Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
cosmea
Wohnort: 
Witten
Über mich: 
Ich lese seit vielen Jahren sehr viel, vor allem Gegenwartsliteratur, aber auch Krimis und Thriller. Als Hobbyrezensentin äußere ich mich gern zu den gelesenen Büchern und gebe meine Tipps an Freunde und Bekannte weiter.

Bewertungen

Insgesamt 307 Bewertungen
Bewertung vom 23.07.2023
Die Einladung
Cline, Emma

Die Einladung


sehr gut

Alex kämpft ums Überleben
In Emma Clines neuem Roman steht eine attraktive 22jährige Frau namens Alex im Mittelpunkt, die als Callgirl arbeitet und sich immer wieder durch Fehler in Schwierigkeiten bringt. Sie besitzt nichts und musste die Wohngemeinschaft in der Stadt – vermutlich New York – verlassen, weil sie ihre Mitbewohnerinnen bestohlen und ihren Mietanteil nicht gezahlt hat. Dann lernt sie den reichen, etwa 30 Jahre älteren Simon kennen, der sie für den Monat August in sein Strandhaus in den Hamptons auf Long Island einlädt. Er könnte sie aus ihrer prekären Situation befreien, denn sie wird von ihrem früheren Liebhaber Dom verfolgt, dem sie sehr viel Geld schuldet. Bei einem Dinner mit Simon benimmt sie sich daneben, und Simon setzt sie vor die Tür. In die Stadt kann sie nicht zurück. Sie glaubt, dass sie lediglich die sechs Tage bis zu Simons Labor Day-Party am 1. Montag im September überbrücken muss, dass Simon sich dann mit ihr versöhnen wird und sie auf Dauer bei ihm bleiben kann. Bis dahin lässt sie sich treiben, lügt und betrügt und verschafft sich überall Zugang, wo sie eigentlich nicht hingehört. Alex muss immer wieder weiterziehen, weil sie durchschaut oder bloßgestellt wird, weil sie stiehlt und Schäden in fremden Häusern anrichtet. Sie nimmt Drogen und trinkt zu viel Alkohol, z.B. am Ende mit dem jungen Jack, der sich in sie verliebt und mit ihr zusammenbleiben möchte. Die Geschichte endet am Tag der Party mit einer Art Cliffhanger, wobei nichts die optimistischen Erwartungen der jungen Frau zu rechtfertigen scheint.
Alex beantwortet keine Fragen nach ihrer Vergangenheit, und auch der Leser erfährt bis zum Schluss nicht, warum sie dieses Leben führt. Wir beobachten sie bei ihrer Verstellungskunst, für jeden das zu sein, was er von ihr erwartet: ein schüchternes junges Mädchen oder eine Schönheit mit viel Sexappeal. Das Porträt von Alex enthält auch eine Portion Sozialkritik, denn ihre Geschichte zeigt, dass die Klassenschranken unüberwindlich sind, dass niemand dauerhaft in die Oberschicht eindringen kann, der dort nicht hingehört. Der Originaltitel „The Guest“ ist von daher eigentlich treffender als "Die Einladung". Niemand hilft Alex, denn die Reichen und Schönen sind nicht empathiefähig, und junge Frauen wie Alex werden lediglich als austauschbare Ware betrachtet. Ich habe den Roman gern gelesen, obwohl er mich nicht so beeindruckt wie "The Girls“. Der auf der wahren Geschichte der Manson Family beruhende Roman las sich spannender.

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 23.07.2023
Mord auf der Insel Gokumon / Kosuke Kindaichi ermittelt Bd.2
Yokomizo, Seishi

