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⇢ Ich bin: Ex-Buchhändlerin, Leseratte, seit 2012 Buchbloggerin, vielseitig interessiert und chronisch neugierig. Bevorzugt lese ich das Genre Gegenwartsliteratur, bin aber auch in anderen Genres unterwegs. ⇢ 2020 und 2021: Teil der Jury des Buchpreises "Das Debüt" ⇢ 2022: Offizielle Buchpreisbloggerin des Deutschen Buchpreises

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Insgesamt 735 Bewertungen
Bewertung vom 08.02.2014
Die Sünde
Feller, Toni

Die Sünde


sehr gut

Toni Feller hat lange Jahre als Kriminalkommissar gearbeitet - der Mann weiß also, wovon er spricht, wenn er einen Fall beschreibt! Und das merkt man: es wirkt alles sehr authentisch und realistisch, als könne es sich genau so tatsächlich zugetragen haben. Man erfährt hier viel darüber, was hinter den Kulissen bei der Polizei vor sich geht, wenn ein Mord passiert - und dabei stellt man fest, dass vieles ganz anders ist, als es einen besonders Fernsehkrimis glauben machen wollen. Da waren ganz viele Dinge, bei denen ich dachte: so läuft das also! Und das fand ich unglaublich faszinierend; alleine deswegen lohnt es sich meiner Meinung schon, das Buch zu lesen.

Der Fall an sich ist erfunden, beschäftigt sich aber mit einem Thema, das traurigerweise in den letzten Jahren oft in der Presse war: sexueller Missbrauch von Kindern durch katholische Priester. Ein brisantes Thema und sicher auch kein schönes Thema, aber ein wichtiges Thema... Dabei geht der Autor sensibel damit um, wieviel er beschreibt und wieviel er der Fantasie des Lesers überlässt, was ich sehr gut fand - bei einem solchen Thema ist es nur zu einfach, ins Voyeuristische, Sensationsgeile abzudriften. Ich habe mich mit Herrn Feller auf der Buchmesse ein wenig darüber unterhalten, und er hat unter Anderem gesagt, dass man als Autor ja nicht will, dass Pädophile sich an dem Buch aufgeilen können. (Nur hat er es etwas eleganter ausgedrückt.) In den Passagen, die aus Sicht eines der Kinder geschrieben sind, werden der Schmerz, die Angst und die Verwirrung nur zu deutlich, aber das Sexuelle bleibt mehr oder weniger ungesagt. Ich fand das sehr gut gelöst.

Dabei kann man dem Autor nicht unterstellen, dass er in anderen, nicht-sexuellen Szenen zimperlich mit Gewalt umgeht - es gibt durchaus Blut, Schmerz und Elend, immerhin werden hier Menschen verstümmelt. Aber es überschreitet nie die Grenze zu dem, was man im Englischen "torture porn" (Folterporno) nennt: der Darstellung von Gewalt, um dem Leser einen Kick zu geben.

Das Thema sexuelle Gewalt in Kirchenkreisen ist vielleicht nicht neu, aber ich fand es in "Die Sünde" originell und spannend umgesetzt. Man ist als Leser den Ermittlern immer einen kleinen Schritt voraus - man erfährt sehr schnell zumindest einen Teil der Motivation hinter den Tag, und damit kommt man in ein richtiges moralisches und ehtisches Dilemma. Haben die Opfer verdient, was ihnen angetan wird? Rechtfertigt Gewalt Gegengewalt? Viel der Spannung entsteht daher nicht daraus, dass man herausfindet, wer die Taten begangen hat und warum, sondern daraus, dass man den Ermittlern bei ihrem Wettlauf mit der Zeit zusieht. Können Sie das Opfer noch retten? WILL man als Leser, dass sie das Opfer retten?

Die beiden Protagonisten sind Kriminalkommissar Jürgen Nawrod und Kommissaranwärterin Nesrin Yalcin, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Er ist schwierig, manchmal arrogant, oft aggressiv, ein echtes Alphatier. Die Dinge müssen stets nach seinem Kopf gehen, und er schreckt auch nicht davor zurück, die Vorschriften mal eben über Bord zu werfen. Der Autor macht es einem nicht leicht, Nawrod zu mögen, aber so nach und nach habe ich doch mit ihm mitgefiebert, denn im Endeffekt hat er ein gutes Ziel: er will Menschen retten, und es macht ihn wahnsinnig, dass die Bürokratie da oft im Weg steht. Nesrin ist dagegen klein, zierlich und noch ziemlich unerfahren, und man rechnet erstmal damit, dass sie sich von Nawrod gnadenlos unterbuttern lassen wird - aber weit gefehlt, sie gibt ihm von Anfang an Kontra und fährt die Ellenbogen aus. Auch sie ist alles andere als perfekt, so fährt sie zum Beispiel geradezu kriminell halsbrecherisch Auto... Die Charaktere haben Fehler, Ecken, Kanten, Macken, und das fand ich gerade gut.

Bewertung vom 03.02.2014
Bullenpeitsche / Chas Riley Bd.5
Buchholz, Simone

Bullenpeitsche / Chas Riley Bd.5


ausgezeichnet

Erstmal ein Hinweis: "Bullenpeitsche" ist nicht das erste Buch mit Staatsanwältin Chas Riley, aber man kann es trotzdem problemlos lesen, wenn man die vorhergehenden Bücher nicht gelesen hat - das habe ich nämlich auch nicht. (Werde es aber schnellstmöglich nachholen!)

