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Bibliomarie

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Insgesamt 1032 Bewertungen
Bewertung vom 12.12.2018
Herbststurm / Kommissär Reitmeyer Bd.3
Felenda, Angelika

Herbststurm / Kommissär Reitmeyer Bd.3


sehr gut

1922 geht es den Leuten in München schlecht, die Inflation galoppiert und es gärt in der Bevölkerung. Die Kriegsfolgen sind überall spürbar und an der Dolchstoßlegende wird eifrig gestrickt.
Rechtsanwalt Leitner ist ganz froh eine Mandantin gefunden zu haben, die den Vorschuss in Devisen bezahlt, denn seine Rechnungen sind ein paar Tage später nicht mehr das Papier wert, auf dem sie geschrieben wurden. Da macht es auch nichts, dass die Suche nach einer verschwundenen Tochter nicht in sein Ressort fällt. Aber durch seine Freundschaft mit Kommissär Reitmeyer erhofft er sich Informationen und Hilfe bei der Suche nach der Exilrussin Anna Kusnezowa .
Doch Reitmeyer hat andere Sorgen, zwei unklare Todesfälle, Personalnot und ein Präsidium, das sich schon sehr stark nach rechts orientiert, erschweren seinen Arbeitsalltag. Die Toten gehörtem einem Freicorps an, wie sie sich nach dem Ende des 1. Weltkriegs überall gebildet haben. Ehemalige Offiziere und Soldaten, die sich mit dem verlorenen Krieg nicht abfinden wollen und einer Republik abweisend gegenüberstehen. Für sie sind die „Linken“ an allem Schuld und sie ziehen auf der Suche nach Verrätern durch München.
Doch bald kreuzen sich die beiden Fälle, Annas Name taucht im Zusammenhang mit den Toten auf und Reitmeyer spürt eine Mauer des Schweigens. Auch sein junger, sehr eifriger Mitarbeiter Rattler ist involviert. Bei der Suche lernt er die schöne Larissa kennen, eine Exilrussin, die sich mit Sprachunterricht über Wasser hält. Ihre eifrigen Nachfragen und ihr starkes Interesse an seiner Arbeit schmeicheln ihm und bald ist er über beide Ohren vernarrt.
Die Stärke dieses Kriminalromans ist die genaue und sehr lebendige Schilderung dieser unruhigen Jahre. Hier spürte ich viel Detailwissen und Kenntnis der historischen Zusammenhänge. Das hat mich fasziniert und den Wunsch geweckt mehr über diese Zeit zu erfahren. Wie früh schon die Saat der rechten Gruppierungen aufgeht, hatte ich nicht so im Gedächtnis. Monarchisten, Revanchisten, Zaristen, Rechtsbündler – alle Gruppen versuchen ihren Einfluss zu wahren. Die politische Führung agiert ziemlich machtlos, denn der Justizapparat und die Kriminalpolizei scheinen schon früh Position bezogen zu haben.
Bei all diesen politischen Verwicklungen kam mir der Krimi ein wenig zu kurz. Es war schon spannend Reitmeyer auf der Suche nach den Mördern und den Drahtziehern zu begleiten, aber es brauchte schon meine ganze Konzentration in dieser Gemengelage nicht die Übersicht zu verlieren. Sehr gut hat mir die niveauvolle Sprache gefallen, keine Selbstverständlichkeit mehr bei vielen Kriminalromanen.
Wenn auch ein – zwei Fragen für mich nicht beantwortet waren, kann ich dieses Roman geschichtsinteressierten Lesern sehr empfehlen.

