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Top-Rezensenten Übersicht

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SofieWalden

Bewertungen

Insgesamt 649 Bewertungen
Bewertung vom 14.04.2024
Paare
Millner, Maggie

Paare


sehr gut

Mit Lyrik erzählt, das unstete Gefühl einer Liebesbeziehung

Kein Gedicht, eine ganze Geschichte, wird hier erzählt durch die Lyrik, ein Experiment, das sich das Thema Liebe auf die Fahnen schreibt.
Eine Frau lebt mit Mann und Katze in einer funktionierenden Zweierbeziehung. Ein wenig gelangweilt sucht sie nach Anderem, will sich ausprobieren in neuen 'Konstellationen'. Die Beziehung zu einer anderen Frau, gerne auch im Einklang und unter Fortführung ihrer bisherigen Partnerschaft, dazu war ihr Mann nicht bereit und so kommt es zur Trennung. Es folgt eine wilde komplizierte Liebe, in der die eine der anderen nicht genügt und die Protagonistin gerade auch das sucht, von dem sie sich zuvor abgewendet hat, Stabilität und Zweisamkeit. Und so kommt es, wie es sicherlich auch zu erwarten war. Und dann geht die Geschichte noch etwas weiter.
Das Geschehen an sich, eine Episode aus einem Leben, ein Ausbruch, der scheitert oder vielleicht eher die Erkenntnis bringt, dass jemand das Falsche gewollt hat, wo er meinte, es wäre sein Weg. Das ist nicht aufregend, aber es ist authentisch und real, kurzweilig und fokussiert auf das Wesentliche.
Das Besondere daran ist die Erzählform, Paarreimlyrik im Ich-Erzählerstil und dazwischen etwas Prosa, mit einem Perspektivwechsel verbunden. Es ist experimentell, kreativ und auch durchaus spannend, vor allem aus der Sicht des Lesers, der sich bisher noch nicht unbedingt an dichterische Ausdrucksweisen herangetraut hat.
Und natürlich fragt man sich, ob es funktioniert. Tut es, wenn man es einfach einmal anders mag, sich auch ein wenig herausfordern will.
Mir hat es gefallen, im Namen der Kunst und im Umgang mit dem Wort.

Bewertung vom 11.04.2024
Lilly und Billy.
Gruß, Ursula

Lilly und Billy.


ausgezeichnet

Eine dicke Freundschaft und ein Streit ändert daran gar nichts

Das Hasenmädchen Lilly und der junge Enterich Billy sind dicke Freunde. Schon morgens freuen sie sich darauf, sich gleich zu sehen, während der Woche in der Schule und am Wochenende so richtig den ganzen Tag. Da wird dann getollt, man gibt sich gegenseitig lustige Namen und der ein oder andere freundschaftliche Schubser ist auch dabei. Doch an einem Samstagmorgen geht es Lilly gar nicht gut. Sie macht sich große Sorgen um ihren kleinen Bruder, der letzte Nacht sehr krank geworden ist. Da ist dann das Foppen und Schubsen von Billy plötzlich gar nicht mehr lustig und aus ihrem sonst so freundschaftlichen Spiel wird eine böse Streiterei, so richtig mit Hauen und Wehtun. Erst die kluge Füchsin macht dem ein Ende und erklärt den beiden, nachdem sie sich beruhigt haben, was da falsch gelaufen ist. Lilly und Billy hatten nämlich richtig Angst bekommen, dass sie nun keine Freunde mehr sind. Aber das ist nicht so, denn nach dem Streiten kommt das Vertragen. Das hinzukriegen ist zwar gar nicht so einfach, aber danach ist alles wieder gut.
Das ist eine tolle Geschichte, die uns sehr helfen kann, denn das könnten richtig gut auch du und ich sein, Freunde, bei denen gerade einmal etwas schief läuft. Aber das mit dem Vertragen bekommen auch wir dann bestimmt hin. Und natürlich der kleine Tipp, schaut hin, wenn es dem anderen einmal nicht so gut geht, dann einfach auch mal zuhören und trösten. Und von Lillys Seite aus betrachtet, nicht einfach vor sich hingrummeln, sondern mit dem Freund reden, damit er weiß, das etwas nicht stimmt.
Man muss Lilly und Billy einfach mögen und dazu tragen auch die sehr gelungenen Bilder bei. Man freut sich und leidet mit ihnen. Und deshalb wollen sie uns auch nicht nur auf ganz tolle Weise etwas von Freundschaft erzählen. In einem nächsten Band geht es dann um ein anderes Thema, worüber zu reden ganz wichtig ist in unser aller Leben. Und so können wir uns freuen, auf ein schönes Wiedersehen.

