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duenefi
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Bünde

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Insgesamt 84 Bewertungen
Bewertung vom 04.01.2021
Erinnerungen aus Glas
Dobson, Melanie

Erinnerungen aus Glas


ausgezeichnet

Ein äußerst authentischer, bewegender und absolut menschlicher Roman !

"Erinnerungen aus Glas" von Melanie Dobson ist als gebundene Ausgabe mit 368 Seiten im Verlag Francke Buch erschienen.
Die sehr bewegende Geschichte basiert auf wahren Begebenheiten, wodurch sie absolut authentisch wird.
Niederlande, 1942: Die Jugendfreundinnen Josie und Eliese, die sich vor einiger Zeit aus den Augen verloren hatten, treffen einander durch Zufall in den Wirren des zweiten Weltkrieges und den Spuren der Nazis wieder.
Eliese arbeitet in einem Amsterdamer Theater, das zur Registrierungs- bzw. Sammelstelle für Juden umfunktioniert wurde, Josie gleich gegenüber im Kinderheim. Beide setzen sich mit aller Kraft dafür ein, dass die zurückgelassenen Kinder deportierter Juden überleben. Und dabei begeben sie sich selbst in größte Gefahr.
In einem zweiten Handlungsstrang, der 75 Jahre später spielt, entdeckt Ava ein streng gehütetes, schreckliches Familiengeheimnis - dabei spielen Geldgier und Koruption eine entscheidende Rolle...
Beim Lesen wusste man über längere Zeit nicht, wie die beiden Handlungsstränge sich zusammenfügen würden. Gerade die unterschiedlichen Zeiten und der damit einhergehende, jeweils sehr passende Schreibstil hat das Buch für mich besonders fesselnd gestaltet.
Die Charaktere wurden von Melanie Dobson detailliert herausgearbeitet und eindrucksvoll gezeichnet, so daß ich zu jeder Zeit mit Josie und Eliese mitgefiebert habe.
Ava fand ich anfangs etwas spröde und distanziert, dann allerdings hat auch sie mir sehr gut gefallen.
Die Autorin hat es super gemacht, gleichzeitig die Eindringlichkeit der damaligen Geschehnisse zu vermitteln und zugleich auf eine flüssige, leichte Art zu schreiben.
Es ist wirklich bewegend, nachzuvollziehen, was manche Menschen für andere zu tun bereit sind und zu welchen Erfolgen Menschlichkeit, Empathie und Zusammenhalt führen können.
Hier schlich sich das ein oder andere Tränchen in den Augenwinkel, da die Geschichte sehr emotional und voller schlimmer Vorkommnisse ist, aber in keiner Weise schwülstig oder etwa ermahnend, sondern eher schlicht und manchmal fast pragmatisch geschrieben wurde.
Von mir eine ganz klare Leseempfehlung!

Bewertung vom 23.11.2020
Dreck
Buford, Bill

Dreck


sehr gut

Dreck - ein ganz besonderes Buch über die französische Spitzenküche !

"Dreck" von Bill Buford ist als Hardcover mit 544 Seiten im Oktober 2020 bei Hanser erschienen.
Dass es sich nicht um ein gewöhnliches Kochbuch handelt, lässt bereits der provokante Titel vermuten.
Bill Buford hat in seinem (beruflichen) Leben bereits die unterschiedlichsten Dinge gemacht, und zwar jedesmal mit ganzem Herzen. Seine absolute Leidenschaft ist das Kochen, und so gibt er sein New Yorker Leben komplett auf und siedelt mit seiner Frau und den 3-jährigen Zwillingen um nach Lyon, Frankreich.
Dort verdingt er sich als Lehrling / Praktikant / Koch an mehreren bekannten Institutionen und der Leser bekommt einen offenen, detaillierten und spannenden Einblick in die französische Spitzenküche. Buford scheut sich weder vor niederen Arbeiten noch kapituliert er vor dem rauhen Ton und Gebaren in den Küchen der Haute Cuisine.
In sehr unterhaltsamer Weise wird hier schonungslos berichtet, was der Autor alles erlebt und ebenso geht er auf historische Hintergründe, Besonderheiten diverrser Lebensmittel usw. ein.
An einigen Stellen war die Erzählweise etwas zu ausführlich und bisweilen muss man auch erst den roten Faden wiederfinden, da Bill Buford sich in Erinnerungen verliert und dabei erzähltechnisch ein wenig hin und her hüpft.
Das tut dem Geschehen aber keinen großen Abbruch, das Lesen hat zwar etwas länger gedauert, da das kein Buch war, was ich an einem Stück gelesen habe, aber die Lektüre hat mir umso mehr beste Unterhaltung geliefert und wirklich hochinteressante Einblicke gewährt - das könnte ich mir großartig auch als Verfilmung vorstellen :o)