Das Cover ist sehr schlicht und unspektakulär - und damit passt es ganz gut zu diesem eher ruhigen Krimi mit Lokalkolorit und oft kargem Schreibstil. Das klingt jetzt erstmal so, als hätte ich das Buch nicht gemocht, oder zumindest den Schreibstil nicht, aber tatsächlich ist es für mich einer der besten Krimis, die ich in den letzten Jahren gelesen habe!

Das liegt vor Allem an Chastity "Chas" Riley, die sehr schwierig sein kann, aber auch sehr verletzlich. Aus ihrer Sicht und mit ihrer Stimme bekommen wir die Geschichte erzählt, und das finde ich fantastisch, denn sie hat oft einen wunderbaren feinen Humor und eine ganz eigene Poesie. Und sie ist so vielschichtig wie Blätterteig.

Auch ihre Kollegen und Freunde sind großartige Charaktere, die alle ihre Schwächen und Fehler haben, dabei aber rundum echt und meist auch sympathisch wirken. "Eine merkwürdige kleine Familie sind wir", sagt Chas einmal. "Wie uns das Leben auf Sankt Pauli eben zusammengewürfelt hat." Oft kommt da ein Gefühl von "Wir gegen den Rest der Welt!" auf, eine fast schon rührende Kameradschaft.

Es gibt viele Lokalkrimis, fast jede Buchhandlung hat dafür ein Extra-Regal. Ehrlich gesagt war das bisher nicht mein Lieblingsgenre, aber "Bullenpeitsche" hat mich umgehauen mit seiner Mischung aus Krimi, Korruption, menschlichen Problemen und klarsichtigen Beobachtungen des Lebens. Das kann nirgendwo anders spielen als in Sankt Pauli. Und der Schreibstil... Der Schreibstil war für mich eine Offenbarung. Manchmal klang Simone Buchholz, meiner Meinung nach, wie eine literarische Schwester von Antonia Michaelis. Zwar sind viele Passagen knapp und wortkarg, dafür gibt es aber auch Metaphern und Bilder, die ich mir direkt mehrmals durchgelesen habe, um sie eine Weile auf der Zunge zergehen zu lassen. Oft fand ich den Schreibstil richtig mutig, denn die Autorin scheut auch nicht das Ungewöhnliche.

Das Buch ist kein Thriller. Es ist noch nicht einmal ein sehr temporeicher Krimi. Die Dinge entfalten sich eher langsam im Morast der Korruption, aber ich fand es dennoch spannend - wobei die Spannung für mich eher in der menschlichen Seite lag als in der kriminologischen. Wobei ich nicht sagen will, dass es keine echte Krimihandlung gibt, denn die gibt es: zwei Polizisten wurden ermordet, und bei den Ermittlungen stellt sich heraus, dass jemand aus den eigenen Reihen Dreck am Stecken hat... Außerdem bekommen es Chas und ihr Team mit dem Albaner zu tun, einem Erzfeind, der für sie das ist, was Moriarty für Sherlock Holmes ist - übermächtig, dreist, bösartig, und dennoch fast unmöglich zu fassen. Der ist ganz klar schon in früheren Büchern vorgekommen, deswegen fehlt mir da ein wenig die Hintergrundgeschichte - aber wie gesagt, man kann das Buch gut ohne Vorkenntnisse lesen.

Gibt es eine Liebesgeschichte? So kompliziert, wie Chas Riley selber ist, so kompliziert ist auch die Antwort. Einfacher ist die Frage: gibt es Herzschmerz und Kitsch? Nö, nicht wirklich. Sie selber kann ihre Gefühle nicht einordnen, und das Leben macht es ihr nicht einfacher. Aber das liest sich überraschend gut.

"Bullenpeitsche" ist alles, nur kein 08/15-Krimi. Ob man das mag... Ich denke, das ist einfach Geschmacksache. Ich habe es so sehr geliebt, dass ich direkt alle anderen Bücher der Autorin auf meinen Wunschzettel gesetzt habe, ich würde also sagen: es lohnt sich auf jeden Fall, rauszufinden, ob das Buch etwas für einen ist. Trotz klitzekleiner Mankos hat der Schreibstil für mich alles wieder rausgerissen, und so kam das Buch doch auf 5 Sterne.

Bewertung vom 03.02.2014
Winternacht / Plötzlich Fee Bd.2
Kagawa, Julie

Winternacht / Plötzlich Fee Bd.2


sehr gut

Pro:
Die Autorin zündet hier wieder ein wahres Feuerwerk an Ideen, wobei sie sich geschickt aus der Märchen- und Sagenwelt bedient - und dabei doch nie einfach nur Altbewährtes übernimmt, sondern ihre ganz eigenen Ideen und Interpretationen einbringt.

Nach einem eher langsamen Start - am Anfang geht es doch sehr um Meghan und ihre verletzten Gefühle - fand ich Band 2 beinahe noch spannender als Band 1, denn hier spitzen sich die Feindseligkeiten zwischen dem Sommer- und dem Winterhof drastisch zu, und es steht noch viel mehr auf dem Spiel als nur Meghans und Ashs Leben. Die Geschehnisse entwickeln sich rasant, oft voller Action und unerwarteter Wendungen.

Wir begegnen vielen der Charaktere aus Band 1 wieder, wie z.B. Grimalkin und Eisenpferd, und natürlich Ash, Puck, Oberon und Mab. Manche, wie Eisenpferd, gewinnen in "Winternacht" deutlich an Tiefe! Aber ausgerechnet Meghan hat mich in diesem Band nicht mehr wirklich überzeugt. (S. "Kontra")
Der Schreibstil von Ms Kagawa gefällt mir nach wie vor sehr gut, denn er ist voller toller Bilder und liest sich dabei flüssig, spannend und originell.