Bewertung vom 10.04.2024
Happy Hour
Granados, Marlowe

Happy Hour


gut

Zwei junge Frauen, einfach Life und eine Oberflächlichkeit, die nach Tiefe ruft

Isa, die Ich-Erzählerin in dieser Geschichte und ihre Freundin Gala kommen an, in New York, der Stadt der Städte, mit Parties exquisit. Genau das ist der Plan, ein langer Sommer in dieser Stadt, das Leben spüren, abfeiern, wo es angesagt ist, sich unter die Schönen und Reichen mischen, um jeden Preis. Und dieser Preis fängt schon bei dem total überteuerten Zimmer, das sich die beiden fortan teilen, an. Untertags wird gejobbt, Geldverdienen, wo und wie immer es geht. Wenigstens die Unterkunft muss dadurch in trockenen Tüchern sein. Und nachts, Feiern in den feinen Kreisen, sich hineinschleichen, mit manchem Gefallen. Bezahlen müssen andere, die, die es haben und dafür schmiert man ihnen auch viel Honig um den Mund. Und wenn das Geld fehlt, wird eben gehungert, Priorität hat der Spaß.
Die Frage, die sich hier stellt, ist es denn irgendwann wirklich noch Spaß, die pure ungetrübte Feierlust, die das Leben schöner macht. Funktioniert das oder belügt sich hier jemand selbst, denn Selbstreflexion ist durchaus da und die Wahrnehmung der Oberflächlichkeit dieser Gesellschaft auch. So ganz kommt das nicht heraus, wenn Isa in ihrem Tagebuchstil davon erzählt.
Der Schein und das Darunter unter dem hippen High Society-Schleier, eine interessante Konstellation, doch die Umsetzung muss man mit dem ein oder anderen Fragezeichen versehen. Denn das Mehr, das schon dazugehört, um den Anspruch zu erfüllen, den dieses Buch durchaus hat, oder nicht?, es bleibt vage, angedeutet auf eine Art, der das Subtile fehlt, um die Leser wirklich zu fordern. Stattdessen wird es überdeckt von sich wiederholenden Banalitäten und es tun sich Zweifel auf, was hier gewollt ist, wohin die Reise geht. Was soll das Fazit sein nach einem Sommer in dieser Stadt, mit Happy Hour im Überdruss.
Als Debüt ok, aber ich glaube, bei der Autorin geht mehr. Und ich bin gespannt darauf.

Bewertung vom 09.04.2024
Lichtjahre im Dunkel
Ani, Friedrich

Lichtjahre im Dunkel


sehr gut

Der andere Kriminal-Roman und viele düstere Seelen

Ein abgängiger Eheman ruft den Expolizisten Tabor Süden auf den Plan. Seine Ehefrau will wissen, was mit ihm geschehen ist, inoffiziell, ohne Polizei. Ihre nicht sehr konkreten, gar falschen Angaben machen es dem Privatdetektiv nicht gerade leicht, das Schicksal des Vermissten aufzuklären. Und dann wird in einem Kofferraum eine Leiche gefunden, die Gewissheit bringt, der Leo Ahorn ist tot. Ab hier übernimmt die Polizei, mit Oberkommissarin Fazira Nazri als Leiterin, die Ermittlungen. Trotzdem wird uns nun nicht das übliche Opfer-Tätersuchen-Muster vorgeführt. Aber das ist ja bei Kriminal-Romanen von Friedrich Ani sowieso nie der Fall. Ihm geht es vor allem um die Menschen, rechts und links des mordbefleckten Wegesrands, die mit den düstern Seelen, in die auch diese Geschichte einen tiefen Blick wirft. Als Leser hineingezogen in Abgründe, in denen schon längst das Licht ausgegangen ist, das bekommt man in dieser Konsequenz nur selten so vorgesetzt. Und wenn das Buch zu Ende ist, verharrt man schon noch eine Weile in dieser Düsterkeit. Und wer der Mörder war, ist irgendwie gar nicht mehr wichtig.
Ein echter 'Ani' eben, entweder er passt für einen, oder eben nicht. Wenn man zu Ersteren gehört, herzlich willkommen im Club.

