BenutzerTop-Rezensenten Übersicht
Bewertungen
Insgesamt 59 BewertungenBewertung vom 28.01.2022 | ||
![]() |
Das Vorkommnis / Biographie einer Frau Bd.1 Als die autofiktional schreibende Schriftstellerin auf einer Lesung einer Frau begegnet, die ihr mitteilt, sie hätten denselben Vater, ist das der Beginn einer Selbstreflexion, die die eigenen Familienverhältnisse, die Kindheit, die Ehe, den Beruf in Frage stellt. Während eines Studienaufenthalts in den USA mit den Kindern und der Mutter stellt sie sich den Erinnerungen an den Vater und der eigenen Kindheit in der sich auflösenden DDR. Gleichzeitig stellt sich die Frage nach der Bedeutung der eigenen Beziehung zum Vater ihrer Kinder. In diesem fast essayistischen Roman werden eindringliche Fragen gestellt nach der Wahrheit der Wahrnehmung, nach der Bedeutung von Literatur als Aufarbeitung der eigenen Geschichte. Was ist Fiktion, was ist Wahrheit? Es handelt sich um den ersten von drei geplanten Bänden der "Biographie einer Frau". Man kann auf die Fortsetzung gespannt sein. 1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich. |
|
Bewertung vom 21.01.2022 | ||
![]() |
Die theoretische Unwahrscheinlichkeit von Liebe Selten habe ich mich so amüsiert wie beim Lesen dieser Liebesgeschichte. Grotesk, komisch, spritzig und unterhaltsam ist die Geschichte der Doktorandin Olive und des Dozenten Adam, die sich eigentlich nicht wollen und doch immer mehr verstricken und letztlich - natürlich - lieben lernen. Die Geschichte der Fake-Beziehung, in der beide ein Liebesverhältnis ihrer Umgebung nur vorgaukeln, um etwas anderes zu erreichen, spielt im akademischen Milieu, das die Autorin als Neurobiologin nur zu gut kennt. Es geht um wissenschftliche Konkurrenz, um Benachteiligung von Frauen, um die Ausbeutung junger Akademiker und natürlich kommt auch die Debatte um sexuelle Belästigung nicht zu kurz. Bei aller Ernsthaftigkeit ist es ein extrem kurzweiliges Buch geworden, das richtig Spaß macht. Besonders natürlich für junge Akademikerinnen sehr empfohlen. |
|
Bewertung vom 09.01.2022 | ||
![]() |
Blutspuren in einem Loft, der von drei Personen bewohnt wird. Mord in einem Beziehungsdrama? Die Kommissarin Bianca Radow scheint einen einfachen Fall vor sich zu haben: einer der beiden muss der Mörder sein. In einem spannend aufgebauten Szenario wechseln sich Selbstgespräche der beiden Verdächtigten und Protokolle der Vernehmungen ab. Aber die Verhältnisse werden immer komplizierter. Alle drei der WG sind tief verstrickt im Hamburger Drogenmilieu. Liegt dort ein Mordmotiv? Die Geständnisse führen zu einem gemeinsamen Urlaub, in dem alle Schuld auf sich geladen haben. Doch der Mord an dem Mitbewohner erfährt eine überraschende Aufklärung, die nirgendwo vorhersehbar ist und auch ein wenig unwahrscheinlich erscheint. Aber der Roman ist sehr spannend geschrieben und die gegenseitigen Abhängigkeiten und Gefühle fesselnd geschildert. Gute Unterhaltung! |
|
Bewertung vom 11.10.2021 | ||
![]() |
Das eigentlich unwahrscheinliche Zusammentreffen von Menschen unterschiedlicher Milieus ist ein besonderes Kennzeichen der Romane von Schlink. Der erste Teil zeichnet eine Ost-West-Liebe im geteilten Deutschland der 60er Jahre nach, die nach geglückter Flucht eigentlich glücklich enden könnte. Aber die junge Studentin erliegt immer mehr dem Alkohol und stirbt schließlich daran. Im Nachlass findet der Ehemann Texte, die den tieferen Grund der Zerrissenheit erklärt: sie hat ihr neugeborenes Kind in der DDR zurückgelassen. Hier beginnt der zweite Teil des Romans: die Suche nach der verlorenen Tochter, die er schließlich in einer völkischen Gemeinschaft im Osten Deutschlands findet. Zu seiner in diesem Milieu verwurzelten Enkelin nimmt er vorsichtig Kontakt auf und versucht, ihre Sicht auf die Welt zu erweitern, was schließlich in einem Desaster endet. Ein Text mit viel Wissen zur politischen Situation, mit Verständnis und Anregungen zur Gesprächsaufnahme mit Rechtsradikalen. Ich bin zweigespalten. |
|
Bewertung vom 01.10.2021 | ||
![]() |
