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carola1475

Bewertungen

Insgesamt 167 Bewertungen
Bewertung vom 19.11.2023
Kant und das Leben nach dem Tod / Kommissar Kant Bd.3
Häußler, Marcel

Kant und das Leben nach dem Tod / Kommissar Kant Bd.3


ausgezeichnet

Durchgehend spannender Krimi um skrupellose Verbrechen in einer Hochhaussiedlung

Der Fund von Leichenteilen führt Hauptkommissar Kant in die Hochhaussiedlung Hasenbergl am Rande Münchens. Das Alter des Toten, die Anonymität der Wohnsiedlung, fehlende soziale Kontakte des Opfers und die zu Tage tretende Gleichgültigkeit der Umgebung führen zu mühsamen Ermittlungen und vermitteln eine düstere, trostlose Stimmung, die auch Kant und seinem Team zu schaffen macht und die ebenfalls im passenden Cover Ausdruck findet.
Erzählt wird nicht nur aus den Perspektiven der Ermittler, sondern auch aus Antonias Sicht. Die junge Frau ist bei ihrem Großvater in der Hochhaussiedlung untergekommen, nachdem sie jahrelang in Portugal gelebt hat und nun in München einen Neuanfang wagen will.
Protagonisten wie auch Nebencharaktere sind glaubwürdig gezeichnet und treten authentisch auf. Wie im richtigen Leben gibt es merkwürdige Figuren, die nicht leicht einzuordnen sind, aber werden sie dadurch auch zu Verdächtigen? Als Leser kann ich mit rätseln und eigene Mutmaßungen anstellen, da ich durch Antonias Erzählstrang mehr weiß als die Ermittler.

Ich kenne die ersten beiden Bände um Kommissar Kant und freue mich, über Entwicklungen im Privatleben der Ermittler zu lesen, aber auch Neueinsteiger in die Serie werden keine Verständnisschwierigkeiten haben, da Wichtiges rückblickend kurz erwähnt wird.

Marcel Häußlers Schreibstil ist sehr angenehm zu lesen, er schreibt auf den Punkt, kein Wort ist da zu viel, feiner Humor und treffsichere Beobachtungen vermitteln Lokalkolorit und Stimmung und ziehen mich von der ersten Seite an in die Geschichte hinein, die in einem spannenden Showdown gipfelt.
Es macht einerseits Spaß, die realistisch beschriebene Ermittlungsarbeit zu verfolgen und es ist andererseits bedrückend festzustellen, wie leicht die Lebenssituation eines Opfers es Menschen mit genug krimineller Energie und Skrupellosigkeit macht, ihr Vorhaben umzusetzen.

'Kant und das Leben nach dem Tod' ist durchgehend spannend und hat mich sehr gut unterhalten. Ich freue mich jetzt schon auf den nächsten Band.

Bewertung vom 25.10.2023
Findungstag (Evergreen Ray Band1)
Hofstätter, Caroline

Findungstag (Evergreen Ray Band1)


ausgezeichnet

Spannender Auftaktband eines Science Fiction-Mehrteilers um Künstliche Intelligenz und die Grenzen, die der Mensch ihr setzen kann

Die 18jährige Evergreen Ray lebt in Wien, eine Stadt, die am Ende unseres Jahrhunderts sehr grün, modern und menschenfreundlich erscheint, umkonfiguriert durch die zuständige Concordia-KI. Es gibt kleine Wälder in der Stadt, alles Notwendige ist innerhalb von Minuten erreichbar, jede Wohneinheit verfügt über persönliche KI-Roboter, die das Leben leichter machen. Die Menschen werden permanent von Concordia versorgt und überwacht und fast alle sind zufrieden.

