiv abgewehrt, aber nicht gegen nicht-ölbesitzende Bosnier.“ (293)

Huntington skizziert ein Beziehungsgeflecht zwischen den Kulturen, erläutert derzeitige Spannungsherde und prognostiziert künftige Konflikte. Da das Buch mittlerweile 20 Jahre alt ist, lassen sich seine Prognosen überprüfen. Der Autor hat die Krise zwischen Russland und der Ukraine vorausgesagt und auch seine Aussagen zur Entwicklung von China zur dominierenden asiatischen Macht bestätigen sich. Entsprechendes gilt für die Voraussage gewalttätige Strömungen im Islam.

Gibt es künftig nur noch Kriege zwischen unterschiedlichen Kulturkreisen? Knapper werdende Ressourcen lassen m.E. vermuten, dass es auch in Zukunft zu Konflikten innerhalb gleichartiger Kulturen kommen wird. Huntington erläutert auf überzeugende Weise, wie Spannungen reduziert werden können: „In der kommenden Ära ist es also zur Vermeidung großer Kriege zwischen den Kulturen erforderlich, dass Kernstaaten davon absehen, bei Konflikten in anderen Kulturen zu intervenieren.“ (522) Auch müssen wir lernen: „Modernisierung bedeutet nicht notwendig Verwestlichung.“ (113)

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 25.07.2016
Wie wir sind. Wie wir leiden. Wie wir gesunden
Deary, Vincent

Wie wir sind. Wie wir leiden. Wie wir gesunden


sehr gut

Gewohnheiten und Veränderungen

Psychotherapeut Vincent Deary analysiert in „Wie wir sind“ menschliche Verhaltensmuster. Diese beruhen zum Teil auf Denkmustern. Im Fokus steht einerseits die Macht von Gewohnheiten und andererseits die Motivation für Veränderungsprozesse. Entsprechend dieser gedanklichen Zweiteilung ist auch das Buch formal strukturiert. Damit verstärkt der Autor im Sinne seiner eigenen Thesen die Kraft seiner Aussagen. Es handelt sich um den ersten Band einer Trilogie zu menschlichen Verhaltensweisen.

Ausgetretene Pfade erfordern ein Minimum an Energie und so erklärt sich schon rein physikalisch die Anziehungskraft bewährter Routinen. Diese Routinen haben einen entscheidenden Nachteil: Die Prozesse laufen unbewusst ab. Wir verschlafen quasi einen Teil unseres Lebens, wenn wir uns nicht mit Veränderungen beschäftigen. Der Neurowissenschaftler Gerhard Roth, auf den sich Deary u.a. bezieht (54), hat die Zusammenhänge in „Das Gehirn und seine Wirklichkeit“ erläutert.

Damit ist aber noch nicht die Motivation für Veränderungen beschrieben. „Alle Veränderung resultiert aus Leid“ erkannte bereits Goethe. „Jedes menschliche Verhalten ist bedürfnisorientiert“, sagt Thomas Müller in „Bestie Mensch“. Deary spricht nicht von Leid und nicht von Bedürfnissen, sondern (an zahlreichen Stellen seines Buches) von Begehren. Das widerspricht dem zwar nicht, hätte aber differenzierter ausgeführt werden können.

Das Buch enthält zahlreiche markante Aussagen und Gedankengänge, die erläutert und begründet werden. So ist das Gedächtnis kein präzises Archiv (66), nennen wir Manifestationen des Begehrens Kultur (22), gibt es einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Denken und Sprache (98) und haben Requisiten eine Bedeutung, die schnell unterschätzt wird (100). Dass sich mancher Mafiosi in seinem Verhalten an seinem Film-Double orientiert, ist schon eine seltsam anmutende Wechselwirkung (230).

