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Bellis-Perennis
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Wien

Bewertungen

Insgesamt 924 Bewertungen
Bewertung vom 03.03.2023
Ihr wisst nicht, was Krieg ist
Skalietska, Yeva

Ihr wisst nicht, was Krieg ist


ausgezeichnet

Aufgrund des Angriffskrieges von Russland auf die Ukraine mangelt es nicht an Büchern zu diesem Thema. Sei es Bücher über die Geschichte des Landes oder Analysen von Strategen oder Betroffenen. Dieses hier ist ein besonderes. Es ist das Tagebuch der 12-jährigen Yeva Skalietska.

Yeva lebt mit ihrer Großmutter in Charkiw im Osten der Ukraine. Die Eltern arbeiten im Ausland.

Das Leben von Yeva gerät aus den Fugen, als Putins Armee am 24. Februar 2022 in der Ukraine einmarschiert.

In ihrem Tagebuch beschreibt sie jene Tage und Wochen bis es gelingt, gemeinsam mit der Großmutter aus der Ukraine zu fliehen. Mit Hilfe von zahlreichen Freiwilligen schaffen sie es nach Budapest und gelangen nach Irland. Dort geht Yeva wieder in die Schule und kann endlich wieder ein Teenager sein.

Meine Meinung:

Das Buch hebt sich aus der Masse der Bücher zum Krieg in der Ukraine ab. Das liegt vor allem daran, dass das Tagebuch der Zwölfjährigen nicht verändert worden ist. Daher wirkt die Sprache stellenweise kindlich und enthält viele Ausdrücke von Teenagern. Das ist vor allem bei den Whatsapp-Nachrichten, die sie mit ihren Schulkolleginnen teilt.

Berührend auch die Nachrichten, die sie von ihren Schulkollegen erhält:

"Einige meiner liebsten Menschen - Papa, Oma und Opa - sind immer noch in Charkiw. Ich vermisse sie furchtbar und liebe sie sehr. Mein größter Wunsch ist Frieden!" (Kristina, S. 169f.)

"Wir träumen immer noch davon, eines Tages nach Hause zurückzukehren." (Olha, S. 172)

"Ich will nach Hause nach Charkiw! Ich will in ein friedliches Charkiw, wo ich draußen mit meinen Freunden spielen kann, ohne mich ständig vor Sirenen und Explosionen verstecken zu müssen! Ich will zurück in die Schule und meine Lehrer wiedersehen! Aber vor allem will ich wieder, dass meine Eltern ein echtes Lächeln lächeln." (Kostja, S. 174)

"... und alles, was ich will, ist Frieden und wieder zu Hause sein!" (Alena, S. 178).

Yevas Schlusswort ist wohl wenig hinzuzufügen:

„... Wir sind Kinder. Und wir haben ein Recht auf Frieden!"

Und ja, wir, die im Frieden leben, wissen nicht, was Krieg ist.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem Tagebuch 5 Sterne.

Bewertung vom 03.03.2023
Désirée - Im Herzen der Revolution, im Herzen Napoleons / Außergewöhnliche Frauen zwischen Aufbruch und Liebe Bd.13
Pataki, Allison

Désirée - Im Herzen der Revolution, im Herzen Napoleons / Außergewöhnliche Frauen zwischen Aufbruch und Liebe Bd.13


sehr gut

Allison Pataki hat sich in diesem historischen Roman einer interessanten Frau angenommen: Désirée Clary. Den meisten von uns ist sie aus Annemarie Selinkos gleichnamigen Roman bekannt.

Da es wenig Dokumente oder Briefe von Désirée selbst gibt und sie hauptsächlich auf ihre Rolle als „Napoleons erste Liebe“ und Jean-Baptiste Bernadottes Ehefrau reduziert wird, kann die Autorin, wie sie im Nachwort schreibt, ihrer Fantasie freien Lauf lassen. Leider wird Désirées Leben hier, genauso von der Präsenz Napoleons und seiner Familie überschattet wie im echten Leben. Das kann natürlich der Autorin nicht angelastet werden.