Bewertung vom 07.12.2018
Eiskalte Spiele
Girardelli, Marc;Grünig, Michaela

Eiskalte Spiele


sehr gut

Der gefeierte Skirennläufer Marc Gassmann hat Probleme sich für eine weitere Saison zu motivieren. Sein Privatleben leidet unter der unklaren Beziehung mit der Polizistin Andrea und ihm fehlt der Wille sich weiter im Training zu schinden. Dann scheint es eine Selbstmordwelle unter Wintersport-Trainern zu geben, oder waren es doch Morde? Auch Hans Bischoff, Gassmanns früherer Trainer bekommt einen Drohbrief.
Deshalb beschließ Gassmann bei den Winterspielen in Südkorea teilzunehmen und auf diese Weise für Bischoffs Sicherheit zu sorgen. Begleitet wird er von Andrea, die mit Rückendeckung der Kantonspolizei mitreist.
Mein erster „Ski-Krimi“, ich kannte die ersten beiden Bücher nicht, aber ich hatte wenig Schwierigkeiten mich gleich in die Handlung einzufinden. Zwischen dem aktuellen Fall gibt es immer wieder kursiv eingeschobene Kapitel, die Gedanken des Täters zeigen, der sich für vergangenes Leid an den Trainern rächen will. Das steigert die Spannung des Krimis sehr, denn ich bin damit den Ermittlern fast immer einen Schritt voraus.
Ganz besonders haben mir die Rennszenen gefallen, da kam fast atemlose Spannung auf. Die Fokussierung der Rennläufer am Starthäuschen, die Atmosphäre im Skizirkus, beim Training und zuletzt bei Olympia, das ist so authentisch erzählt, dass ich fast Gänsehaut bekam. Diese Szenen haben mir auch am besten gefallen.
Sehr interessant ist das Hintergrundthema, es geht um Doping. Allgegenwärtig im Sport, ist es wohl auch nicht mehr aus dem Wintersport wegzudenken. Die aktuellen Fälle und Diskussionen um „Staatsdoping“ machen das deutlich. Mir gefiel es gut, wie dieses Thema in den Kriminalroman einfloss und zum Nachdenken anregte.
Ein wenig Probleme machten mir der Charaktere der Andrea. Als Polizistin zielstrebig und reflektiert, im Privatleben unentschlossen und zickig. Will sie nun Marc oder will sie nicht. Sie weiß es wohl selber nicht und das On/Off nervte nicht nur Marc Gassmann. Auch ein – zwei Zufälle, die den Polizisten das Leben schwer machten, schienen mir sehr stark konstruiert.
Die Spannung steigert sich bis zum wirklich überraschenden Finale ständig. Bei der Auflösung war ich baff, absolut logisch und doch für mich überraschend, wurde der Fall gelöst.

Bewertung vom 07.12.2018
Unter uns nur Wolken
Pfeffer, Anna

Unter uns nur Wolken


sehr gut

Tom ist verzweifelt, schon wieder hat sein Großvater zwei Bewerberinnen vergrault. Aber er braucht dringend Betreuung und Tom ist neben seinem Beruf völlig damit überfordert. Sein Großvater hat Alzheimer und in seinen hellen Phasen ist er mürrisch und unausstehlich. Keine Pflegerin hält es lange bei ihm aus.

Ani ist wütend und enttäuscht, sie hat ihren Freund Noah mit ihrer besten Freundin erwischt. Der Betrug trifft sie völlig unvorbereitet und ohne Geld oder Gepäck flieht sie aus der gemeinsamen Wohnung. Sie sucht auf einer Parkbank nach einer preiswerten Pension, als sie das Gespräch zweier junger Frauen hört, die sie als Betreuerin eines alten Mannes beworben hatten. Die Wohnung ist gigantisch, hört sie, aber der alte Herr ist ein Horror. Das ist ihre Chance, für einige Tage wird sie es wohl schaffen und fragt die Beiden nach der Adresse.

Obwohl sie keine Vorkenntnisse hat, bekommt sie den Job und ein Krieg beginnt. Florian, der alte Herr, vergeudet keine Minute um sie zu quälen. Dazwischen spürt Ani aber auch die Verzweiflung des alten Mannes, der sich seines Zustandes an guten Tagen sehr bewusst ist. Aber allmählich schafft sie es, eine kleine Vertrauensbasis zu entwickeln und Tom, der sehr an seinem Großvater hängt, beginnt Ani fast gegen ihren Willen auch zu faszinieren.