Bewertung vom 05.11.2020
Amissa. Die Verlorenen / Kantzius Bd.1
Kodiak, Frank

Amissa. Die Verlorenen / Kantzius Bd.1


sehr gut

Sehr spannender und brisanter Aufkakt der Amissa-Trilogie!

"Amissa. Die Verlorenen" von Frank Kodiak ist im November 2020 als Taschenbuch mit 400 Seiten bei Droemer Knaur erschienen.

Der Thriller bildet den gelungenen Auftakt einer Trilogie, in dem die Privatdetektive Rica und Jan Kantzius in einem hochbrisanten Fall ermitteln.

Es geht hier um verschwundene junge Mädchen, die einem bestimmten Schema entsprechen und stets erst kürzlich einen Umzug hinter sich haben mit ihrer Familie. Die Spuren führen zur Hilfsorganisation "Amissa", bei der Rica Kantzius tätig ist und die nach vermissten Menschen sucht.

Das Ermittler-Ehepaar Rica und Jan ist ein super Team, sie sind beide sehr unterschiedlich und ergännzen sich dadurch vortrefflich, da sie verschiedene Herangehensweisen haben.
Auch die Vorgeschichte der Ehepartner könnte unterschiedlicher nicht sein - Jan, der Ex-Polizist mit den bisweilen fragwürdigen Ermittlungsmethoden und Rica, die ruhige und überlegt handelnde junge Frau aus der Karibik.

Frank Kodiak (übrigens ein Pseudonym des bekannten Thrillerautors Andreas Winkelmann) schreibt absolut fesselnd. Der Leser wird mitgenommen in einen äußerst bildhaften, detaillierten Plot, der durchaus heftige Szenen enthält und nichts für schwache Nerven ist.

Durch die wechselnden Erzählperspektiven und mehrere Handlungsstränge wird die Story erst nach und nach zu neinem Ganzen verwoben.
Der Spannungsbogen ist von Anfang an vorhanden und steigert sich kontinuierlich.

Wenn man nicht schon durch das Cover mit dem auffälligen großen "A" auf den Thriller neugierig geworden ist, sollten es die Thematikim Allgemeinen und der Klappentext im Besonderen definitiv schaffen.

Ein solider, superspannender Thriller, der Lust auf die nächsten Teile der Reihe macht.

Bewertung vom 09.10.2020
Die Stimme
Tremayne, S. K.

Die Stimme


ausgezeichnet

Totale Kontrolle - wenn die Technik lebendig wird...

"Die Stimme" von S.K. Tremayne ist im Oktober 2020 als Taschenbuch mit 400 Seiten bei Droemer Knaur erschienen.

Jo Ferguson, frisch geschieden, konnte fürs Erste bei ihrer Freundin Tabitha unterschlüpfen, die in einer luxuriösen Wohnung lebt.
Tabitha ist selten zu Hause, auch die mondäne Nachbarschaft ist meist auf Reisen etc. und Jo geniesst das Alleinsein und möchte erstmal zur Ruhe kommen - so lange, bis Electra zum ersten Mal ungefragt zu ihr spricht...

