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Benutzername: 
eulenmatz
Wohnort: 
Hamburg

Bewertungen

Insgesamt 79 Bewertungen
Bewertung vom 05.07.2021
So wie du mich kennst
Landsteiner, Anika

So wie du mich kennst


ausgezeichnet

MEINUNG:

Um  So wie du mich kennst ist man im Frühjahr nicht wirklich drum herum gekommen und natürlich habe auch ich damit geliebäugelt, aber ich hatte auf Grund der Thematik ein paar Hemmungen bzw. musste erst auf den für mich richtigen Zeitpunkt warten.

Karla und Marie sind Schwestern. Obwohl Marie in New York lebt und Karla weiterhin in der unterfränkischen Heimat, verbindet die beiden eine sehr enge und innige Beziehung. Doch Marie ist tot, bei einem Unfall in New York ums Leben gekommen und Karlas Welt bricht entzwei. Karla reist nach deren Beisetzung in der Heimat zurück nach New York, um Maries Wohnung aufzulösen und findet dabei Dinge über ihre Schwester heraus, die sie daran zweifeln lassen, ob sie ihre Schwester wirklich so gut gekannt hat.

Die Geschichte wird abwechselnd aus der Sicht von Karla und Marie erzählt. Karla erzählt die Geschichte im Jetzt, welche mit Maries Beerdigung beginnt. Marie war diejenige, die die Urne aus den USA mitgebracht hat. Karla geht nicht ganz so chronologisch vor, aber ich empfand die Kapitel bzw. die Art Karla selbst zu Wort kommen zu lassen, sehr wichtig, um sie besser kennenzulernen. So stellte sich auch nicht so sehr die grenzlose Einsamkeit beim Lesen ein, wenn nur Marie die Erzählerin gewesen wäre. Außerdem wird schnell klar, dass Karla auch so ihre Geheimnisse hatte, die die Leserschaft aus der alleinigen Sicht von Marie wohl nie erfahren hätte. Die Autorin hat sehr großes Talent Charaktere zu zeichnen und sie durch andere beschreiben zu lassen. Sowohl Marie als auch Karla sind sehr nahbar, ganz besonders Karla.

Karla zeigt sich unfassbar verletzlich, hilflos und verloren. Mit Marie hat sie ihren Anker, ihre engste Vertraute verloren und steht nun ein wenig verloren im Leben. Karlas Schmerz ist fast auf jeder Seite spürbar. Natürlich gibt es auch noch die trauernden Eltern, aber es wird deutlich, dass jede Person ihren eigenen Weg finden muss. Ich fand es zunächst etwas befremdlich, aber Karla versucht in New York so ein bisschen in das Leben ihrer Schwester zu schlüpfen, vermutlich um ihr nah zu sein bis die Wohnung aufgelöst ist und sie New York für immer den Rücken zu kehrt. Sie finden indirekt ein paar Dinge über Marie raus, die ihr bisher verborgen geblieben sind. Diese möchte ich hier nicht erwähnen, damit anderen LeserInnen nicht vorweg genommen wird. Ich finde nur den Clou der Autorin sehr gut, dass  Karla jemanden anderen an der Stelle von Marie helfen kann, ohne es selbst zu wissen. Obwohl es schier unmöglich zu sein scheint, kann Karla in dieser Zeit auch selbst ein Weg finden, wieder zurück ins Leben zu finden. Die Autorin geht mit dem Thema Trauer sehr sensible um, ohne dass man hier komplett runtergezogen wird.

FAZIT:

Meine anfängliche Hemmungen die ich gegenüber So wie du mich kennst hatte, konnte ich sehr schnell ablegen und ich so unendlich froh dieses wunderbare Buch gelesen zu haben. Die Geschichte ist traurig, aber auch hoffnungsvoll. Der Kloß im Hals bleibt auch nach dem Ende, aber am Horizont kann man trotzdem die sprichwörtliche Sonne erkennen. Ich habe mich außerdem in Anika Landsteiners Schreibstil verliebt und hoffe, es wird noch sehr viel von der jungen Autorin kommen.

Bewertung vom 08.04.2021
Ein Fluch so ewig und kalt / Emberfall Bd.1
Kemmerer, Brigid

Ein Fluch so ewig und kalt / Emberfall Bd.1


sehr gut

"Ein Fluch so ewig und kalt" ist eine moderne Neuinterpretation von Die Schöne Und Das Biest ist eine Mischung aus Fantasy und Gegenwartsliteratur, da es zu einem in der Neuzeit in Washington DC spielt und zum anderen in der fiktiven Parallelwelt Emberfall. Der Wechsel und die Neuinterpretation waren zunächst etwas gewöhnungsbedürftig, aber die Umsetzung ist dennoch gut gelungen. Unter anderem wird auch nicht darüber hinweggesehen, dass die Welten so verschieden sind. Besonders für Harper ist es nicht einfach, denn sie muss sich an ein Leben ohne Handy und Strom gewöhnen.