Bewertung vom 07.04.2024
Onyekas Superkraft / Academy of the Sun Bd.1
Okogwu, Tolá

Onyekas Superkraft / Academy of the Sun Bd.1


ausgezeichnet

Die Superkraft, die in den Haaren steckt und ein sympathisches Mädchen mit nigerianischen Wurzeln

Onyeka lebt mit ihrer Mutter in London, hat aber nigerianische Wurzeln. Davon zeugt auch ihre auffällige Haarpracht, die dazu führt, dass manchen Menschen sie so behandeln, dass sie sich als Außenseiterin fühlt. Das geschieht auch in der Schule. Aber zum Glück hat sie eine Freundin, die zu ihr hält und versucht, Onyeka vor diesem Gefühl der Diskriminierung zu schützen. Eines Tages kommt es zu einem Beinaheunfall, der die beiden Freundinnen das Leben hätte kosten können, aber, welch eine Entdeckung, Onyekas Haare haben Superkräfte und retten sie beide. Die Reaktion der Mutter darauf, sie macht sich mit ihrer Tochter auf den Weg nach Nigeria, um dort deren verschollenen Vater zu finden. Und sie eröffnet Onyeka eine neue Welt. Denn dort gibt es die Academy of the Sun, in der Kinder wie sie, sogenannte Solari, ausgesstattet mit Superkräften, erlangt durch die Sonne, zur Schule gehen. Das soll auch Onyeka ab jetzt tun. Der Anfang ist schwer, doch dann findet Onyeka Freunde. Und dann heißt es, Gefahren zu trotzen und das Abenteuer, das sich daraus entwickelt, ist wirklich fantastisch, fantastisch gut und dazu super spannend, auf jeden Fall.
Superhelden gibt es viele, sie liegen sozusagen seit Jahren im Trend und werden auch in ihren Geschichten zunehmend austauschbarer. Das hier ist anders. Es geht um ein absolut sympathisches eigentlich ganz normales Mädchen, mit Problemen, die bisher in solchen Geschichten nie Thema waren, dazu das langsame Erwachsenwerden, ist wahrlich nicht einfach und eine Welt von morgen, ein Nigeria, das uns zeigt, wie es geht, mit den Ressourcen der Natur, Lösungen für Leben in der Zukunft zu schaffen. Bei solchen Vorgaben Superheldin zu sein, da lohnt sich das Dabeibleiben allemal.
Und ich kann euch versprechen, hier hat eine ganz eigene fantastische Buchreihe ihren ersten sehr überzeugenden Auftritt. Zugegeben, etwas echt Uncooles ist auch dabei, nämlich der Cliffhanger am Ende der Geschichte. Ziemlich mies, aber hey, nehmt es wie ein Superheld, das nächste Abenteuer, die Fortsetzung hierzu, die kommt, ganz bestimmt.

Bewertung vom 07.04.2024
Nic Blake - Die Prophezeiung der leuchtenden Welt
Thomas, Angie

Nic Blake - Die Prophezeiung der leuchtenden Welt


ausgezeichnet

Ein junges Mädchen, ihre Gabe und ein erstes großes Abenteuer

Nic Blake hat genau wie ihr Vater eine Gabe, eine Superkraft, von der die Welt der Gewöhnlichen aber nichts erfahren darf. Damit das auf keinen Fall passiert, sind die beiden ziemlich oft umgezogen, doch hier fühlt sich Nic erstmals richtig Zuhause und hofft nun, dass ihr Vater ihr an ihrem 12. Geburtstag endlich ihren Wunsch erfüllt und sie anleitet, wie sie ihre magischen Fähigkeiten richtig einsetzen kann. Dieser hält dies aber noch für zu früh und schenkt ihr stattdessen einen Höllenhundwelpen. Doch die magische Welt schlägt trotzdem zu, mit einer alten Prophezeiung und der Bedrohung von Nics ganzer Familie, denn plötzlich treten auch ihre schon lange weggegangene Mutter und ihr Zwillingsbruder wieder in Erscheinung. Nun hängt alles von Nic ab und ob sie darauf vorbereitet ist, das hat jetzt keine Bedeutung mehr. Zusammen mit ihrem Bruder und ihrem besten Freund JP wird sie regelrecht hineingerissen in dieses fantastische rasent dahinjagende Abenteuer, so voller Spannung und Magie, dass einem die Spuke wegbleibt. Durchschnaufen ist hier nicht und das gilt nicht nur für das starke Trio, das durch Zusammenhalt und Freundschaft einfach alles schafft, sondern auch für die Leser dieser Fantasygeschichte, die regelrecht davongefegt werden von dem äußerst kreativen und einfach ein wenig anderen ersten Teil einer neuen Reihe, die hier eine gelungene Mischung aufzeigt, eine Verbindung aus Mystik, Magie und geschichtlichen Nuancen des Themas Sklaverei, von seinen Ursprüngen hinüber nach Amerika. Und dazu kommt eine Portion Südstaatenflair, die die Sprache nicht außen vor lässt.
Mit ein klein bisschen weniger Tempo und Zeit fürs Kennenlernen hätte man auch gut leben können, aber auch so überzeugt die Autorin auch mit dieser 'Eröffnung' auf ganzer Linie und man hofft schon sehr, dass es bald weiter geht.

