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TochterAlice
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Köln

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Insgesamt 1396 Bewertungen
Bewertung vom 27.03.2021
Schach mit toter Dame
Minck, Lotte

Schach mit toter Dame


ausgezeichnet

Neue Freunde machen viel Arbeit
Wobei es in diesem Falle Freundinnen sind: Cäcilie und Käthe, zwei schon deutlich ältere Semester, hatten Loretta beim letzten Fall gleich nach dem Kennenlernen im Café tatkräftig unterstützt und Loretta wäre nicht sie selbst, wenn daraus nicht gleich eine neue Freundschaft fürs Leben entstanden wäre.

Wir wollen nicht unken, aber sie wird diesmal dennoch möglichweise nicht sehr lang sein, denn Cäcilie und Käthe sind Schwestern, die sich ein Appartement in der luxuriösen Seniorenresidenz "Herbstglück" teilen. Und dort haben sie so einige Unregelmäßigkeiten inklusive eines aus ihrer Sicht nicht ganz durchsichtigen Todesfalls entdeckt. Und bald schon gibt es eine zweite Leiche - eine junge Servierkraft, die unzweifelhaft ermordet wurde!

Die Damen wären nicht Freundinnen von Loretta, wenn sie nicht einen gewissen Hang zum Kriminellen - in diesem Falle eher zum Ermitteln in derartigen Fällen - hätten. Ohne dass Loretta etwas dazutun muss, findet sie sich umgehend als Ersatzkraft wieder und muss mit dem brummigen Küchenchef klarkommen. Dabei drückt sie ein Auge zu, da dieser ein ehemaliger Sternekoch ist und wir Loretta-Fans wissen genau, dass sie ebensogern kocht wie isst. Und wo Loretta is(s)t, da is(s)t der ehemalige Polizist Erwin, auch als Minipli-Mann bekannt, nicht weit!

Kenner der Reihe werden es ahnen: Es kommt noch einiges mehr und auf das altbewährte Team Erwin und Loretta zu. Man sollte nicht meinen, dass es bei den Senioren ruhig zugeht für Minipli-Man und Hornbrillen-Girl, ganz im Gegenteil. Vor allem macht Loretta einmal mehr die Erfahrung, dass Alter vor Scharfsinn nicht schützt - zumindest in manchen Fällen. In anderen hingegen ist, wie überall im Leben, eher das Gegenteil der Fall. Und natürlich läuft alles mit "a little help from my friends" ab, denn Lorettas Freunde sind wie immer nicht weit, man darf sich besonders auf ein ausführliches Gastspiel von Frank freuen, der wie immer weder mit Worten noch mit Taten geizt. Und auch Dennis, der ja mittlerweile eine größere Rolle in Lorettas Leben spielt, ist wieder ganz vorne mit dabei.

Ohne Freundschaft läuft nix - dies ist wieder einmal eine der wichtigsten Botschaftes des Buches. Nur schade, dass es schon wieder vorbei ist, denn auch dieser, bereits dreizehnte Band der Reihe, war allererste Sahne. Wer Spaß kombiniert mit viel Spannung mag, der kommt an Loretta Luchs nicht vorbei!

Bewertung vom 27.03.2021
Inspektor Takeda und die stille Schuld / Inspektor Takeda Bd.5 (eBook, ePUB)
Siebold, Henrik

Inspektor Takeda und die stille Schuld / Inspektor Takeda Bd.5 (eBook, ePUB)


sehr gut

Inspektor Takeda befindet sich aufgrund eines behördlichen Austauschs seines Heimatlandes Japan mit Deutschland in Hamburg und ist somit voll in den deutschen Alltag eingebunden: er arbeitet mit im deutschen Ermittlungsteam und wird selbstverständlich gern zu Rate gezogen, wenn es um sein Heimatland geht.

Das ist in diesem Falle, in dem es um Brände in Seniorenresidenzen bzw. Wohnungen alter Menschen mit stets mehreren Todesopfern geht, eher zufällig der Fall: denn der Landsmann von Takeda, der an jedem Tatort gesichtet wird und schon dadurch in Verdacht gerät, ist gar kein Mensch, sondern ein Pflegeroboter namens Lisa. Er wurde in Japan entwickelt und auch sein Konstrukteur, ein Herr namens Nakamura, befindet sich aktuell für längere Zeit dienstlich in Hamburg: quasi, um den Roboter einzuarbeiten. Ebenso wie Takeda und dessen deutsche Kollegin Claudia Harms ist ihm die Wahl der Tatorte ein Rätsel.