Aus den vielen, fast perfiden Streichen, die Florian seiner Betreuerin spielt, ergeben sich komische, aber auch traurige Szenen. Trotzdem nähern sie sich immer mehr an. Das erzählt das Autorenduo, das unter dem Pseudonym Anna Pfeffer schreibt, in einer sehr liebevollen und humorvollen Weise. Es macht richtig Spaß den Roman zu lesen.

Immer abwechselnd wird die Geschichte aus Anis und Toms Sicht erzählt und die Gedankengänge und Gefühle der Beiden kommen immer mehr in den Vordergrund. Aber es gibt auch - Großvater Florian sorgt schon dafür - eine Menge Missverständnisse, die zu meinem Vergnügen sehr bissig ausgetragen werden. Nicht immer fand ich die Alzheimer Erkrankung richtig dargestellt, aber das fällt bei einem Unterhaltungsroman nicht sehr ins Gewicht. Eine liebevolle Geschichte, trotz des ernsten Themas mit einem gelungenen Happy End.

Bewertung vom 06.12.2018
Meine Familie und andere Tiere
Durrell, Gerald

Meine Familie und andere Tiere


ausgezeichnet

Als ich in den frühen 70igern meine Ausbildung zur Buchhändlerin begann, war dieses Buch von Gerald Durrell immer noch ein Standardtitel. Regelmäßig wurde diese heiter-turbulente Familiengeschichte verkauft. Nun bringt der Piper Verlag eine neu übersetzte Ausgabe auf den Markt und aus Nostalgie habe ich das Buch gelesen.

Es hat nichts von seinem Charme verloren. Es mutet fast exotisch an, wie die englische Familie 1935 nach Korfu übersiedelt. Sonne und Wärme und wahrscheinlich auch die günstigen Lebenshaltungskosten waren wohl der Grund. Die inzwischen verwitwete Mutter Durell und ihre vier Kinder stammen aus einer typischen Kolonialbeamten-Familie. Sie lebten in Indien, dort wurden die Kinder geboren und haben ihre Kindheit verbracht. Die Rückkehr nach England war wohl auch ein Kulturschock, was zart angedeutet wird, wenn die Mutter ihre indischen und ceylonesischen Kochbücher hortet und auch auf Korfu Currys und andere asiatische Köstlichkeiten zubereitet. Die Beschreibung der Insel mutet fast archaisch an, Hirten und einfache Bauern werden Freunde, immer zur Gastfreundschaft bereit und Trauben, Feigen und Melonen zu teilen. Eine untergegangene Welt, in die ich hier eintauchen konnte.

Für Gerry war Korfu Freiheit und Paradies. Ohne lästige Schule – ein Freund der Familie erteilt ein wenig planlos Privatunterricht – kann er sich ganz seiner Leidenschaft widmen: Tiere zu beobachten. Hier wird der Grundstein zu seiner Karriere als autodidaktischer Zoologe gelegt. In der Familie geht es turbulent zu: der älteste Bruder schreibt an seinem Roman, Gerry schleppt allerlei Viehzeug an, die Schwester testet ihre Wirkung auf Inselbewohner und allerhand seltsame und skurrile Gäste bevölkern das Haus. Diese Idylle dauert einige Jahre, bis der drohende Zweite Weltkrieg die Familie wieder zurück an England bringt.