Bewertung vom 07.04.2024
Frieda, Nikki und die Grenzkuh
Marmon, Uticha

Frieda, Nikki und die Grenzkuh


ausgezeichnet

Eine Grenze, Streitereien und dann geht es wirklich um etwas

Das Dorf Elend ist, von außen gesehen, wirklich in einer elenden Lage, denn obwohl klein und wahrlich nicht überbevölkert ist die Südseite des Ortes mit der Nordseite zerstritten und es gibt eine imaginäre Grenze zwischen den beiden Teilen. Der Grund des Streits ist eine Bagatelle und eigentlich weiß man schon gar nicht mehr, um was es letztendlich ging. Als dann eine Kuh aus Südelend ihr Kalb genau auf dieserer Grenze zur die Welt bringt und der Vater dazu zudem aus Nordelend ist, beanspruchen beide Seiten das Kälbchen für sich. Aus Streit wird Eskalation und das ist für die Freunde Frieda und Nikki kaum mitanzusehen. Da muss man doch etwas tun. Und dann ist der Junge mitsamt dem Kalb plötzlich verschwunden. Entführt vielleicht, das könnte durchaus sein. Und das ist jetzt wirklich schlimm und für die Dorfbewohner ja vielleicht ein Grund, innezuhalten, den Irrsinn ihres ständigen Streitens zu erkennen und nun zu tun, was getan werden sollte, gemeinsam.

Was dieses Dorf umtreibt, die Mechanismen in diesem Kleinkosmos, es spiegelt so traurig erstaunlich wieder, wie die Welt nun einmal tickt. Und gerade jetzt hören wir jeden Tag davon, dass Streit zu Krieg geworden ist und von den unbeschreiblich schrecklichen Folgen, die das für die Menschen dort hat.
Es ist gut, dass es diese Geschichte gibt und viele andere dazu, damit wir ein Bewusstsein haben für unseren Umgang miteinander, in unserem Alltag, ob Streit, ob Mobbing, alles was dem jeweils anderen wehtut und einfach nicht sein muss. Das ist hier für die angesprochene Leserschaft richtig gut umgesetzt, auf eine so natürliche und auch sehr authentische Art und Weise, dass es einfach funktioniert. Und auch wir Erwachsenen können uns davon eine ganz dicke Scheibe abschneiden.

Das Buch ist sehr zu empfehlen.

Bewertung vom 08.03.2024
Noto
Sack, Adriano

Noto


gut

Eine Reise, die Aufarbeitung von Trauer und die Wärme Siziliens

Konrad macht sich auf den Weg, eine Reise zu dem Haus ihrer Zweisamkeit in der wärmenden Landschaft Siziliens. Seine Begleitung, die Asche seines bei einem Unfall verstorbenen Partners Adriano, ihr gemeinsamer Hund und ein junger Mann, Santi. Während sich Konrad, niedergetrügt von der Trauer über seinen Verlust, schwertut, sich an den Dingen um ihn herum zu erfreuen und seinem Ziel, ihrem gemeinsam geschaffenes Domizil, mit guten Gefühlen zu begegnen, ist Santi, unbelastet von irgendwelchen Lasten des Lebens und von vornherein mit Leichtigkeit gesegnet, das genaue Gegenteil und er nimmt diese herrliche sonnig warme Landschaft und die Begegnungen mit den Menschen in sich auf, mit einer großen Lust am Leben. Doch auch in Konrads Augen blitzt es immer öfter wieder auf, die Freude am Sein, und ganz langsam richtet sich sein Blick wieder nach vorn.
Dies ist ein Buch, das uns mitnimmt auf einen Weg, Konrads Weg. Es ist der Versuch einer Trauerbewältigung, dem, wenn auch noch sehr schmerzvollen Zulassen all der Erinnerungen, die unweigerlich in Konrad aufleben, wenn er die von beiden so geliebte Landschaft in sich aufnimmt, wenn er sich in Gedanken noch einmal an dem Schönen, zwischen Adriano und ihm erfreut. Und diese Landschaft, sie erstrahlt, durch die Hand des Autors, in voller Blüte und erwärmt auch das Herz der Leser sehr.
Dies ist eine schöne Geschichte, trotz des schweren Themas, ruhig und zart in seinen Stil und auch das Humorige erwacht irgendwann, sehr passend und nuanciert, wieder mit zum Leben.

