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Lenasbuecherlounge
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Köln

Bewertungen

Insgesamt 633 Bewertungen
Bewertung vom 19.02.2024
Raum
Donoghue, Emma

Raum


sehr gut

Jack ist fünf Jahre alt und lebt zusammen mit seiner Mutter in einem Raum. Für ihn ist es normal, in einem Schrank zu schlafen, jeden Tag zur selben Zeit zu essen und ein Leben außerhalb nicht zu kennen. Der Alltag mit baden, waschen und sauber machen wiederholt sich, genauso wie die regelmäßigen abendlichen Besuche von Old Nick, von dem er sich ein Sonntagsgutti wünschen darf.
Eines Tages erzählt ihm seine Mutter, dass sie hier eingesperrt sind und dass die Welt aus dem Fernsehen tatsächlich real ist. Sehnsüchtig nach Freiheit, beginnt sie einen Plan für eine Flucht zu schmieden, in der Jack zum Helden werden kann.

"Raum" erzählt von dem Martyrium einer jahrelangen Gefangenschaft, vom Akt der Befreiung und einem nie gekannten Leben von Freiheit.
Die Geschichte wird aus der Perspektive des Jungen geschildert, dessen Welt eng begrenzt ist, der aber auch nichts anderes kennt und sich in dem Raum und der Brust seiner Mutter sicher fühlt. Die Erzählweise ist nachvollziehbar kindlich und naiv, was einerseits authentisch ist und nicht sofort alles erklärt, aber in der Sprache eines Fünfjährigen zumal ein wenig anstrengend ist.
Der Schreibstil bleibt konsequent dabei, selbst nach der Flucht und den ersten Wochen ohne die Begrenzungen des Raums.

Nach der beklemmenden Atmosphäre der Gefangenschaft, in der Mutter und Sohn allerdings ein unschlagbares Team bilden, ist auch das Leben in Freiheit mit all den neuen Eindrücken, Personen und Regeln, die auf Jack einprasseln, sehr empathisch und lebensecht dargestellt. Insbesondere die Aufgabe eines Lebens zu zweit wird dabei deutlich.

Auch wenn manche Entwicklung innerhalb weniger Tage und Wochen zu schnell ging und die Handlung mit keinen wesentlichen Überraschungen aufwarten konnte, fesselt der Roman durch das erlittene Leid, den mutigen Kampf für ein selbst bestimmtes Leben und die innige Liebe zwischen Mutter und Sohn.

Bewertung vom 17.02.2024
Mein Leben in deinem
Moyes, Jojo

Mein Leben in deinem


sehr gut

Sam löst, kurz bevor er verfällt, den Gutschein für ein hippes Sportstudio ein. Unter Zeitdruck und auf dem Weg zur Arbeit, wo ihr neuer Chef ihr das Leben schwermacht, merkt sie zunächst nicht, dass sie ihre Sporttasche verwechselt hat. Notgedrungen schlüpft sie in die Schuhe einer anderen Frau und merkt, wie anders die Männer auf sie reagieren und wie sie mit ihrer neu gewonnenen Attraktivität mehr Erfolg im Beruf hat.
Die andere Frau, Nisha, ärgert sich über den Verlust ihrer Luxuskleidung. Es kommt jedoch noch viel schlimmer, als ihr Ehemann sie nach fast zwanzig Jahren Ehe abserviert und mittellos zurücklässt. In ihrer Not geht Nisha, die sich über Jahre ihr Leben an der Seite eines Millionärs hart erarbeitet hat, in einem Hotel putzen. Ihr Mann stellt ihr ein Ultimatum und möchte nur in eine ordentliche Scheidung einwilligen, wenn Nisha die gestohlenen High Heels zurück beschaffen kann. Nisha, die die Suche bereits aufgegeben hatte, macht sich erneut auf die Suche nach der unbekannten Frau mit ihrer Sporttasche.

"Mein Leben in deinem" wird abwechselnd aus der Perspektive einer der beiden Hauptfiguren erzählt. Während Sam, die bodenständiger und nahbarer ist, schnell das Mitgefühl weckt, dauert es ein wenig bis man hinter die Fassade der versnobten Nisha blicken kann.
Die Handlung verläuft überraschend lange parallel zwischen den Leben von Sam und Nisha. Solange erlebt man deren Probleme mit und die zahlreichen Hürden, denen sie begegnen müssen. Sam leidet unter den Schikanen ihres Chefs und erfährt Zuhause keinen Rückhalt durch ihren depressiven Ehemann. Nisha steht vor dem Nichts, hat weder Geld, noch Obdach, noch Freunde, die ihr helfen.
Durch die unterschiedlichen Leben, in die man eintaucht und die bildhafte und empathische Darstellung, ist die Geschichte unterhaltsam und abwechslungsreich.
Während man darauf wartet, dass die beiden Frauen sich endlich begegnen, fragt man sich gespannt, was es mit dem eigenartigen Verhalten von Nishas Ehemann auf sich hat und welches Geheimnis, die Schuhe umgibt. Daneben geben die Nebencharaktere der Geschichte weitere Impulse, wenn man mehr über das Leiden von Sams Ehemann erfährt und Nisha in Jasmin eine gute Freundin findet, die sie selbstlos unterstützt.