Electra, die immer da ist...sie macht das Licht an oder aus, regelt die Musik, gibt Auskünfte - und plötzlich tut sie noch viel viel mehr...sie kennt Jos Geheimnisse, weiss scheinbar alles Verborgene aus Jos Leben und macht sich absolut selbständig...ist es wirklich die Technik, die plötzlich mutiert oder hat Jo die Krankheit ihres Vaters geerbt und weiß nicht immer, was sie tut? Bildet sie sich alles nur ein? Wem kann sie noch trauen?

Der Autor inszeniert hier ein gruseliges Psychospiel, das beim Lesen an den Nerven zerrt und den Leser vor Spannung an den Nägeln kauen lässt.

Der Schreibstil ist total fesselnd, man leidet absolut mit Jo mit und spürt ihre Hilflosigkeit und wachsende Verzweiflung. Zumeist sind die Kapitel aus ihrer Sicht geschrieben, werden aber zwischendurch auch aus der Sicht anderer Protagonisten erzählt.

Die Spannung wird stetig gesteigert, es gibt unvorhergesehene Wendungen und auch das Ende kommt überraschend.
Das ganze Szenario wirkt umso bedrohlicher, weil es dem Leser bewusst macht, was die heutige Technik alles kann und wie sie zu den verschiedensten Zwecken natürlich auch missbraucht werden kann!

S.K. Tremayne präsentiert hier totale Kontrolle in Höchstform - unbedingt lesenswert!!

Bewertung vom 18.09.2020
Unter uns das Meer
Gaige, Amity

Unter uns das Meer


sehr gut

Eine intensive, aussergewöhnliche Reise - mit dem Segelboot über die Weiten der Meere...

"Unter uns das Meer" von Amity Gaige ist als Hardcover mit 384 Seiten im September 2020 beim Eichborn Verlag erschienen.

Das wunderschön illustrierte Cover zeigt eine Flutwelle ,aber es ist kein Boot zu sehen - ist das die Vorankündigung einer Tragödie?

Michael überrascht seine Frau Juliet eines Tages damit, dass er seinen großen Traum verwirklichen möchte - ein Jahr lang mit einer Segelyacht auf dem Meer in der Karibik verbringen. Mit ihr und den beiden Kindern, Sybil (7) und George (2 1/2)! Juliet lehnt erst kategorisch ab, lässt sich dann aber doch überzeugen. Obwohl sie beide nicht wirklich segeln können.
In der Ehe kriselt es, Juliet kommt mit Ihrer Dissertation nicht weiter und sie leidet an einer beginnenden Depression - ist der Segeltörn die Lösung für ihrer beider Probleme oder wird es auf engstem Raum eher brisant?!

Das Buch wird aus der Ich-Perspektive erzählt, aber doch immer abwechselnd aus der Sicht von Juliet "Nachher" und der von Michael "Währenddessen", jeweils gespickt mit Erinnerungen, Überlegungen und Gedankenspielen.

Juliet leidet scheinbar schon vor der Segeltour an Depressionen, die sie zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht erkennen will.
Aus ihrer Sicht erfährt man, wie es zu der Reise kam und wie sich die Situation am Anfang der Reise darstellt. Michael führt das Logbuch während der Reise mit Anmerkungen zur Vergangenheit.

Der Schreibstil von Amity Gaige ist toll und hat mich gefesselt und berührt, obwohl er ruhig ist und die Handlung, auch als sie dramatisch wird, mit Bedacht präsentiert.

Die Natur wird eindrucksvoll und authentisch geschildert.
Für die Kinder ist die Reise ein großes Abenteuer, besonders natürlich die Begegnungen mit Einheimischen und anderen Reisenden bei Landgängen usw., für die Erwachsenen zusätzlich eine Suche nach sich selbst und ihrer weiteren Zukunft.

Ich empfand es als sehr spannend, wie die Sicht- und Erzählweisen der Eheleute aufeinander zusteuern und wie insgesamt alles aus den unterschiedlichen Perspektiven der Beiden dargestellt wird...

Mein Fazit: Ein sehr lesenswertes Buch und eine Reise mit Tiefgang!

Bewertung vom 14.09.2020
Kalmann
Schmidt, Joachim B.