Mord auf der Insel Gokumon / Kosuke Kindaichi ermittelt Bd.2


gut

Eine Mordserie in japanischem Ambiente
Der vorliegende Roman ist der zweite Band von insgesamt 77 aus der Serie um Privatdetektiv Kosuke Kindaichi. Er erschien im Original vor über 50 Jahren. Kindaichi reist nach Kriegsende auf die Insel Gokumon, um sein dem bei Rücktransport verstorbenen Freund Chimata gegebenes Versprechen einzulösen. Chimata war nach dem Tod des Großvaters Kaemon, dem Patriarchen der Familie Kito als Nachfolger vorgesehen, denn Chimamatas Vater Yosamatsu ist verrückt geworden und lebt in einem Verschlag eingesperrt auf dem Familiensitz. Der Ermittler soll der Familie die Todesnachricht überbringen, will aber außerdem ergründen, was Chimatas letzte rätselhafte Worte zu bedeuten haben. Seine drei Halbschwestern würden ermordet, wenn der Freund es nicht verhindert. Die Menschen auf der Insel, Nachfahren von Piraten und Kriminellen, begegnen dem Fremden mit viel Misstrauen. Dann geschieht der erste Mord, und Kosuke Kindaichi gerät prompt unter Verdacht, wird sogar vorübergehend verhaftet. Dann geschehen weitere Morde, jeweils unter skurrilen Begleitumständen. Die Morde scheinen bekannte Haikus nachzustellen, und die Leichen werden entsprechend arrangiert. Der Ermittler tappt lange im Dunkeln – genauso wie die örtliche Polizei und der Leser.
Die undurchsichtige, weitschweifig erzählte Geschichte verwirrt den Leser mit ihrer Personenvielfalt und dem ausführlich dargestellten japanischen Ambiente. Religion, Mythen, Hexerei spielen ebenso eine Rolle wie Sitten und Gebräuche und die spezielle Bedeutung von familiären Hierarchien für die Erbfolge. Das ist für uns eine völlig fremde Welt, die man ohne Vorkenntnisse nicht wirklich versteht. Nur Kosuke Kindaichi, der beste Privatdetektiv Japans, entdeckt allmählich die rätselhaften Hinweise und kann am Ende die Puzzleteile zusammensetzen. Mir hat der nicht besonders spannende Roman deutlich weniger gefallen als „Die rätselhaften Honjin-Morde“.

Bewertung vom 20.07.2023
Hotel Silence
Ólafsdóttir, Auður Ava

Hotel Silence


sehr gut

Wie geht man mit Trauer und Verlust um?
Jonas Ebeneser ist unglücklich. Seine Frau hat ihn nach Jahren der gegenseitigen Entfremdung verlassen und ihm noch die Information mit auf den Weg gegeben, dass die geliebte Tochter nicht von ihm ist. Er sieht keinen Sinn mehr in seinem Leben und plant seinen Selbstmord. Sein Nachbar Svanur, von dem er sich eine Waffe ausleiht, scheint etwas zu ahnen und besucht ihn immer wieder, sozusagen zur Kontrolle. Jonas will seiner Tochter nicht den Fund seiner Leiche zumuten und bucht eine Reise. Sein Gepäck besteht aus einem Werkzeugkoffer mit Bohrmaschine ohne Kleidung zum Wechseln. Er reist in ein namenloses unsicheres, vom Krieg zerstörtes Land mit traumatisierten Überlebenden, die vor dem Nichts stehen – mit dem Hintergedanken, dass dort vielleicht ein Anderer seinem Leben ein Ende setzt. Jonas begegnen die Menschen im Dorf mit Misstrauen. Den harmlosen Touristen nimmt ihm niemand ab. Schon bald führt er im Hotel Silence einfache Reparaturen aus und hilft später auch den Frauen im Dorf bei allen möglichen Arbeiten, was einigen Männern weniger gefällt. Bald hat er sich mit den Geschwistern, die das Hotel führen, so angefreundet, dass er auch ihnen den Anblick seiner Leiche nicht mehr zumuten möchte. Jonas ist im Dorf inzwischen zu einem wahren Helden des Wiederaufbaus geworden, denn viele Männer haben den Krieg nicht überlebt. Er merkt, wie das Leid der anderen sein eigenes Unglück zunehmend relativiert und sein selbstloses Helfen ihn positiv verändert. Seinen geplanten Suizid verschiebt er immer wieder.
Die ruhig erzählte Geschichte überzeugt mit vielen Zitaten und kunst- und literaturhistorischen Anspielungen und enthält trotz der ernsten Themen von Trauer und Verlust auch komische Elemente. Jonas und die Überlebenden im Kriegsgebiet bekommen eine zweite Chance und Perspektiven für einen Neubeginn. Der angenehm zu lesende Roman hat mich gut unterhalten.