Eve will Musikerin werden, aber die Pläne der KI sehen am 'Findungstag' eine ganz andere berufliche Zukunft für die junge Frau vor. Eve ist schockiert und entzieht sich, sie nimmt eine andere Identität an und ich lerne sie als Anna Berger kennen. Annas Tagesablauf ist nicht unbeschwert, denn sie achtet darauf, jederzeit 'unter dem Radar' der Überwachung zu bleiben. Da sie aus der Ich-Perspektive erzählt, teile ich ihre Gedanken und Gefühle und fühle mich ihr schnell sehr nah. Evergreen ist selbstironisch, dadurch gibt es auch humorvolle Momente, obwohl sie mit schwerwiegenden Problemen konfrontiert ist. Erst rückblickend erzählt sie von ihrem Findungstag, der für sie das Ende ihres bisherigen Lebens bedeutete. Eve ist einfallsreich, entscheidungsfreudig und mutig und es macht Spaß, mit ihr im faszinierenden Wien einer möglichen Zukunft unterwegs zu sein.

Je mehr über die technische Möglichkeiten erzählt wird, desto spannender wird die Geschichte. Denn nicht nur Eve ist in Gefahr, sondern vielleicht die ganze Menschheit.
Caroline Hofstätters Schreibstil ist angenehm zu lesen, lebendig und bildhaft, alle ihre Figuren sind authentisch und selbst die verschiedenen KIs erscheinen glaubhaft. Gekonnt bindet die Autorin vielfältige technologische Innovationen im Wien des Jahres 2095 in die spannende Geschichte ein, die ausgehend von heutigen Stand der Technik durchaus vorstellbar sind.
Der Roman um Evergreen Ray und die Frage nach der Beherrschbarkeit von hochentwickelter KI ist packend und überzeugend und hat mich bestens unterhalten. Ich freue mich auf den zweiten Band.

Bewertung vom 20.10.2023
Pietà - Steinerner Tod
Thomas, Alex

Pietà - Steinerner Tod


ausgezeichnet

Spannend von Anfang bis Ende

Der Fund einer blutüberströmten Skulptur unter dem Brandenburger Tor sorgt dafür, dass der herzkranke Hauptkommissar Magnus Böhm aus dem Ruhestand geholt wird, denn er war vor 14 Jahren bereits mit einer solchen Skulptur aus Menschenkörpern konfrontiert. Zusammen mit der jungen, noch unerfahrenen Kommissarin Annetta Niedlich nimmt Böhm die Ermittlungen auf.

Erzählt wird aus verschiedenen Perspektiven, die bei mir ganz unterschiedliche Gefühle auslösen. Von Anfang an bin ich gefesselt, als ich die Gedanken der überlebenden Frau teile, ihr Entsetzen, der Schock und die Erschöpfung, ich bin amüsiert, als Böhm eingeführt wird und nehme neugierig und widerstrebend auch die Täterperspektive ein, so abstoßend wie faszinierend.
Die Figurenzeichnung ist auch auf psychologischer Ebene bei Protagonisten und bei Nebencharakteren gut ausgearbeitet und glaubhaft, wozu ein der jeweiligen Figur angepasster Sprachstil beiträgt. Emotionen sind immer greifbar und Vorgehensweisen nachvollziehbar und spannend zu verfolgen. Atmosphärisch wird Berliner Lokalkolorit vermittelt, Örtlichkeiten werden anschaulich beschrieben, auch der Schneefall, der das Vorankommen so erschwert und die Kälte tragen zur Stimmung bei. Sehr gefallen hat mir auch das offensichtliche Kunstverständnis der Autoren, was der Geschichte Tiefe verleiht.

Alex Thomas' Schreibstil ist bildhaft und lebendig, angenehm zu lesen und gleichzeitig packend und auch humorvoll, etwa wenn die Zusammenarbeit von Böhm und Niedlich beschrieben wird oder Böhm sich kurz Zeit für sein Zuhause nehmen muss. Kommissarin Niedlichs Privatleben bleibt in diesem ersten Band noch außen vor, aber sie beweist feine Antennen im Umgang mit ihrem älteren Kollegen, die Beiden ergänzen sich und bilden ein gutes Ermittlerteam. 'Pietà – Steinerner Tod' hat mich bestens unterhalten und ich freue mich auf einen zweiten Band mit den Kommissaren Böhm und Niedlich.