Kontra:
Wie beim ersten Band ist das Cover wieder auffällig, durchaus ästhetisch - und vollkommen unpassend für die oft gefährliche und Düstere Feenwelt, die Julie Kagawa beschreibt. Die Bände machen sich ohne Frage gut im Regal, aber ich hätte mir dennach etwas Passenderes gewünscht!
Leider habe ich über Meghan ziemlich oft den Kopf geschüttelt, weil sie so unglaublich begriffsstutzig und naiv ist. So ist sie zum Beispiel fürchterlich entsetzt, dass Ash sie, seit sie am Dunklen Hof sind, anscheinend verachtet - was hat sie denn erwartet? Er hat sie doch vorgewarnt! Natürlich muss er seine Liebe zu Meghan gegenüber Mab, seinen Brüdern und dem gesamten Dunklen Hof verstecken! Manchmal erschien sie mir auch furchtbar auf sich selbst zentriert und egoistisch, dabei war sie im ersten Band immer so selbstlos... Es gibt eine Szene, in der Ash für Meghan etwas tut, was für ihn richtig schrecklich ist, was ihn in Gefahr bringt und sein ganzes Leben über den Haufen wirft - und sie hat nichts Besseres zu tun, als innerlich darüber zu wehklagen, dass er sie gar nicht wirklich liebt. Zum einen: hallo, kriegst du gar nicht mit, wie schlecht es ihm gerade geht? Zum anderen: würde er sowas für ein Mädchen tun, das ihm nichts bedeutet? Puh. Ich hoffe, dass sich das im nächsten Band wieder etwas gibt.

Wenigstens entwickeln sich ihre Fähigkeiten und damit steigt auch ihr Selbstbewusstsein, also habe ich doch Hoffnung, dass Meghan mir im nächsten Band wieder besser gefallen wird.

Ich habe es im ersten Band schon befürchtet, und in diesem Band ist es leider auch geschehen: die unvermeidliche Dreiecksgeschichte ist in Gang gekommen. Ich liebe Ash, aber vielleicht liebe ich auch Puck, aber nein, ich liebe doch Ash... Warum können sich Mädchen in der Jugendfantasy so oft nicht entscheiden? Ich sehe ja ein, dass sie meist noch in einem Alter sind, wo man selten schon die Liebe fürs Leben trifft, aber andererseits sollte man meinen, dass solche dramatischen Ereignisse dazu beitragen, dass sie sich zumindest für die Dauer der Bücher festlegen können.

Zusammenfassung:
Trotz begriffsstutziger Heldin und Dreiecksgeschichte hat mir dieses Buch immer noch sehr gut gefallen. Wer Band 1 mochte, wird sich auch diesen mögen!

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 02.02.2014
Dönerröschen
Konecny, Jaromir

Dönerröschen


ausgezeichnet

Pro:
Lederhosen, Fußball, Gartenzwerg - und das in Verbindung mit dem Titel "Dönerröschen" und dem roten Halbmond? Das Cover passt perfekt zum Buch, denn genau darum geht es: deutsche und türkische Kultur begegnen sich... Und der Leser lacht sich dabei tatsächlich halb schlapp, da verspricht der Klappentext nicht zu viel!

Ganz am Anfang rief das Buch bei mir eher gemischte Gefühle hervor, da ich mir manchmal nicht sicher war: werden hier Vorurteile bestätigt, oder einfach nur durch den Kakao gezogen? Aber es dauerte nicht lange, bis ich mir sicher war: der Autor spielt mit den Vorurteilen, die vielleicht auch der Leser heimlich hegt, überzieht sie bis ins Lächerliche und lässt uns dabei gnadenlos mit unseren Klischees gegen die Wand laufen. Und das ist großartig! Es gibt sicher viele Jugendbücher, in denen es um die Begegnung von Kulturen, um Vorurteile und Rassismus geht, aber hier wird das Thema originell, frisch und zum Schreien komisch angepackt.

Jonas ist ein fantastischer Held mit Ecken und Kanten und liebenswerten Macken. Er hat das Herz am rechten Fleck, aber er begegnet seiner neuen Wohngegend und den Türken, die jetzt seine Nachbarn sind, manchmal mit Vorurteilen und sogar Angst. Aber er geht dennoch mutig auf sie zu und muss bald schon feststellen, dass die Welt nicht schwarz-weiß ist und man Menschen nicht in Schubladen stecken kann.

Er ist derjenige, der uns die Geschichte erzählt, und dabei gelingt es dem Autor, ihn wirklich authentisch klingen zu lassen wie einen 16-jährigen. Mal strotzt der Schreibstil übelst krass vor Jugendsprache, dann gibt es wieder kurze Passagen, in denen Jonas etwas steif und förmlich klingt - was erstaunlicherweise passt, als wäre ihm gerade wieder eingefallen, dass er ja ein Buch schreibt! Und ab und an schwingt er sich sogar zu richtig poetischen Formulierungen auf, wobei es nie unglaubwürdig wird.

Auch die anderen Charaktere sind fantastisch. Manchmal habe ich mich neidvoll gefragt: wo nimmt der Autor das her? Ob das jetzt Jonas etwas neurotische Mutter ist, die all paar Seiten in Ohnmacht fällt, sein schrulliger Vater, der mit Begeisterung Dinge kaputtmacht, oder sein Hund Napoleon, der Fleisch eklig findet und nur Kuchen frisst, sie sind alle lustig und knallbunt und scheinbar direkt aus dem Leben gegriffen.

Die Liebesgeschichte ist richtig süß - manchmal hätte ich Jonas am liebsten geknuddelt, so goldig war er in seiner Verknalltheit.