Bewertung vom 18.06.2023
Die Affäre Alaska Sanders
Dicker, Joël

Die Affäre Alaska Sanders


sehr gut

Wer war der Täter?
In „Die Affäre Alaska Sanders“, Joel Dickers neuem Roman, ermittelt wieder das Duo Sergeant Perry Gahalowood und Autor Marcus Goldman, die wir aus „Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert“ bereits gut kennen. Es geht um den Mord an einer jungen Frau 11 Jahre zuvor. Der Fall Alaska Sanders galt eigentlich als aufgeklärt. Ein Täter kam bei der Vernehmung ums Leben, der andere wurde zu lebenslänglich verurteilt, nachdem er auf Anraten seiner Anwältin auf „schuldig“ plädiert hatte, um nicht die Todesstrafe zu riskieren. Er sitzt seit damals im Gefängnis. Seine Anwältin und seine Schwester kämpfen seitdem mit einer Gruppe von Unterstützern um die Wiederaufnahme des Verfahrens, weil sie an seine Unschuld glauben. Der Ermittler und der Autor wollen der Sache auf den Grund gehen und finden schon bald Anzeichen für einen Justizirrtum. Im Verlauf der mit über 570 Seiten recht umfangreichen Geschichte gibt es immer neue Verdächtige, immer neue Spuren. Wenn der Leser ca. 100 Seiten vor Schluss glaubt, nun sei der wirkliche Täter gefunden, wird er eines Besseren belehrt. Man darf bis zum Ende nicht glauben, was man liest. Das lehrt schon „Die Wahrheit…“, als dessen Fortsetzung der vorliegende Roman konzipiert wurde.
Ich habe das Buch trotz der epischen Breite gern gelesen, zumal mich die Konstruktion des Romans im Roman mit dem fiktiven Autor Goldman, der die Bücher des real existierenden Autors Dicker schreibt, durchaus überzeugt, aber es gibt schon Dinge, die mir weniger gefallen. Wenn man den Vorgänger kennt, vermisst man Originalität bei den Plotideen und den Schauplätzen, stößt sich an zu vielen Wiederholungen. Auch die Protagonisten Perry und Marcus sind hinlänglich bekannt, und ich finde ihre kleinen Reibereien nicht mehr besonders witzig. Auch stört mich die Eigenwerbung des Autors für seine anderen Romane, auf die er ständig Bezug nimmt, als ob er die Verkaufszahlen noch einmal positiv beeinflussen wollte. Im Übrigen gehe ich jede Wette ein, dass sein nächstes Buch den Titel „Die Affaire Gaby Robinson“ haben wird. Dennoch bleibt Dicker für mich ein durchaus lesenswerter Autor, der trotz der genannten Mängel einen gewissen Sog auf den Leser ausübt.

Bewertung vom 17.06.2023
Mika im echten Leben
Jean, Emiko

Mika im echten Leben


sehr gut

Jeder verdient eine zweite Chance
Als Mika Suzuki ein Kind war, wanderten ihre Eltern von Japan in die USA aus. Die Mutter war strikt dagegen und in der Folge dauerhaft unglücklich und unzufrieden. Ihre negativen Gefühle bekam Mika über Jahre zu spüren. So fand sie auch keine Unterstützung, als sie mit 18 Jahren zu Beginn ihres Kunststudiums schwanger wurde. Ihre Mutter drängte sie dazu, das Baby zur Adoption freizugeben. Sie fand in Caroline und Thomas liebevolle Adoptiveltern für ihr Kind, die vertraglich verpflichtet wurden, jährlich Bericht zu erstatten und Fotos zu schicken. Dennoch kam Mika nie über den Verlust ihrer Tochter hinweg. Dieses Ereignis warf sie völlig aus der Bahn. Sie gab alle Träume und Zukunftspläne auf. Als ihre Tochter Penny im Alter von 16 Jahren Kontakt zu ihr aufnimmt, sie schließlich sogar besuchen will, kommt sie schwer in Bedrängnis, denn sie hat ihr eine Menge Lügen über ihre Karriere und ihre Lebensumstände aufgetischt. Freunde helfen ihr zwar, das erfundene Leben realistisch wirken zu lassen, aber die Katastrophe ist unaufhaltsam.
„Mika im echten Leben“ ist vieles zugleich: eine coming-of-age- Geschichte, eine Selbstfindung und der Versuch einer 35Jährigen, einen Neustart zu wagen, indem sie alles, was sie als junge Frau verdrängt oder aufgegeben hat, wieder zulässt und mit ihren Freunden darüber spricht. Die Geschichte zeigt, wie schwierig Familie, speziell das Verhältnis von Müttern und Töchtern sein kann. Die Autorin schildert berührend, aber ohne jeden Kitsch, wie Mika sich bemüht, die verlorene Tochter zu einem Teil ihres Lebens zu machen. Dass sie auch nach all den verlorenen Jahren wieder eine neue Liebe zulässt, rundet die Geschichte ab. Mir hat das Buch gefallen, und ich empfehle es gern weiter.