Bewertung vom 05.03.2024
Der rechte Pfad
Sozio, Astrid

Der rechte Pfad


gut

Ein bedrückendes Szenario und es lebt in unserer Zeit

Vor 25 Jahren geflüchtet von diesem Ort, einem Dorf irgendwo in der Abgeschiedenheit des Sauerlands, kehrt Benjamin nun zurück, in diese von einer sektenähnlich struktierten abgeschotteten Gemeinschaft geprägten kleine Welt. In seiner Kindheit hatte er hier Freunde, die dieser evangelikalen Christenschaft angehörten und eine von ihnen Hanna, damals tragisch ums Leben gekommen und der konkrete Grund für seine Flucht, war seine erste Liebe. Zumindest gehofft hat Benjamin darauf, dass die Dinge sich inzwischen geändert haben, abgeschwächte Strukturen, weniger mächtig das sektiererische Konstrukt. Aber eher das Gegenteil ist der Fall. Und auch eine politische Fokussierung ist hinzugekommen oder vielleicht hat sie sich auch einfach nur weiter manifestiert, sehr aktuell in unserer Zeit. Wir erfahren von damals, von der Infiltration, der sich auch Benjamin nicht vollig erwehren konnte, davon, wie die jungen Menschen dich darein ergeben haben oder eben aufbegehrt, verzweifelt, letztendlich machtlos. Und dann das Heute, schlimmer, radikal und eine politisch erlaubte Partei lässt grüßen.
Dies ist eine bedrückende, einen ganz persönlich ergreifende Geschichte, die tief hinunterzieht. Eigentlich kann man es kaum fassen, dass dieser Machtapparat im Kleinen wirklich funktioniert, dass die Menschen sich so unterjochen lassen, Gehirnwäsche inklusive. Und doch erscheint es real und gut nachvollziehbar, dass dieses System Sekte funktioniert. Und man sieht, was es tut.
Dies hier literarisch zu bewerten, fällt schwer, denn die Beklemmung und das große Unbehagen, das dieses Buch erzeugt, es steht im Vordergrund des eigenen Empfindens.
Aber es hat wohl genau das mit einem gemacht, was es sollte. Und so sollte man es lesen und seine Schlüsse daraus ziehen. Und danach, los lässt einen das vor Augen Geführte nicht so schnell.

Bewertung vom 29.02.2024
Der Lärm des Lebens
Hartmann, Jörg

Der Lärm des Lebens


gut

Was das Leben bisher so ausmacht und das meiste war doch ziemlich genau richtig

Der Schauspieler Jörg Hartmann erzählt aus seinem Leben, nicht in Form einer Biographie, denn als so ein 'wichtiger' Mensch fühlt er sich nicht. Es ist mehr eine gedankliche Reise, die mal vor mal zurückschwenkt in der Zeit, an einigen Orten etwas länger verharrt wie an anderen und bei der er seine Betrachtungen anstellt, was all das Leben mit einem gemacht hat, so das er heute da steht, wo er beruflich und privat angekommen ist. Er denkt an seine Kindheit zurück, am Rande des Ruhrgebiets, einfach, aber glücklich, an seine taubstummen Großeltern, die die Nazizeit durchlebt haben, mit zusätzlicher Angst. Und auch die Demenz des Vaters und das Abschiednehmen wird erwähnt. Und dann ist da das große Paket rund um seinen Beruf, die mühsamen Anfänge, das unbedingte Wollen, den Schauspielberuf zu seinem erfolgreichen Broterwerb zu machen. Und dazu kommt der ganz normale Alltag, der bei jedem von uns auch irgendwie nicht anders ist, in dem Empfinden, was schief läuft oder eben in die falsche Richtung. Auch er hat hier seinen Platz und dabei hält der Autor direkt oder etwas subtiler, mit entsprechenden sprachlichen Mitteln, mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg.
Diese Betrachtungen, sie sind gut geschrieben, lassen auch ein angenehmes Quentchen Humor nicht vermissen und haben durchaus Unterhaltungswert. Gerade die Einblicke bzgl. seiner familiären Wurzeln im Ruhrgebiet waren sehr interessant und hatten auch die Substanz, die einigen anderen Passagen dieses Buches vielleicht ein wenig fehlen.
Alles in allem, wer ein größeres Interesse an der Person Jörg Hartmann hat, wird hier durchaus fündig.