"Mein Leben in deinem" handelt von Mobbing, Depressionen, Armut, Ungerechtigkeit und Verrat, aber auch von Zuversicht, Freundschaft und Frauensolidarität. Lange ist der Roman eher negativ und melancholisch und erzählt die parallelen Leben von Sam und Nisha sehr ausführlich, bis die Handlungsstränge zusammengeführt werden, die Geschichte eine positive, optimistischere Richtung einschlägt und die geballte Frauenpower die Schwierigkeiten aus dem Weg schafft. Der Roman entwickelt sodann eine Dynamik und wechselt zwischen berührenden, spannenden und amüsanten Momenten, während die Frauen um ihr Glück kämpfen und sich der uneingeschränkten Unterstützung ihrer neunen Freundinnen sicher sein können.
Die Geschichte ist lebendig und mit individuell gezeichneten Charakteren. Sie ist nicht unbedingt aus dem Leben gegriffen, damit aber kreativ, dramatisch und durch unerwartete Krimielemente am Ende spannend erzählt.

Bewertung vom 15.02.2024
Mühlensommer
Bogdahn, Martina

Mühlensommer


sehr gut

Maria ist zu einem verlängerten Wochenende zusammen mit Freunden und ihren beiden Töchtern aufgebrochen, als sie einen Anruf von ihrer Mutter erhält, dass ihr Vater einen Unfall hatte. Ohne zu Zögern fährt Maria nach Blumfeld zum Hof ihrer Eltern, wo sie sich um ihre demente Oma kümmert, die Viecher im Stall versorgt oder beim Brotbacken mitanpackt. Erinnerungen an eine Kindheit auf dem Land kommen in ihr hoch, an fröhliche Streiche mit ihrem Bruder, ein heimeliges Zuhause, aber auch das Mobbing in der Schule als Bauerskind und die Entbehrungen eines Lebens voller Arbeit. Mit dem Unfall des Vaters wird zudem deutlich, dass eine Aussprache und Entscheidung nötig ist, wie es mit dem Hof und der Mühle in Zukunft weitergeht.

Im Wechsel aus Gegenwart und Vergangenheit wird das Leben auf dem Land geschildert.
Maria ist zurück und muss sich notgedrungen Gedanken um ihr Erbe und ihr Zuhause machen, das nur im Einklang mit ihrem Bruder eine Zukunft hat.
Das Buch ist einerseits die Rückkehr einer erwachsenen Frau in ihre Heimat, die sie nach dem Abitur fluchtartig verlassen hat und einerseits das Schwelgen in Erinnerungen aus Kindessicht.
Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Vergangenheit und den Anekdoten und humorvollen Episoden zwischen Schweinestall, Kirchgang, Schulhof und Erntesommern, zwischen Schweineblut, Apfelkuchen, Eierlikör und Edle Tropfen in Nuss. Die Beschreibungen sind bildhaft und lebendig, zeigen das Leben auf dem Land eindrücklich und ungeschönt, mit allen Vor- und Nachteilen. Man erlebt eine Kindheit wie einen Urlaub auf dem Bauernhof, aber auch den arbeitsintensiven Alltag, einen von der Natur vorgegebenen Abläufen, der eine Leidenschaft für die Sache erfordert und kaum Platz für Freizeit und persönliche Entfaltung lässt.
Die Gegenwart nimmt weniger Raum ein und bleibt mit der Sorge um den kranken Vater und die Frage, ob und wie der Mühlenhof rentabel bewirtschaftet werden kann, etwas an der Oberfläche.

Die Mischung aus unbeschwerten, idyllischen und herrlich nostalgischen Elementen einer Kindheit in den 1980er-Jahren und einem Heranwachsen auf dem Land, wo alle selbstverständlich mit Anpacken mussten und nie genug Zeit und Geld für Urlaub, Ausflüge oder Einkaufsbummel war, ist gelungen, stimmt sentimental, aber auch sehnsüchtig.