Kalmann


ausgezeichnet

Kalmann - der ganz besondere Sheriff von Raufarhöfn...

"Kalmann" von Joachim B. Schmidt ist im August 2020 bei Diogenes erschienen.

Der Autor, ein Schweizer, lebt seit einigen Jahren selbst in Island und schildert in seinem Buch die Umgebung vortrefflich und authentisch.

Kalmann Odinsson ist der Hauptprotagonist des Buches. Die Erzählung erfolgt aus der Ich-Perspektive und die ist hier ganz besonders.
Kalmann ist nämlich etwas anders als die meisten...er hat das Down-Syndrom und daher wirkt er deutlich jünger als er ist (34 Jahre alt).
Seit sein Großvater verstarb, lebt Kalmann allein. Er stellt selbst Gammelhai her, jagt Polarfüchse und ist der selbsternannte Sheriff von Raufarhöfn.
Eines Tages findet er bei einer seiner Inspektionsrunden eine große Blutlache im Schnee und er beginnt zu ermitteln....
Kalmann ist ein ganz und gar warmherziger Mensch, der zwar auch seine düsteren Momente hat, sich aber im Regelfall selbst von den Gemeinheiten und Gedankenlosigkeiten seiner Mitmenschen nicht aus der Ruhe und von seiner allumfassenden guten Laune abhalten lässt.
Kalmann ist ein wirklich ganz besonderes, einfühlsames und mit ganz viel Ruhe erzähltes Buch, das trotzdem oder gerade deswegen ungemein fesselt und vor allem berührt. Auch die Umgebung Island, die endlosen Weiten, der ewige Schnee, die Einsamkeit sind für den großteil der Leser alles andere als alltäglich und faszinieren ungemein.
Wer hier einen Krimi erwartet, liegt absolut falsch, aber trotzdem handelt es sich um eine spannende Lektüre - nur eben auf eine ganz andere Art.
Ich habe beim Lesen geschmunzelt, gegrübelt, innegehalten, fast geweint, gelacht, Faszination gespürt und habe Kalmann einfach geliebt.
Mein Fazit: Ein großartiges Buch!

Bewertung vom 24.08.2020
Das Mädchen, das ein Stück Welt rettete
Cameron, Sharon

Das Mädchen, das ein Stück Welt rettete


ausgezeichnet

Stefania - Heldin ihrer Zeit! Ein bewegendes und wichtiges Buch über Nächstenliebe, Mut und Tatkraft.

"Das Mädchen, das ein Stück Welt rettete" von Sharon Cameron ist als gebundene Hardcover-Ausgabe im September 2020 im Insel - Verlag erschienen und hat 473 Seiten.

Es handelt sich um einen historischen Roman, der von einer wahren Begebenheit berichtet.