Doch irgendwann stoßen Takeda und Claudia auf eine Verbindung und beginnen allmählich zu begreifen...

Was für ein Krimi! Gut, es gab einige Stellen, an denen ich schlucken musste, weil es entweder nicht ganz logisch oder zu plakativ war, aber das waren Peanuts im Vergleich zur übergreifenden Handlung. Autor Henrik Siebold hat sich etwas unbekannterer zeitgeschichtlicher Fakten bedient, durch die der Fall nochmal einen besonderen Bogen schlägt - einen besonders originellen, spannenden, aber leider auch tragischen.

Auch die Hauptfiguren sind gut gezeichnet - ich habe am meisten Takedas Überlegungen zu Deutschland genossen! Ein wunderbarer Krimi, den ich nicht vor dem Ende aus der Hand legen konnte und gerne weiterempfehle!

Bewertung vom 27.03.2021
Der tote Rittmeister / Viktoria Berg Bd.2
Dix, Elsa

Der tote Rittmeister / Viktoria Berg Bd.2


ausgezeichnet

Sommerfrische 1913 auf Norderney - noch ist nicht abzusehen, dass die politische und gesellschaftliche Ordnung, das Kaiserreich also, kurz vor dem Zerfall steht. Alle freuen sich auf einen erholsamen und entspannten Sommer.

Auch Viktoria Berg, die inzwischen - dies ist nach "Die Tote in der Sommerfrische" der zweite Band, in dem es um sie und um den Fotoreporter Christian Hinrichs geht - Lehrerin geworden ist. Obwohl ihr wohlhabender Vater eigentlich eine lukrative Heirat für sie ins Auge gefasst hat und ihr deshalb in den Sommerferien einen schicken Urlaub - damals als Sommerfrische bekannt - auf Norderney spendiert, wo sich die Reichen und Schönen ein Stelldichein geben. Besonders in diesem Sommer, in dem das 25. Thronjubiläum des Königs gefeiert wird.

Doch Viktoria wäre nicht sie selbst, wenn sie nicht ein Herz für Menschen hätte, die nicht so auf der Sonnenseite des Lebens stehen. Vor allem auch für Kinder - ein wichtiger Grund ihres diesjährigen Aufenthalts auf Norderney ist ihre ehemalige Schülerin Ellie, inzwischen so schwer erkrankt, dass eine Gesundung nicht mehr realististisch erscheint. Ellie liegt derzeit im Seehospiz und Viktoria will dazu beitragen, ihr die letzten Tage auf Erden so schön wie möglich zu gestalten. Gleich beim ersten Besuch erfährt sie, dass Ellies kleine Freundin Rieke verschwunden ist. Bald darauf ist ein toter Rittmeister zu beklagen und irgenwie scheint es nicht unwahrscheinlich, dass es einen direkten Zusammenhang zwischen den beiden Fällen gibt. Auch Christian Hinrichs, mit dem sich Viktoria im vergangenen Jahr noch mehr als gut verstand, ist hier "dran" - zumal er quasi aus Versehen vom Badekommissar zum Hilfsbeamten ernannt wurde. Obwohl die beiden sich gerade ein wenig aus dem Weg gehen, laufen sie einander doch immer wieder über den Weg.

Ebenso spannend wie unterhaltsam kommt dieser Krimi daher, in dem es Schlag auf Schlag geht - Autorin Elsa Dix legt im ruhigen Norderney ein gehöriges Tempo vor. Wobei sie auch, was die atmosphärische und historische Einbettung angeht, immer authentisch bleibt. Nein, im Gegenteil: sehr gekonnt führt sie den Leser in die sozialen Verhältnisse im Jahre 1913 ein und lässt ihn ebenso versiert die Seeluft der damaligen Zeit schnuppern - ich habe mich während der gesamten Lektüre ganz und gar in die damalige Umgebung versetzt gefühlt.