Es ist eine warmherzige Geschichte mit einem persönlichen (Rück-)blick auf ein Zuhause und das Leben auf einem Bauernhof. Auch wenn manche Episode möglicherweise etwas übersteigert erzählt ist, spürt man doch, dass die Autorin eigene Erlebnisse schildert und ihre Liebe zum Leben auf dem Land.

Vor dem Hintergrund von Bauernprotesten und Diskussionen um Lebensmittelpreise ist der Roman tagespolitisch aktuell, auch wenn das positive Gefühl überwiegt und über die Erschwernisse der Arbeit in der Landwirtschaft nicht lamentiert oder gejammert wird, sondern nüchtern dargelegt wird, wie es ist.

Bewertung vom 15.02.2024
Hallo, du Schöne
Napolitano, Ann

Hallo, du Schöne


ausgezeichnet

William ist in keinem liebevollen Elternhaus aufgewachsen. Basketball wird schon als Kind zu seiner großen Leidenschaft, denn dort ist er Teil einer Mannschaft. Am College lernt er Julia kennen, die drei Schwestern hat: die verträumte Sylvie, die freigeistige Künstlerin Cecelia und ihre fürsorgliche Zwillingsschwester Emeline. Er verliebt sich in Julia und wird wie selbstverständlich in die Familie Padavano aufgenommen. Julia ist voller Ambitionen und Pläne und entwickelt diese auch für William. Sie hat eine klare Vorstellung von ihrer Zukunft und vereinnahmt William dafür. Für ihn ist es zunächst bequem, sich einfach mitreißen zu lassen, doch der Druck steigt und für eigene Träume bleibt kein Raum mehr. Als Julias Vater stirbt, gerät das Gleichgewicht der Familie durcheinander, was nicht ohne Folgen für die Beziehung von Julia und William bleibt.

Der Roman erzählt eine 40-jährige Familiengeschichte ab Ende der 1970er-Jahre aus der Sicht von William, Julia und Sylvie, später noch der nächsten Generation, Julias Tochter Alice. Die Darstellung erfolgt chronologisch, bereits mit Williams Kindheit in den 1960er-Jahren, wobei einzelne Ereignisse aus mehreren Perspektiven geschildert werden. Zu Beginn ist die Erzählweise detaillierter, bis später größere Zeitsprünge erfolgen.

Die vier Schwestern sind durch ein enges Band miteinander verbunden und nicht nur die Zwillinge spüren eine intensive Verbundenheit, sondern auch die beiden älteren Schwestern Julia und Sylvie. Als sie erwachsen werden, ereignen sich mehrere Begebenheiten, die dafür sorgen, dass die Familie erschüttert wird und die Struktur nach und nach in sich zerbricht. Verletzungen, Enttäuschungen, Verluste und Vertrauensbrüche führen dazu, dass jedes einzelne Mitglied neue Wege geht und manche Brücke gekappt wird.

Die Schilderung aus den verschiedenen Perspektiven ist eingängig und nachvollziehbar. Selbst wenn man nicht alles gutheißen kann, was die Hauptfiguren machen, sind ihre Handlungen doch nachvollziehbar. Die Charaktere sind vielschichtig und mit ihren positiven und negativen Eigenschaften individuell gezeichnet. Der Gegensatz vom Wunsch nach persönlicher Freiheit und der Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft ruft Konflikte hervor, in der sowohl die romantische Liebe als auch die Liebe zu engsten Familienmitgliedern bedeutsam sind.

"Hallo, du Schöne" ist eine Familiengeschichte, die von Tod, Trauer, den Umgang mit psychischer und physischer Gesundheit und Liebe in all ihren Facetten handelt und eindrücklich zeigt, wie sich Traumata über Generationen weitervererben, dass das Leben nicht planbar ist und dass selbst eine innige familiäre Bindung nicht unerschütterlich ist. Während der dramatisch geschilderten Jahre über Selbstentfaltung bleibt spannend, ob die Padavanos wieder zusammenfinden und zu Vergebung bereit sind. Dies resultiert in einem bittersüßen Ende, dass die Wichtigkeit von der Geborgenheit in einem Gefüge aus Familie und Freunden feiert.

Bewertung vom 15.02.2024
Code Name Verity
Wein, Elizabeth E.