Sie versucht „ihrer“ Désirée, ein eigenen Charakter zu geben. Stellenweise gelingt das recht gut, manchmal wirkt sie allerdings ein wenig unsympathisch. Natürlich ist es für eine Französin nicht einfach, Paris und dessen Trubel hinter sich zu lassen, und in den kalten Norden nach Schweden zu ziehen. Ein bisschen mehr Bemühungen um ihre neue Heimat hätte ihr vermutlich viele Sympathien der Schweden eingetragen.

Die Geschichte selbst wird leicht und locker aus Désirées Perspektive in der Ich-Form erzählt.

Mit dem ersten Teil des Untertitels „Im Herzen der Revolution - Im Herzen Napoleons“ bin ich nicht ganz einverstanden, den Anhänger der Revolution waren die Clary nie. Im Gegenteil, als wohlhabende Kaufleute mussten sie die Auswirkungen der Revolution fürchten. Die Verhaftung ihres Bruders, der dann zum Kontakt mit den Bonapartes führt, deutet darauf hin. Die Familie lebt lange Zeit in Angst vor der Guillotine. Erst mit der Machtübernahme Napoleons kann sich die Angst legen.

Fazit:

Ein historischer Roman, der gut unterhält. Dafür gibt es 4 Sterne.

Bewertung vom 03.03.2023
Kommissarin Moll und die Tote aus der Speicherstadt (eBook, ePUB)
Bernsmann, Isabel

Kommissarin Moll und die Tote aus der Speicherstadt (eBook, ePUB)


sehr gut

Als die Freundin des Junior-Chefs einer ehrwürdigen Hamburger Bank ermordet und im Foyer grotesk ausgestellt, aufgefunden wird, muss Kommissarin Frederica Moll wieder mit Christian Lauterbach, der sich nach dem Eklat im Vorgänger („Kommissarin Moll und die Tote vom Grindel“) in den Kriminaldauerdienst versetzen hat lassen, ermitteln. Sie finden heraus, dass eine Gruppe junger Programmierer und Mathematiker an einer Weiterentwicklung der Bitcoins arbeitet, die nicht nur eine Bedrohung für Spekulanten darstellt, sondern auch vom organisierten Verbrechen genutzt werden könnte.

Und diese Tote wird nicht das einzige Mordopfer bleiben.

Die neuerliche Zusammenarbeit ist für Moll und Lauterbach schwierig, denn die Vergangenheit lässt sich nicht abstreifen wie ein löchriger Handschuh. Sie ist immer präsent. Vor allem auch dann, als Matthias, Federicas tot geglaubter Lebensgefährte, plötzlich wieder auftaucht.

Meine Meinung:

Dieser zweite Fall schließt relativ nahtlos an seinen Vorgänger an, der mich und andere Leser mit einer Vielzahl offener Fragen zurückgelassen hat. Die eine oder andere, wie das Wiederauftauchen von Matthias wird mehr oder weniger schlüssig beantwortet.

Nach wie vor habe ich mit der Kommissarin und ihrem persönlichen Umfeld meine Probleme. Mutter Moll ist wieder unangenehm präsent und mäkelt an der Berufswahl ihrer Tochter herum. Federica futtert wie üblich massenhaft Schokoriegel und Gummizeug. Selbstreflexion ist noch immer nicht ihre Stärke, obwohl sie als Psychoanalytikerin diese beherrschen sollte. Auch mit der Recherche bezüglich des Selbstmordes ihres Vaters scheint nicht allzu viel weiterzugehen, ist doch die Akte zur Einsicht gesperrt. Hier macht es die Autorin wieder extra spannend - möglicherweise erfahren wir Näheres im nächsten Fall „Kommissarin Moll und die Tote aus der HafenCity“, denn Moll und Lauterbach sollen gemeinsam eine „Cold-Case-Unit“ aufbauen. Ob das gelingen kann?

Nun gut, Buch Nummer drei erscheint im April 2023. Da werden wir es ja vielleicht (?) erfahren.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem Hamburg-Krimi 4 Sterne.