Dieser Wechsel ist wirklich gut gelungen. Zu den Hauptcharakteren findet man nur schwer Zugang. Harper ist klar nicht begeistert, dass sie nach Emberfall entführt wurde. Dass sie aber mehr auf Chen sauer ist als auf Grey, ist lange unverständlich. Es wirkt wie ein Mittel zum Zweck, als wirklich begründet. Ehen verfällt gerne Opferrolle, der keine andere Wahl hat. Grey fand ich am sympathischsten.

Was über die Schwächen der Charaktere hinwegtröstet, ist die Story selbst. Von Beginn an ist unklar, warum Chen verflucht wurde. Nach und nach wird diese Geheimnis gelüftet und es steigert sich zu einem spannenden Ende.

"Ein Fluch so ewig und kalt" ist eine Fantasy Neuerzählung von die Schöne und das Biest mit Schwächen und Stärken, dennoch unterhaltsam.

Bewertung vom 26.03.2021
Hard Land
Wells, Benedict

Hard Land


gut

MEINUNG:

Ich habe dieses Jahr Vom Ende der Einsamkeit von Benedict Wells endlich gelesen und war sehr begeistert. Danach stand für mich fest, dass ich auf jeden Fall noch weitere Bücher von ihm lesen möchte. Hard Land war für mich dafür ein absolutes Must Read.

Hard Land ist in Missouri, einem Bundesstaat der USA, 1985 angesiedelt und es geht um den fünfzehnjährigen Sam, dessen Mutter schwer krank ist und sterben wird. Vor Sam liegt ein langer Sommer, den es zu füllen gilt. Mit einem Ferienjob in einem alten Kino findet er erstmals Freunde und gewissermaßen auch die erste Liebe.

Sam würde ich als klassischen Außenseiter bezeichnen. Er ist zu Beginn der Geschichte 15 Jahre alt und besucht die High School. So richtig Freunde hat er nicht. Das ändert sich als einen Ferienjob in dem alten Kino seines Heimatörtchens Grady annimmt. Dort sind auch noch Cameron, Hightower und Kirstie. Die drei haben die High School bereits beendet und nach dem Sommer beginnen sie mit dem Studium. Sie sind alle schon länger befreundet und nehmen Sam ohne Probleme auf. Mit ihnen lernt erstmals, was es bedeutet Freunde zu haben und mit ihnen erlebt er auch die üblichen Dinge, die man als Jugendlicher in dem Alter so macht.

Die Krankheit seiner Mutter und der drohende Tod, welcher gleich im ersten Satz erwähnt wird, schwebt gewissermaßen immer über die unbeschwerten Leichtigkeit, die der Jugendzeit eigentlich innewohnt. Sams Beziehung zu seiner Mutter ist sehr innig. Dagegen ist die Beziehung zu seinem Vater eher schwierig und natürlich hat er immer im Hinterkopf, wie es ist dann mit seinem Vater allein zu sein. Ich finde die Entwicklung der Beziehung zwischen Vater und Sohn sehr anrührend geschildert. Ich glaube, dass es mir an Sams Stelle deutlich schwerer gefallen wäre nicht noch jede Minute mit meiner Mutter in einem solchen Fall zu nutzen. Doch Sam bekommt den Spagat relativ gut hin und es lähmt ihn auch nicht allzu sehr.

Meiner Meinung nach erfindet Benedict Wells hier den Coming-of-Age Roman nicht völlig neu. Ich habe mich auch nach der Hälfte gefragt, was da nun noch kommen wird. Ich finde die Geschichte plätschert doch ein wenig vor sich hin, auch wenn ein angenehmes Plätschern war. Der Verlauf der Geschichte ist eigentlich zu Anfang schon relativ klar. Die Geschichte lebt eindeutig von Sam, der Zeit, nämlich den 1980ern (die ich nicht beurteilen kann) und dem fiktiven kleinen Ort im Mittleren Westen von Amerika (gefiel mir sehr, auch wenn auch das nicht nachvollziehen kann).

FAZIT:

Hard Land ist eine klassische Coming-of-Age Geschichte, die mich mich irgendwie mit gemischten Gefühlen zurück lässt. Ich mochte an dem Buch sehr viel, vor allem Sam und dessen Entwicklung, aber irgendwie hat mir noch das gewisse Etwas gefehlt, was zu einem Highlight machen würde.