Code Name Verity


gut

Die Geheimagentin "Verity", eine schottische Aristokratin, und die Pilotin und Funkerin Maddie, ein Arbeitermädchen aus Manchester, werden während des Zweiten Weltkriegs zu Freundinnen - eine Freundschaft, die zu anderen Zeiten nicht möglich gewesen wäre, denn ihre Wege hätten sich nie gekreuzt.
Jede der beiden geht mutig ihren Aufgaben im Kampf auf Seiten der Alliierten vor. Doch im Oktober 1943 misslingt eine geheime Mission, als sie zusammen im Flug über Frankreich angeschossen werden. Verity kann das Flugzeug per Fallschirm verlassen und wird anschließend von der Gestapo aufgegriffen und gefangen genommen. Sie weiß nicht, ob Maddie notlanden konnte und den Angriff überlebt hat. In Gefangenschaft schreibt Verity ihr Geständnis und wird unter Folter gezwungen, Geheimnisse zu verraten. Während sie möglichst lange schreibt, um ihre Hinrichtung aufzuschieben, lässt sie sich von ihren Peinigern nicht einschüchtern und gibt die Hoffnung nicht auf, dass ihre Freundin überlebt hat.

Die Geschichte beginnt mit den Worten von Verity, während sie ihren Bericht für die Gestapo schreibt. In Rückblenden erfährt man aus ihrer Erzählung, wie sie Maddie kennengelernt hat und einige wenige Details aus ihrem Leben als Geheimagentin. Sie bezeichnet sich dabei selbst als Feigling und Verräterin, was allerdings nicht zu ihrem mutigen Verhalten gegenüber ihren Folterern passt. So werden Zweifel geschürt, wie viel von ihrem Bericht der Wahrheit entspricht und ob ihre Informationen für die Deutschen tatsächlich wertvoll sind. Eine zweite Perspektive, die später ebenfalls in Form eines Berichts einsetzt, geben noch mehr Details preis und schließen den Kreis zu dem, was Verity erwähnte.

Der Plot um zwei junge Frauen, die im Kriegseinsatz mutig Aufgaben übernehmen, die Männern vorbehalten waren, die eine Freundschaft knüpfen, die dramatisch mit einer Gefangenschaft durch die Gestapo endet, hat Potenzial für eine spannende und emotionale Geschichte vor dem Hintergrund des Zweiten Weltkriegs.

Die Art der Erzählweise als nacherzählter Bericht, der eingangs kindlich anmutet und der ein aktives Miterleben der Geschichte von Verity und Maddie verhindert, ist allerdings wenig einnehmend. Die Erzählung von Verity ist sprunghaft und willkürlich. Sie schreibt das nieder, was ihr gerade einfällt, unabhängig davon, ob es für die Geschichte oder für die Gestapo wichtig ist. Der Wechsel aus den Erlebnissen in Gefangenschaft und ihrem Geständnis ist genauso willkürlich und kaum von einander zu unterscheiden.
Die Sicht von Maddie ist einnehmender und lebendiger. Zudem sorgen offene Fragen nach einer möglichen Rettung von Verity und der Fortsetzung der geplanten Mission für Momente der Spannung. Zu viele Zufälle lassen die Ereignisse in Frankreich reichlich unwahrscheinlich erscheinen, zumal es an Erklärungen fehlt, wer warum auf Seiten der Résistance kämpft.

Die Geschichte über die Freundschaft von Verity und Maddie kommt in der gesamten Handlung kaum zum Tragen. Die wenigen Beschreibungen über erste Begegnungen und vage gemeinsame Erlebnisse reichen nicht aus, um tatsächlich eine enge Bindung zwischen den beiden zu spüren. Das dramatische Ende ist als Totschlagargument nicht wirklich überzeugend.

Die Handlung ist gerade in der ersten Hälfte unwahrscheinlich zäh und wiederholt sich auch später in retardierenden Gedanken der Hauptfiguren. Die Erwähnung verschiedenster Flugzeugtypen trägt darüber hinaus nicht dazu bei, die Geschichte lebendiger zu gestalten. Verity ist eine zwiespältige Figur, bei der man erst später erkennt, warum sie so handelt. Das tröstet jedoch nicht darüber hinweg, dass ihr Geständnis in Prosaform, gespickt mit Anekdoten, nicht fesseln kann.
Ein anderer Aufbau dieser Geschichte hätte aus "Code Name Verity" eine spannende und dramatische Geschichte über mutige Heldinnen und starke Frauen, die während des Krieges für Frieden und Freiheit kämpfen, machen können. So ist es ein Durcheinander aus einzelnen Erzählfragmenten mit nur wenigen verbindenden Momente von Verity und Maddie.