„Wie wir sind“ ist kein typischer Ratgeber, es ist eher ein unterhaltsames Aufklärungsbuch. Es handelt im Sinne von Robert Musils „Der Mann ohne Eigenschaften“ davon, wie aus Möglichkeitswelten eine Wirklichkeitswelt generiert wird. Durch das Buch werden die Leser „aus dem Automatik-Modus gerissen und ins Reich der bewussten Überlegungen katapultiert“ (261). Damit ist das Ziel erreicht. Mehr kann man von einem anregenden Buch nicht erwarten.

Bewertung vom 25.07.2016
Sag es treffender
Textor, A. M.

Sag es treffender


sehr gut

Ein hilfreiches Handbuch für den Schreibtisch

Für jemanden, der nuancenreich schreiben möchte, ist dieses Standardwerk unverzichtbar. Es enthält Verweise auf sinnverwandte Ausdrücke für den privaten und beruflichen Gebrauch. Das Buch besteht im Wesentlichem aus zwei Teilen und zwar dem Verzeichnis der Synonyme (1981 Stichwörter) und dem Register (57000 Begriffe) für den Einstieg in die Suche.

Die erste Auflage stammt aus dem Jahr 1955; meine vorliegende Ausgabe ist von April 2010. Um dem Zeitgeist angepasst zu schreiben, ist es nach einigen Jahren zweckmäßig, auf eine Neufassung des Werkes zurückzugreifen.

Gibt es Unterschiede zu früheren Publikationen von „Sag es treffender“? Im Vergleich zur Ausgabe von Dezember 1982 fällt auf, dass die Zahl der Begriffe von 20000 angewachsen ist auf 57000, dass die Zahl der Stichwörter gestiegen ist von 1603 auf 1981 und dass die Einführung im Gegensatz zu früher kurz und prägnant ist. Außerdem ist in der alten Veröffentlichung zu jedem Begriff nur ein Verweis auf ein Stichwort enthalten; heute gibt es zu zahlreichen Begriffen mehrere Verweise. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass viele Wörter mehrdeutig sind. So gibt es zu „grenzenlos“ einen Verweis auf „unendlich“ und einen auf „weit“ mit jeweils zugehörigen eigenen Synonymen.

Ein Hinweis für Leser, die mit Nachschlagewerken dieser Art keine Erfahrungen haben: Das Buch ist kein Ersatz für Sprachgefühl. Den passenden Begriff muss der Schreiber selbst herausfinden. Erfahrungsgemäß kommen aus der Liste nur jeweils wenige Synonyme infrage, um das auszudrücken, was man ausdrücken möchte.

Das Buch ist preiswert und sehr zu empfehlen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 24.07.2016
Der Doppelgänger
Saramago, José

Der Doppelgänger


ausgezeichnet

Der Geschichtslehrer Afonso lebt seit der Scheidung von seiner Frau allein. Schulalltag und Privatleben haben ihn desillusioniert. Er neigt zu Depressionen. Seine angespannte psychische Situation bleibt dem aufmerksamen Umfeld nicht verborgen. Ein Kollege aus dem Lehrerkollegium macht ihn auf einen Film aufmerksam, den er sich zur Ablenkung anschauen soll. In diesem Film entdeckt Afonso einen Nebendarsteller, der ihm zum Verwechseln ähnlich sieht. Fassungslos schaut er sich die Szene erneut an. Das Drama beginnt.

Nach einigen Tagen intensiver Recherche gelingt es ihm, seinen Doppelgänger zu ermitteln. Die perfekte äußerliche Übereinstimmung überrascht beide. Wer ist das Original und wer die Kopie? Nach einem längeren Gespräch, das nicht frei ist von Provokationen, vereinbaren sie, sich nicht wieder zu treffen. Aber die Büchse der Pandora ist geöffnet. Nach dem Motto „Es kann nur einen geben“ spitzt sich die Situation zu. Das Ende des Romans ist nicht vorhersehbar.