Elsa Dix versteht es, eine Leichtigkeit in die Handlung zu bringen, die an keiner Stelle oberflächlich ist und sogar - immer sehr passend - hier und da ein wenig Humor einbringt. Außerdem versteht sie es, dem Leser die damals herrschenden sozialen Unterschiede sehr deutlich bewusst zu machen. Viel zu schnell musste ich das ausgelesene Buch aus der Hand legen, erfreue mich jedoch in Gedanken immer wieder am Norderney vergangener Zeiten.

Bewertung vom 26.03.2021
Der Solist
Seghers, Jan

Der Solist


gut

Herbst 2017: Neumann ist ein "Bulle" aus Frankfurt, der zur Berliner "Sondereinheit Terrorabwehr", einem ganz neuen Gebilde, abgerufen wird. Er kommt als Außenseiter daher, siezt alle, wohnt im Hotel Mercure und kann sich so einiges leisten. Mit seiner Teampartnerin Suna-Marie, genannt Grabowski, kommt er nach Anfangschwierigkeiten ganz gut klar und das muss er auch - denn als Berliner Kindl kennt sie sich ganz gut aus.

Die Aufgabe der beiden: den Kreis um den im vorigen Dezember bei seiner Flucht zu Tode gekommenen Weihnachtsmarkt-Attentäter Anis Amri aufzudecken.

Dann gibt es einige Tote, die so richtig nicht zusammenpassen und keiner hält zu Neumann. Außer Suna-Marie.

Kurz und knackig ist der Fall, in dessen Verlauf deutlich wird, wie weit so ein Geflecht des Terrors reichen kann. Wie immer bei Jan Seghers säumen interessante Figuren die Lektüre des Lesers, auch die Handlung ist spannend - wenn auch aus meiner Sicht diesmal nicht so ganz logisch.

Wie auch immer, es ist ja "nur" eine von vielen Möglichkeiten, die der Autor uns hier vorführt.

Ich jedenfalls hatte mir von diesem vielversprechenden Fall etwas mehr versprochen, aber Seghers schreibt zu gut, als dass mein flaues Gefühl sich zu einer Riesenenttäuschung auswachsen könnte.

Bewertung vom 23.03.2021
Seltene Affären
Bayer, Thommie

Seltene Affären


ausgezeichnet

Ein ganz besonderer Mensch

Das ist Peter Vorden. Zurückgezogen, aber nur gelegentlich einsam lebt er das Leben eines Hagestolzes. Wie es dazu kommt, das erfahren wir beiläufig im Verlauf dieses mehr als lohnenswerten Romanes.

Ein bisschen wehmütig, aber gleichzeitig satt - wie nach einer abgerundeten Mahlzeit, einer mit mehreren Gängen und den dazu passenden Weinen: ebensowie nach der Lektüre von Thommie Bayers "Ein weißer Zug nach Süden" fühlte ich mich nach seinem neuen Buch "Seltene Affären" so, zumal Speisen und Weine eine nicht unerhebliche Rolle spielten. Man könnte diesen Roman, der trotz seiner grundlegenden leicht melancholischen Stimmung einfach ein Gute-Laune-Buch ist, als zweiten Teil vom "Weißen Zug" bezeichnen, dreht es sich doch auch hier wieder um Peter Vorden und auch um seine Putzfrau Chiara, wobei diesmal die Rollen getauscht sind.

Thommie Bayer findet auch hier wieder die richtigen Worte und das in seiner ganz speziellen Art und Weise, die durchaus locker-flockig ist, ohne aber im mindesten flapsig zu wirken. Nein, er beweist hier einmal mehr, dass "leger" und "gewählt" keine Gegensätze sein müssen; beide Adjektive eigenen sich nämlich in Ergänzung zueinander bestens, um dieses Buch zu beschreiben.

Ein Buch, in dem es mehr noch als im "Weißen Zug" um Beziehungen geht und zwar nicht nur um die zwischen Peter und Chiara, sondern auch - und vor allem - um die von Peter zu seinem Zwillingsbruder Paul und zu dessen Frau Anne.

Aber auch zu Chiara entwickelt Peter Vorden eine besondere Beziehung, in der der Mittler wie auch im Vorgängerroman sein Haus ist - und bildeten dort Peters Kurzgeschichten ein Band zwischen den beiden, sind es diesmal seine Träume - doch lesen sie selbst, denn das kann keiner so gut erzählen wie Thommie Bayer selbst.