Bewertung vom 17.10.2023
Elbschatz
Wollschlaeger, Nicole

Elbschatz


ausgezeichnet

Sehr gelungener spannender Regionalkrimi zum Miträtseln

Eine Reisegruppe aus Düsseldorf auf dem Weg nach Sylt strandet wegen ihres defekten Busses in Kophusen. Am Unfallort fällt Kommissar Philip Goldberg ein weißer Kastenwagen auf, der danach von den Ermittlern noch öfter gesehen wird, als sie Geocache-Verstecke untersuchen, denn in einem solchen Cache wurde eine Leiche gefunden. Hat die Reisegruppe mit all dem zu tun?

Von Beginn an gibt es in diesem spannenden Krimi viele Fragen und das Mitraten macht sehr viel Spaß. Ist ein Rätsel geklärt, taucht schnell ein neues auf und erst ganz allmählich lassen sich Zusammenhänge erkennen.
Nicht nur die spannende Handlung überzeugt, sondern auch die Figurenzeichnung. Neben dem sympathischen, sich gut ergänzenden Ermittlertrio gibt es weitere interessante, mitunter skurrile Charaktere in der Geschichte. Das Setting im zwar fiktiven, aber realitätsnahen Kophusen erscheint authentisch, die Erwähnung realer Orte und Gegebenheiten im Kreis Steinburg sorgt für Schleswig-Holsteinisches Lokalkolorit.
Die zwischen Philip Goldberg, Peter Brandt und Hauke Thomsen kollegial aufgeteilte Ermittlungsarbeit wird glaubhaft beschrieben, ebenso wie die Freundschaft zwischen den drei Männern und die kurzen Einblicke in ihr Privatleben. Mir hat es auch Spaß gemacht, mehr über Geocaching zu erfahren.

Nicole Wollschlaegers Schreibstil ist flüssig und angenehm zu lesen, sie schreibt augenzwinkernd und ist ihren Figuren sehr zugewandt.
Dieser achte Band um Philip Goldberg war für mich das erste Buch der Reihe. Ich hatte keine Verständnisprobleme, obwohl es Andeutungen früherer Ereignisse gibt, die mich aber eher neugierig auf die Vorgängerbände machen als dass sie mich störten.
Das Cover passt perfekt zur Geschichte und ist mal was anderes, mir gefällt es sehr. 'Elbschatz' hat mich sehr gut unterhalten und ich freue mich auf andere Bücher dieser Krimi-Reihe.

Bewertung vom 14.10.2023
Frau Morgenstern und der Abgrund
Huwyler, Marcel

Frau Morgenstern und der Abgrund


ausgezeichnet

Zweifel und Geheimnisse

Violetta Morgenstern, pensionierte Lehrerin, und der Ex-Söldner Miguel Schlunegger leben immer noch im Untergrund, verstecken sich vor ihrem früheren Arbeitgeber, dem Tell-Ministerium, und verdienen ihren Lebensunterhalt mit Auftragsmorden.
Wobei Violetta diesmal im ersten Fall doch Zweifel kommen hinsichtlich einer Liquidation und auch gesundheitliche Zipperlein machen ihr zu schaffen. Sie hadert mit dem Altwerden. Ihrem Partner Miguel sagt sie aber nichts davon, der ihr seinerseits auch nicht erzählt, was ihm schlaflose Nächte verursacht.
Gemeinsam recherchieren die Beiden pro bono zu einem Mord, dessen Spuren zurück in die 30er Jahre des vorigen Jahrhunderts führen. Hierbei glänzt die kreative Frau Morgenstern ausgesprochen bewundernswert wieder durch ihre genaue Beobachtungsgabe und grandiose Schlussfolgerungen, und die irre Geschichte entwickelt sich zum spannenden Krimi.

Wie auch in den Vorgängerbänden um Frau Morgenstern und Miguel Schlunegger ist die Figurenzeichnung bei aller Skurrilität glaubhaft, die Protagonisten sind ausgesprochen menschlich. Marcel Huwyler unterhält mit schwarzem Humor, absurden Einfällen und äußerst bildhaften witzigen Vergleichen und amüsanten, sprachgewandten Wortspielen und -Neuschöpfungen. Die oft spöttischen Sticheleien und schlagfertigen Dialoge zwischen Violetta und Miguel sind einfalls- und geistreich, lustig und machen das Lesen zum großen Vergnügen. Schweizerdeutsche Ausdrücke sorgen für Lokalkolorit und mir unbekannte Wörter verstehe ich in ihrem Zusammenhang.
Dieser fünfte Band ist unabhängig von den Vorgängern lesbar, trotzdem empfehle ich, auch andere Band der Reihe gelesen zu haben, um die Hintergründe und die Entwicklung der beiden sympathischen, doch eigenwilligen Protagonisten besser verstehen und nachvollziehen zu können, vom bisher entgangenen Lesespaß ganz zu schweigen.