Ein Krimi, aber ein ungewöhnlicher. Ein Kommissar in Rente, frühzeitig, wegen des "Russen im Nacken" - Morbus Bechterev. Als sein Jugendfreund tot aufgefunden wird. hat er ein Ziel. Mord oder Unglück, er möchte wissen, was passiert ist, wie sich alles entwickelt hat. Und er sieht die Stadt München, wie sie sich verändert hat seit seiner Kindheit. Und er sieht die drei Freunde, den weltreisenden Hippie, der jetzt eine Kneipe hat, den Toten, erfolgreicher Bauunternehmer, der um Anerkennung in der Münchener Gesellschaft kämpft und sich selbst den kranken Mordkommissar, dem die vielen Toten nicht aus dem Kopf gehen. Es ist kein spannungsgeladener Krimi, eher eine Milieustudie um die Menschen in den kleinen Vierteln, ausgesetzt Veränderungen, die sie nicht beeinflussen können, in einer wuchtigen, frechen Sprache, die eher gesprochen als geschrieben ist. Und ganz zum Schluss wird der Fall wie nebenbei auch noch gelöst. Gute Unterhaltung! |
|
Bewertung vom 21.09.2021 | ||
![]() |
Die Handlung des Romans beschränkt sich auf eine stundenlange Fahrt im tief verschneiten Großbritannien. Ein Vater holt seinen erkrankten Sohn, um mit ihm in der Familie Weihnachten zu feiern. Den Gedanken und Erinnerungen in dieser Einsamkeit folgt der Text, in dem sich immer stärker wie in einer Zwiebel die tief liegenden Konflikte und Schuldgefühle herauskristallisieren. Sehr sensibel werden die Verhältnisse zu seiner Frau und seiner Familie in den Selbstgesprächen herausgearbeitet und mit großer Spannung erwartet man die Offenlegung seiner Verfehlung. Interessant dabei der entlarvende Blick des Fotografen und der Kontrast der weißen, konturlosen Landschaft. Eine bewegende Schilderung der Reise eines Mannes zu sich selbst, des Eingeständnisses einer Schuld und des Versuchs der Erlösung. Eine sehr klare, fast schlichte Sprache, dabei sehr eindrucksvoll. |
|
Bewertung vom 28.08.2021 | ||
![]() |
Stamm schreibt aus der Perspektive eines Mannes, der sein Leben fast autistisch einem Ordnungssystem unterordnet, das er als Archivar gelebt hat. Nach der Kündigung wegen der Digitalisierung des Zeitungsarchivs hat er die Regale in sein Haus übernommen und arbeitet neue Kategorien aus, die aber nie gefüllt werden. Der Leser folgt wie nebenbei dem Lebenslauf und erfährt von seiner ersten Liebe Franziska, die ihm immer wieder in fiktiven Gesprächen und Erinnerungen begegnet. Interessant ist die Beschreibung des Kontrastes zwischen der streng auf Ordnung bedachten Person und der Entwicklung von Phantasie und Gefühl. Was ist Wirklichkeit? Es stellen sich viele Fragen. War es ein ungelebtes Leben trotz seiner Beziehungen zu verschiedenen Frauen? Ist ein neues Leben zu Franziska jetzt nach vierzig Jahren möglich? Ein Buch, das nachdenklich macht, ruhig, sensibel, ein wenig melancholisch. Sehr lesenswert. |
|
Bewertung vom 22.08.2021 | ||
![]() |
Die spannend erzählte Geschichte ist kunstvoll aufgebaut. Ausgangspunkt ist die Eskalation im Verhältnis dreier Brüder, die in einer wüsten Schlägerei endet. Stunde um Stunde rückwärts wird der Tag geschildert, der eigentlich die Brüder wieder zusammenführen sollte, weil sie die Asche ihrer verstorbenen Mutter im See ihres Sommerhauses versenken wollen. Zwischen diesen Kapiteln sind Episoden aus den Ferienerlebnissen in diesem Sommerhaus eingebunden. Diese Schilderungen sind verstörend, weil die Unfähigkeit der Familie Liebe oder Zuneigung zu zeigen, die Wankelmütigkeit der Mutter, die Gewalt des Vaters nicht zu erklären sind. Dazu kommen die düsteren Schilderungen der einsamen schwedischen Wälder. Alles läuft auf eine Erklärung hinaus, die aber erst im letzten Kapitel erfolgt und sehr überraschend ist. Für mich blieben ein paar Fragen offen, aber ich habe mich der Spannung nicht entziehen können und das Buch gerne gelesen. Das Cover entspricht dem Text sehr gut. |
|
Bewertung vom 17.06.2021 | ||
![]() |
Die Geschichte zog mich von Beginn an in ihren Bann. Die unauflösbare Verkettung von Schicksalsschlägen in einer Familie, die zu dramatischen Abstürzen in Armut und zerstörerischer Gewalt führen, sind bewegend und erschütternd geschildert. Besonders die Charakterisierung der jungen "Heldin" ist in ihrer Verhärtung und ihrem Hass sensibel. Gleichzeitig steht auf der anderen Seite der Großvater, der versucht, mit ungeheurer Zartheit und Emotionalität diese Härte aufzulösen. Dem Autor gelingen neben der ergreifenden Darstellung dieser Familientragödie interessante Beschreibungen der amerikanischen Gesellschaft und Natur. Das Buch ist weit mehr als ein Krimi. Die geschilderte Ausweglosigkeit, bei der alles immer nur schlimmer wird und auch das überraschende Ende eigentlich keine Hoffnung bringt, geht unter die Haut. Empfehlenswert! |
|