Ein besonderes Buch, in dem es um Geheimnisse - vor allem um ein Bestimmtes, Beziehungen, Individualität, Sehnsüchte und noch vielem mehr geht - und das ich mit großem Genuss gelesen habe.
Viel zu rasch hatte ich die knapp zweihundert Seiten ausgelesen. Doch mehr ist bei einem so wortgewaltigen Künstler wie Thommie Bayer auch gar nicht nötig.

Passagen wie diejenige auf S. 64, in der Peter Vordens Zwillingsbruder Paul, ein Romanautor, die Unterschiede zwischen sich und seinem Bruder, dem nur Kurzgeschichten gelingen wollen, haben mich immer wieder berührt: "Wenn Du mit einer Figur fertig bist, dann lässt sie dich das wissen," sagte er (Paul), "vielleicht stehen bei dir ja viel mehr Leute Schlange und wollen erzählt werden als bei mir. Vielleicht musst du einfach deine Zeit einteilen, damit jeder drankommt."

Ich empfehle dieses Buch jedem, der leichte Lektüre liebt, Seichtes dagegen hasst und das Buch nach dem Lesen mit einem guten Bauchgefühl zuklappen will

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 23.03.2021
Weißer Zug nach Süden
Bayer, Thommie

Weißer Zug nach Süden


ausgezeichnet

Ein bisschen wehmütig, aber gleichzeitig satt - so wie nach einer abgerundeten Mahlzeit, einer mit mehreren Gängen und den dazu passenden Weinen: so fühlte ich mich nach der Lektüre von Thommie Bayers "Ein weißer Zug nach Süden", einem Roman, der trotz seiner grundlegenden leicht melancholischen Stimmung einfach ein Gute-Laune-Buch ist.

Woran das liegt? Thommie Bayer findet einfach die richtigen Worte und dass in seiner ganz speziellen Art und Weise, die durchaus locker-flockig ist, ohne aber im mindesten flapsig zu wirken. Nein, Thommie Bayer beweist hier einmal mehr, dass "leger" und "gewählt" keine Gegensätze sein müssen; beide Adjektive eigenen sich nämlich in Ergänzung zueinander bestens, um dieses Buch zu beschreiben.

Worum es geht: Chiara, eine Deutschitalienerin bzw. Italiendeutsche - kurzum: eine junge Frau mit deutscher Mutter und italienischen Vater, die nach einer in Süddeutschland verbrachten Jugend nun in Italien lebt, verlässt Hals über Kopf ihr Zuhause, als sich ihr die Möglichkeit bietet, länger in Deutschland unterzukommen. Ihre Freundin Leonie zieht es nach New York und Chiara kann sowohl Häuschen als auch diverse Putzjobs übernehmen. Warum sie so überstürzt nach Deutschland gekommen ist, erfährt der Leser zunächst nicht.

Chiara richtet sich auf höchst eigenwillige und individuelle Weise in Leonies Leben ein - man könnt sagen, dass sie es auf ihre ganz und gar spezielle Art und Weise lebt, wobei vor allem einer ihrer "Pützlinge" ihr Interesse weckt - Herr Vorden, in dessen Wohnung, ja Leben sie auf bestimmte Art eindringt, ohne ihn je gesehen zu haben. Das geht nicht unbemerkt an Herrn Vorden vorbei, der bestimmte Zeichen seiner Wahrnehmung hinterlässt. Und er hinterlässt Geschichten, Woche für Woche eine neue, die Chiara stets liest.

Ein besonderes Buch, in dem es um Geheimnisse, Beziehungen, Individualität, Streben nach Erfüllung und noch vielem mehr geht - und das ich mit großem Genuss gelesen habe. Das Einzige, was aus meiner Sicht hätte wegfallen können: immer wieder formuliert der Autor Selbstverständliches, Gedanken, auf die der Leser sowieso kommt, quasi als Resümee. Hier wäre aus meiner Sicht weniger mehr gewesen, auch wenn das Buch sich sowieso nur auf 144 Seiten beschränkt. Doch mehr ist bei einem so wortgewaltigen Künstler wie Thommie Bayer auch gar nicht nötig. Formulierungen wie "Menschenfreund aus sicherer Entfernung" (über Vorden auf S. 132) haben mich immer wieder berührt. Ich empfehle dieses Buch jedem, der leichte Lektüre liebt, Seichtes dagegen hasst und das Buch nach dem Lesen mit einem guten Bauchgefühl zuklappen will.