Kontra:
In den ersten Kapiteln waren mir die geballten Vorurteile etwas zu viel, durch den Kakao gezogen oder nicht, aber das gab sich schnell. Wer sich also am Anfang denkt: nein, das ist mir einfach zu überzogen, der sollte dem Buch eine Chance geben und erstmal weiterlesen!

Am Ende des Buches lösen sich ein paar Konflikte für meinen Geschmack etwas ZU glatt und problemlos auf, aber andererseits ist es ein schönes, passendes Ende für ein Jugendbuch.

Zusammenfassung:
Hier werden Vorurteile angeprangert - aber nicht durch Tragik und Betroffenheit, sondern durch gnadenlos überzogenen Humor. Mir hat das sehr gut gefallen, und ich habe mich ratzfatz durch das Buch gelesen und mich dabei schippelig gelacht.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 31.01.2014
Sonnenherz
Suckel, Sophia

Sonnenherz


sehr gut

Es gibt unzählige Menschen, die sich wünschen, einmal ein Buch zu veröffentlichen - aber nur wenige davon erreichen dieses Ziel oder versuchen es wenigstens ernsthaft. Viele geben auf, bevor sie auch nur die erste Seite gefüllt haben, denn es erscheint ihnen wie ein unerreichbarer Traum. Sophia Suckel war entschlossen, organisiert und kreativ genug, um 188 Seiten mit ihrer ganz eigenen Fantasy-Geschichte zu füllen und einen Verlag dafür zu begeistern - und dabei war sie zum Zeitpunkt der Veröffentlichung erst 15 Jahre alt. Allein das verdient meiner Meinung nach schon Bewunderung!

"Sonnenherz" ist ein klassischer High-Fantasy-Roman mit Helden und Schurken, Göttern und Magiern. Genau die Art Roman, die ich in Sophias Alter verschlungen habe! Dabei ist nicht zu überlesen, wie einfallsreich die junge Autorin ist: die Geschichte ist randvoll mit originellen Charakteren und fantasievollen Details, und auch die ein oder andere überraschende Wendung fehlt nicht. Manchmal hätte ich mir ein klein bisschen mehr Struktur gewünscht, denn die Geschehnisse überschlagen sich gelegentlich! Andererseits bringt natürlich gerade diese Vielzahl der Ideen Atmosphäre und Spannung.

Der Schreibstil ist beeindruckend für eine noch ungeübte Autorin - da habe ich schon deutlich Schlechteres von wesentlich älteren Autorinnen gelesen! Sophia ist definitiv sehr talentiert, und man merkt dem Schreibstil an, dass sie selber schon viele Romane dieses Genres gelesen hat und im Grunde weiß, wie man eine Szene aufbaut, einen Charakter beschreibt und die Handlung vorantreibt.

Es baut sich relativ rasch Spannung auf, denn Nuria, die Protagonistin, muss sich mit einer Menge Gefahren und scheinbar unlösbaren Aufgaben herumschlagen, und dabei nebenher noch sich selbst entdecken. Leider krankte die Spannung ab und an etwas am Tempo: manchmal überschlagen sich die Ereignisse, wo ich mir mehr Details und tiefergehende Erklärungen gewünscht hätte, und in anderen Szenen geht es nicht recht voran. Ich denke aber, das ist etwas, was die Autorin mit mehr Erfahrung schnell beherrschen wird!

Ich konnte Nuria und ihre Freunde gut leiden und habe gerne über sie gelesen. Nuria ist sehr glaubwürdig - was bestimmt auch daran liegt, dass die Autorin und ihre Protagonistin im gleichen Alter sind! Was mir allerdings öfters aufgefallen ist: Nuria hört Menschen nicht zu. Besonders Autoritätsfiguren, und auch dann nicht, wenn sie offensichtlich etwas Wichtiges zu sagen haben. Und so wird sie öfter überrascht von Dingen, die sie eigentlich schon wissen könnte. Manchmal wird sie auch zornig, wenn man ihr eigentlich nur helfen will, weil sie das als Bevormundung empfindet. Aber es ist ja durchaus realistisch, dass Nuria nicht perfekt ist sondern auch Fehler und Schwächen hat, und für einen Teenager (auch einen Teenager in einem Fantasy-Buch) ist es ja gar nicht so ungewöhnlich, sich in kleinen und großen Dingen gegen Autoritätsfiguren aufzulehnen!

Manches war für mich nicht 100%ig schlüssig. Zum Beispiel hat Nuria in den vierzehn Jahren, die sie bei ihrem Ziehvater lebte, anscheinend nie seine Augen gesehen und kann daher nicht sagen, ob er auch violette Augen hat wie sie. Oder Nurias Beziehung zu Finley, dem Neffen ihres Ziehvaters: mal sagt sie, sie konnte ihn noch nie leiden, dann freut sie sich wenige Sätze später aber doch, ihn zu sehen, und sagt zwei Seiten darauf, dass sie ihn insgeheim bewundert.

Auch das ist etwas, von dem ich mir sicher bin, dass die Autorin mit jeder geschriebenen Seite dazulernen wird. Und die kleinen Mankos, die ich aufgelistet habe, heißen ja auch nicht, dass "Sonnenherz" ein schlechtes Buch ist - es ist ein unterhaltsames, fantasievolles Buch einer sehr vielversprechenden jungen Autorin!

Wer Bücher wie die Jugend-Fantasy-Romane von Tamora Pierce oder Wolfgang und Heike Hohlbein gerne liest, sollte ein Auge auf Sophia Suckel haben!