Auch wenn das Buch schon 1956 zum ersten Mal erschien, es hat sich seine Frische bewahrt und lohnt auch heute noch das Lesen. Eine amüsante, mit typisch englischem Humor geschriebene Geschichte, die viel von der Faszination Durrells für Flora und Fauna vermittelt

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 04.12.2018
Die Melodie des Mörders
Rademacher, Miriam

Die Melodie des Mörders


sehr gut

Kurz vor Weihnachten in einem kleinen mittelenglischen Dörfchen. Während der Pfarrer Jasper mit seinen Schäfchen das jährliche Krippenspiel probt, kommt auf der Empore der Organist Clifford zu Tode: erschlagen mit einer Orgelpfeife! Kurz zuvor hatte er noch den Pfarrer um ein vertrauliches Gespräch wegen einer Tombola gebeten.
Da sich die örtliche Polizei, vertreten durch Inspector Hoffer noch nie mit Ruhm bekleckerte – Hoffer zeichnet sich durch vor allem durch Faul- und Dummheit , gepaart mit Überheblichkeit aus – bittet der Pfarrer seinen Freund, den Tanzlehrer Colin Duffot um Hilfe. Die beiden haben im letzten Jahr zusammen mit der Krankenschwester Norma bereits einige Fälle gelöst.
Schon bald weisen Spuren in die Vergangenheit, vor gut 20 Jahren bevölkerte eine kleine Künstlerkommune die abseits gelegene Gleech-Farm. Dort starb unter seltsamen Umständen die junge Bildhauerin Sunshine, was der junge Hoffer damals als eindeutigen Selbstmord abtat. Auch Clifford gehörte damals zu den Bewohnern, wie noch einige Andere aus dem Dorf, deren künstlerische Ambitionen sich in bürgerliche Berufe gewandelt haben.
Trotz Krippenspiel will bei diesem Krimi keine heitere Weihnachtsstimmung aufkommen. Der Fall ist recht düster. Natürlich gibt es immer wieder kleine Aktionen und Situationen die mich zum Schmunzeln brachten, so wie die kleinen Eifersuchtsanfälle von Colin, wenn seine sehr viel jüngere Freundin allabendlich im rosa Fähnchen das Haus verlässt. Auch die Eifersüchteleien um die größere Sprechrolle beim Krippenspiel haben mich amüsiert. Aber zu meiner Lieblingsfigur avancierte eindeutig Mandy, eine kleine Streunerin, die Colin unbedingt als „Hilfsspionin“ unterstützen will.
Das Mordermittler-Trio ist mir schon aus früheren Fällen bekannt, allein die Zusammenstellung mit einem pensionierten Tanzlehrer, einem Pfarrer und einer Krankenschwester ist schon für kuriose Ergebnisse gut. Ein flüssig geschriebener „Landhaus“-Krimi, der wirklich flott und amüsant zu lesen ist, bei dem es aber nicht unbedingt sehr spannend zugeht.
Gut gefallen haben mir die Kapitelüberschriften, lauter Weihnachtsklassiker, die mich dann beim Lesen als Ohrwurm begleitet haben.