Dem wissenschaftlich interessierten Leser bleibt Saramago die Antwort schuldig, wie denn die Verdoppelung zustande gekommen ist. Er beschreibt ausschließlich deren Auswirkungen. Die biologischen Ursachen bleiben im Dunkeln. Der Doppelgänger dient als Mittel zum Zweck. Im Fokus stehen Afonsos Identitätsprobleme. Saramago thematisiert seine psychische Zerrissenheit. Hierzu passen auch Nebensächlichkeiten, wie Afonsos Unzufriedenheit mit seinem ersten Vornamen, die Untersuchung der Videos, seine Erlebnisse in der Videothek und der Vorschlag, die Geschichte rückwärts zu lehren.

Saramago verwendet keine Anführungszeichen für die wörtliche Rede, sondern trennt Dialoge mit Beistrichen. Die jeweils folgende wörtliche Rede beginnt wieder mit Großbuchstaben. Eine weitere persönliche Note verleiht Saramago dem Roman durch immer wieder eingeschobene Zwiesprachen mit dem „gesunden Menschenverstand“ - auch dies ein Indiz für Afonsos innere Spaltung. „Der Doppelgänger“ ist ein Leseerlebnis der besonderen Art.

Bewertung vom 24.07.2016
Der Blick von nirgendwo
Nagel, Thomas

Der Blick von nirgendwo


sehr gut

Subjektivität in einer objektiv beschreibbaren Welt

Wie passt das Subjektive in eine objektiv beschreibbare Welt, deren Bestandteil es letztendlich sein muss? Mit dieser (nicht nur) philosophischen Frage beschäftigt sich Thomas Nagel in „Der Blick von nirgendwo“. Das Verhältnis von Innenansicht und Außenansicht betrifft u.a. die Metaphysik des Geistes, die Erkenntnistheorie, das Freiheitsproblem und die Ethik. Ohne Einbeziehung der Subjektivität ist eine Wirklichkeitsauffassung unvollständig. Damit ist das Problem umrissen.

Autor Nagel ist davon überzeugt, dass wir nicht über die notwendigen Mittel verfügen, um uns selbst zu verstehen. (22) Wer wollte ihm da widersprechen. Wie sollte auch der Mensch als Teil dieser Welt, sich und diese verstehen können?

Der physikalischen Objektivität sind Grenzen gesetzt, wie der Autor mit dem K.O.-Kriterium „Selbstbezug“ deutlich macht. „... ganz zu schweigen von der psychischen Tätigkeit der Konstruktion einer objektiven Auffassung der materiellen Wirklichkeit, die nicht ihrerseits einer physikalischen Analyse zugänglich zu sein scheint.“ (30)

Noch problematischer ist die psychische Objektivität. „Wir sollten“, so der Autor, „... auch uns selbst aus der Außenperspektive denken können – und zwar in einer psychologischen und nicht in einer materialistischen Begrifflichkeit.“ (34) Das halte ich nicht für möglich. Das Bewusstsein ist – aus dem Blickwinkel des eigenen Erlebens – subjektiv und kann ohne materiellen Bezug nicht objektiv gedeutet werden. Es sind primär die physischen Prozesse im Gehirn, die naturwissenschaftlich untersucht werden können und nicht die damit in Beziehung stehenden psychischen Erlebnisse.

Objektivität ist nicht das (alleinige) Kriterium für Realität, wie der Autor deutlich macht. Und daraus folgt, dass die objektive Wirklichkeit nicht die gesamte Wirklichkeit ist. Er schlägt die Doppelaspekt-Theorie vor als Lösung für das psychophysische Problem, bei der es nicht um Substanzen, sondern um Eigenschaften geht.

Mit dem Begriff des objektiven Selbst nähert Nagel sich auch dem „Blick von nirgendwo“ an, indem die Welt als ganzes betrachtet wird, ohne individuelle subjektive Perspektive. (108) Das ist natürlich eine Idealisierung, da es eine Betrachtung der Welt ohne konkrete Perspektive nicht gibt.