Bewertung vom 28.01.2014
Der Herr der Tränen / Rostigan & Tarzi Bd.1
Bowring, Sam

Der Herr der Tränen / Rostigan & Tarzi Bd.1


sehr gut

Pro:
Der ganz große Pluspunkt des Romans ist für mich die dichte, originelle Welt, die der Autor erschaffen hat. In den liebevoll erdachten Details liegt deren Überzeugungskraft, und darin hebt sich dieser Fantasy-Roman für mich auch aus der Masse ab. Er bietet viele neue, brilliante Ideen, und es gibt auch die ein oder andere wirklich überraschende Wendung! Die Art und Weise, wie hier Magie funktioniert, fand ich sehr faszinierend und überzeugend, und die fantastischen Wesen sind großartig und lebendig beschrieben.

Gut, die Grundidee des widerwilligen Helden, der gegen ein scheinbar übermächtiges Unrecht ankämpft, ist vielleicht nicht neu, aber sie wird hier auf ganz eigene Art umgesetzt. Denn Rostigan ist ein sehr interessanter Protagonist, den man am Anfang nur schwer einschätzen kann und dessen Tiefgang man erst nach und nach erkennt.

Überhaupt sind die Charaktere ein echtes Highlight, wobei mir besonders gefiel, wie hier mit Gut und Böse gespielt wird. Die Wächter waren alle mal gute Menschen, die ihr eigenes Leben riskierten, um die Welt zu retten. Dass verderbte Magie auf sie überging, war nicht ihre Schuld - aber dennoch sind sie zum Teil jetzt nur noch abgrundtief böse... Kann man sie dafür verurteilen? Besteht noch eine Chance, aus dem Grund ihrer Seele ihr altes Ich wiederzuerwecken? Und selbst wenn das gelingen sollte - lohnt ein Leben noch, wenn es von soviel Hass und Gewalt berührt wurde?

Die Spannung baute sich für mich schnell auf und schraubte sich im Verlauf der Geschichte immer weiter in die Höhe - wobei ich die Entwicklung der Charaktere fast noch spannender fand als die Frage, ob und wie die Welt gerettet werden kann!

Der Schreibstil liest sich gut und flüssig, und der Autor biete viele fesselnde Szenen und eindringliche Bilder. Er lässt viele Hinweise nur nach und nach einfließen, und so können Entwicklungen immer noch überraschen, auch wenn der aufmerksame Leser schon eine Vorahnung gewinnen konnte.

Kontra:
Das Einzige, was mich an dem Roman immer wieder gestört hat, war die Darstellung von Gewalt.

Versteht mich nicht falsch - ich denke, dass Gewalt durchaus beschrieben werden DARF und je nach Genre oft auch MUSS: um eine Szene realistischer zu machen, eine Botschaft rüberzubringen oder vielleicht auch nur die Spannung zu erhöhen. Aber es ist für mich ein Unterschied, ob in einem Fantasy-Buch eine Schlacht geschildert wird, bei der es Tote und Verletzte gibt, oder ob, wie hier, sadistische Taten immer und immer wieder geschildert werden, um... Ja, um was? Zu zeigen, wie böse der Charakter ist? Dafür hätten ein oder zwei solcher Szenen gereicht, aber der Autor schwelgt geradezu in immer neuen Beschreibungen der Folter und des Blutrauschs.

Ich habe sicher schon genauso grausame Szenen in anderen Büchern gelesen, aber hier erschienen sie mir zum Teil einfach... überflüssig und damit seltsam frivol. Gewalt als Selbstzweck, auch wenn der Autor das vielleicht so nicht beabsichtigt hat. Allerdings habe ich ein Interview mit ihm gesehen, in dem er zu suggerieren scheint, dass er die übertriebene Gewalt lustig findet, und ich weiß nicht, ob das besser ist...

Das Ende kam für mich ein wenig zu abrupt - ich habe tatsächlich erstmal nachgesehen, ob meinem Buch nicht vielleicht ein paar Seiten fehlen.

Zusammenfassung:
Trotz meines leichten Unbehagens, was die Schilderung sadistischer Gewalt in diesem Roman betrifft, fand ich das Buch definitiv sehr lesenswert! Die Charaktere sind interessant, die Welt ist dicht und originell, und die Geschichte zieht den Leser schnell und gründlich in ihren Bann. Ich werde definitiv auch den zweiten Band lesen!

Bewertung vom 27.01.2014
Sommernacht / Plötzlich Fee Bd.1
Kagawa, Julie

Sommernacht / Plötzlich Fee Bd.1


ausgezeichnet

Pro:
Julie Kagawa schreibt über Feen und Elfen und Nixen und andere märchenhafte Wesen, aber die Sagenwelt, aus der sie dabei aus dem Vollen schöpft, ist keineswegs harmlos und fröhlich. Wenn man mal an die alten Märchen und Sagen denkt, dann haben die es meistens ganz schön in sich: ob das jetzt die böse Königin bei den Gebrüdern Grimm ist, die sich in glühenden Eisenschuhen zu Tode tanzen muss, die irische Ban Sidhe, die mit ihrem grauenhaften Schrei den Tod ankündigt, oder das schottische Katzenwesen Grimalkin, das mit dem Teufel in Bunde stehen soll. Und so ist auch in diesem Buch die Welt der Feenwesen von eher grausamer Schönheit, oft bedrohlich und düster. Ein wenig hat mich Inhalt und Stil an Holly Black und ihr großartiges Buch "Die Zehnte" erinnert - was als großes Kompliment gedacht ist!