Bewertung vom 12.02.2024
Du hast mich voll erwischt
Bell, Anna

Du hast mich voll erwischt


ausgezeichnet

Nach dem Tod ihre Mutter ist Edie in das Familienunternehmen ihrer Eltern eingestiegen, um ihren Vater zu unterstützen. Auch nach 17 Jahren vermisst sie ihre Mutter sehr und sorgt sich weiterhin um ihren Vater, der um ein Haar an der Trauer zugrunde gegangen war. Mit ihrem Freund Miles führt sie eine konfliktfreie, aber auch leidenschaftslose Beziehung.
Als Edie zu ihrem 35. Geburtstag eine E-Mail ihres 18-jährigen, enthusiastischen Ichs erhält, gerade sie ins Grübeln, ob sie wirklich das richtige Leben führt. Angetrieben von der Motivation, sich aus der Komfortzone zu bewegen, öfter mal ja zu sagen und mehr Spaß zu haben, kontaktiert sie die Clique, mit der sie den Sommer vor dem Tod ihrer Mutter verbracht hat. Dabei trifft sie auch auf Joel, ihre damalige Liebe, der ihre Gefühle durcheinanderwirbelt.
Auch wenn Edie weiß, dass sie keine Teenagerin mehr ist, stellt sie fest, dass das Leben doch noch mehr für sie bereithält, als Arbeit und Verantwortung.

Der Roman handelt zugleich von einer Reise in die Vergangenheit und einer Auseinandersetzung mit der gegenwärtigen Situation. Die E-Mails aus der Vergangenheit sind der Anstoß dafür, dass sich Edie ernsthaft Gedanken darüber macht, ob sie das Leben führt, wie es sich vorstellt und muss sich eingestehen, dass sie nicht glücklich ist.

Edie ist der Typ Mensch, der für andere da ist, aber ihre eigenen Wünsche und Träume vernachlässigt. Ihr Pflichtbewusstsein und das Gefühl der Verantwortung für eine Firma und ihren Dad hindern sie daran, eigene Ziele zu verfolgen. Die E-Mails, die sie motivieren, mutiger zu sein, auf ihr Herz zu hören und Neues zu wagen, bewirken eine Veränderung. Edie findet ein neues Hobby, ein Ehrenamt, eine neue berufliche Perspektive und vor allem alte Freunde wieder, wodurch sie neues Selbstvertrauen gewinnt und sich wohler in ihrer Haut fühlt.

Die Geschichte ist lebendig und unterhaltsam geschrieben. Der Wechsel aus Gegenwart und Rückblenden in die Vergangenheit - der Sommer, in dem Edie erwachsen wurde - sowie die fröhlichen E-Mails der jungen Edie aus dem Sommercamp sorgen für Abwechslung.
Der Schreibstil ist erfrischend mit witzigen Dialogen unter Freunden und gemeinsam Erlebnissen im Sommer. Auch wenn die Leichtigkeit des Romans überwiegt, handelt er von mitunter schwermütigen Themen wie Trauer und Verlust, Alkoholsucht, verpassten Chancen und emotionalem Ballast, die für eine Unterhaltungslektüre die passende Tiefe erhalten.

Die Botschaft, das Leben voll auszuschöpfen, seine Träume zu leben und für die eigenen Bedürfnisse einzustehen, ist der rote Faden, der sich durch den gesamten Roman zieht. Die Liebesgeschichte ist im Vergleich zu Edies Zeitreise und Neuausrichtung ihres Lebens nicht vordergründig. Sie entwickelt sich wenig überraschend, ist aber so liebenswürdig wie die Protagonisten selbst, der man ein Happy End gönnt. Auch die Werte von Freundschaft und Familie sowie die heilende Kraft von Büchern sind glaubhaft und runden die Geschichte um Selbstfindung gelungen ab.

Bewertung vom 09.02.2024
Die Halbwertszeit von Glück
Pelt, Louise

Die Halbwertszeit von Glück


sehr gut

Johanna, die zurückgezogen in einer Hütte im Wald im Grenzgebiet der DDR zur BRD lebt, nimmt sich im Winter 1987 eines 17-jährigen Mädchens an, das sie angeschossen auffindet.
Holly ist im Frühjahr 2003 nach Kalifornien gezogen, um dort ihr Glück als Drehbuchautorin zu finden. Als sie tatsächlich über ihre Mitbewohnerin die Chance erhält, einer berühmten Regisseurin eine ihrer Geschichten vorzustellen, geschieht ein Unglück, bei dem eine lieb gewonnene Kollegin ums Leben kommt, was alles ändert.
16 Jahre später erfährt Mylène in Paris, die gerade vor der Hochzeit mit ihrem Verlobten Frédéric steht, dass sie von einer ihr unbekannten Frau eine Wohnung in Amsterdam geerbt hat. Sie macht sich auf den Weg dorthin, um mehr über ihre Verbindung zu ihr und vor allem ihre eigenen Wurzeln zu erfahren.