Bewertung vom 29.05.2023
City of Dreams / City on Fire Bd.2
Winslow, Don

City of Dreams / City on Fire Bd.2


gut

Schwieriger Neuanfang für Danny Ryan
“City of Dreams“ ist der zweite Band der Trilogie um irische und italienische Mafiosi in den USA. Der kürzlich verwitwete Danny Ryan ist nach den blutigen Bandenkriegen von der Ostküste nach Kalifornien geflohen – in Begleitung seines alten Vaters, seines kleinen Sohnes und seines Teams. Obwohl er in Rhode Island an Verbrechen beteiligt war, sichert ihm ein Deal mit dem FBI Straffreiheit zu. Er muss sich allerdings bedeckt halten, damit ihn auch seine alten Feinde von der italienischen Mafia nicht aufspüren und töten. Danny ist entschlossen, ein neues Leben anzufangen, damit sein Sohn Ian eine Zukunft hat. In Hollywood wird ein Film über den Bandenkrieg gedreht, zu dem ein Kellner von der Ostküste die nötigen Informationen geliefert hat und in dem auch Danny als Nebenfigur vorkommt. Danny taucht am Set auf genauso wie zwei seiner Kumpel. Dann verliebt sich Danny in die schöne Hauptdarstellerin Diane Carson und investiert eine größere Summe in die Produktion, als das Projekt in Schwierigkeiten gerät. Damit steht er auf einmal wieder im Rampenlicht, und die Medien nehmen ihn ins Visier. Schon bald ist sein Leben wieder in höchster Gefahr. Dass er überlebt, weiß der Leser, weil es eine Fortsetzung gibt.
Don Winslow liefert einen mäßig spannenden, ziemlich düsteren Roman über das bekannte Milieu mit der üblichen Portion Gewalt ab. Die Charakterzeichnung und die Wendungen des Plots sind nicht überragend. Von daher bin ich etwas enttäuscht. Den dritten Teil werde ich wohl nicht mehr lesen.

Bewertung vom 16.05.2023
Der Bojenmann
Schlenz, Kester;Jepsen, Jan

Der Bojenmann


gut

Ein Mörder, der gern ein Erlöser wäre
„Der Bojenmann“ von Kester Schlenz und Jan Jepsen ist der Auftakt einer Krimiserie und spielt in Hamburg. Da wird eines Tages die im Hafen auf einer Tonne aufgestellte echte Holzfigur durch eine plastinierte Leiche ersetzt, und das ist nur der Anfang. Es folgen weitere, und das Team um Kommissar Thies Knudsen und seine Kollegin Dörte Eichborn tappt lange im Dunkeln. Knudsens bester Freund, der ehemalige Kapitän und Lotse a.D. Oke “La Lotse“ Anderson hat einige gute Ideen, die die Ermittlungen weiterbringen und ermittelt schließlich auch eigenmächtig mit, wodurch er sich in Lebensgefahr bringt. Bald weiß man, wer hinter den Taten steckt, bekommt den Täter, der sein Handwerk perfekt beherrscht, aber nicht zu fassen. Ein Polizist wird im Einsatz entführt, und es ist zu befürchten, dass auch er ein Opfer des Serientäters wird.

In dem mäßig spannenden Krimi kommen neben der durch die Ausstellung „Körperwelten“ bekannte Technik der Plastinierung eine Reihe weiterer Themen zu Sprache, z.B. Klimawandel und Belastung der Umwelt durch Container- und Kreuzfahrtschiffe, außerdem die prekäre Situation der Matrosen auf den Handelsschiffen, deren Arbeitsbedingungen wie eine moderne Form der Sklaverei wirken. Hamburg als attraktiver Schauplatz der Handlung spielt eine zentrale Rolle und schließlich auch die Überzeugung des Täters. Er fühlt sich nicht schuldig, denn er erspart den Menschen, die er zu Kunstwerken umgestaltet, das übliche unrühmliche Ende: von Maden gefressen stinkend in Fäulnis überzugehen. Er tötet nicht, er transformiert und erlöst Filipinos, die seiner Ansicht nicht einmal als Menschen bezeichnet werden können, sondern für ihn Abschaum sind.
Was mich an diesem Krimi neben der weitgehend fehlenden Spannung stört, ist das offene Ende. Der Roman ist mir zu offensichtlich auf Fortsetzung angelegt. Gut gelungen ist dagegen die Charakterisierung der Figuren und neu die zugrundeliegende Idee der plastinierten Leichen, die der Öffentlichkeit als Kunstwerke präsentiert werden. Das reicht mir aber nicht. Ich hatte mir mehr von diesem Roman versprochen.

