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Fee04
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Bayern

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Insgesamt 134 Bewertungen
Bewertung vom 09.06.2023
Das Restaurant der verlorenen Rezepte / Die Food Detectives von Kyoto Bd.1
Kashiwai, Hisashi

Das Restaurant der verlorenen Rezepte / Die Food Detectives von Kyoto Bd.1


ausgezeichnet

Das Restaurant der verlorenen Rezepte von Hisashi Kashiwai beschreibt die unglaublich intensive Erfahrung zwischen Körper (Geschmack) und Geist.
Ein Wohlfühlroman mit vielen, liebevoll angerichteten Köstlichkeiten der japanischen Küche.

Nagare und seine Tochter Koishi führen ein von außen unscheinbares Lokal, welches unglaublich schwer zu finden ist. Eine Anzeige im “Gourmet Insider” weist auf das Restaurant hin, jedoch ohne Adresse. Wer den Weg finden soll, wird ihn finden.
Das Restaurant “Kamogawa Shokudō” ist etwas Besonderes, die Sehnsucht nach dem verlorenen Geschmack wird die Person führen.
Und tatsächlich finden die unterschiedlichsten Persönlichkeiten den Weg zum Restaurant und der dazugehörigen Detektei.
Nagare und seine Tochter führen neben dem kleinen Restaurant die Detektei für verlorene Gerichte.
Sie suchen das Rezept und die damit verbundenen Erinnerungen. Sie schenken der suchenden Person das intensive Erlebnis des lange vermissten Geschmacks und zugleich die gesuchte Erinnerung.
Koishi führt das Erstgespräch und ihre manchmal etwas schroffe Art verunsichert, Nagare begibt sich auf die Suche nach den Details. Die spärlichen Erinnerungen der Menschen verlangen unglaubliches Wissen in Zusammenhang mit den Begebenheiten. Nagare’s Spürsinn für Zutaten und Menschen ist jedoch außerordentlich. Seine Recherchen sind gründlich und tiefgründig.

Die Kapitel sind aufgeteilt in unterschiedliche Gerichte, die Kunst und Vielfalt der japanischen Küche inspiriert. Verschiedene Orte und Bräuche werden dargelegt und man taucht ein in die japanischen Kultur und die Geschichten der Menschen.

Die Protagonisten Nagare und Koishi werden authentisch beschrieben, Nagare ist ein unglaublich weiser und angenehmer Mensch, seine Tochter Koishi hingegen etwas vorlaut und forsch. Beide werden jedoch auf ihre Art sehr emphatisch beschrieben und in dem Restaurant fühlt man sich sofort geborgen und heimelig.
Gefühlvoll und intensiv wird über die Sehnsucht nach verlorenen Rezepten und deren Erinnerungen dazu geschrieben, die Kunst des Kochens wird hervorgehoben und vor allem die tiefe Empfindung von Geschmack in Bezug auf unsere Sinne und unsere Vergangenheit.
Der Autor hat mit seinem klaren, strukturieren Schreibstil eine wundervolle ruhige Wohlfühlatmosphäre geschaffen. Als Leser fühlt man sich direkt in das Restaurant mit seinen kulinarischen Köstlichkeiten hineinversetzt.
Ein wunderschönes Buch, mit einer klaren Leseempfehlung.

Bewertung vom 28.05.2023
Zwischen Himmel und Erde
Rodrigues Fowler, Yara

Zwischen Himmel und Erde


gut

„Zwischen Himmel und Erde“ von Yara Rodrigues Fowler beschreibt die politische Situation in Brasilien und England im Jahr 2016. In England stimmt die Mehrheit für den Brexit und in Brasilien kommt es zu einem sanften Putsch, die Massen treibt es auf die Straße, die Regierung wird in Frage gestellt und die Präsidentin wird ihres Amtes enthoben.
Catarina stammt aus Brasilien und ist das einzige Kind der Universitätsprofessorin Sonia und deren Mann Miguel, einer politisch, engagierten Familie. Sonias Schwester Laura war eine Revolutionärin und kam bei einem unglücklichen Autounfall ums Leben. Catarina wächst mit den Geschichten und im Schatten der heldenhaften Laura auf.
Mit ihrem langjährigen Freund Pedro zieht das Mädchen nach England und versucht aufgrund ihrer portugiesischen Vorfahren einen unbefristeten Aufenthaltstitel zu erhalten. Eine Rückkehr nach Brasilien zieht Catarina im Moment nicht in Betracht. Anders ihr Freund Pedro, der nach seinem Studium zurückgeht und in Sao Paulo mit deiner Arbeit beginnt.
Catarina zieht in eine Wohngemeinschaft, hier lernt sie auch Melissa kennen, welche auch brasilianischer Herkunft ist, jedoch das Land noch nie besucht hat.
Während sich die Unruhen in England und Brasilien ausbreiten, freunden sich die Mädchen an und nehmen an Demonstrationen teil.
Es gibt immer wieder Rückblicke betreffend das Leben der beiden Protagonistinnen. Der Roman wird in einem poetischen Schreibstil erzählt, mit Texten, Zitaten und Liedern, meist in Portugiesisch.
Die Handlung bezieht sich sehr auf die politischen Geschehnisse der beiden Länder, aber wer sich für die Geschichte interessiert, könnte gefallen an dieser Erzählung finden.
Es geht um die Familiengeschichte der beiden Mädchen, Freundschaft, die Revolution, Kommunismus und Liebe. Leider ist der Schreibstil sehr anspruchsvoll, die teilweise halb bedruckten Seiten mit Wiederholungen, unglaublich oft das „plekplek“ des Mimeografen, die portugiesischen Texte und die endlose Liste aller indigenen Gruppen macht es zwar sehr leicht die 528 Seiten zu lesen, jedoch tut man sich als Leser schwer, über die gänzliche Länge des Buches bei der Erzählung zu bleiben. Teilweise habe ich quer gelesen, was ich nicht bevorzuge.
Das Cover mit seinen Farben und dem wundervollen Titel verleiten zu diesem Roman. Leider kann man aus dem Klappentext nicht viel erfahren und somit war es eine Überraschung, wie politisch die Erzählung tatsächlich ist.
Was das Buch ausdrücken soll, bleibt mir persönlich verborgen. Persönlich ist es mir schwer gefallen, dem emotionslosen und poetischen Schreibstil der Autorin zu folgen und auch die Handlungen in Verbindung zu den beiden Frauen und den politischen Geschehnissen sind für mich nicht fassbar.
Wer sich mit dem politischen Hintergrund befasst und Interesse an Geschichte, sowie Brasilien und England bekundet, wird von diesem Buch nicht enttäuscht.

