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Benutzername: 
Jo
Wohnort: 
Hagen

Bewertungen

Insgesamt 58 Bewertungen
Bewertung vom 19.10.2022
Lektionen
McEwan, Ian

Lektionen


ausgezeichnet

Hervorragend!

"Du warst so ein rastloser Narr!", das sagt Rolands Ehefrau Daphne am Ende ihres Lebens zu ihrem Mann und fasst damit zusammen, wie Roland sein Leben verbracht hat.
Als Sohn eines Soldaten wuchs er in Libyen auf, kam mit elf auf ein englisches Internat und entpuppte sich als genialer Pianist. Doch statt einen Schulabschluss zu machen und ein Musikstudium in Angriff zu nehmen, reiste er rastlos durch die Welt, lebte von Gelegenheitsjobs. Als er die Deutsch-Engländerin Alissa kennenlernt, heiraten die beiden, doch Alissa verlässt ihn, als ihr kleiner Sohn vier Monate alt ist. Sie will unbedingt Schriftstellerin werden und glaubt das mit Kind nicht zu schaffen. Roland schlägt sich weiterhin irgendwie durch, sein Sohn Lawrence wächst bei ihm auf, da Alissa verschwunden bleibt.
Man begleitet Roland durch sein ganzes Leben, erfährt viel über seine Familie und die von Alissa und das ist so hervorragend geschrieben, dass es keinen Moment von den 700 Seiten langweilig ist. Immer wieder spielt die Weltgeschichte eine Rolle, die Kubakrise, Tschernobyl, Thatcher, und wird mit dem Leben von Roland verwoben.
Ich habe schon einige Bücher von McEwan gelesen, sie gefielen mir meist gut, aber dieses ist das beste seiner Werke. Seine Sprachmacht beeindruckt mich immer wieder, sein sensibler Umgang mit schwierigen Themen ist vorbildlich und man kennt Roland am Ende des Buches vermutlich besser als sich selbst.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 17.10.2022
Unsterblich sind nur die anderen
Buchholz, Simone

Unsterblich sind nur die anderen


gut

Ein modernes Märchen?
Märchenhaft geht es zu bei Simone Buchholz. Zwei Freundinnen machen sich auf den Weg nach Island, um 3 Männer zu suchen, die ebenfalls nach Island gereist sind und von denen aber seit einiger Zeit keine Nachricht kam. Auf der Fähre MS Rjúkandi finden sie die drei Vermissten wieder. Aber auf dem Schiff geht es alles andere als normal zu.
Einen Krimi hat uns Buchholz diesmal nicht vorgelegt. Aber was ist es dann? Ein modernes Märchen? Aber dafür ist mir die Handlung zu überzogen. Nach einem recht märchenhaften Intro hatte ich den Eindruck, dass es auf dem Schiff vor allem um Rauchen, Saufen und Sex geht.
Buchholz beginnt am Anfang mit einer sehr schönen bildhaften Sprache. Das verliert sich aber leider im Laufe des Romans. Besonders die Stellen, die das Gespräch von Nixen, Nymphen, oder wie man die Unterwasserwesen nennen mag, wiedergeben, sind doch recht obskur.
Märchen fand ich jedenfalls bei den Gebrüdern Grimm gelungener.