Bewertung vom 29.11.2018
Mädelsabend
Gesthuysen, Anne

Mädelsabend


sehr gut

Mit 88 und 90 Jahren zieht das Ehepaar van Rennings in eine Seniorenresidenz. Ruth blüht richtig auf. Endliche Freunde und Menschen um sie herum, ein Singkreis und vieles mehr. Ihre Ehe war lieblos, ihr Ehemann war der „Herr im Haus“ und lebte das auch aus. Seine Frau durfte keine Entscheidung treffen, zusammen mit dem unleidlichen Schwiegervater hat er ihr elterliches Vermögen an sich gebracht und ihren Willen gebrochen. Kein Wunder das Walter den Aufenthalt in der Seniorenresidenz nicht genießt, die Freiräume seiner Frau sieht er mit Widerwillen.
In Rückblenden und Erinnerungen erfahren wir viel über Ruths Leben in den vergangenen Jahrzehnten, ihre kleinen Rebellionen, wie sie aber auch bei Widerstand sofort einknickt und sich in ihre Rolle fügt. Wie sie selbst sagt, hatte sie keinen Kampfgeist. „Sie war die Frau, die sich mit dem zufrieden gibt, was sie hat.“
Sara ist Ruths Enkelin, sie hat es nicht leicht, Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen. Als sie die Möglichkeit erhält in Cambridge ein Forschungsstipendium zu bekommen und ihre Habilitation voranzutreiben, wird ihre Partnerschaft auf eine harte Probe gestellt.
Zwei Frauen, durch 6 Jahrzehnte voneinander getrennt, sehen sich vor ähnliche Probleme gestellt. Anne Gesthuysen hat einen Roman geschrieben, der sich leicht und unterhaltsam liest, aber nicht nur zwischen den Zeilen den Geschlechterkampf thematisiert. War in den 50iger Jahren noch per Gesetz die Frau als rechtloses Wesen ihrem Gatten unterstellt, ist es heute der vielfache Druck der auf berufstätigen Frauen lastet. Wie sollen sie ihre eigenen Karrierewünsche verwirklichen, wenn Partner und Kind darunter leiden? Geht das denn überhaupt ohne ein permanentes schlechtes Gewissen?
In Sara und Ruth hat die Autorin die Rolle der Frauen verdichtet, deshalb wirkten die Figuren auch für mich etwas überladen und manche Szene zu melodramatisch. Aber Denkanstöße bringt jeder Absatz. Gerne hätte ich etwas mehr von Sara gelesen, deren Entscheidungen und deren Leben kam, besonders im letzten Drittel, zu kurz. Deshalb wirkten zwei entscheidende Szenen mit Sara und ihrem Ehemann aufgesetzt und übertrieben, denn Entwicklung bis zu den Ausbrüchen fehlte völlig.
Ich finde den Roman durchaus gelungen und die Denkanstöße lassen ihn nachwirken. Dennoch wurden meine Erwartungen an das Buch nicht ganz erfüllt.
3,5 Sterne, die ich auf 4 aufrunde.

0 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 27.11.2018
Das Haus der Malerin
Lennox, Judith

Das Haus der Malerin


gut

In den 70iger Jahren lebt Rose Martineau mit ihrer Familie in Surrey ein behagliches und harmonisches Familienleben. Diese Welt gerät jäh aus den Fugen, als Robert Martineau in einen unappetitlichen Skandal verwickelt wird und Rose erkennen muss, wie betrogen und belogen sie seit Jahren wurde. Nun ist auch ihre Großmutter verstorben und zum Erbe gehört ein Haus, von dem Rose nie etwas wusste. „The Egg“ ist ein Werk des als Architekt berühmten Urgroßvaters. In den Unterlagen erfährt sie, dass es ursprünglich ihrer Großtante gehörte, von deren Existenz sie nicht mal wusste. Es ist eine Ablenkung für sie, auf den Spuren der Schwestern nachzugehen.
So pendelt die Handlung zwischen den 40iger und 70iger Jahren. Beide Zeitebenen sind geschickt verwoben und je mehr Rose über die Geschichte ihrer Familie erfährt, desto mehr findet sie auch Parallelen zu ihrem Leben.
Ein Frauenroman, der wirklich gut unterhält. Die zwei Protagonistinnen werden für die Leser immer plastischer, je weiter man in ihr Schicksal eintaucht. Judith Lennox weiß, wie sie ihr Publikum fesseln kann und ich habe das Buch gerne gelesen. Besonders farbig und spannend sind die Abschnitte in der Vergangenheit, die die junge unangepasste Künstlerin Sadie zum Thema haben.
Bei Rose habe ich mich etwas schwerer getan, ich musste mir immer wieder ins Gedächtnis rufen, dass der Handlungsstrang in 1970 auch schon fast historisch ist. Denn wie sich Rose emanzipiert und nach dem Betrug ein selbst bestimmtes Leben aufbaut, erschien mir wenig zu betulich, aber es ist auch der Zeit geschuldet. Spannung wird durch die geheimnisvolle Atmosphäre im alten Haus erzeugt, die auch Rose bei ihren Erkundigungen spürt.
Ich fand das Buch sehr angenehm zu lesen und es hat mich auch gut unterhalten, aber trotzdem wollte der Funke einfach nicht überspringen und ich bin den beiden Frauen nie so wirklich nahe gekommen.
3,5 Sterne