Ich habe in anderen Kritiken den Vorwurf gelesen, der Geschichte mangele es an Originalität, da die Autorin sich zu viel aus anderen Büchern borge. Das würde ich so nicht unterschreiben. Ja, hier kommen viele Wesen vor, die es auch in anderen Werken schon gibt, aber mal ehrlich - wieviele Autoren haben seit J.R. Tolkien über Elfen und Zwerge geschrieben? Es besteht ein Unterschied zwischen imitieren und inspirieren, und meiner Meinung nach lässt sich Julie Kagawa inspirieren, und das auf fabelhafte Art und Weise. Auch ihre ganz eigenen Erfindungen fand ich fantastisch, allen voran die Eisernen Feen, die unserem modernen Fortschrittsglauben entsprungen sind. Im Original heißt das Buch übrigens auch "The Iron King", "Der Eiserne König" - das klingt doch schon ganz anders als "Plötzlich Fee"!

Für mich wurde das Buch schnell spannend - Meghans kleiner Bruder wird ins Feenreich verschleppt und durch einen bösartigen Wechselbalg ersetzt, und ehe sie sich versieht, wird sie kopfüber in eine Welt geschmissen, über die sie fast nichts weiß und die sie nicht versteht. In Begleitung ihres besten Freundes - der sich als kein Geringerer als Puck herausstellt, über den schon Shakespeare in "Ein Sommernachtstraum" geschrieben hat - gerät sie von einer gefährlichen Situation in die nächste und muss dabei feststellen, dass schon ganz alltägliche Dinge, wie sich zu bedanken, etwas zu Essen anzunehmen oder etwas zu versprechen, fatale Konsequenzen haben können.

Meghan wird oft vorgeworfen, sie sei dumm. Ist sie manchmal unglaublich naiv? Definitiv. Trifft sie falsche Entscheidungen? Jaaaa, zugegeben. Aber mal ehrlich? Ich bin mir nicht sicher, ob ich mich in dem Alter besser geschlagen hätte - man muss bedenken: es ist eine Sache, Geschehnisse in Büchern zu lesen und aus dem bequemen Lesesessel zu beurteilen, und eine völlig andere, sie zu erleben und unter Stress und in Lebensgefahr Entscheidungen treffen zu müssen, wie es hier von Meghan erwartet wird. Ich fand sie gerade interessant, weil sie alles andere als perfekt ist, und sie hat ja auch ihre guten Seiten. Obwohl sie große Angst hat, schlägt sie sich tapfer und riskiert ihr eigenes Leben, um die zu retten, die sie liebt.

Auch Puck und Ash haben mir gut gefallen, dabei hasse ich normalerweise Alles, was auch nur entfernt an eine Dreiecksgeschichte erinnert, mit flammendem Zorn! Aber in diesem ersten Band hält sich die Romantik noch in gut erträglichen Grenzen.

Den Schreibstil fand ich wunderbar, sehr packend und einfallsreich und voller bestechender Bilder.

Zusammenfassung:
Wer Holly Black mag, oder überhaupt gerne Urban Fantasy liest, die auf Märchen und Sagen beruht und dabei überhaupt nicht idyllisch und niedlich ist, sollte der Reihe vielleicht eine Chance geben. Der erste Band hat mich vollends überzeugt, wobei ich allerdings direkt auf meine Kritik des zweiten Bands vorgreifen muss - der hat mich nicht mehr so 100%ig überzeugt, war aber immer noch unterhaltsam.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 19.01.2014
Spooky Lucy, Mein Date im Jenseits
Murray, Tamsyn

Spooky Lucy, Mein Date im Jenseits


gut

Pro:
Die Grundidee ist nicht ganz neu: Geister, die auf dieser Welt noch etwas zu erledigen haben, sind an den Ort gebunden, an dem sie gestorben sind. Kennt man schon. Originell ist die Idee, dass Lucy ausgerechnet auf einer Herrentoilette ermordet wurde - das ist nicht nur furchtbares Pech für sie (es gibt angenehmere Orte, um darin zu spuken) sondern bietet auch viel Potential für schwarzen Humor. Ich musste öfter mal schmunzeln und ich vermute, dass der Humor noch viel besser bei der angepeilten Altersgruppe von 14 bis 17 Jahren ankommt.

Lucy war mir am Anfang nicht sehr sympathisch - in den ersten Kapiteln ist sie unfreundlich, sarkastisch und lässt ihre schlechte Laune ausgerechnet an dem ersten Menschen aus, der sie sehen kann und der ihr nur helfen will. Aber wahrscheinlich wäre jeder mies drauf, der seit Monaten auf einer stinkenden Toilette leben muss! Im Laufe des Buches merkt man nach und nach, dass Lucy im Grunde warmherzig und hilfsbereit ist: sie verteidigt die mollige Hep, die traurigerweise auch im Leben nach dem Tode gemobbt wird, und sie versucht sogar, ihre größte Feindin zu retten, obwohl sie sich dabei selber in Gefahr begibt. Leider blieb Lucy dennoch etwas blass (s. "Kontra").

Mein Lieblingscharakter ist Jeremy, der eigentlich keinerlei Verpflichtung gegenüber Lucy hat, aber dennoch viel Zeit und Energie opfert und sich sogar in Gefahr begibt, um dem unglücklichen Teenager-Geist als brüderlicher Freund rührend zu helfen.

Die Liebesgeschichte zwischen Lucy und Ryan, dem angesagtesten, beliebtesten Geisterjungen, der in ganz London rumspukt, ist richtig süß, wenn auch manchmal etwas ZU zuckrig - und turboschnell (s. "Kontra").