Bewertung vom 01.09.2022
Stille blutet
Poznanski, Ursula

Stille blutet


sehr gut

Neue Reihe

Mit diesem Buch beginnt Ursula Poznanski eine neue Krimireihe um die Ermittlerin Fina Plank, die in Wien ermittelt und es als junge Frau nicht leicht hat in dem Team aus Mordermittlern.
In einem Fernsehsender kündigt Nadine Just den Tod einer Nachrichtenmoderatorin an - ihren eigenen. Wenig später findet ihr Ex-Freund Tibor Glaser sie erstochen in ihrer Garderobe. Damit wird er zum ersten Verdächtigen in diesem Mordfall und als zwei weitere Menschen getötet werden, finden sich immer mehr Indizien gegen ihn. Nur Fina glaubt nicht an diese Theorie, denn wo ist das Motiv?
Die Geschichte wird aus drei verschiedenen Perspektiven erzählt. Da ist einmal das Ermittlerteam, dann Geiger und als dritte Person schaltet sich immer wieder ein unbekannte Stimme ein, die selbst einen Mord plant. Diese Abschnitte sind mit Zeilen aus einem Gedicht von Georg Trakl überschrieben und dadurch gut kenntlich.
Poznanski hat den Plot gewohnt gekonnt aufgebaut und schreibt wie immer spannend und gut lesbar. Trotzdem gibt es von mir einen Punktabzug, denn ganz hat mich das Buch nicht überzeugt. Dafür ist es manchmal zu verwirrend. Ich hatte auch den Eindruck, dass sie sich noch nicht ganz mit ihren Figuren "angefreundet" hat.
Trotzdem werde ich es bei dem nächsten Band der Reihe noch einmal probieren...

Bewertung vom 24.08.2022
Schlangen im Garten
vor Schulte, Stefanie

Schlangen im Garten


ausgezeichnet

Geheimnisvoll und märchenhaft

Johanne ist tot. Ihr Mann Adam und die Kinder Steve, Linne und Micha trauern tief um sie. Täglich essen sie eine Seite aus ihrem Tagebuch auf, Adam kündigt seine Arbeitsstelle, Steve unterbricht sein Studium, Linne ist wütend und Micha einsam. Das alles ruft das Traueramt auf den Plan, Herr Ginster ist der zuständige Beamte und macht sich Sorgen.
Aber wie trauert man "richtig"? Wie lange darf Trauer dauern? Was haben die Nachbarn damit zu schaffen? Können auch Dinge trauern?
Um alle diese Fragen dreht sich das neue Buch von Stefanie von Schulte, das sich in sehr sensibler Weise mit dem Trauern beschäftigt. Wie schon in ihrem Erstling "Junge mit schwarzem Hahn" vermischen sich auch in diesem Buch reale mit mystischen Elementen, oft geht es sehr märchenhaft zu. Auch in diesem Werk findet man die wunderbare, sensible Sprache, die plastische Bilder vor dem inneren Auge entstehen lässt, Sätze, die man unterstreichen und einrahmen möchte, die man immer wieder lesen will. "Die Welt ist ohne Mitleid. Aber du kannst ja welches haben. Auch wenn dein Zimmer klein oder dein Schicksal zu schwer für dein Leben." (S.152)
Letztendlich kann man die Trauer nur gemeinsam bewältigen, in Gesprächen mit anderen Menschen, die mit uns zusammen stehen und die Toten in ihren Erinnerungen bewahren. Das ist das wichtige Fazit aus diesem Buch.
Das Buch ist eine kleine Kostbarkeit.

Bewertung vom 19.08.2022
Das neunte Gemälde / Lennard Lomberg Bd.1
Storm, Andreas

Das neunte Gemälde / Lennard Lomberg Bd.1


sehr gut

Viel Roman, wenig Krimi

Der Erstling von Andreas Storm ist ein ganz erstaunlich gutes Buch.
Es geht um ein verschwundenes Gemälde, das während der deutschen Besatzung in Frankreich während des 2. Weltkriegs als entartete Kunst angeblich verbrannt wurde. Nun taucht eine Spur unter seltsamen Umständen auf und der Kunstgutachter Dr. Lennard Lomberg hat mit dem Fall zu tun. Als sein Informant ermordet wird, gerät Lomberg in das Visier der Polizei. Er forscht nach und stößt auf eine Spur, die zu seinem eigenen Vater führt, der als Soldat in Paris stationiert war.
Bei Erstlingen habe ich es oft erlebt, dass das Buch mit viel zu vielen Details und Erzählsträngen überfrachtet ist. In diesem Buch ist das nicht der Fall. Storm glänzt mit guten Geschichtskenntnissen und hervorragender Recherche. Die drei Zeitebenen 1943, 1966 und 2016 sind gut sichtbar getrennt und das "Umschalten" zwischen den Zeiten fällt durch die genauen Orts- und Zeitangaben nicht schwer.
Storms Sprache ist anfangs etwas gewöhnungsbedürftig, sie klingt etwas gestelzt und die langen Sätze machen das Lesen nicht immer ganz einfach. Aber man gewöhnt sich schnell daran und dann geht das Buch gut voran.
Mit hat es gut gefallen, dass ein schlimmes Kapitel deutscher Geschichte hier sehr gut und kenntnisreich aufgearbeitet wurde. Da lassen sich ein paar Längen gut verschmerzen.
Auf den zweiten Band mit Dr. Lomberg darf man gespannt sein!