Bewertung vom 26.11.2018
Der letzte Caffè / Professor Bietigheim Bd.6
Henn, Carsten Sebastian

Der letzte Caffè / Professor Bietigheim Bd.6


gut

Mit diesem Buch habe ich den Protagonisten Dr.Dr.Dr. Adalbert Bietigheim kennengelernt, es gibt schon einige Vorgängerbände, aber man braucht sie keinesfalls um einen Einstieg in die Geschichte zu bekommen.
Bietigheim ist ein sehr von sich selbst eingenommener Kulinaristik Experte, sein übersteigertes Selbstbewusstsein macht ihn zu einem unangenehmen Zeitgenossen, was er selbst allerdings ganz anders sieht. Zusammen mit seinem verfressenen Foxterrier Benno von Saber reist er nach Triest. Seine Jugendliebe Giulia hat ihn gerufen, ihr Mann, ein berühmter Barista, ist verschwunden und sie hofft nun auf Adalberts überragende kriminalistische Fähigkeiten um ihn zu finden. Doch zuerst findet er eine Leiche, aber er kann Giulia trösten, es ist zwar ebenfalls ein berühmter Barista, aber nicht der geliebte Gatte.
Triest, das Rilke Schloss Duino und natürlich der Kaffee, der in Triest ganz besonders zelebriert wird, spielen in ein große Rolle in diesem eher humorvollen Krimi. Die Figur des Bietigheim ist derart überzeichnet und mit vielerlei Spleens und Marotten ausgestattet, dass es mich öfters zum lauten Lachen reizte. Doch manchmal ist weniger mehr! So hat sich dieses Element nach gut einem Drittel doch ziemlich abgenutzt und begann mich zu langweilen. Bei der Stange gehalten mich das Thema Kaffee, das ungemein kenntnisreich in Szene gesetzt wird. Natürlich ist Bietigheim auch auf diesem Gebiet einer Könner und Kenner und lässt den Leser nur zu gern an seinem Wissen teilhaben. Das gefiel mir und macht Lust auf eine „perfekte Crema“. Der Kriminalfall plätscherte eher so dahin, als Bietigheims Freund Pit auftaucht um dem Professor unter die Arme zu greifen – Bietigheim der Kopf, Pit die Hand – so meint es Adalbert zumindest, kommt noch ein wenig Action ins Spiel.
Ach, und dann gab es noch tolle Rezepte rund um Kaffee am Ende des Buches. Die gefielen mir ganz ausgezeichnet.

Bewertung vom 23.11.2018
Club der Romantiker
Meyer, Frank P.