Bewertung vom 26.03.2021
Die Mitternachtsbibliothek
Haig, Matt

Die Mitternachtsbibliothek


ausgezeichnet

MEINUNG:

Etwas von Matt Haig zu lesen, stand schon lange auf meiner Wunschliste. Der Autor greift meiner Meinung immer viele verschiedene gesellschaftlich interessante Themen auf. Bei Die Mitternachtsbibliothek konnte ich mir nichts so richtig vorstellen, aber eine Bekannte hat mir das Buch ans Herz gelegt.

Nora Seed möchte ihr Leben beenden. Ihr Leben scheint ist ihrer Meinung nicht mehr lebenswert. Ihre Katze ist gestorben. Sie verliert ihren Job. Der Kontakt zu ihrem Bruder ist schlecht und sie leidet an Depressionen. Doch Nora bekommt eine Chance ihre Tat noch einmal zu überdenken. Sie landet in der Mitternachtsbibliothek. Dort bekommt sie die Möglichkeiten in anderen möglichen, parallelen Leben einzutauchen in Form von Büchern.

Das Geschichte mit den parallelen Leben funktioniert ein bisschen nach dem Prinzip "Was wäre wenn". Ich denke jeder und natürlich auch Nora, hat schon mal darüber nach gedachte, was wäre gewesen, wenn wir uns in einer Situation anders entschieden hätten. Wie wäre unser Leben dann verlaufen? Genau das vermitteln Nora diese Bücher. Es sind parallele Leben, die möglich gewesen wären, wenn Nora die oder andere Entscheidung anders getroffen hätte. Spannend finde ich aber den Aspekt, dass Nora aufgezeigt bekommt, dass sie manche Entwicklungen gar nicht selbst beeinflussen kann, weil sie z.B. andere Personen betreffen, die ihre eigene Entscheidungen treffen, die Nora nicht wirklich beeinflussen kann. Matt Haig hat mir hier zumindest einen ganz spannenden Aspekt aufgezeigt, aus dem ich für mich persönlich sehr viel mitnehmen kann.

Generell beschäftigt sich das Buch mit vielen Fragen des Lebens. Ein Thema ist auch das Bereuen von Dingen oder Taten. Bereuen ist ein separates Buch und vor allem Nora scheint sich viel davon mit sich herum zu tragen. In der Mitternachtsbibliothek gibt es eine Bibliothekarin und ich finde es sehr gut, dass sich Nora mit ihr immer danach bespricht, was sie in dem möglichen parallelen Leben erlebt hat und warum dieses nicht in Frage kommt. Nora strebt natürlich nach dem perfekten Leben, aber wir uns vermutlich allen klar ist, auch das gibt es nicht. Nora war mir sehr sympathisch. Auch wenn sie so verzweifelt war, fand ich sie auch sehr humorvoll und ironisch. Mit dem Verlauf des Buches habe ich mit ihr mitgefiebert, dass sie wieder ins Leben zurück findet.

FAZIT:

Die Mitternachtsbibliothek hat mir sehr viele geben als Leserin, auch wenn ich am Anfang skeptisch war, ob mir die Art des Aufbaus der Geschichte gefallen wird. Wenn es ein Buch schafft, eigene Gedanken und Annahmen zu verändern, dann ist für eines der besten Dinge, was Literatur erreichen kann. Absolute Leseempfehlung!

Bewertung vom 20.03.2021
Die siebte Zeugin / Eberhardt & Jarmer ermitteln Bd.1
Schwiecker, Florian;Tsokos, Michael

Die siebte Zeugin / Eberhardt & Jarmer ermitteln Bd.1


weniger gut

MEINUNG:

Etwas von Michael Tsokos, dem sehr bekannten Berliner Rechtsmediziner zu lesen, stand schon lange auf meiner Leseliste. Ich bin außerdem großer Fan von Justiz-Thrillern, in denn die Gerichtsverhandlungen ausführlich beschrieben werden inklusive aller Zeugenbefragungen, daher erschien mir Die siebte Zeugin als die genau richtige Lektüre für mich.

Der Verwaltungsbeamte Nikolas Nölting verlässt wie immer an einem Sonntagmorgen das Haus, um Brötchen zu besorgen. Seine Familie ahnt nicht, dass Nölting in der Bäckerei ohne Vorwarnung um sich schießt. Dabei komme ein Mensch ums Leben und zwei weitere werden schwer verletzte. Nikolas schweigt zu der Tat und das Motiv ist völlig unklar. Rocco Eberhardt, ein Berliner Rechtsanwalt nimmt sich dem Fall an. Dr. Justus Jarmer, der zuständige Rechtsmediziner bringt Eberhardt ein bisschen näher zu dem möglichen Motiv.