Der Schreibstil ist eher einfach, aber für die Zielgruppe meiner Meinung nach nicht ZU einfach. Er lässt sich jedenfalls schnell und flüssig lesen, was das Buch zu einer netten Lektüre für zwischendurch macht.

Kontra:
Das Cover gefällt mir überhaupt nicht - ich finde es nichtssagend und visuell langweilig.

Der Teil der Handlung mit dem meisten Spannungspotential - Lucys Mörder, der frei herumläuft und vielleicht wieder töten könnte - ging für mich leider völlig unter, da Lucy selber erstmal erstaunlich wenig Interesse daran hat. Es ist Jeremy, der recherchiert, Zeugen auftreibt und sich den Kopf zerbricht, wie man den Mörder stellen könnte, aber richtige Spannung kam für mich dabei nicht auf. Es geht viel mehr darum, wie Lucy unter den Geistern Freunde findet, sich verliebt und lernt, ihre Geisterfähigkeiten einzusetzen - und die Geschichte plätschert dabei ohne große Höhen und Tiefen vor sich hin.

Die Charaktere bleiben ziemlich blass und eindimensional. Lucy ist der kesse Teenager mit dem im Grunde weichen Herzen, Jeremy ist der schrullige Möchtegern-Bruder, Hep ist die ständig rasend wütende Selbstmörderin, die eigentlich nur ihren inneren Schmerz verbirgt, Ryan ist der Sunnyboy, den jeder mag und der sich um jeden kümmert. Über Lucys Leben erfährt man so gut wie nichts, dabei ist sie immerhin die Hauptperson!

Ich bin es ja gewöhnt, dass die Liebesgeschichten in Jugendbüchern und besonders romantischen Fantasy-Büchern oft sehr schnell gehen. Aber Lucy und Ryan stellen hier neue Rekorde auf: sie treffen sich, sie machen für vielleicht zehn Minuten Smalltalk - wie lang bist du schon tot, was hörst du so für Musik -, da singt Ryan auch schon seelenvoll Lucys Lieblingslied und sie ist sich sicher, dass er ihr Seelengefährte ist. Sie kennen sich eigentlich kaum, und ich hatte auch nicht den Eindruck, dass sie sich im Laufe des Buches so viel besser kennenlernen... Zumindest lernen sie, dass sich auch Geister küssen können. Aber die Liebesgeschichte hat in etwa so viel Tiefgang wie eine Pfütze.

Zusammenfassung:
Nett. Das ist das Erste, was mir zu dem Buch einfällt. Es ist... irgendwie süß, hat eigentlich gute Ideen, die Liebesgeschichte ist ganz niedlich... Aber so richtig zünden tut nichts davon.

Bewertung vom 18.01.2014
Dunkler Zwilling
Bezler, Doris

Dunkler Zwilling


gut

Pro:
Dieser Jugendthriller wartet mit einer spannenden Grundidee und vielen originellen Einfällen auf. In die Haupthandlung sind ein paar Nebenhandlungen verwoben, die falsche Fährten legen, von der richtigen Auflösung ablenken oder einfach ein runderes Bild davon vermitteln, wer die Charaktere wirklich sind, wie sie ticken, was sie wollen, was sie fürchten.

Auch, wenn ich mich mit dem ersten Drittel des Buches schwer tat und die Handlung manchmal etwas vorhersehbar fand (s. "Kontra"), fand ich die letzten beiden Drittel doch unterhaltsam und gut zu lesen, und die ein oder andere Sache konnte mich trotz allem überraschen. Die endgültige Auflösung am Schluss hatte ich mir zum Teil so gedacht, aber ein paar Einzelheiten waren mir entgangen!

Max war mir erst nicht so sympathisch, da wir ihn in einer Phase seines Lebens kennenlernen, in der er unglaublich wütend und enttäuscht ist und das auch mal an den Falschen auslässt. Aber man kann ihn auch verstehen, den er ist gerade in einem Alter, wo man ohnehin daran zu knabbern hat, wer man ist und wer man sein will, und dann erzählen ihm seine Eltern auf einmal etwas, das sein ganzes Selbstbild über den Haufen wirft. Im Laufe des Buches mochte ich ihn immer lieber und habe mehr und mehr mit ihm mitgefiebert.

Chiara, seine Freundin, war mir dagegen von Anfang an sympathisch. Sie ist loyal, mutig, einfühlsam... Mir haben besonders die Passagen gut gefallen, die aus ihrer Sicht geschrieben waren.

Kontra:
Ein großer Teil der Handlung ist bereits passiert, als der Leser sozusagen dazustößt - ein sehr interessanter Teil der Handlung! Max schreibt erst Wochen später in sein Tagebuch, wie er an die Schule kam, wie er herausfand, dass er dem toten Maurice zum Verwechseln ähnlich sieht, wie Maurices Freundin Annalena und seine Stiefschwester Chiara darauf reagieren... Da ist so viel Spannungspotential drin, aber der Kniff mit dem Tagebuch funktioniert für mich überhaupt nicht, sondern nimmt im Gegenteil für mich Unmengen an Spannung und Tempo raus. Der Leser ist nicht unmittelbar dabei, sondern bekommt Alles mit zeitlicher und emotionaler Distanz geschildert.

Etwa ab dem Zeitpunkt, als Max' Tagebuch die Gegenwart einholt, funktioniert die Geschichte für mich viel besser, denn jetzt sind wir als Leser mitten drin im Geschehen. Ab da greift die Autorin wesentlich weniger auf das Tagebuch zurück, sondern beschreibt viel mehr direkt, ohne diesen "Umweg", was passiert.