Das Buch handelt von drei Frauen an unterschiedlichen Orten in drei verschiedenen Jahrzehnten, deren Leben durch unvorhergesehene Ereignisse aus den Fugen geraten und zeigen, wie vergänglich das Glück sein kann.

Johanna ist der Meinung, dass sie ihr Recht auf Glück für alle Zeit verwirkt hat und lebt deshalb allein in einer Hütte im Wald, wo sie den Kontakt zu anderen Menschen weitgehend eingestellt hat. Die Begegnung mit dem namenlosen Mädchen führt dazu, dass sie sich mit ihrer Vergangenheit auseinandersetzen muss.
Holly gibt sich die Schuld am Tod ihrer Kollegin und denkt deshalb, dass sie keinen Anspruch auf Liebe und Erfolg hat, krempelt ihr Leben um und torpediert damit ihre Karrierepläne und Lebenstraum.
Mylène, die so glücklich mit ihrem Verlobten war und ganz allein eine eigene Firma aufgebaut hat, reist nach einer Nachricht tief enttäuscht nach Amsterdam und beginnt ihr gesamtes Leben zu hinterfragen. Begleitet wird sie dabei ausgerechnet von ihrem Exfreund, der sie vor Jahren hintergangen hatte.

Der Aufbau der Geschichte suggeriert Spannung, aber so manche Verbindung der Frauen und Erzählebenen ist einfach zu durchschauen. Bei anderen dauert es länger, was jedoch vor allem daran liegt, dass Namen zurückgehalten werden.
Durch die gleichwertigen Lebensgeschichten fällt es nicht leicht, schnell Zugang zu den Hauptfiguren zu bekommen. Auch verhalten diese sich zumal lebensfremd, was im sehr ereignisreichen Mittelteil übertrieben dramatisch wirkt oder zumindest irritierend ist.

Der Roman rutscht jedoch nicht ins Seichte ab und bedient Klischees, die man an mancher Stelle erwarten würde. Er verknüpft die einzelnen Handlungsstränge am Ende logisch und lässt keine Fragen offen.
Die einzelnen Lebensgeschichten drehen sich um Trauer, die Suche nach den eigenen Wurzeln, die Auseinandersetzung mit Schuld, die Frage nach Selbstliebe, Versöhnung und Verzeihung. Authentisch ist dargestellt, wie lebensverändernde Ereignisse die Protagonisten verwirren und sie unüberlegt handeln lassen. Die Akte der Selbstgeißelung und Bestrafung sowie die wiederholten Gedanken, kein Recht auf Glück zu haben, sind nachvollziehbar, wenn auch nicht unbedingt gerechtfertigt. Erst am Ende setzt ein Lernprozess ein und führt die Frauen wieder auf einen richtigen Pfad, bereit für das Leben, das nicht vorhersehbar oder planbar ist und mit allen Widrigkeiten angenommen werden muss.

Auch wenn ich im Mittelteil meine Probleme mit den Figuren hatte und mir an der ein oder anderen Stelle mehr Tiefgang gewünscht hätte, ist der Roman durchgängig schön erzählt, arbeitet den Bezug zum Titel einprägsam heraus und ist durch den steten Wechsel der Charaktere unterhaltsam und lebendig. Die Empathie sowie Liebe für die Figuren und ihre (geballt dramatischen) Schicksale sind auf jeder Seite spürbar und führen für alle zu einem versöhnlichen und auch glücklichen Ende ohne übertriebenen Kitsch.

Bewertung vom 07.02.2024
Verborgen / Mörderisches Island Bd.3
Ægisdóttir, Eva Björg

Verborgen / Mörderisches Island Bd.3


ausgezeichnet

In der isländischen Kleinstadt Akranes wird nach einem Hausbrand die Leiche des Sohnes der darin wohnenden Familie gefunden. Die Obduktion ergibt, dass der 20-Jährige bereits vor dem Brand verstorben ist. Ob es sich um Mord oder Selbstmord handelt, ist unklar. Bei dem Feuer handelt es sich jedoch zweifelsfrei um Brandstiftung.
Während das Team um Elma im Umkreis der Familie ermittelt, wird eine tote junge Frau aufgefunden. Zwei Leichen innerhalb nur weniger Tage können kein Zufall sein. Elma sucht nach einem Zusammenhang und einem Motiv und hat auch privat mit Umständen zu tun, die ihr Sorgen bereiten.

"Verborgen" ist nach „Verschwiegen“ und „Verlogen“ der dritte Band der Krimi-Reihe "Mörderisches Island".