Für mich fing die Geschichte erstmal gut an und ich kam schnell in die Geschichte rein. Leider nahm meine Begeisterung nach ca. 150 Seiten dann stetig ab.Zu den ganzen Personen konnte ich keine wirklich Bindung aufbauen. Sie waren mir weder sympathisch noch unsympathisch. Der Erzählstil der beiden Autoren leistet dazu sein Übriges, denn dieser ist ziemlich nüchtern und knapp. Es liest sich mehr wie ein Bericht, fast wie True Crime, als ein fiktiver Roman. Die Autoren bemühten sich bei Rocco Eberhardt noch den ein oder anderen familiären Konflikt mit unter zu bringen, was mich aber nicht erreichte und mir Rocco nicht näher brachte. Aus diesem Grund empfand ich es als überflüssig. Die Kapitel sind wirklich sehr kurz, z.T. nicht mal eine ganze Seite lang.  Es mag vielleicht ein stilistisches Mittel sein, aber mir erschien es eher als gäbe es nicht mehr zu schreiben.

Ich hatte mich auch sehr auf den rechtsmedizinischen Part gefreut und hier mehr Einblick zu bekommen, aber die Rolle des Dr. Justus Jarmer erscheint fast schon überflüssig. Es gibt eine spannende Erkenntnis, die für den Fall wichtig ist, aber damit ist Jarmers Auftritt eigentlich auch getan. Um ihn weiter in der Geschichte zu halten, ruft Eberhardt ihn häufiger an und fragt ihn um Rat. Für einen sehr erfolgreichen, wie er ist, irgendwie nicht so ganz nachvollziehbar gewesen. Jarmer Rolle hätte deutlich besser eingebunden werden sollen und ein paar rechtsmedizinische Fakten hätte ich mir auch gewünscht.

Auf die titelgebende siebte Zeugin war ich natürlich besonders gespannt und wurde dann enttäuscht als man deren Befragung in drei kurzen Sätzen abgehandelt hat. Auf die Aussagen dieser Zeugin war ich am meisten gespannt. Ich verstehe nicht, warum diese Befragung einfach weg gelassen worden ist. Fast genauso hat es sich mit den Abschlussplädoyers gehalten. Meiner Meinung nach steckt hier wahnsinnig viel Potential drin, was das Schreib- und Erzähltalent angeht. Wäre ich nicht sowieso schon ziemlich enttäuscht gewesen über die immer schwächer werdende Geschichte, hätte mir dieses Fakt den Rest gegeben.

FAZIT:

Die siebte Zeugin hat für mich vielversprechend angefangen, aber meiner Begeisterung flachte dann immer mehr. Mich hat hier weniger gestört, dass man schnell ahnen konnte, wie das Motiv gelagert war, sondern eher Ausbleiben von spannenden rechtsmedizinischen Fakten und die ausgefeilten juristischen Zeugenbefragungen. Diese Sachen wurden lediglich kurz angedeutet. Genau das hatten ich mir aber versprochen und wurde hier leider enttäuscht.

Bewertung vom 09.03.2021
Unter Wasser Nacht
Hauff, Kristina

Unter Wasser Nacht


ausgezeichnet

MEINUNG:

Unter Wasser Nacht ist der erste Roman, den die deutsche Autorin Susanne Kliem unter dem Pseudonym Kristina Hauff bei Hanser veröffentlich hat. Die Krimis, die die Autorin geschrieben hat, kannte ich bisher nicht, aber Unter Wasser Nacht hat mich schon in den Vorschauen magisch angezogen. Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass mir das Wendland nicht wirklich ein Begriff war bzw. ich konnte es nicht genau orten und dass obwohl es von Hamburg, wo ich wohne, nicht weit entfernt ist.

Das zentrale Thema von Unter Wasser Nacht ist der Tod von Aaaron, dem Sohn von Sophie und Thies. Aaaron ist unter ungeklärten Umständen in der Elbe ertrunken. Sophie und Thies sind seit vielen Jahren eng mit Inga und Bodo befreundet und wohnen mit ihnen Haus and Haus im Wendland, der Heimat von Thies, Inga und Bodo. Inga und Bodo haben zwei Kinder. Es fällt Sophie und Thies schwer dieses so scheinbar perfekte Familienglück direkt vor ihren Augen täglich zu ertragen. Die vier Erwachsenen kennen sich schon seit ihrer Jugendzeit. Vor allem Thies, Inga und Bodo haben lange Zeit in einer WG gewohnt und zusammen in Hamburg studiert. Der Tod von Aaaron stellt die Freundschaft auf eine harte Probe.