Bewertung vom 27.02.2023
So schaffen wir das
Karas, Othmar;Kohlenberger, Judith

So schaffen wir das


sehr gut

In diesem Sachbuch, dessen Titel an den Ausspruch von Angela Merkel „Ja, wir schaffen das!“, den sie angesichts des nicht endenwollenden Flüchtlingsstromes im Jahr 2015 getan hat, erinnert, haben Othmar Karas und Judith Kohlenberger zahlreiche Zahlen, Daten und Fakten sowie Ideen gesammelt und hier zusammengefasst, um die Themen Migration und Asyl aus den populistischen Schlagzeilen herauszuholen. Dazu haben sie zahlreiche Experten aus dem komplexen Bereich Migration eingeladen, ihre Ansicht und vor allem ihre Ideen zu einer gemeinsamen europäischen Flüchtlingspolitik darzulegen.

Beiträge liefern u.a. Irmgard Griess (ehemalige Präsidentin des OGH), Hermann Glettler (Diözesanbischof Innsbruck), Rainer Münz (Migrationsexperte) sowie Margaritis Schinass (Vizepräsident der EU).

Der Grundtenor dieses Buches ist Sachlichkeit, denn linke oder rechte Polemik kann man in den täglichen Nachrichten lesen. Dass das Thema Migration (egal ob legal oder illegal) aufregt, ist nichts Neues, die Bemühungen es sachlich anzugehen, schon.

Nach jedem Beitrag findet man ein großes Kästchen, dass das vorher Geschriebene zusammenfasst und mit dem Titel „Forderungen“ überschrieben ist.

Fazit:

Eine Einigung scheint zum Greifen nah, ist aber in manchen Punkten von einem tragfähigen Konsens meilenweit entfernt. Gerne gebe ich diesem Buch 4 Sterne.

Bewertung vom 23.02.2023
In den letzten Stunden der Dunkelheit
Klisa, Peter

In den letzten Stunden der Dunkelheit


ausgezeichnet

Als Captain Frederic Carvis im April 1945 den Befehl erhält, nach Deutschland zu fliegen, um den Atomwissenschaftler Paul Bergmann nach Amerika zu bringen, weigert er sich zuerst. Denn Berlin ist aktuell der gefährlichste Ort in Deutschland. Die deutsche Wehrmacht kämpft verbissen bis zum letzten Mann um jeden Zentimeter der Stadt und die Sowjetarmee walzt alles, was sich ihr entgegenstellt, brutal nieder.

Doch es ist nicht nur die Gefahr, die Carvis, der als Dolmetscher in der US-Army tätig ist, Berlin zu meiden, sondern auch die Erinnerung an die Jahre 1936 und 1937, in denen er in Berlin Physik studiert hat und Anna, die Freundin von Bergmanns Tochter Sophie, kennen- und lieben gelernt hat, bis Anna plötzlich nichts mehr von ihm wissen wollte.

Carvis ist der Einzige, der Bergmann persönlich kennt und soll ihn genau deswegen aus Berlin herausholen, zumal Carvis akzentfrei deutsch spricht. Um endlich eine Antwort auf die quälende Frage, was mit Anna passiert sein könnte, zu bekommen, lässt er sich auf das Himmelfahrtskommando ein.

Was als schnelle Kommandoaktion auf dem Reißbrett geplant ist, entpuppt sich in der Umsetzung als militärischer Albtraum. Die kleine Gruppe, mit der Carvis in Berlin landet, wird von mehreren Seiten torpediert: Zum einem haben die Generalstäbler der US-Army nicht bedacht, dass die Deutschen Berlin bis zur letzten Patrone verteidigen werden und zum anderen, dass auch die Sowjets alles daran setzen, nicht nur Berlin, sondern auch die Forscher unter ihre Kontrolle zu bringen. Zusätzlich stellt Bergmann allerhand Bedingungen für sein Überlaufen.

Es entspinnt sich ein Kampf auf Leben und Tod, in dem auch Animositäten innerhalb der Kommandoeinheit eine Rolle spielen.

Meine Meinung:

Dieser historische Roman ist eine fesselnde Geschichte aus dem umkämpften Berlin wenige Wochen vor der Kapitulation des NS-Regimes.

Die Kommandoaktion, mit der Carvis und sein Team mit einem requirierten deutschen Flugzeug mitten im umkämpften Berlin landet, ist aufregend geschildert. Der authentische Lagebericht aus zerstörten Stadt, in der sich Carvis beinahe nicht mehr zurechtfindet, lassen die Leser um den Erfolg des Unternehmens bangen, zumal der Wissenschaftler sich anders verhält, als die Amerikaner erwarten. Sie glauben ja, dass alle Menschen froh und glücklich sein müssten, von Uncle Sam gerettet zu werden. Doch Paul Bergmann ist, wie so viele seiner Landsleute vom NS-Regime verblendet, und glaubt nach wie vor an den Endsieg und an seinen Anteil daran.