Mir hat die Geschichte wieder sehr gut gefallen - bis auf das Ende, das mich mit vielen Fragen und großer Ungeduld auf den nächsten Band warten lässt.
Ich vergebe 4,5 von 5 Sternen.

Bewertung vom 09.10.2023
Memoria
Beck, Zoë

Memoria


sehr gut

Erschreckende Zukunftsvision

Harriet rettet bei einem Waldbrand eine Frau, die sie zu kennen scheint, während sie Harriet völlig unbekannt ist. Diese Begegnung löst Zweifel und eine zunehmende Unsicherheit bei der Protagonistin aus und erschüttert wie ein Beben ihr bisheriges Leben. Das auffällige Cover mit den intensiven Farben, den Flammen und den verfremdeten seismischen Wellen steht für mich für dieses einschneidende Erlebnis.
Harriet kann manchmal nicht mehr zwischen Träumen und Erinnerungen unterscheiden, sie bemerkt immer mehr Erinnerungslücken, je mehr sie sich mit ihrer Vergangenheit auseinandersetzt und macht sich auf den Weg in ihre Heimatstadt München, um herauszufinden, was vor dem Umzug nach Frankfurt geschehen ist.

Zoë Beck schreibt prägnant, die Figuren sind gut ausgearbeitet, trotzdem bleiben sie für mich auf Distanz. Nüchtern und dennoch bildhaft stellt die Autorin Deutschland in naher Zukunft dar und denkt dabei die aktuelle Situation weiter. Es herrschen hohe Temperaturen und Waldbrände treten selbst in Mischwäldern häufig auf, Missernten aufgrund jahrelanger Dürre sind an der Tagesordnung, Securityfirmen boomen, mit deren Hilfe sich Wohlhabende vor Armen schützen. Harriet bewohnt ein Zimmer in einem früheren Büroturm in Frankfurt. In diesen 'Gemeinschaftswohnflächen' sind Strom und Wasser täglich rationalisiert und relativ sicher sind nur die oberen Stockwerke.

Erzählt wird aus Harriets Perspektive, so dass ich als Leserin keinen Wissensvorsprung habe, sondern mit Harriet zusammen nach Antworten suche. Der Spannungsbogen ist hoch in diesem komplexen Thriller, die Auflösung auf mehr als einer Ebene erschütternd. Ich bleibe mit der Frage zurück, was Wissenschaft darf und ab wann sie Grenzen überschreitet.
Ich empfehle 'Memoria' nicht nur Thriller-Fans, sondern allen Lesern, die sich für Zukunftsvisionen interessieren.

Bewertung vom 07.10.2023
Die Löffelliste
Imboden, Blanca

Die Löffelliste


ausgezeichnet

Eine berührende Geschichte vom Sterben und vom Leben

Die Pflegefachfrau Karin Kaufmann ist an einem Tiefpunkt angekommen und will ihrem Leben ein Ende setzen. Auf dem Dach des Krankenhauses trifft sie allerdings auf den todkranken Reto Rösti, der dort immer noch regelmäßig raucht. Die Beiden kommen ins Gespräch und beschließen, sich gemeinsam davon zu machen, zuerst einmal nach Sankt Moritz. Dort erstellt Reto eine Liste mit Dingen, die er vom geliebten Ort aus noch unternehmen will, bevor er 'den Löffel abgibt'.