Zu Beginn ist die Vielzahl der Personen unübersichtlich, weshalb es von Vorteil ist, die Vorgängerbände zu kennen, um bekannte Namen bereits einordnen zu können. Eine Personenübersicht am Ende des Buches ist gerade für Neueinsteiger hilfreich.

Der Roman wird aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt, die schnell wechseln. Neben den Ermittlungen der lokalen Polizei erhält man dadurch Einblicke in Familien der Kleinstadt, die des Opfers und der Freunde, ohne jedoch frühzeitig einen Täter erahnen zu können.
Der Kriminalroman ist dynamisch und deckt durch die soliden Ermittlungen, Befragungen und Spurensuche sukzessive neue Erkenntnisse auf. Der Fall - oder die Fälle - sind nicht leicht zu durchdringen, auch wenn als Täter nur eine beschränkte Anzahl an Personen in Frage kommen kann.
Sowohl die Ermittlungen als auch die Blicke hinter die Fassade der Familien und einzelnen Personen in Akranes, die den schönen Schein eines intakten Verbandes wahren wollen, sind spannend beschrieben. Die Reduzierung auf zwei Kleinfamilien und einen Freundeskreis regen zu reichlich Spekulationen an. Dabei sind es die kleinen Geheimnisse, die unter der Oberfläche brodeln, die gleich mehreren Figuren ein Motiv für die Tat geben.

Die Details zu den persönlichen Befindlichkeiten der Ermittler stören nicht oder lenken von der Aufklärung des Falls ab, sondern machen die Reihe vielschichtiger, die Charaktere nahbarer und neugierig auf deren weitere Entwicklung.
Die Auflösung ist überraschend, aber dennoch schlüssig und nachvollziehbar. "Verborgen" ist ein klassisch aufgebauter Krimi, der raffiniert konstruiert, wendungsreich und damit durchweg spannend erzählt ist.

Bewertung vom 05.02.2024
Was die Sterne dir schenken
Atkins, Dani

Was die Sterne dir schenken


sehr gut

Nur durch einen glücklichen Zufall kann Amelia, die bewusstlos am Strand gefunden wird, wiederbelebt und ihr Leben gerettet werden. Ihre Schwester Lexi eilt sofort in Sorge von New York in ihre Heimat Somerset, um für ihre Schwester und ihre Mutter da zu sein. Körperlich ist Amelia auf dem Weg der Besserung, aber mental scheint sie sich in eine andere Welt geflüchtet zu haben. Sie ist felsenfest davon überzeugt, verheiratet zu sein und schildert ihre ersten Dates mit Sam in bunten Farben. Doch Amelia lebt allein in ihrem Cottage, es gab nie einen Ehemann.
Irritiert ist Lexi allerdings, als sie am Strand Nick begegnet, der wie Sam einen Hund hat und so aussieht, wie Amelia ihren Ehemann beschrieben hat.
Lexi möchte ihrer Schwester helfen und bittet deshalb Nick um Unterstützung. Gemeinsam stellen sie Amelias Dates für Erinnerungsfotos nach, kommen sich dabei unweigerlich näher, entwickeln ihre eigene Liebesgeschichte.

Hat man sich erst einmal auf das eigenartige Szenario eingelassen, dass mit falschen Fotos echte Erinnerungen hervorgerufen werden sollen, ist die Geschichte durch ihre einnehmende, warmherzige und lebendige Schilderung schön zu lesen.
Der Schwerpunkt der Geschichte liegt allerdings nicht auf der engen Bindung der Schwestern, bei denen es sich trotz des Altersunterschieds von acht Jahren dank In-vitro-Fertilisation um Zwillingsschwestern handelt, sondern auf der romantischen Liebesgeschichte zwischen Lexi und Nick.

Und auch wenn diese schon ab der ersten Begegnung vorhersehbar ist, entwickelt sie sich authentisch, allmählich und erwachsen. Aus Fake-Dates werden echte Gefühle, die spürbar sind und Lexi in einen Konflikt bringt, den man selbst als Leserin nur allzu gern verdrängen möchte. Während ein Leben in New York leicht aufzugeben erscheint, ist es doch unmöglich, Amelia Nick als Lexis Freund vorzustellen.
Doch nicht nur dieses Problem macht zu schaffen - viel schlimmer ist noch, was es mit Amelias Zusammenbruch am Strand auf sich hat. Lange wird er aufgrund der fortschreitenden Genesung verdrängt, bis Amelia zurück in ihrem Zuhause weitere bedenkliche Ausfallerscheinungen hat, die besorgniserregend sind.