Sehr gut gelungen sind die Rückblenden auf die Berliner Studienjahre von Frederic Carvis.

Die prophetischen Worte eines US-Militärs, haben auch aktuell wieder große Bedeutung:

„...Es hat immer schon Krieg gegeben, und es wird ihn immer geben. Es liegt in der Natur des Menschen, eigene Interessen mit Gewalt durchzusetzen, einander zu übervorteilen, zu vertreiben und zu unterdrücken...“

Der Schreibstil ist fesselnd. Ich konnte das Buch gar nicht mehr aus der Hande legen.

Peter Klisa hat umfangreich recherchiert und gibt im Anhang zahlreiche Hintergrundinformationen.

Seine Charaktere sind vielschichtig angelegt. Gut und Böse liegt manchmal nur einen Hauch neben- oder auseinander. Schmunzeln musste ich, dass Carvis einen deutschen Offizier so überzeugend darstellt, dass er sogleich ein Gruppe deutscher Soldaten befehligen muss und gegen die Sowjets kämpft.

Fazit:

Dieser fesselnden Geschichte aus den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs in Berlin gebe ich gerne 5 Sterne und eine Leseempfehlung.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 20.02.2023
Der Kuss des Kaisers
Neumeyer, Christine

Der Kuss des Kaisers


sehr gut

Dieser historische Krimi entführt uns in das Wien von 1908 und beschert uns ein Wiedersehen mit dem sympathischen Polizeiagenten Johann Pospischil und seinem Assistenten Frisch. Seit der letzten Mordermittlung sind rund zehn Jahre vergangen. Nun wird im Brunnen des Schlossgartens im Belvedere eine abgehackte Hand und wenig später ein Sack mit weitere Leichenteile gefunden. Nur der Kopf der Leiche fehlt, was eine Identifizierung vorerst unmöglich macht. Nun haben die beiden die delikate wie unangenehme Aufgabe im Belvedere zu ermitteln.

Warum?

Zum einen ist das Obere Belvedere die Residenz des Thronfolgers Franz Ferdinand und seiner Gemahlin Sophie sowie Sitz des „Schattenkabinetts“ und zum anderen wird im Unteren Belvedere die Ausstellung zu Gustav Klimts Gemälde „Der Kuss“ vorbereitet. Da kann man keine zerstückelte Leiche brauchen.

Neben Pospischil, der es gewöhnt ist, als ziviler Polizeiagent von den Uniformierten herablassend behandelt zu werden, lernen wir Erna Kührer, eine Reinigungskraft mit Ambitionen sowie einige Hofschranzen kennen, die sich auf ihre Stellung einiges einbilden.

Meine Meinung:

Es dauert eine geraume Zeit, bis der eigentliche Krimi rund um die Leichenteile beginnt.

Zuvor ist die Geschichte eher eine Milieustudie, die das Leben der Familie Kührer recht gut beschreiben. Erna Kührer ist eine ziemlich ehrgeizige Frau, die ihren erarbeiteten, kleinen Wohlstand wie die trockene Wohnung und ihre Arbeit als Putzfrau im Belvedere nicht verlieren will. Im Gegenteil, sie will Kammerzofe bei Gräfin Sophie werden. Dafür ist ihr beinahe jedes Mittel recht. Ihr Mann Franz ist arbeitslos und leidet an einer Hautkrankheit. Miteinander haben sie vier Kinder, Daniel, Klementine und Zwillinge. Daniel ist ein Kleinkrimineller, der anstatt zu arbeiten, lieber dem Glückspiel frönt und keiner Rauferei aus dem Weg geht. Als er nach einem längeren Aufenthalt außerhalb Wiens zurückkehrt, entdeckt die Schönheit der kleinen Klementine und beschließt, daraus Kapital zu schlagen.

In Zusammenhang mit Daniel musste ich schmunzeln, denn das von ihm häufig frequentierte Wirtshaus „Zum Alten Heller“ in der Ungargasse kenne ich. Es hat leider seit einigen Jahren geschlossen.