Erzählt wird aus Karins Ich-Perspektive, wodurch ich der Protagonistin sehr nah kommen und ihre Gedanken und Gefühle nachvollziehen konnte. Blanca Imboden zeichnet die Protagonisten glaubwürdig und authentisch und vermittelt nicht nur beim Abarbeiten der Löffelliste auch viel Wissenswertes und Überraschendes über St. Moritz, so dass ich der Geschichte ganz gebannt gefolgt bin. Die Autorin hat einen Monat als Writer in Residence in Sankt Moritz verbracht und u.a. der reale Gemeindepräsident Christian Jott Jenny spielt im Roman eine Rolle, was ich ungewöhnlich finde. Der Schreibstil ist eingängig, sehr angenehm zu lesen, die Erzählung um die allmähliche Genesung von Karins Seele einerseits und Retos nahenden Tod andererseits ist mit scheinbarer Leichtigkeit gleichzeitig ernst, humorvoll und berührend. Die bildhaften Beschreibungen Graubündens und des Engadins machen Lust auf eine Reise nach St. Moritz.
Es werden auch gesellschaftliche Themen angesprochen wie der Pflegenotstand oder die schwierige Lage von Einheimischen in einem teuren und beliebten Nobel-Urlaubsort.

'Die Löffelliste' zeigt, wie wichtig Freunde sind, trifft auch an traurigen Stellen immer den richtigen Ton, spendet Trost und macht Mut. Sehr gut passt auch das freundliche gelbe Cover zur Geschichte. Raffaels Putten machen neugierig auf den Zusammenhang mit St. Moritz und der „erledigt“-Haken statt eines i-Punkts beim Titel ist ein schöner, augenzwinkernder Einfall.
Ich habe das Buch sehr gern gelesen und vergebe 4,5 Sterne.

Bewertung vom 25.09.2023
Eigentum
Haas, Wolf

Eigentum


ausgezeichnet

Wolf Haas ganz persönlich

Wolf Haas schreibt über seine Mutter, eine Frau, die sich selbst als ewiges Opfer sah, wenn sie erzählte. Sie wäre in diesem Jahr 100 Jahre alt geworden, sie starb mit fast 95 und Haas schildert ihr Leben. Erzählungen aus ihrer Perspektive, authentisch und im ihr eigenen Sprachstil wiedergegeben, die er abwechselnd mit seinen eigenen, oft assoziativen Überlegungen und Kommentaren niederschreibt, auch mit der Angst im Hinterkopf, die Erinnerungen der Mutter nie mehr loswerden zu können. Zu oft hat sich ihm die rhetorische Trias eingeprägt, die die Mutter meisterlich beherrschte. Trotz Arbeit, Arbeit, Arbeit und sparen, sparen, sparen blieb ihr der Erwerb von Eigentum verwehrt, ihr lebenslanger großer Kummer.
Haas verbringt während der letzten drei Tage seiner Mutter viel Zeit bei ihr im Pflegeheim und trotz ihrer Demenz gelingt es ihm immer wieder, zu ihr durchzudringen. Seine Erzählung zeugt von Respekt und Liebe, ist aber auch eine Auseinandersetzung mit der Kindheit als Sohn dieser Mutter. Haas reflektiert seine Prägung, sein Tun, sein Leben, arbeitet sich an der Mutter ab, erzählt auch von seinen eigenen Erinnerungen. Dabei schreibt er feinsinnig humorvoll, bewegend, mit scheinbarer Leichtigkeit, pointiert und lässt teilhaben am Leben der Marianne Haas, das sicherlich dem Leben vieler Menschen ihrer Generation ähnelt, wie Geschichten aus meiner eigenen Familie vermuten lassen.

Das Cover ist außergewöhnlich, es sieht aus wie gebrauchtes Packpapier mit einem auffälligen Stempel und passt perfekt zum Buch. Unter dem Schutzumschlag kommt überraschend die Zeichnung eines alten Handys zum Vorschein, dessen Bedeutung für den Autor am Ende des Romans klar wird und mich abschließend berührt. 'Eigentum' zeigt eine sehr persönliche Seite des Autors, die ich gern kennengelernt habe.
Ich vergebe 4,5 von 5 Sternen.