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 05.05.2023
Fünf Winter
Kestrel, James

Fünf Winter


sehr gut

Schwierige Zeiten
Im Mittelpunkt des mehrfach ausgezeichneten Romans “Fünf Winter“ von James Kestrel steht Joe McGrady, der nach Jahren bei der Armee im Honolulu Police Department tätig ist. Am Tag vor Thanksgiving im Jahr 1941 übernimmt er einen Mordfall. In der Nähe einer Rinderfarm wurde ein grausam ermordeter junger Mann, wenig später auch seine japanische Freundin gefunden. Der junge Mann ist der Neffe von Admiral Kimmel, die Japanerin die Nichte des japanischen Diplomaten Takahashi Kansei. McGrady folgt der Spur eines Mordverdächtigen mit dem offensichtlich falschen Namen John Smith nach Hongkong, wo er direkt nach dem japanischen Angriff auf Pearl Harbour festgenommen wird und in japanische Kriegsgefangenschaft gerät. Der Onkel der jungen Japanerin holt ihn aus dem Gefängnis und versteckt ihn mehrere Jahre bis zur japanischen Kapitulation in seinem Haus in der Nähe von Tokio. Als er nach Honolulu zurückkehrt, verspricht er seinem Retter und der Tochter Sachi, dass er den Täter finden und unschädlich machen wird. McGrady, der all die Jahre als tot galt, bekommt seinen alten Job zurück. Er hat Molly, die Frau die er liebte, an seinen Kollegen verloren, und sein Chef Captain Beamer hatte den ungelösten Fall sofort geschlossen und will nicht, dass er noch einmal aufgerollt wird. McGrady ermittelt eigenmächtig weiter und löst den Fall schließlich.
Es gibt nicht nur sehr viele Handlungsumschwünge, sondern auch viel Personal und viele Schauplätze, bedingt durch das Kriegsgeschehen im Pazifik, das den zeitgeschichtlichen Hintergrund bildet. Es erleichtert das Verständnis, wenn man die wichtigsten historischen Fakten kennt: Japans Kaiser Hirohito auf der Seite der Nazis, der Angriff auf Pearl Harbour mit dem sofortigen Kriegseintritt der USA, die japanische Kapitulation. Es geht um Spionage und die gefährliche Situation von Pazifisten, die ihr Leben riskieren. Der spannende Roman ist Geschichtsbuch und Thriller zugleich mit einer Reihe von grausamen Szenen, die Folter und Mord einschließen. Da ist es für empfindliche Leser sehr wohltuend, dass das Buch auch Liebesgeschichten enthält. Hier gibt es kein schnelles, einfaches Happy End, sondern der Autor thematisiert immer wieder Verlust und Reue und den hohen Preis, den die Menschen in Kriegszeiten zahlen.
Kestrels Roman ist anspruchsvoll, sehr spannend und gut geschrieben und verdient seine hohen Auszeichnungen zu Recht. Eine klare Empfehlung.

Bewertung vom 18.04.2023
Die spürst du nicht
Glattauer, Daniel

Die spürst du nicht


sehr gut

Schlimmer geht´s nimmer
Nach neun Jahren legt Daniel Glattauer mit “Die spürst du nicht“ einen neuen Roman vor. Die Binders und die Strobl-Marineks mieten ein Haus mit Swimmingpool in der Toskana. Sophie Luise, die 14jährige Tochter der Strobl-Marineks, darf ihre Schulfreundin Aayana, ein somalisches Flüchtlingsmädchen mitnehmen. Gleich am Anfang des Urlaubs geschieht dann eine Katastrophe, nach der nichts mehr so ist wie vorher. Die Familien geraten in eine Krise, wobei Sophie Luise am meisten unter den Folgen leidet. Sie wird in der Schule ausgegrenzt und gemobbt. Schon bald reicht ein bislang unbekannter Anwalt im Namen der somalischen Familie Klage ein und fordert 200.000 Euro wegen des Schockschadens. Es kommt zum Prozess, der nicht frei von Komik und grotesken Situationen ist. Vor allem Oliver Steinpichler, der Anwalt der Strobl-Marineks, ist immer bemüht, sich in Szene zu setzen. Menschliche Tragödien interessieren ihn nicht.