Sophie und Thies versuchen jeder auf seine Art mit dem Tod von Aaaron zurecht zu kommen. Es ist zu beobachten, dass beide auch Schwierigkeiten haben in der Trauer einen gemeinsamen Weg zu finden. Ich würde nicht sagen, dass die Ehe zu Beginn völlig zerbrochen ist, aber viel fehlt auch nicht mehr, wenn sich nicht etwas entscheidendes ändert. Seite für Seite lernt man auch Aaaron besser kennen und stellt fest, dass er ein ziemlich schwieriges Kind war, was andere tyrannisiert hat. Meiner Meinung nach wird hier auch ein Tabu-Thema aufgegriffen, denn schließlich soll man über Tote nicht schlecht sprechen und schon gar nicht über Kinder, die ihr ganzes Leben noch vor sich haben. Diesen Aspekt verarbeitet die Autorin sehr sensibel, aber es ist unbequem sich damit auseinander zu setzen, auch für die vier Erwachsenen und deren Kinder. Jeder hat sich bei dem Gedanken erwischt das ein oder andere mal froh zu sein, wenn Aaron nicht anwesend war.

Gleich zu Anfang des Romans taucht die Fremde namens Mara auf, die beide Paar inkl. der Kinder gehörig durcheinander bringt und das zunächst völlig positiv gemeint. Es war erstaunlich zu sehen, wie sie es schaffte fast schon unbewusst als eine Art Mediatorin aufzutreten. Die Fronten zwischen den Freunden schienen schon recht verhärtet, da vor allem Sophie Inga als ihre Freundin nicht mehr an sich heran gelassen hat. Mara findet problemlos (fast) zu allen Zugang und scheint für jeden das sein zu können, was derjenige/ diejenige momentan braucht. Sie schafft es auch, dass zwischen alle wieder eine Kommunikation möglich wird. Dennoch fragt sich der Leser, was es mit Mara auf sich hat und damit schafft die Autorin auch ein unterschwellige Spannung. Außerdem ist da noch die ungeklärte Todesursache von Aaaron. Neben der übermächtigen Trauer, steht auch die Schuldfrage im Raum, wie es so häufig der Fall ist, wenn jemand plötzlich bzw. an einem Unfall stirbt.

FAZIT:

Unter Wasser Nacht nimmt den Leser mit ins Wendland zu Sophie, Thies, Inga und Bodo. Die Trauer und auch damit häufig einhergehende Schuldfrage um Sophies und Thies' Aaron ist Dreh- und Angelpunkt der Geschichte, aber die Autorin streift auch viele weitere interessante Themen und erzeugt durch ein subtile Spannung auf einer recht überschaubaren Anzahl von Seiten ein sehr facettenreichen Roman, den ich kaum aus der Hand legen konnte. Ich freue mich auf das nächste Buch der Autorin!

Bewertung vom 05.03.2021
Kim Jiyoung, geboren 1982
Cho, Nam-joo

Kim Jiyoung, geboren 1982


sehr gut

MEINUNG:

Asiatische AutorInnen, wie Han Kang, Kanae Minato und Sayata Murata gehören seit einiger Zeit fest zu meinem persönlichen Lesestoff. Ich stelle immer wieder fest, wie sehr unsere/ meine westliche Prägung von der östlichen in Asien unterscheidet. Ich mag auch den meist recht unaufgeregten Schreibstil, der im großen Gegensatz zum Inhalt der Erzählten steht. Für mich war absolut klar, dass ich Kim Jiyoung, geboren 1982 lesen muss.

Kim Jiyoung, geboren 1982 erzählt die Geschichte von der fiktiven Jiyoung (in Asien steht immer der Nachname an erster Stelle), einer Südkoreanerin Ende 30. Die Geschichte beginnt damit, dass Jiyoung ein recht seltsames Verhalten an den Tag legt und sich scheinbar in einer ernsthaften Psychose befindet. Dann springen wir zurück in ihre Kindheit, die mit dem Kennenlernen ihrer Eltern beginnt. Jiyoung hat noch eine ältere Schwester und einen jüngeren Bruder. Sie ist in einer Zeit geboren, wo die Geburt von Jungen sehr wichtig war und Mädchen zum Teil abgetrieben worden sind. Mädchen müssen in jeder Hinsicht hinter ihren Brüdern zurück stecken. Es geht soweit, dass sie sogar arbeiten gehen müssen, nur um die Bildung der Brüder zu bezahlen.