Bewertung vom 22.03.2021
Darling Rose Gold
Wrobel, Stephanie

Darling Rose Gold


sehr gut

Das Haus des Grauens
Es ist schon sehr lange in Familienbesitz, wenn auch mit Unterbrechungen: es gehörte zunächst Familie Watts, dann deren Tochter Patty Watts, danach gab es eine kleine Unterbrechung und anschließend kaufte deren Tochter Rose Gold Watts es zurück und holte ihre Mutter Patty zu sich.

Und zwar aus dem Knast, wo sie ihretwegen saß. Sie hatte nämlich Rose Gold von klein auf eingeredet, sie sei schwerstbehindert, könne nicht laufen, nicht lernen, sie könne nichts essen und Haare würden ihr auch nicht wachsen.

Alles totaler Humbug, was Rose Gold aber erst nach Jahren feststellte. Und ihre Aussage brachte die Mutter Patty ins Gefängnis, für ganz fünf Jahre.

Warum dann war Rose Gold anschließend bereit, ihr Leben - und das ihres kleinen Sohnes Adam - mit Patty zu teilen, die sich im Übrigen nie einer Schuld bewusst war.

Zunächst weiß man gar nicht, was auf den Leser zukommt, wenn man damit beginnt, dieses überaus heftige Buch zu lesen. Es ist keine schöne Lektüre, schon gar nicht eine, bei der es dem Leser warm ums Herz wird.

Ganz im Gegenteil, mir ist es wieder und wieder kalt den Rücken hinunter gelaufen.

Also Obacht: es kann sein, dass es Ihnen nach dieser Lektüre nicht sehr gut geht. Sie erfordert viel Mut - und, wie ich meine - ein ausgeglichenes, offenes Gemüt, das sich nicht so leicht erschüttern lässt. Denn sie ist extremst verstörend und dieses ungute Gefühl, dieser Schrecken, hallt auch noch nach, lange nachdem man das Buch aus der Hand gelegt hat.

Also: kein schönes Buch. Eigentlich ein grauenhaftes. Aber ein sehr gut geschriebenes. Autorin Stephanie Wrobel weiß genau, worauf sie hinauswill und was sie ihren Lesern antut. Ob sie das dazu gehörige Risiko kennt, dessen bin ich mir nicht so sicher. Denn - so sehr ich die Qualtät dieses Buches zu schätzen weiß, ich werde so schnell keinen weiteren Band aus ihrer Feder mehr in die Hand nehmen - zu bedrohlich erscheinen mir die Folgen.

Dennoch, wenn Sie richtig heftige Psychothriller mögen, die lange nachwirken, dann ist dies mit Sicherheit die richtige Lektüre für Sie!

Bewertung vom 19.03.2021
Die Fremde
Durastanti, Claudia

Die Fremde


weniger gut

Einen Roman über sich selbst und ihr nächstes Umfeld, ihre Familie, hat die Italienerin Claudia Durastani verfasst. Zumindest stimmt der Rahmen - die Tochter taubstummer Eltern ist gemeinsam mit ihrem Bruder in Italien und in den Vereinigten Staaten aufgewachsen, als Erwachsene hat sie sich London als Wahlheimat ausgesucht.

Doch für mich scheint sie lebenslang - zumindest bis jetzt, als Mitte der 1980er Geborene hat sie hoffentlich noch viele Jahre vor sich - eine Suchende zu sein, eine Getriebene, die durch die komplizierten und komplexen Eltern - zeitweise scheint es, dass die Taubstummheit das Geringste war, was sie ausmachte - nicht zur Ruhe fand bzw. findet. Und natürlich auch durch die Lebensumstände.

Sie ist kein Flüchtling, aber ihr Lebensstil ist nicht weit entfernt von dem der Flüchtenden. Ihre Eltern werden darstellt als ziemlich schrilles Paar, das da zueinander findet.Claudias Vater ist stets Mittelpunkt jeder Gesellschaft ungeachtet seiner Einschränkungen, sie machen sich gegenseitig unglücklich, schon lange, bevor sie sich trennen.