Bewertung vom 21.09.2023
Tief im Schatten / Hanna Ahlander Bd.2
Sten, Viveca

Tief im Schatten / Hanna Ahlander Bd.2


ausgezeichnet

Gelungene Fortsetzung der Polarkreis-Krimireihe

Auch der zweite Fall für Hanna Ahlander spielt im winterlichen Åre mit seinen eisigen Temperaturen und beschwerlichem Schneefall. Der letzte kräftezehrende Fall liegt erst zwei Monate zurück und Hanna hat sich kaum davon erholt, als der allseits beliebte Johan Lars Andersson aus einem benachbarten Ort brutal erschlagen im Gebüsch an einer Straße gefunden wird.
In einem zweiten, zeitlich früher beginnenden Handlungsstrang wird aus dem Leben der jungen Rebecka erzählt, die zu einer freikirchlichen sehr konservativen Glaubensgemeinschaft gehört.
Viveca Stens Figurenzeichnung ist authentisch, die Charaktere sind lebensnah, Menschen wie du und ich, mit Sorgen, Problemen, Ecken und Kanten. Glaubhaft wird auch der Konflikt zwischen Beruf und Privatleben der Ermittler dargestellt. In Rückblicken werden vergangene Ereignisse angesprochen, so dass das Buch auch ohne Kenntnis des ersten Bandes gut lesbar ist. Mehr Spaß macht es zweifellos, die Entwicklung der Protagonisten mitzuerleben. Die Ermittlungsarbeit der Polizisten wird realistisch geschildert, wobei durch die atmosphärische Beschreibung von Natur und Wetter immer auch die Bedrohung durch die Kälte spürbar ist. Das gelungene Cover vermittelt ebenfalls diese winterliche Gefahr.
Viveca Sten schreibt lebendig und packend, verschiedene Erzählperspektiven, auch die von Angehörigen sowohl des Toten als auch der Ermittler, tragen zur Komplexität der durchgehend spannenden und durch Wendungen überraschenden Geschichte bei.
Neben dem Krimifall thematisiert die Autorin auch aktuelle gesellschaftliche Probleme, für die Hanna Ahlander durch ihre frühere Arbeit in Stockholm besonders sensibilisiert ist.
Mir hat nach 'Kalt und still' auch dieser zweite Band um Hanna und ihre Kollegen sehr gut gefallen und ich kann das Buch Krimilesern uneingeschränkt empfehlen.

Bewertung vom 21.09.2023
Time Shifters
Morosinotto, Davide

Time Shifters


ausgezeichnet

Spannende Zeitreise-Science-Fiction

Time Shifters sind Zeitreise-Agenten, die 24 Stunden zurück reisen können, um Katastrophen abzuwenden. Micaela ist eine dieser Agenten und soll die Explosion einer Bombe an einer Schule in Bologna verhindern.

Erzählt wird kapitelweise aus verschiedenen Perspektiven und abwechselnd vor und nach „Stunde Null“, das ist der Explosionszeitpunkt. Durch klare Zeitangaben als Kapitelüberschrift fiel es mir leicht, den Überblick zu behalten. Die technischen Details der Zeitreise und ihre physischen Auswirkungen auf den Agenten werden anschaulich beschrieben, auch unter diesem Aspekt hat mir Micaela am meisten imponiert.
Die beiden jugendlichen Protagonisten sind glaubhaft beschrieben, Rons und besonders Enricos Sorgen, Probleme und Gefühle empfinde ich als authentisch und ich habe mich über die Entwicklung gefreut, die die Jungen im Lauf der Geschichte erleben. Nähe konnte ich zu keiner Figur aufbauen, was vielleicht an den häufigen Perspektivwechseln liegt oder an der Tatsache, dass ich viel älter als die Zielgruppe bin.
Andere Charaktere tragen zur Spannung bei, indem ich ihre Rolle und Bedeutung lange nicht bestimmen konnte. Viel Action und überraschenden Wendungen machen Davide Morosinottos Jugendbuch zum kurzweiligen und spannenden Lesevergnügen, sein klarer Schreibstil ist lebendig, bildhaft und angenehm zu lesen. Die Erzählebenen werden am Ende schlüssig und ohne Logiklöcher zusammengeführt.
Nachdem ich das Buch gelesen habe, kann ich sagen, dass das eher dunkel gestaltete Cover mit der einsamen Figur gut zum Thema passt. Mir hat 'Time Shifters' sehr gut gefallen und ich empfehle das Buch nicht nur jugendlichen, sondern allen Lesern, die sich für Zeitreisen interessieren.
Ich vergebe 4,5 Sterne.