Ein allwissender Erzähler berichtet über die Ereignisse, ergänzt von Zeitungsartikeln und Kommentaren in den sozialen Medien. Besonders die unangemessenen Postings voller Arroganz und Hass machen deutlich, wie viele Europäer mit dem Thema „Flüchtlinge“ umgehen. Der Autor zeigt in seinem sozialkritischen Roman, dass jede Person eine Geschichte hat, dass die Flüchtlinge nicht nur gute Gründe hatten, aus ihrem Land zu fliehen, sondern auch während der Flucht furchtbare Dinge erlebten, Familienmitglieder verloren. Die Flüchtlinge müssen sichtbar werden, und wir müssen ihnen zuhören und wirklich versuchen, ihnen zu helfen.

Glattauer ist mit diesem Roman ein wichtiges Buch gelungen, nicht ganz frei von Klischees und stellenweise etwas konstruiert, aber dennoch sehr lesbar und sprachlich gelungen. Auf jeden Fall empfehlenswert.

Bewertung vom 16.04.2023
Wenn Worte töten / Hawthorne ermittelt Bd.3
Horowitz, Anthony

Wenn Worte töten / Hawthorne ermittelt Bd.3


sehr gut

Horowitz und Hawthorne ermitteln auf Alderney
Im vorliegenden dritten Band einer Reihe schickt der Verleger seinen Autor Anthony Horowitz und den ehemaligen Detective Inspector Daniel Hawthorne zu einem Literaturfestival auf die Kanalinsel Alderney. Sie sollen durch ihre Teilnahme die Vermarktung des nächsten, noch nicht vollendeten Romans vorbereiten. Horowitz und Hawthorne bilden ein Team, wobei Hawthorne dem Autor Fälle schildert, bei denen er selbst ermittelt hat. Die beiden Männer haben ein ziemlich distanziertes Verhältnis zu einander und mögen sich nicht einmal besonders. Die anderen geladenen Gäste sind eine Kinderbuchautorin, ein bekannter Fernsehkoch mit seiner Assistentin, eine Wahrsagerin, ein Historiker und eine Dichterin, die Gedichte in Cauchois, einem nordfranzösischen Dialekt, vorträgt. Dann wird Charles le Mesurier, der schwerreiche Sponsor des Festivals ermordet aufgefunden. Hawthorne und Horowitz ermitteln sofort in diesem aktuellen Fall. Als später ein zweiter Mord geschieht, kommt Deputy Chief Jonathan Torode mit seiner Assistentin von der Insel Guernsey hinzu. Es zeigt sich, dass hier jeder ein Geheimnis verbirgt und einige nicht die sind, die sie vorgeben zu sein. Hinzukommt, dass die Menschen auf der Insel wegen des geplanten Baus einer Überlandleitung tief zerstritten sind. Da Charles le Mesurier ein Fürsprecher des Projekts ist, könnte der Mörder auch unter seinen Gegnern zu finden sein. Ex-Polizist Hawthorne ist den anderen immer mindestens einen Schritt voraus, weil er gewohnheitsmäßig Details bemerkt, die sonst keiner sieht. Er teilt sein Wissen jedoch nicht einmal mit seinem Partner.
Der Leser folgt der Geschichte mit vielen falschen Fährten gespannt und erlebt in diesem Locked Room Mystery nach dem Vorbild der großen Agatha Christie bis zur Auflösung viele Überraschungen.
Zum Schluss möchte ich noch bemerken, dass ich mich sehr über den deutschen Titel wundere. Welche Worte sollten das wohl sein? Der Originaltitel "A Line To Kill" bezieht sich vielmehr auf die Reihe (!) von zwölf Verdächtigen, die Gegner der Stromtrasse nicht einmal mitgezählt.
Mir hat der Roman gut gefallen, auch wenn er eher konventionell geschrieben ist. Besonders beeindruckt hat mich die gelungene Charakterisierung nicht nur der beiden wichtigsten Protagonisten, sondern auch der anderen Personen. Eine gute Idee ist dabei, dass der Autor selbst als fiktiver Charakter im Roman auftritt und damit den Eindruck erwecken könnte, dass all dies wirklich geschehen ist. Ein gut lesbarer Krimi ohne übertriebene Grausamkeit.