Die sechzehnjährige Stefania hat im Geschäft der jüdischen Familie Diamant in der polnischen Stadt Przemysl eine gute Anstellung gefunden.
Sie findet sich dort bestens ein und sie und Izio, der jüngste Sohn der Diamants, verlieben sich ineinander und wollen heiraten.
Leider kommt es jedoch ganz anders: der zweite Weltkrieg beginnt und die Deutschen marschieren in Polen ein. Dann wird die Familie Diamant eines Tages abgeholt und ins Ghetto deportiert.
Stefania, die von allen Fusia genannt wird, versorgt die Familie mit dem Nötigsten so gut es geht und wohnt nun allein in der Wohnung der Diamants. Sie holt ihre kleine Schwester Helena zu sich. Dann wird die Familie Diamant, wie so viele andere auch, umgebracht, nur Max gelingt die Flucht. Er bittet Stefania, ihn und andere Juden zu verstecken. Das bringt das Mädchen in große Gefahr, aber sie besorgt eine größere Wohnung und versteckt insgesamt 13 Juden bei sich auf dem Dachboden. Und eines Tages stehen die Nazis vor ihrer Tür...
Sharon Cameron hat die Geschichte bzw. das Schicksal dieser Menschen in ergreifender Form festgehalten und man merkt beim Lesen, wie wichtig und emotional diese Geschichte auch für sie persönlich ist.
Es ist wirklich erschütternd und bewegend zu lesen, wie es diesen Menschen damals erging. Zusammengepfercht auf engstem Raum, hungernd, frierend, immer mit der Angst im Nacken, entdeckt zu werden.
Stefania hat wirklich unglaublichen Mut bewiesen, es war ja auch mehr als gefährlich, irgendjemand anderem zu vertrauen und ihr Engagement war voller Nächstenliebe. Sie handelt so selbstlos und stellt sich allen Gefahren. Wie gut, dass es sie und Menschen wie Stefania immer wieder gibt und gab! Stefania ist eine echte Heldin und es ist wunderbar, dass die Autorin ihre Geschichte nun aufgeschrieben hat.
"Das Mädchen, das ein Stück Welt rettete" ist ein absolut wichtiges Buch, das uns wieder daran erinnert, dass man nicht vergessen darf!
Es ist nicht das erste Buch, das ich zu dieser Thematik lese, aber eines derjenigen, die am Besten umgesetzt wurden und den Lesern die unfassbaren Grauen des zweiten Weltkrieges, die Unbarmherzigkeit und Grausamkeit vieler Menschen und auch den Gegenpol, auf bewegende und erschütternde Weise ganz nahebringt.
Besonders gefallen hat mir auch, dass es am Ende des Buches ein ausführliches Nachwort und Fotos der Beteiligten gibt, außerdem war das Buch intensiv recherchiert, die Autorin hat mit den Nachfahren der Betroffenen eng zusammengearbeitet und diese Geschichte dann so authentisch und ergreifend verfasst.
Mein Fazit: Unbedingt lesen. Ein ganz herausragendes Buch!

Bewertung vom 18.08.2020
Im nächsten Leben wird alles besser
Rath, Hans

Im nächsten Leben wird alles besser


ausgezeichnet

Arnold & die Nanobots - eine großartige Mischung aus Humor und Dystopie !

"Im nächsten Leben wird alles besser" von Hans Rath ist im August 2020 als Taschenbuch mit 288 Seiten beim Ullstein-Verlag erschienen.
Zum Cover:
Das Cover sticht schon mal heraus, trotzdem es fast nur aus Schrift besteht. Aber gerade diese Schrift, regenbogenbunt und etwas ungelenk, obwohl nicht handschriftlich, strahlt Positivität aus und lässt uns gut gelaunt zum Bücherstapel greifen.
Das Lesen des Klappentextes bestätigt dann den ersten Eindruck: Hier hält man ein außergewöhnliches Stück Literatur in der Hand, eine großartige Mischung aus Humor und Dystopie.
Zum Inhalt:
Arnold Kahl ist 53 und steht kurz vor der Silberhochzeit mit Kathrin. Das stürzt ihn in eine Art Krise, und er fragt sich nahezu verzweifelt, wo die letzten 25 Jahre geblieben sind.
Eines Morgens erwacht er in einem fremden Bett - aber er hat nicht etwa seine Midlife-Crisis ausgelebt oder ähnliches, nein, sondern zack ist es wieder 25 Jahre später (2045) und Arnold befindet sich im Zimmer einer Seniorenresidenz. Sein Frühstück serviert ihm Gustav, ein synthetischer Charakter aus dem Servicebereich. Was??? Gustav ist seit 15 Jahren Arnolds persönlicher Betreuer und somit ein recht veraltetes Modell , ebenso ist Arnolds Leben geprägt durch die künstliche Intelligenz überall um ihn herum, beispielsweise die allgegenwärtigen Nanobots, die die Umgebung simulieren und es z.B. ermöglichen, einen ganzen Raum (oder Haus) in Sekundenschnelle umzugestalten. Nur erinnert sich Arnold an rein gar nichts, was seit dem 16. Februar 2020 passiert ist - jenem Abend, an dem er sich mit seiner Frau gestritten hat....
Arnold will sein altes Leben zurück, aber der Leiter der Seniorenresidenz schickt ihn mit Gustav nach Times Beach, einem virtuellen Freizeitpark.