Der Autor erläutert verschiedene Theorien der Erkenntnis, wohl wissend, dass auch eine objektive Auffassung über uns und die Welt nicht das beinhalten kann, was diese Auffassung bildet. (120) Immer wieder zeigt der Selbstbezug die Grenzen der Erkenntnisfähigkeit auf. Nagel äußert sich skeptisch zur evolutionären Erkenntnistheorie, bietet aber keine Alternative an. (142)

Handlungen, betrachtet unter objektiven Gesichtspunkten, führen zum Eindruck der kausalen Festlegung. So stellt sich die Frage, ob wir überhaupt verantwortlich sind, für das, was wir tun. Objektivität bedroht die Annahmen über menschliche Freiheit. Nagel diskutiert zwei Aspekte der Willensfreiheit, das Problem der Autonomie und das Problem der Verantwortlichkeit. Beide Probleme erscheinen je nach Perspektive (Innenperspektive, Außenperspektive) unterschiedlich und lassen Zweifel am freien Willen aufkommen. Die Experimente von Libet zur Willensfreiheit fließen nicht in Nagels Überlegungen ein.

In der Ethik geht es um die objektive Angemessenheit von Handlungen anhand intersubjektiv ausgehandelter Spielregeln. Nagel widmet sich diesem Thema ausführlich, wenngleich nach seiner eigenen Einschätzung seine Diskussion allgemein und unvollständig ist.

Das Buch ist umfassend, anspruchsvoll und tief gehend. Für den schnellen Überblick gibt es leichtere Lektüre. Allerdings ist mein Eindruck, dass manche Probleme einfacher und strukturierter hätten dargestellt werden können. Dennoch handelt es sich um ein lesenswertes Buch, in dem Thomas Nagel ausführlich auf die Problematik „Objektivität – Subjektivität“ eingeht.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 24.07.2016
Einsteins Universum Nigel Calder. Aus d. Engl. von Wolfram Knapp
Calder, Nigel

Einsteins Universum Nigel Calder. Aus d. Engl. von Wolfram Knapp


sehr gut

„Ich glaube, dass jeder wahre Theoretiker eine Art gezähmter Metaphysiker ist ...“ [1]

Die englische Originalausgabe des Buches ist 1979 zu Einsteins 100. Geburtstag erschienen. Es ist in 21 überschaubare Kapitel, versehen mit Skizzen und Bildern, untergliedert und verständlich aufbereitet, soweit das bei Einsteins Theorien möglich ist. Die Leser werden nach dem Studium dieser Lektüre nicht die Relativitätstheorien umfassend verstanden haben. Das geht ohne intensive Beschäftigung mit der zugehörigen Mathematik (einen kleinen Einstieg erhält der Leser z.B. in [2]) nicht. Aber ein mehr als oberflächlicher Eindruck von Einsteins Theorien und seinen Folgen ist sehr wohl möglich. Es handelt sich um ein populärwissenschaftliches Buch. Der Schwerpunkt der Ausführungen liegt bei der Allgemeinen Relativitätstheorie.

Die reale Welt stimmt (laut Einstein) nicht mit der Ordnung unserer Denkstrukturen überein. Der Mensch ist evolutionsbedingt für den Mesokosmos geschaffen. Im Mikrokosmos (Quantenphysik) und auch im Makrokosmos (Relativitätstheorien) versagt unser Vorstellungsvermögen. Gekrümmte Räume, gedehnte Zeit und Schwarze Löcher können wir physikalisch beschreiben, aber uns nicht wirklich vorstellen. Dennoch müssen wir davon ausgehen, dass Einsteins Modell die Realität treffender beschreibt als Newton es konnte.

Nigel Calder ist in den Medien bekannt als Wissenschaftsjournalist und Produzent zahlreicher Dokumentationen für die BBC. Themen für ein breites Publikum aufzubereiten gehört zu seinem Beruf. „Einsteins Universum“ ist vom Schwierigkeitsgrad vergleichbar mit „E=mc²“ [3], aber umfangreicher. Auf der anderen Seite ist Calder nicht so nah am Thema dran wie Banesh Hoffmann in [4], der in den 1930er Jahren Assistent bei Einstein in Princeton war. [4] ist nicht frei von Formeln, aber es geht dabei nicht um die schwierige Mathematik der Allgemeinen Relativitätstheorie.