Es wird ganz klar deutlich, das Südkorea zu dieser Zeit absolut von Männern dominiert wird und Frauen ein stückweit schlicht als wertlos betrachtet werden. Wer sich viel mit feministischen Themen beschäftigt, wie ich es auch tue, kann sich denken, was hier noch für Themen kommen. Frauen und Männer sind keinerlei Weise gleichberechtigt. Sexuelle Belästigung ist an der Tagesordnung und die Schuld dafür bekommen immer junge Mädchen/ Frauen. Es geht soweit, dass junge Südkoreanerinnen schon frühzeitig Angst vor Männern haben, so auch Jiyoung. Beim Lesen habe ich mich innerlich sehr oft aufgeregt und diese Ungerechtigkeiten gingen mir sehr nah. Jiyoung kann zumindest studieren, anders als ihre Mutter, aber sie hat es auf dem Arbeitsmarkt schwer und ihre vermeintliche Karriere ist praktisch zu Ende, wenn sie das erste Kind bekommt. Ein Fakt, der durchaus auch in unserem Land zu beobachten ist. Es wird deutlich, dass jungen Frauen, denen nach Beendigung der Schule scheinbar noch eine ganze Menge Möglichkeiten offen stehen, unglückliche und unterforderte Frauen werden, sobald sie Mutter werden.

Cho Nam-Joo erzählt in einer sehr klaren, minimalistischen Sprache. Sie beschreibt einfach wie die Situation für Frauen, wie Jiyoung, geboren zu der Zeit ist. Die Autorin wertet nicht. Es liest sich dadurch eher wie eine Biographie oder ein Lebensbericht. In meinen Augen gibt keine klassischen Spannungsbogen, keine Beschönigung, keine Wenden, sondern sie erzählt ganz nüchtern die Realität.

Zusammen mit Jiyoung erleben wir allerdings auch, wie sich Südkorea langsam wandelt im Sinne der Gleichberechtigungen von Frau und Mann. Das Land ist noch lange nicht dort, wo andere westliche Länder, wie z.B. Deutschland sind, aber auch dort hat man scheinbar erkannt, dass hier etwas getan werden muss. Ich hoffe, dass Buch viele PolitikerInnen lesen werden. Ich kann mir gut vorstellen, dass es dem Land die Augen öffnen könnte. Für uns, die aus westlichen geprägten Ländern kommen, ist es in meinen Augen ein wichtiges Buch, um anderen Kulturen besser verstehen zu können und nicht die eigenen gewohnten Maßstäbe anzusetzen.

FAZIT:

Kim Jiyoung, geboren 1982 ein Buch, welches in Südkorea Wellen geschlagen hat und sogar im Parlament als Pflichtlektüre verteilt wird. Cho Nam-Joo hat ein sehr nüchternen Schreibstil, der es mehr wie eine Biographie als einen Roman erscheinen lässt, dennoch haben genau diese Erzählungen eine wirklich große einschlagende Wirkung. Auch wenn mir schon einiges bekannt war, habe ich mich doch häufig innerlich sehr aufgeregt. Unbedingt lesen, vor allem aus dem kulturellen Aspekt her.

Bewertung vom 26.02.2021
Nordwesttod / Soko St. Peter-Ording Bd.1
Jensen, Svea

Nordwesttod / Soko St. Peter-Ording Bd.1


gut

Nordwestzorn ist der Auftakt der Soko St. Peter-Ording Reihe und ist damit auch an Nordsee angesiedelt. Ich wohne selbst in Hamburg und war auch schon einige Male in SPO, wie man St. Peter-Ording gerne abkürzt. Es ist immer schön von Orten zu lesen, die man schon kennt. Zu diesem Krimi habe ich auch an einer Blogtour teilgenommen und ihr könnt in meinem Beitrag ein wenig mehr erfahren und findet auch die anderen Blog-Beiträge dort verlinkt.

In St. Peter-Ording wird die junge Umweltaktivistin und Tochter einer reichen Hoteliersfamilie vermisst. Anna Wagner ist Expertin für Vermisstenfälle und braucht nach ihrer Scheidung dringend einen Ortswechsel. Es verschlägt sie ins LKA in Schleswig-Holstein. Ihr erster Fall ist die Suche nach der vermissten Nina in SPO. Unterstützung bekommt Anna von Hendrik Norberg, dem örtlichen Dienststellenleiter.

Svea Jensens Augenmerk liegt meiner Meinung nach in der Charaktere und der Atmosphäre an der Nordsee. Das Buch beginnt wirklich sehr ausführlich mit der Beleuchtung des Privatlebens von Hendrik Norberg, der kürzlich seine Frau verloren hat und nun versucht seinen Job als Polizist und sein beiden Söhne unter einen Hut zu bekommen. Wie ihm das gelingt und welchen Tücken es mit sich bringt erfahren wir relativ ausführlich. Auch Anna lernen wir gut kennen. Sie ist Münchnerin und hat eine recht unschöne Scheidung hinter sich, aber sie liebt den Norden und alles, was damit zusammenhängt inklusive Fisch und Ostfriesentee. Auch ein Reihe von anderen Personen lernen wir schon innerhalb kürzester Zeit kennen, auch wenn sich zunächst noch kein Zusammenhang erschließt.