Meine Meinung:
Hans Rath schreibt in sehr humorvoller und unterhaltsamer Weise einen Roman, der mir sehr zu denken gegeben hat. Künstliche Intelligenz herrscht vor in der neuen Zeit, und Vieles erscheint erschreckend möglich. Selbstfahrende Autos, Nanobots, Perlenketten, die in Wirklichkeit Medikamenten-Dispenser sind, Supersäfte zum Frühstück zur Idealisierung und Verjüngung des Körpers und synthetische Charaktere mit Deko-Eiern, die digital sämtliche Informationen über ihre Patienten "auf dem Schirm" haben.
Einiges davon steckt in unserer heutigen Realität bereits in den Kinderschuhen, anderes scheint an den Haaren herbeigezogen - aber wer weiß?!...

Der Schreibstil des Autors ist einfach großartig, so leichtgängig und doch tiefgründig und emotional.
Das Buch liest sich flüssig und ratz fatz, und doch war es am Ende ganz und gar keine seichte Lektüre.
Ich habe oft gelacht, diverse Male innegehalten und gegrübelt und bisweilen sogar Tränen in den Augen gehabt. Man sollte das Leben bewusster geniessen und nicht alles selbstverständlich nehmen, sonst findet man sich vielleicht eines Tages selbst nicht mehr wieder.
Die einzelnen Kapitel wechseln zwischen Arnolds Erlebnissen im Jahr 2045, seinem Leben kurz vor der Silberhochzeit 2020 und der Vergangenheit.
Der Leser unternimmt mit dem schrulligen und etwas starrsinnigen Arnold Kahl eine einzigartige Reise in die Zukunft, die Vergangenheit und die Gegenwart und erlebt mit ihm und Gustav so einige Abenteuer.

Mein Fazit:
Ein grossartiges Buch, das belustigt und zum Nachdenken anregt.

Bewertung vom 04.08.2020
Verschollen in Palma
Kallentoft, Mons

Verschollen in Palma


sehr gut

Die verzeifelte Suche eines Vaters in der Welt der Reichen und Schönen auf Mallorca

„Verschollen in Palma“ von Mons Kallentoft ist im Juli 2020 als Paperback mit 416 Seiten im Verlag Tropen bei Klett-Cotta erschienen.

Zur Handlung:
Tim und Rebecca Blank erlauben ihrer 16-jährigen Tochter Emme, zusammen mit 2 Freundinnen ihren ersten Urlaub ohne Eltern auf Mallorca zu verbringen, in der Party-Hochburg Magaluf.
Drei Jahre später: Emme ist während des Urlaubs spurlos verschwunden. Die Ehe der Eltern ist an dieser Tragödie zerbrochen. Emmes Vater Tim verließ Schweden, ging nach Mallorca und sucht dort nach wie vor pausenlos verzweifelt nach seiner Tochter. Nebenbei ist Tim als Privatermittler tätig, und als er nach Beweisen für die Untreue einer deutschen Millionärsgattin forscht, passiert plötzlich ein Mord…er gerät immer tiefer in den Fall hinein und wie so oft sind Macht, Gier und Korruption im Spiel. Und dann, ganz unten in diesem Sumpf, ergibt sich plötzlich eine Spur, die zu Tims Tochter führen könnte…