Calder hat den Kapiteln jeweils Leitsätze vorangestellt, die in den Kapiteln erläutert werden. Insofern ist es auch möglich, gezielt in einzelne Kapitel einzusteigen. Er berichtet über einige Versuche, die dazu dienten, Einsteins Theorien zu überprüfen. Er wagt sich auch in die Grenzbereiche, in denen Einsteins Aussagen heute als überholt gelten. Calders Satz „... es besteht nicht die geringste Aussicht, die physikalische Welt dadurch zu verändern, dass man sie beobachtet“ (19) irritiert, widerspricht er doch der Quantenphysik.

„Einsteins Universum“ ist keine Biografie wie z.B. [5]. Biografische Elemente fließen nur ein, soweit es für das Verständnis der Materie erforderlich ist. Die letzten Kapitel widmet Calder den Auswirkungen der Allgemeinen Relativitätstheorie auf die Kosmologie. Zur Sprache kommt auch Einsteins „kosmologische Konstante“, die der Gravitation entgegen wirken sollte und die er später widerrufen hat.

Einsteins Nachfolger sind noch nicht in Sicht, wenngleich Handlungsbedarf besteht, wie Brian Greene es in seinem Buch über Superstrings [6] treffend zum Ausdruck bringt "So, wie sie gegenwärtig formuliert sind, können Allgemeine Relativitätstheorie und Quantenmechanik nicht beide richtig sein. Die beiden Theorien ... wollen partout nicht zueinander passen."

[1] „Einstein sagt“, Herausgeberin: Alice Calaprice, S. 151
[2] „Spezielle Relativitätstheorie für Studienanfänger“ von Jürgen Freund
[3] „E=mc²“ von Thomas Bührke
[4] „Einsteins Ideen“ von Banesh Hoffmann
[5] „Einstein“ von Johannes Wickert
[6] „Das elegante Universum“ von Brian Greene, S. 17

Bewertung vom 24.07.2016
Der Informationscrash
Otte, Max

Der Informationscrash


sehr gut

Deutschland, wir haben ein Problem!

Max Otte prophezeite in seinem 2006 erschienenen Buch „Der Crash kommt“ den Kollaps der Finanzmärkte. Die Entwicklung gab ihm recht. 2008 ging die Investmentbank Lehman Brothers in die Insolvenz. Die Folgen sind bekannt. Damit erwies sich Otte als Einäugiger unter lauter Blinden.

In „Der Informationscrash“ geht es um die Ursachen der Krise. Die sieht Autor Otte im Wesentlichen in der gezielten Desinformation der Bürger durch Banken, Konzerne, Politik und Medien. Dass die Bürger durch die genannten Institutionen für dumm verkauft werden, beschreibt Otte eindrucksvoll. Aber liegen die Ursachen primär in der fehlenden Aufklärung?

An Informationen mangelt es im Internet nicht. Auch wenn wir uns, wie Otte schreibt, von dem Hirngespinst verabschieden müssen, dass das Internet automatisch ein demokratisches Medium sei. Das Problem ist, es existiert keine einfache Lösung. Es gibt zweifelsohne viele unkritische Bürger, aber auch an kritischen Bürgern mangelt es nicht. Die Frage ist, wie soll der Einzelne Einfluss nehmen auf eine internationale Entwicklung?

Wir schlittern sehenden Auges auf die nächste Krise zu. Für diese Einsicht braucht man kein Prophet zu sein. Die Banken agieren wie zuvor. Wie groß soll der nächste Rettungsschirm ausfallen? Hinzu kommt die hohe Verschuldung der öffentlichen Haushalte.

Ottes Buch ist sehr informativ. Er beklagt den Manager-Kapitalismus, bricht eine Lanze für einen starken Staat, favorisiert Familienunternehmen gegenüber Aktiengesellschaften und spricht sich, wie schon Management-Vordenker Reinhard Sprenger, dafür aus, Vertrauen aufzubauen.