Manches fand ich aber leider recht vorhersehbar, und die Auflösung ging mir gelegentlich zu sprunghaft. Oft hatten es die Charaktere für meinen Geschmack zu einfach, Hinweise zu finden, zu entschlüsseln und richtig zu verstehen. Es ist öfter vorgekommen, dass jemand auf einen Hinweis stößt und sich plötzlich an etwas wirklich Wichtiges, Aufschlussreiches in der Vergangenheit erinnert.

Das ist eher "Thriller light", aber vielleicht ist das auch Absicht, denn das Buch richtet sich ja an Jugendliche, die möglicherweise keine erfahrenen Thriller-Leser sind.

Die Art und Weise, wie die Jugendlichen in diesem Buch reden und schreiben, fand ich leider oft nicht sehr gelungen, obwohl die Autorin Lehrerin ist. Besonders in den ersten ~100 Seiten des Romans ist mir das immer wieder unangenehm aufgefallen. Manches ist einfach zu förmlich, und dann werden wieder Begriffe aus der Jugendsprache eingestreut, die auf mich eher aufgesetzt wirkten.

In den letzten beiden Dritteln des Buches wurde das für mein Empfinden allerdings viel besser, und danach ließ sich das Buch für mich flüssig lesen, ohne, dass ich ständig stutzen musste.

Manche der Charaktere blieben für mich ein wenig blass; da hätte ich zum Teil gerne mehr erfahren.

Zusammenfassung:
Das erste Drittel zog sich für mich etwas zäh, danach fand ich das Buch unterhaltsam, wenn auch nicht nervenzerfetzend spannend. Ein richtiger Thriller war es für mich nicht - wie oben schon gesagt, eher ein Thriller light.

Bewertung vom 17.01.2014
Mode ist ein glitzernder Goldfisch / Harriet - versehentlich berühmt Bd.1
Smale, Holly

Mode ist ein glitzernder Goldfisch / Harriet - versehentlich berühmt Bd.1


ausgezeichnet

Das Cover finde ich wunderbar: etwas schrullig und dabei doch schön. Was fantastisch zur Geschichte passt, denn auch Harriet, die Heldin des Romans, ist ein bisschen sonderbar und dabei ein ganz wunderbares Mädchen mit viel innerer Schönheit - und anscheinend ja auch äußerer!

Harriet erstellt sich Diagramme, bevor sie lügt, damit dabei auch ja nichts schiefgeht. Sie trägt am liebsten ihren Winnie-Puh-Pullover oder überhaupt Klamotten mit Zeichentrickfiguren drauf, und eine Modezeitschrift hatte sie in ihrem Leben noch nie in der Hand. Wenn sie gestresst ist, versteckt sie sich unter dem Tisch - auch in der Öffentlichkeit. Sie liebt es, zu lernen, und hat ihre Hausaufgaben schon Tage vor dem Abgabedatum fertig. Sie ist altklug und weiß eine Menge unnützer, aber interessanter Dinge, wie z.B., wie oft das Herz eines Igels in der Minute schlägt. Oft kommt sie sich vor wie ein Eisbär im Regenwald.

Harriet ist ein großartiger Charakter. Mit ganz eigener Stimme und oft zum Schreien komisch berichtet sie von ihren Abenteuern und Misserfolgen. Auch die anderen Charaktere sind knallbunt und überlebensgroß: Ihre Stiefmutter Annabel, die Diagramme und Logik genauso liebt wie Harriet. Ihr Vater, der eigentlich nur ein großes Kind ist - ein albernes, übereifriges Kind ohne viel Sinn für die Realität, aber dabei sehr liebenswert. Ihre beste Freundin Nat, die mit Harriet fast nichts gemein hat und dennoch alles für sie tun würde. Der Stalker Toby, der doch eigentlich nur einen Eisbär zum Spielen sucht. Und Wilbur, Harriets neuer Agent, der Weltmeister darin ist, sich die unmöglichsten Kosenamen auszudenken.

Und natürlich, Nick - der coole, lässige Junge, der mit seinen 17 Jahren schon eins der angesagtesten Männermodels ist.

Für mich wurde die Geschichte schnell spannend, denn Harriet wird nicht einfach nur als neue Model-Sensation entdeckt, sie verstrickt sich auch ganz nebenbei in die fürchterlichsten Schwierigkeiten. Innerhalb kürzester Zeit hat sie 3.000 Pfund Schulden, sie wird von ihrer ganzen Klasse gehasst, sie stellt fest, dass sie auf hochhackigen Schuhen nicht laufen kann - leider erst knapp vor einer großen Modenschau, bei der sie mitlaufen soll -, und sie traut sich nicht, ihrer besten Freundin Nat zu beichten, dass sie ihren Traum gestohlen hat und verheddert sich dabei in ihren Lügen. Ich habe richtig mit ihr mitgelitten!

Es gibt ja eine Menge Geschichten nach dem Schema: ein hässliches Entlein verwandelt sich in einen wunderschönen Schwan. Hier ist es aber eher die Geschichte, wie ein hässliches Entlein feststellt, dass es immer schon auf ganz eigene Weise schön war, und dass nicht alle Schwäne sein können und müssen. Und so ganz nebenbei verliebt es sich dabei in den schönsten Schwan, ohne sich deswegen zu verbiegen.

Der Schreibstil ist locker-flockig, witzig, einfallsreich und liest sich runter wie nichts. Bevor man sich versieht, ist man schon am Ende angekommen! Wie gut, dass es noch weitere Bücher mit Harriet geben wird.

Ein ganz wunderbares, witziges, herzerfrischenes Buch, nicht nur für Jugendliche sondern für alle Leser, die sich noch daran erinnern können, wie es war, ein Teenager zu sein.