Wie wir schon aus dem Vorgänger, „Der Offizier der Kaiserin“ wissen, sind dem Pospischil die technischen Errungenschaften wie die Elektrische nicht ganz geheuer.

Leider ist die Autorin dieser Zeit weit voraus und lässt im Kapitel 20 die Ermittler über einen „genetischen Fehler“ diskutieren. Zwar hat Gregor Mendel schon seit der Mitte des 19. Jahrhunderts an seiner Vererbungslehre gearbeitet, doch der Begriff „Gen“ wie wir in heute kennen, hat sich erst ab den 1930-er Jahren entwickelt. Und Franz Kührer spricht von „einem Schub“ bei seiner Hautkrankheit (Schuppenflechte?). Mir ist schon bewusst, dass es nicht einfach ist, das heutige Wissen auszublenden..

Der Schreibstil ist leicht zu lesen. Die Sprache der Menschen ist der Zeit angepasst. Die einen sprechen Wiener Dialekt, die andern verwenden das gestelzte „Erzen“ und „Siezen“.

Ein wenig irritierend sind die Szenen, in denen Sophie, die Gemahlin von Franz Ferdinand, vorkommt. Ja, sie wurde wegen ihrer morganatischen Heirat vom kaiserlichen Hof geschnitten, aber das einer Putzfrau vorzuraunzen? Das erscheint mit doch ein wenig unglaubwürdig.

Das Cover gefällt mir nicht so besonders.

Ich hatte schon bald einen Verdacht, der sich bestätigt hat.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem historischen Roman, der eher eine Milieustudie als Krimi ist, 4 Sterne.

Bewertung vom 18.02.2023
Die Queen (eBook, ePUB)
Gerste, Ronald D.

Die Queen (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Man sollte meinen, bereits alles über die am 8. September 2022 verstorbenen Queen gelesen zu haben. Doch Ronald D. Gerste, Arzt und Historiker, der u.a. durch seine medizinhistorischen Sachbücher bekannt, gelingt es, mit dieser Biografie, das Leben der Queen im Kontext der Weltpolitik zu zeigen.

In 22 Kapiteln begleiten wird Queen Elizabeth II. durch ihre 70 Jahre währende Regentschaft. Die Kapitel sind nach Sachgebieten geordnet.

Wir erfahren unter anderem, dass Frankreichs Präsident Charles de Gaulles gegen den Beitritt des Vereinigten Königreiches zur EU war (Kapitel 15, Europa 1: Entry). Erst unter seinem Nachfolger gelingt das Vorhaben, nur um mit 01. Februar 2020 wieder aus der europäischen Staatengemeinschaft auszutreten (Kapitel 21, Europa 2: Brexit).

Immer wieder weist der Autor darauf hin, dass der Commonwealth of Nations der Queen eine Herzensangelegenheit war.

Dabei werden bekannte Fakten mit bislang weniger bis unbekannte Facetten der Monarchin beleuchtet. Was hat die Queen nicht alles erlebt: den Zweiten Weltkrieg, die Beatlemania, den Kalten Krieg, den (heißeren) Krieg um die Falkland-Inseln, das Auf und Ab in der Geschichte des Vereinigten Königreiches, das Annus Horribilis von 1992, private Schicksalsschläge und andere Ereignisse. Allein die Anzahl der Premierminister und Premierministerinnen, die sie zum Handkuss empfangen hat, ist beachtlich.

Das Cover zeigt "ihren" ersten Primierminister Winston Churchill. Die letzte ist Liz Truss, die sie zwei Tage vor ihrem Tod empfangen hat.


Fazit:

Dieser eleganten und höchst informativen Würdigung des langen Lebens einer Monarchin gebe ich 5 Sterne und eine Leseempfehlung.

Bewertung vom 14.02.2023
Die letzte Lügnerin / Eberhardt & Jarmer ermitteln Bd.3
Schwiecker, Florian;Tsokos, Michael

Die letzte Lügnerin / Eberhardt & Jarmer ermitteln Bd.3


ausgezeichnet

Dieser Justiz-Krimi ist der dritte Fall für Anwalt Rocco Eberhardt und den Rechtsmediziner Dr. Justus Jarmer. Allerdings tritt die Rolle, die Justus Jarmer hier eingeräumt wird, ein wenig zugunsten des Anwalts in den Hintergrund.