Dani Atkins hat erneut einen einnehmenden, emotionalen Roman verfasst, der einerseits eine romantische Liebesgeschichte erzählt und andererseits von einer Liebe zwischen Schwestern zeugt, von einem festen Band, das diese verbindet. Was Amelias Krankenhausaufenthalt und ihren Vorstellungen von einem anderen Leben zugrunde liegt, sorgt für Spannung und am Ende wird das Mysterium dahinter durch kleine Schlüsselerlebnisse logisch und mit voller Wucht ergreifend erklärt. Die Charaktere bleiben allerdings blass und auch die Krankengeschichte hätte noch tief gehender dargelegt werden können.
"Was die Sterne dir schenken" ist eine Geschichte über mysteriöse Erinnerungen, die zu einer Prophezeiung werden und ein ergreifendes Drama mit einem bittersüßen Ende.

Bewertung vom 03.02.2024
Einfach lieben / Glückstöchter Bd.2
Schuster, Stephanie

Einfach lieben / Glückstöchter Bd.2


ausgezeichnet

Anna von Quast ist auf der Tonkaalm, einem Familienbesitz, der seit mehreren Jahren unbewohnt ist, angekommen. Oben in den Bergen und weitab von den nächsten Nachbarn möchte sie ein neues, unabhängiges Leben beginnen. Zwischen Gemüsebeet und Töpferscheibe ist Anna in ihrem Element, aber auch unweigerlich den Unwägbarkeiten von Natur und Witterung ausgesetzt.
Eva fühlt sich wohl in ihrer WG in München, arbeitet in einer Apotheke und setzt ihr Studium fort. Sie vermisst ihre Freundin Maja, die nach Indien gegangen ist, hat aber in Mitbewohner Milo einen Ersatz gefunden. Sie hadert noch immer damit, als Adoptivkind nicht ihre Herkunft zu kennen, ist selbst schwanger und unsicher über die Vaterschaft. Ihr Interesse für Naturkosmetik ist ungebrochen und auch die Müsliproduktion findet auf dem Wochenmarkt Anklang. Der Traum von einem Naturkostladen zusammen mit ihren Mitbewohnern rückt in greifbare Nähe.

"Glückstöchter - Einfach lieben" ist die Fortsetzung von "Glückstöchter - Einfach leben", der erste Band der Dilogie, der noch viele Fragen offen ließ.

Wer Band 1 mochte, wird Band 2 lieben. Wer seine Problem mit dem ersten Teil hatte, wird auch im zweiten Teil Kritikpunkte haben.

Mit über 600 Seiten ist "Glückstöchter - einfach leben" sehr lang, was spekulieren lässt, ob eine ursprünglich als Trilogie (mit "Glückstöchter - einfach träumen") angedachte Reihe gekürzt wurde und der Roman am Ende arg gerafft wirkt.

Der Roman handelt wie schon in Band von der Liebe zur Natur und dem Leben im Einklang mit ihr. Das wird auf beiden Zeitebenen sehr anschaulich und lebendig geschildert. Hierbei wird viel Wissen über Pflanzen und deren Wirkung, über Naturkosmetik und Naturheilkunde in die Handlung miteingebaut. Die Familiengeschichte, die Verbindung zwischen Anna und Eva sowie die Umstände für die Adoption geraten im Vergleich zu langen Schilderungen über das Anlegen von Beeten oder vielen nebensächlichen Details, die einfach nur den Rahmen ausschmücken, aber keinen Mehrwert haben, zu kurz.

Anna und Eva machen keine wesentliche Entwicklung durch. Anna bleibt die liebenswertere Hauptfigur, während Eva eher polarisiert.

Der Roman hat zwar einzelne dramatische Episoden, ist für seine Länge aber viel zu wenig ereignisreich. Dabei werden einige interessante Themen angesprochen und Impulse gesetzt, jedoch nicht vertieft dargestellt. Anti-AKW, Frauenrechte, Straßenproteste, Nationalsozialismus und Entnazifizierung verbleiben bei deren Erwähnung. Insgesamt fehlt es der Geschichte an Spannung- nicht einmal die Suche nach Evas Wurzeln kann fesseln, da sie lange nur halbherzig forciert und am Ende weitgehend per Epilog im Schnelldurchlauf abgearbeitet wird. Die Erklärungen darin sind jedoch nicht alle schlüssig und lassen immer noch Fragen offen. Ärgerlich sind zudem wenig realistische Zufälle und auffallend viele Fehler - von kleineren Ungenauigkeiten wie Schwiegermutter statt Stiefmutter bis zu gravierenden Schnitzern wie ein falsches Geburtsdatum oder Tote, die wieder lebendig wird.