Meine Meinung:
Bei seiner Suche führen Tim die Ermittlungen immer mehr in die elitären Kreise der Reichen und Schönen. Und obwohl das irgendwann ziemlich gefährlich wird, kann Tim nicht davon ablassen, denn er kann schließlich Emme nicht im Stich lassen und natürlich gibt er die Hoffnung nicht auf, sie lebend zu finden!
Tim ist ein sehr sympathischer Charakter, der seine Ziele verständlicherweise sehr verbissen angeht. Für mich war er der tragische Sympathisant…
Mons Kallentoft hat einen ungewöhnlichen Schreibstil, an den ich mich erst etwas gewöhnen musste. Dann hat er mich aber total gepackt und ich finde es sehr bemerkenswert, wie der Autor es schafft, die Protagonisten der unterschiedlichen Gesellschafts- und Altersgruppen durch die Sprache so differenziert zu charakterisieren!
Die Erzählperspektive ist vorwiegend in der Gegenwart angesiedelt, es gibt jedoch auch Rückblicke, die sich zumeist auf Tims Erinnerungen an Emme beziehen. Wenngleich es mir bisweilen etwas verworren vorkam, war die Handlung letztendlich schlüssig und der Spannungsaufbau stetig.
Ebenso erfährt der Leser viele interessante Details über Mallorca. Es handelt sich aber keineswegs um einen gemütlichen Urlaubskrimi ;)

Mein Fazit:
Mir hat das Lesen sehr viel Spaß gemacht und ich kann das Buch empfehlen.

Bewertung vom 22.07.2020
Paradise City
Beck, Zoë

Paradise City


sehr gut

Hochinteressante Dystopie - erschreckend nah an der Realität!

"Paradise City" von Zoe Beck ist im Juli 2020 bei Suhrkamp erschienen. Die Taschenbuchausgabe hat 281 Seiten.
Das Buch ist als Thriller deklariert, es handelt sich nach meiner Meinung aber eher um einen dystopischen Roman!

Deutschland besteht fast nur noch aus Mega-Cities, die Hauptstadt Frankfurt erstreckt sich über das gesamte Rhein-Main-Gebiet.
Der Rest sind weitgehend verlassene Landstriche und die Bevölkerung befindet sich zum überwiegenden Teil in den Ballungsräumen.
Das ganze Leben wird algorithmisch gesteuert, die Menschen tun keinen Schritt ohne ihr Smartcase, das ins Gemeinschaftsnetz eingebunden ist einfach ALLES steuert.
Die Gesundheits-App KOS , die dank eines implantierten Chips im Körper funktioniert, meldet sich, wenn Medikamente eingenommen werden müssen o.ä., es gibt sogar eine Art Geburtenkontrolle.

Liina Järvinen ist Rechercheurin bei Gallus, einer Nachrichtenagentur, die als eine der letzten noch nicht verstaatlich wurde und wahrheitsgemäße und oft heikle Berichterstattung macht.

Liinas Chef Yassin ist an einer brisanten Story dran und er schickt sie in die Uckermark - scheinbar zur Ablenkung, denn als Liina zurückkehrt nach Frankfurt, hatte Ihr Chef einen mysteriösen Unfall und liegt im Koma...Eine weitere Kollegin wird tot in ihrer Wohnung gefunden.
Was ist da los? Woran hat Yassin gearbeitet? Will jemand etwas mit allen Mitteln verbergen oder hat es gar mit den Algorythmen zu tun?!

Liina ist eine sympathische Protagonistin mit persönlichen Problemen und einer Vergangenheit, die dem Leser bekannt vorkommt. Denn da war das Leben noch "normal", so wie wir es heute kennen.
Liina steht dem neuen System nicht ganz unkritisch gegenüber, denn die Bürger überwachen sich gegenseitig und nahezu alles ist transparent.
Aber dennoch profitiert sie auch davon, denn sie hat schon zum zweiten Mal ein neues Herz bekommen. Und das letzte Mal musste sie nicht auf einen Organspender warten, sondern das Herz wurde aus ihren eigenen Stammzellen erschaffen.

Die Autorin Zoe Beck erschafft hier eine Kulisse, die nicht nur stark zum Nachdenken anregt, sondern auch erschreckt und ein klein wenig ängstigt.
Denn die hier genutzten Technologien sind teilweise schon so nah an unserer heutigen Realität, das Meiste scheint denkbar und realisierbar zu sein.
Gerade in Zeiten der CoVid19-Pandemie und der damit verbundenen Einschränkungen und Pläne durch die Politik hat mich dieses Buch sehr zum grübeln gebracht.

Auf alle Fälle hochinteressant und lesenswert!