Worum geht’s?

Rocco soll den Berliner Bausenator Möller verteidigen. Ihm werden Mord, Bestechung und Korruption vorgeworfen. Empfohlen hat ihn ausgerechnet Helmut Eberhardt, sein Vater, der durch seine weitverzweigten, oftmals undurchsichtigen Geschäfte auch nicht unbedingt ein wahrer Sympathieträger ist. Doch hält er seinen Sohn für den besten seines Fachs.

Wer will den Bausenator hinter Gittern sehen?

Doch zu Beginn sieht es nicht so aus, als ob Rocco diesen Fall gewinnen würde.
Wir erleben Rocco an den Verhandlungstagen im Gerichtssaal, wo er mit seiner charmanten, manchmal aber etwas flegelhaften Art und durch geschickte juristische Winkelzüge der Richterin den letzten Nerv zu ziehen versucht. Dann erhält er den einen Hinweis gerade noch rechtzeitig.

Meine Meinung:

Der Krimi nimmt Bezug auf die aktuelle Lage von Wohnungssuchenden in ganz Europa, aber speziell hier in Berlin, wo die Stadt den Bau von leistbaren Wohnungen seit Jahren versemmelt hat. Die Ideen von Möller, hier steuernd einzugreifen, wie er bei der Gerichtsverhandlung erklärt, klingen plausibel, sind aber dem einen oder anderen Konkurrenten ein Dorn im Auge.

Die Suche nach den Zusammenhängen und dem Täter entpuppt sich als recht schwierig und Rocco muss alle ihm zur Verfügung stehenden Kanäle anzapfen, so auch seinen Vater. Die Beziehung zwischen Vater und Sohn Eberhardt ist, wie wir aus den Vorgängern ja wissen, auch nicht die beste. Letztlich gehen beide einen kleinen Schritt aufeinander zu.

Der Krimi liest sich flüssig und locker. Dazu tragen die kurzen Kapitel und der fesselnde Schreibstil des Autoren-Duos bei.

Das Cover passt durch seine Farbgestaltung (schwarz/weiß/rot) zu den beiden Vorgängern und hat einen hohen Wiedererkennungswert.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem fesselnden Justiz-Krimi 5 Sterne.

Bewertung vom 13.02.2023
Marsch auf Rom und Umgebung
Lussu, Emilio

Marsch auf Rom und Umgebung


ausgezeichnet

Der sardische Schriftsteller und Politiker Emilio Lussu (1890-1975) beschreibt in diesem 1932 im Pariser Exil verfassten Buch die politischen Ereignisse, die unter dem Namen „Marsch auf Rom“ bekannt sind. Das Buch wurde erstmals 1971 veröffentlicht und erscheint nun als Neuauflage im Folio-Verlag.

Worum geht’s?

Emilio Lussos zeigt, wie durch eine improvisierte Farce der frühen Faschisten die Demokratie in Italien zerstört worden ist und welche unrühmliche Rolle sowohl der König als auch die demokratischen Institutionen dabei gespielt haben. Durch das Stillhalten des Königs sowie dem Versagen des Parlaments konnte Benito Mussolini zum Diktator aufsteigen. Die Folgen sind bekannt - Mussolinis Ende auch.

Meine Meinung:

Emilio Lussus brillante Darstellung der Umstände und deren verhängnisvolle Auswirkung auf Europa wirken auch 100 Jahre später nach.

Lussu ist Oppositionspolitiker in Sardinien und muss miterleben, wie sich Freunde und Weggefährten, trotz gegenteiliger Beteuerungen, recht flott den Faschisten anschließen und deren Gesinnung nicht nur übernehmen, sondern einander bei ihren gewalttätigen Aktionen übertrumpfen.

Lussu selbst wird verhaftet und auf die (Gefängnis)Insel Lipari interniert, von wo er mit einigen andern Häftlingen fliehen kann.

Mit tiefschwarzen Humor schildert er die dramatischen Ereignisse. Das macht das Buch authentisch und zu einem Lehrbuch der Geschichte. Zugleich ist das Buch eine Warnung vor Demagogen, Despoten und Dummheit, die auf unsere aktuelle Situation auch umzulegen ist. Wehret den Anfängen!