Bewertung vom 12.08.2022
Die Familie
Krupitsky, Naomi

Die Familie


sehr gut

In diesem Buch erhält man tiefere Einblicke in die "Familie", also die amerikanische Mafia. Von 1928 bis 1948 verfolgen wir das Leben von Antonia und Sofia, die in benachbarten Wohnungen in New York aufwachsen und trotz ihrer unterschiedlichen Charaktere enge Freundinnen werden. Ihre Väter arbeiten für die Mafia, ihre Mütter sorgen im Hintergrund für das Leben der Kleinfamilie. Als der Vater von Antonia plötzlich verschwindet, ändert sich das Leben grundlegend. Sofia heiratet später Saul, einen deutschen Juden, und steigt in der Mafia auf, während Antonia ihre Träume begraben muss und ein einfaches Leben als Frau von Paolo führt. Erst die Geburt ihrer Kinder lässt eine Annäherung der beiden Frauen zu. Dann wird es dramatisch...
Der Titel des Buches ist doppeldeutig, er meint sowohl die Mafiafamilie als auch die Kleinfamilie der beiden Hauptfiguren. Beide spielen im Leben der Frauen eine wichtige Rolle, aber während sie der Mafia weitgehend ausgeliefert sind und deren Ehrenkodex beachten müssen, haben sie in ihrer eigenen Familie Einfluss auf die Entscheidungen.
Das Buch ist in einem ganz hervorragenden und sensiblen Stil geschrieben. Krupitsky gelingt es, das Leben der beiden Frauen sehr lebendig werden zu lassen und uns ihre Nöte, Sorgen, aber auch Freuden nahezubringen. Das hat mir sehr gut gefallen.

Bewertung vom 12.08.2022
Susanna
Capus, Alex

Susanna


ausgezeichnet

Alex Capus beschäftigt sich in seinen Büchern oft mit Personen, die am Rande der Weltgeschichte eine kleine Rolle gespielt haben. So ist es auch in diesem Buch.
Susanna Faesch wird Mitte des 19. Jahrhunderts in Basel geboren und malt gern, am liebsten sind ihr Portraits. Sie ist eigenwillig und geht ihren Weg so, wie sie es will, ohne Rücksicht auf Konventionen und die Vorstellungen anderer.
Ihre Mutter, die in ihrer Ehe unglücklich ist, nimmt sie mit nach Amerika, das Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Dort beginnt Susanna professionell mit der Portraitmalerei, das sichert ihr einen auskömmlichen Lebensunterhalt. Sie bekommt einen Sohn, lebt als alleinerziehende Mutter mit ihm und als der Junge für Sitting Bull und das Leben in der Prärie schwärmt, malt sie den berühmten Indianerhäuptling nach einem Foto. Eines Tages fährt sie mit ihrem Sohn selbst zu den Indianern, um das Bild zu übergeben.
Capus schreibt in einem sehr bildhaften Stil, er macht die Menschen und ihre Lebensumstände lebendig. Das gefällt mir gut, man kann direkt in das Leben von Susanna und ihrer Familie eintauchen. Dabei schweift er auch manchmal ab, entwickelt Nebenlinien und kehrt dann zur Hauptfigur zurück. Dadurch wird das Buch niemals langweilig.
Fast unbemerkt erfährt man viel über die Zeit, als der Fortschritt überall einzog und man begeistert war über neue Techniken und Erfahrungen.
Das Buch liest sich leicht und hat mir sehr gut gefallen.