Das Buch behandelt im Kern die Zustände, die zur Krise geführt haben. Otte gewichtet das Informationsdefizit recht hoch. Wie sehen die Lösungen aus? Otte hofft, dass er zu einem späteren Zeitpunkt sowohl die akademische Theorie als auch den umfassenden Praxisleitfaden zur Desinformationswirtschaft liefern kann. Man darf gespannt sein.

Veränderungen erfolgen entweder in kleinen Schritten (evolutionär) oder radikal (revolutionär). Kleine Veränderungen reichen nicht aus und große Veränderungen finden keine Mehrheit. - Deutschland, wir haben ein Problem!

Bewertung vom 24.07.2016
Hat der Weltraum eine Tür?
Janßen, Ulrich; Werner, Klaus

Hat der Weltraum eine Tür?


sehr gut

Geheimnisse des Universums

Warum ist der Weltraum so unvorstellbar groß? Gibt es in den Weiten des Universums Aliens? Das sind Fragen, wie sie nicht nur von Kindern gestellt werden. Erwachsene begeistern sich gleichermaßen für die Geheimnisse des Universums.

Antworten finden neugierige Menschen in naturwissenschaftlichen Fachbüchern, die jedoch für ein Fachpublikum geschrieben wurden und den nach einfachen Erklärungen suchenden Laien überfordern. Dieser bedient sich populärwissenschaftlicher Bücher, deren Autoren es sich zum Ziel gesetzt haben, wissenschaftliche Erkenntnisse in die Alltagssprache zu übersetzen.

„Hat der Weltraum eine Tür?“ ist ein solches Buch. Es ist im Nachgang zu einer Kinder-Uni-Vorlesung entstanden, angeregt durch Fragen eines elfjährigen Mädchens. Es wird von der Vision getragen, sowohl fachlich korrekte als auch kindgerechte Antworten auf die großen Fragen der Menschheit zu liefern.

Auf acht Kapitel verteilt erläutern die Autoren den Aufbau des Universums, die rätselhafte dunkle Materie, die Geheimnisse von Zeit und Raum und Entstehungstheorien für das Universum. Auch erwachsene Leser kommen auf ihre Kosten, da das Buch dem neusten Stand der Wissenschaft entspricht. Die Leser lernen das Antriebsprinzip von Raketen kennen und erfahren, welche körperlichen Veränderungen die Schwerelosigkeit mit sich bringt. Für Fachleute und Laien ist es gleichermaßen unfassbar, dass sich der Weltraum mit einer Geschwindigkeit ausdehnt, die jenseits der Lichtgeschwindigkeit liegt und es sich um eine Expansion ohne Wiederkehr handelt.

Erfreulich, dass zu guter Letzt die Erde wieder in den Mittelpunkt des Universums gerückt wird. Da der Weltraum keine Grenze und keinen Rand hat, hinter dem das Außen beginnt, hat er auch keinen Mittelpunkt. Der Mittelpunkt des Universums kann sich also auf der Erde mitten im Wohnzimmer des Lesers befinden.

Die Aufmachung des Buches ist ansprechend, zahlreiche Illustrationen tragen ihren Teil dazu bei. Auf den letzten zehn Seiten befinden sich Erläuterungen zu Fachbegriffen. Gibt es an dem Buch etwas zu kritisieren? Die Naturwissenschaften sind ein offenes Erkenntnissystem. Neue Beobachtungen erfordern neue Erklärungen. Insofern verkünden sie keine absoluten Wahrheiten, sondern beschreiben intersubjektive Wirklichkeit. Der erkenntnistheoretische Rahmen der Naturwissenschaften hätte in einem eigenen Kapitel für ein kindgerechtes Verständnis aufbereitet werden können. Auch glaube ich nicht, dass das Buch für achtjährige Kinder geeignet ist, wie vom Verlag auf ihrer Webseite angegeben.