Natürlich ist es schön die Protagonisten kennenzulernen und Atmosphäre aufzubauen, aber als meine Erwartung bei einem Krimi ist doch ein andere. Ich interessiere mich für den Fall, dessen Aufklärung und auch für Opfer und (mögliche) Täter. Nach 100 Seiten hatte ich den Eindruck, dass noch nicht mal annähernd richtig angefangen worden zu ermitteln und ich wusste auch über die verschwundene Nina noch fast gar nichts. Leider hat mir das erstmal einen Lesehänger beschert. Spannung baut sich dann erst ganz gemächlich auf und das Buch wird im letzen Viertel erst  wirklich spannend.

FAZIT:

Nordwestzorn war der Auftakt der Soko St. Peter-Ording Reihe. Svea Jensen legt viel Wert auf die Nahbarkeit ihrer Charakter und der Atmosphäre des Nordens, speziell natürlich SPO. Mir war es davon allerdings manchmal ein bisschen zu viel des Guten und ich hätte mir mehr Fokus auf den Fall und die Ermittlung gewünscht. Hinsichtlich der Spannung sehe ich auch noch Luft nach oben.

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 19.01.2021
Die Stimme
Tremayne, S. K.

Die Stimme


sehr gut

MEINUNG:

S.K. Tremayne war mir schon länger ein Begriff als Autor, aber bisher habe ich noch kein Buch von dem britischen Autor gelesen. Die Stimme ist nun mein erster Thriller von ihm gewesen. Ich würde das Buch in den Bereich Psychothriller einordnen, da es vor allem mit der Psyche und den Ängsten der Protagonistin Emma spielt.

Emma wohnt nach ihrer Scheidung bei ihrer Freundin Tabitha im Londoner Stadtteil Camden/ Primrose Hill. Tabitha ist selten Zuhause und u.a. aus zu ihrer eigenen Sicherheit hat ihr Freund einige Home Assistentin bei ihr Zuhause installiert. Diese können per Sprachsteuerung jederzeit angesprochen werden, aber angeblich können sie auch aus der Verhaltensweise des Besitzers lernen und kennen dessen Gewohnheiten irgendwann sehr gut. Eines Tages wird Emma von einem der Home Assistentin mit einem Geheimnis aus der Vergangenheit konfrontiert, was dieser unmöglich wissen kann und damit beginnt eine lange Serie an sprichwörtlichen Terror, den Emma erleiden muss. Das Problem ist, dass Emma niemand so richtig glauben möchte, weil alle wissen, dass ihr Vater sich auf Grund einer spät entdeckten Schizophrenie das Leben genommen hat.

Ehrlich gesagt wurde ich mit Emma an sich nicht so richtig warm. Von außen her und ganz besonders von ihrem Ex-Mann Simon wird sie ziemlich glorifiziert, obwohl dieser bereits neu verheiratet ist und ein Kind mit der neuen Frau hat. Emma soll außerdem eine steile Karriere als Journalistin hingelegt haben und hat mit einem Artikel, der sich sogar im Bereich der Technik und Social Media bewegte einigen Leuten auf die Füße getreten haben. In der Gegenwart spürte ich allerdings davon nicht sehr viel. Emma hat Glück, dass sie bei Tabitha wohnen kann, denn eine eigene Wohnung kann sie sich wohl nicht leisten. Sie dümpelt in meinen Augen auch ein bisschen zu sehr in den Tag hinein als das man daraus schließen könnte, dass sie irgendetwas an ihrer Lage ändern möchte. Emma trinkt außerdem ein bisschen zu viel Alkohol und ist abhängig von Xanax (einem Schlaf- und Beruhigungsmittel) und das auch schon vor dem Terror durch die Home Assistenten. Als das einsetzt, bekommt Emma natürlich noch weniger hin, was verständlich ist. Komischerweise geht mit dieser Situation deutlich besser um und trifft auch rationalere Entscheidungen, z.B. lässt sie sich untersuchen, ob sie ebenfalls an Schizophrenie leiden könnte.

Der Schreibstil insgesamt sehr flüßig lesbar und die Kapitel sind schön kurz, so wie ich es gerne mag. Der größte Teil des Thrillers wird aus der Ich-Perspektive von Emma erzählt, aber es gibt immer wieder ein Kapitel von anderen Personen, wie z.B. Simon, den ich auch ziemlich seltsam fand. Simon liebt Emma einfach immer noch und kommt nicht von ihr weg, was mir sehr für seine neue Frau leid getan hat. Der Autor legt ganz geschickt diverse (falsche) Fährten aus, bei denen man als Leser denkt, eine Person könnte es sein. Ich habe allerdings zu keinem Zeitpunkt gedacht, dass Emma sich das alles einbildet. Ich fand es eher erschreckend, wie man auf diese Art das komplette Leben von jemanden demontieren kann, sodass Emma mehr als einmal daran denkt, sich das Leben zu nehmen. Emma muss privat und beruflich sehr viele Verluste einstecken und kann sich kaum dagegen wehren, weil niemand ihr wirklich glaubt. Die Auflösung und das Ende fand ich sehr traurig und sie war nicht vorhersehbar.