Club der Romantiker


ausgezeichnet

Peter Becker kommt vor 24 Jahren zum ersten Mal nach Oxford, mit einem Stipendium fürs renommierte Jesus College. Die Begegnung mit der faszinierenden Kommilitonin Louise bringt ihn in den „Club der Romantiker“, dort werden Gedichte rezitiert und einiges mehr. Diese Begegnung sollte für Peter weitreichende Folgen haben.
24 Jahre später trifft Peter zu einem Ehemaligentreffen in Oxford ein, die er bisher gemieden hat, aber kürzlich wurde die Leiche der mehr als zwei Jahrzehnte vermissten Laureen Mills gefunden, die nun beigesetzt wird. Peter will zu dieser Beerdigung, denn mit Laureen verbindet ihn eine alte Schuld.
Auf diesen zwei Zeitebenen spielt dieser Oxford Roman. Man kann mit dem Frischling Peter in die Studentenwelt Oxfords eintauchen, über die seltsamen Rituale dieser berühmten Universitätsstadt lächeln oder sich wundern. Obwohl Peter schon bald in die Studentenclique aufgenommen wird, bleibt er doch auch Außenseiter, ein Stipendiat aus Europa – schon damals zählten sich manche Briten nicht dazu – außerdem fehlt ihm der familiäre und finanzielle Background.
Im Wechsel dazu die Handlung in der Gegenwart. Inspector Osmer sitzt über den Akten im Fall Mills. Wurde damals etwas übersehen? Zusammen mit seinem Kollegen Irvine beginnt er stochern und siehe da, er scheint die Ehemaligen ganz schön nervös zu machen.
Wer englische Romane und ganz besonders die Oxford Krimis um Inspektor Morse und die TV Serie Lewis liebt, wird an diesem Buch seine helle Freude haben, denn Osmer ist auch eine Hommage des Autors an Colin Dexters Kriminalisten. Oxford als Handlungsort ist für mich immer ein Muss und hier habe ich ganz besonders die Beschreibung der studentischen Welt genossen. Das Ambiente stimmt. Das ist ein intelligenter Kriminalroman mit ausgefeilten Psychogrammen seiner Protagonisten und einer sehr genauen Milieustudie. Gut gefallen haben mir auch die kleinen Seitenhiebe zum Brexit und zur „Splendid Isolation“, die die Briten so gern zelebrieren.
Ein wenig Geduld braucht man am Anfang, die Handlung baut ihre Spannung sehr allmählich auf, aber das habe ich nicht als Nachteil empfunden.
Für Englandfans eine echte Empfehlung.

Bewertung vom 20.11.2018
Dein Bild für immer
Hanel, Julia

Dein Bild für immer


sehr gut

Für Sophie ist es wie eine Botschaft aus dem Jenseits als sie per Post die Reiseunterlagen für einen Flitterwochenurlaub in Bali erhält. Es war eine Überraschung ihres Verlobten, doch er starb vor wenigen Wochen bei einem Unfall. Er war Sophies große Liebe und ein Leben ohne ihn ist für sie kaum auszuhalten. In Gedanken daran tritt sie die Reise allein an, doch schon der Hinflug wird zur Mutprobe. Maximilians Platz wurde vergeben und nun sitzt ein junger Mann neben ihr, der so gar kein Einfühlungsvermögen hat. Allerdings kreuzen sich ihre Wege auch nach der Landung und Sophie beschließt einen kleinen Teil der Reise mit diesem Niklas zu machen, denn der ist ihr an Reiseerfahrung sehr überlegen. Sophies Mission auf dieser Reise hat sie nämlich tief im Herzen verschlossen: sie möchte an jedem ganz besonderen Platz ein Foto Maximilians hinterlassen.
Die Reise nach Bali ist ein sehr gefühlvoller Roman über Trauer, Loslassen und Lebensmut. Ich muss gestehen, ich hatte einige Male Tränen in den Augen obwohl ich sonst nicht so nahe am Wasser gebaut habe. Es gibt viele rührende Szenen, die mich sehr angesprochen haben, aber nie wurde die Geschichte rührselig. Das verhindert schon die Zweckreisegemeinschaft, denn Sophie kann auch recht kratzbürstig sein. Überhaupt wuchsen mir Niklas uns Sophie sehr schnell ans Herz, sie waren liebevoll und realistisch beschrieben. Der Reisetramp und freischaffende Fotograf, der sich eine sehr raue Schale zugelegt hat und die behütete Sophie, da aber auch schnell lernt auf eigenen Beinen zu stehen, ergänzen sich bald, obwohl sie sich das nicht eingestehen würden.
Dazu hat mich die Beschreibung der Bali Reise überzeugt, ich kenne zwar das Land nicht, aber die Autorin hat farbige Beschreibungen gefunden, die die Landschaft bildlich vor meinen Augen erstehen ließ. Das weckte richtige Reisesehnsucht.
Das Buch hat mich richtig gepackt, ich mochte nicht aufhören zu lesen. Es war eine wunderschöne, anrührende und warmherzige Geschichte, die mir sehr gut gefallen hat.