Claudia. Ist es sie selbst, die sie uns vorstellt, oder einfach eine beliebige Frau, deren Erfahrungen in einigen Aspekten mit den Ihrigen überein stimmen? Da sie ihr Werk als Roman bezeichnet, kann sie im Prinzip derart Beliebiges einbringen - denn ein Roman bedeutet Fiktion in Gegensatz zu einem Sachbuch, das reale Fakten präsentieren sollte. Jedenfalls wird diese Claudia als Person dargestellt, die sich mehr und mehr in sich selbst verliert. Eine Suchende. Keine Findende.

Ein Roman, der mir immer rätselhafter wurde, den ich zudem als wenig unterhaltsam empfand. Wenn ich doch wenigstens einen Gewinn daraus gezogen hätte. So jedoch bleibt es für mich ein sehr verwirrendes Werk, das ich nicht weiter empfehlen möchte.

Bewertung vom 19.03.2021
Wohin die Reise geht
Ferber, Marlies

Wohin die Reise geht


ausgezeichnet

Es geht los mit Jakob, der bereits so einiges mitgemacht hat in seinem Leben - er ist durch den Verlust seines Kaffeegeschäfts, seines Vermögens und nicht zuletzt seiner Frau durch schwere Zeiten gegangen. Doch Jakob ist ein Typ, der sich die schönen Seiten des Lebens erhalten hat, er ist ein großer Fan klassischer Literatur, singt im Männerchor und hat einen Freund. Den deutlich jüngeren Polizisten Matthias nämlich, einen Chorbruder, mit dem er jede Woche nach der Probe einen heben geht - mit Stil natürlich.

So gern er ihn auch mag, mit auf die Reise, die sich ihm plötzlich auftut, will er ihn doch nicht nehmen. Jakobs Sohn bittet seinen Vater nämlich darum, für ihn eine Million Schwarzgeld in die Schweiz zu schmuggeln. Dafür ist Jakob überhaupt kein Typ, aber seinem Sohn mag er auch nichts abschlagen. Ebensowenig Matthias, der sich - und seinen Schäferhund Eddie - als Reisebegleitung anbietet. Oder vielmehr aufdrängt.

Und so finden sich in Kürze Jakob, Matthias und Eddie auf dem Weg in die Schweiz - und zwar in Matthias' Wohnmobil, einem bereits geschichtsträchtigen Fahrzeug.

Während einer Pause, in der Matthias sich um Eddie kümmert, lernt Jakob bei der für ihn unvermeidlichen Tasse Kaffee Tilda kennen, eine durchaus glamuröse, aber reichlich verwirrte Dame etwa in seinem Alter, die ihm auf Anhieb sympathisch ist. Und dabei bleibt es nicht, denn Alex - ein junges Mädchen, das seit einigen Monaten auf der Straße lebt und sie für ein Ehepaar hält, gesellt sich dazu.

Es kommt, wie es kommen muss: Jakob präsentiert Matthias zwei neue Reisegenossinnen, auf die dieser gut verzichten könnte. Da das jedoch unmöglich ist, geht die Reise zu viert weiter und bald schon wird sie zu einem Roadtrip, den als abenteuerlich zu bezeichnen die Untertreibung des Jahres wäre.


Die vier Reisegenossen haben so einiges zu verbergen voreinander und es zeigen sich auch diverse Einwirkungen von Außen. Und obwohl jeder von ihnen so sein Päckchen zu tragen hat, zeigt sich am Ende der Reise, dass das Motto "Born to be alive" auf sie alle zutrifft. Zumindest jetzt, also nach der Reise und in dieser Vierer-Konstellation!

Marlies Ferber hat mit "Wohin die Reise geht" einmal mehr einen ebenso warmherzigen wie unterhaltsamen Roman nicht ohne Tiefe vorgelegt. Ich habe außer ihrem ersten "0070"-Band alles von ihr gelesen und bin ein Riesenfan! Und ich bin sicher, dass noch etliche dazu kommen, wenn sie erst die Bekanntschaft mit dieser Autorin, der ein Hang zu schwarzem Humor sicher zuzusprechen ist, gemacht haben. Und warum nicht gleich mit diesem Roman?

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.