FAZIT:

Die Stimme bietet beste Unterhaltung, in dem es wie es bei Psychothrillern üblich ist, mit unseren Ängsten spielt. Eingebettet ist es in ein sehr aktuelles Thema, nämlich die sogenannten Home Assistant gepaart mit KI (künstlicher Intelligenz), die auch im realen Leben schon die Gemüter spaltet. S.K. Tremayne stellt überspitzt dar, was passieren kann, wenn wir den Umgang damit nicht bewusst gestalten und deren Notwendigkeit hinterfragen.

Bewertung vom 07.12.2020
QualityLand 2.0 / QualityLand Bd.2 (eBook, ePUB)
Kling, Marc-Uwe

QualityLand 2.0 / QualityLand Bd.2 (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

QualityLand 2.0 setzt nahtlos dort, wo der erste Teil aufgehört hat. Das Erscheinen des ersten Teils ist tatsächlich schon 3 Jahre her und mir ist nicht mehr alles im Gedächtnis geblieben, aber das hat der Autor aka Kiki Unbekannt sehr gut gelöst und es gibt nochmals eine kleine Revue, was passiert ist und welche die wichtigsten Personen sind.

Peter Arbeitsloser ist mir noch sehr im Gedächtnis geblieben, denn der versuchte verzweifelt im ersten Teil ein Produkt, welches im unaufgefordert zugeschickt worden ist, wieder los zu werden und gerät dann noch in ganz andere Probleme. Peter war zuvor Maschinenverschrotter und ist nun Maschinentherapeut. Er wirkt im Gegensatz zu Band 1 deutlich gefestigter und wird sogar als Berater für die zukünftigen Präsidentschaftskandidaten heran gezogen, weil Peter sich einfach nicht die Meinung verbieten lässt und sagt, was er denkt. Es stellt sich auch immer wieder, was mit John of Us ist, der im ersten Teil verschwunden ist.

Qualityland, ein Land, dass eigentlich perfekt sein sollte, hat dann doch so einige Probleme. Spannend ist auch die Suche nach ihrer eigenen Vergangenheit von Kiki Unbekannt. Kiki ist auch eine wichtige Freundin für Peter. Möglicherweise ist es auch mehr zwischen den beiden. Man weiß es nicht. Außerdem treffen wir auch Martin Vorstand wieder, der aktive zu Johns Verschwinden beigetragen hat. An Martin erleben wir den beispiellosen Abstieg einer einst angesehenen Persönlichkeit, die einen folgenschweren Fehler begangen hat. In Qualityland kann eigentlich nur ein erfolgreiches Leben führen, wenn man sich an die Regeln hält und die machen andere. Macht man Fehler, so steigt man gleich in seinem Level ab. Je höher das Level, desto mehr Privilegien kann man genießen. Was häufig sehr überspitzt dargestellt ist, ist unserer Realität gar nicht so fern.

Im ersten Teil habe ich noch mehr oder weniger ein fehlenden Handlung kritisiert. Das kann von diesem Band nicht behaupten. Dieser ist kontinuierlich spannend, gut aufgebaut und es gibt die eine oder andere interessante Wendung, die unvorhersehbar ist. Ich habe mir manchmal  gewünscht, dass das Buch nicht so schnell enden mögen. Das Ende lässt darauf hoffen, dass es noch einen dritten Band geben wird. Ich war außerdem wieder von der schieren Kreativität von Marc-Uwe Kling begeistert. Wie schon im ersten Teil gibt es wieder schwarze Seiten mit Bewertungen von The Shop, erklärende Artikel wie in Wikipedia und Ausschnitte aus der Medienwelt von Qualityland.

FAZIT:

Qualityland 2.0 setzt genau dort an, wo man den ersten Teil verlassen hat und es hat mich noch mehr begeistert. Marc-Uwe Kling packt in diese fiktive dystopische Welt genauso viel Humor wie Ernsthaftigkeit. Man erwischt sich häufig bei dem Gedanken, dass die von ihm gestaltete Welt unserer gar nicht so fern ist. Ich bin auch einfach schier begeistert, wie man eine Geschichte so kreativ aufmachen kann. Optisch, innen und außen, ist dieses Buch einfach wiedermal ein Hingucker. An dieser Stelle sei auch nochmal das Hörbuch zu empfehlen, welches der Autor selbst spricht und dadurch nochmal mehr unterhaltsam ist. Für mich ein absolutes Jahreshighlight!