Das Buch enthält zahlreiche Fotos, eine ausführliche Biografie und ein Nachwort von Claus Gatterer.

Fazit:

Gerne gebe ich dieser Warnung vor Dummheit und Despoten 5 Sterne.

Bewertung vom 12.02.2023
Als Großmutter im Regen tanzte
Teige, Trude

Als Großmutter im Regen tanzte


ausgezeichnet

Auf der Flucht vor ihrem gewalttätigen Ehemann zieht sich Juni in das Haus ihrer verstorbenen Großmutter Tekla zurück. Hier, auf der kleinen norwegischen Insel Kragerø will sie zur Ruhe kommen und über ihr weiteres Leben nachdenken.

Beim Aufräumen findet sie unter anderem ein Foto, das die junge Tekla mit einem unbekannten, deutschen Soldaten zeigt, sowie die Heiratsurkunde, die besagt, dass Lilla, ihre Mutter lange vor der Hochzeit geboren wurde. An sich, während der Nachkriegszeit kein ungewöhnliches Schicksal. Doch das Verhältnis Tekla zu Lilla war immer genauso konfliktbeladen wie ihre Junis, Beziehung zu ihrer Mutter Lilla. Juni kann weder Tekla noch Lilla fragen, da beide inzwischen verstorben sind.

In ihre Unschlüssigkeit, die Rätsel der Vergangenheit lüften oder auf sich beruhen zu lassen, platzt Georg, der neue Nachbar hinein. Die beiden fühlen sich zueinander hingezogen. Juni vertraut sich ihm an und die beiden begeben sich auf Spurensuche in die Vergangenheit, die so manches bittere Geheimnis zutage fördert. Die verworrenen Wege führen von Norwegen aus nach Berlin und in die ehemalige DDR, nach Demmin.

Meine Meinung:

Trude Teige nimmt sich in diesem Roman eines nach wie vor heiklen Themas an: Liebesbeziehungen zwischen deutschen Besatzern und norwegischen Frauen im Zweiten Weltkrieg. „Tyskertøs“ - Deutschenmädchen oder Deutschenhure werden jene genannt, die sich mit den Besatzern einlassen. Dass ihnen ihr Haar geschoren wird, ist nur ein Teil der Rache. Viele von ihnen werden von ihren Familien verstoßen, vor allem, wenn sie schwanger wurden. Diese Einstellung belastet familiäre Beziehungen bis heute.

In zwei großen Erzählsträngen werden die Familienbeziehungen zwischen den drei Frauen aufgerollt.

Die Suche nach Teklas Vergangenheit, die auch eng mit Junis Herkunft verwoben ist, gestaltet sich als Reise in die Nachkriegszeit, mit allen ihren Facetten wie zerbombten Städten, Hunger und Kälte, den unzureichenden Entnazifizierungen im Westen Deutschlands sowie der Errichtung der DDR im Osten. Interessant ist, dass Juni und Georg zahlreiche Zeitzeugen und Dokumente finden, die Auskunft über Tekla geben können.

Dabei stoßen sie auf die Geschichte von Demmin, wo sich aus Angst vor den Gräueltaten der Russen, mehrere Hundert Einwohner, vorrangig Frauen ihre Kinder getötet und anschließend Selbstmord begangen haben.

Die einzelnen Erzählstränge sind penibel recherchiert und fesselnd erzählt. Die Perspektiven wechseln mehrmals, was die Spannung beträchtlich erhöht.

Tekla kann auf ein erfülltes Leben zurückblicken. Ihre Erlebnisse verarbeitet sie in ihren Bildern und manchmal tanzt sie, wohl in Erinnerung an Otto, im Regen. Lillas Schicksal kommt fast ein wenig zu kurz, obwohl sie eine Leidtragende der Ereignisse ist. Als herauskommt, dass ihre Mutter eine „Tyskertøs“ war, wird sie von ihrem Verlobten verlassen.

Fazit:

Das Buch ist, weil es an einem Tabu-Thema kratzt, keine leichte Kost. Gerne gebe ich diesem berührenden Buch, das penibel recherchiert und fesselnd geschrieben ist, 5 Sterne und eine Leseempfehlung.