Bewertung vom 22.05.2023
Du bist so schön, sogar der Tod erblasst
Emezi, Akwaeke

Du bist so schön, sogar der Tod erblasst


ausgezeichnet

Wahnsinn und Chaos also. Etwas, das Raum einnahm. Das sich teuflisch lebendig anfühlte, weil zu überleben manchmal höllisch wütend machte.
…..Wahnsinn und Chaos, Leben und Wut, aber eine spezifische Wut, ein von Trauer entfachtes Inferno.
(Seite 302)

Gewaltig, gefühlvoll, eine Story voller Lebendigkeit, Lust und Trauer.
Ein Roman, der mich unvorbereitet getroffen hat.
Bindungsängste, moralische Vorstellungen und Begierde wechseln sich ab.

Fünf Jahre nach dem tödlichen Unfall ihrer großen Liebe beginnt die Nigerianerin Feyi Adelola in New York wieder am Leben teilzunehmen. Ihre Freundin Joy versucht mit viel derben Sprüchen Feyi auf andere Gedanken zu bringen und ihr wieder das pulsieren zwischen den Beinen bewusst zu machen. Unwiderstehlich schön ist die Künstlerin Feyi und die Männer verschlingen sie mit Blicken.

Gleich zu Beginn wird eine Sexszene beschrieben, welche vor Geilheit trieft.
Endlich kann sich die junge Künstler wieder hingeben.
Aber kann sie sich auch emotional hingeben oder nur der puren Lust?

Partys und Sex sind anfangs die Hauptthemen und es ist alles sehr intensiv.
Bis Feyi den smarten Nasir kennenlernt; er bietet ihr Freundschaft und emotionalen Halt.
Die Beziehung ist rein platonisch und doch der erste Schritt für die junge Künstlerin wieder sich selbst zu spüren. Nasir verhilft ihr zu einer exklusiven Ausstellung auf einer tropischen Insel. Er ist dort aufgewachsen und sein Vater und seine Schwester wohnen auf der Insel.
Nasir und Feyi können im Haus seines Vater in den Bergen wohnen, während der Ausstellung und im Anschluss für ein paar Urlaubstage. Vier Tage hat Feyi fürs Kofferpacken gebraucht; Gold in ihren Braids, Fuß-/Fingernägel in Metallicgold, Nippelpiercings und das beste Kompliment von ihrer Freundin Joy: „Du siehst kostbar aus“ geben Feyi ein großartiges Gefühl für die Reise.

Die Insel ist traumhaft und Nasirs Vater ist ein berühmter Sternekoch.
Allmählich heilen ihre Wunden und sie kann sich wieder auf einen Mann einlassen.

Auch ihre Karrierechancen gehen steil nach oben. Feyi verarbeitet in ihrer Kunst die Trauer, die Wut, das Blut und die Tränen. Sehr emotional und intensiv wird ihre Kunst beschrieben; auch ihre Sehnsucht nach einer (verbotenen) Liebe wird immer drängender und präsenter.

„…..als wären sie eben durch ein Loch in eine andere Welt gefallen und noch nicht bereit, loszulassen. „ (Seite 320)


Sinnlich wird die Story einer wunderschönen, facettenreichen Frau erzählt. Ein Leben mit all seinen Höhen und Tiefen wird beschrieben und man kann die Ängste, Begierde und Zweifel der Protagonistin nachempfinden.

Ein unglaublicher Schreibstil, der Lust macht, das Buch zu lesen. Eine Story, die fesselt und zeigt, dass das Leben gelebt werden muss. Mit all seinen Widersprüchen, intensiv und offen.

Bewertung vom 14.05.2023
Anti
Luftvogel, Lisei

Anti


ausgezeichnet

„Anti“ von Lisei Luftvogel erzählt über Maja, ein Kind welches bei Dieter, seinem Vater im Ruhrgebiet aufwächst. Dora, Majas Mutter lebt mit dem Kleinen Bruder Jo in einer Kommune. Die Eltern sind beide Studenten mit alternativen Ansichten, welche offen im Gespräch mit ihren Kindern gegen die patriarchale Gesellschaftsstrukturen aufbegehren.

In Majas Leben ist alles Anti, ein antiautoritärer Hort, eine antiautoritäre Erziehung, Anti-Atomkraftwerk, Antifaschisten usw.

Schwierig gestaltet sich durch diese Erziehung und vor allem Lebensweise der Eltern das Alltagsleben von Maja in der Schule.
Sie und ihre wenigen Freunde werde gemobbt, beschimpft und verprügelt.
Gewalt zwischen den Kindern ist auf der Straße ein großes Thema und Maja beschließt mit ihrem Freund Aljoscha mithilfe der Kraft und dem Mut der Drachen, dieser Gewalt ein Ende zu bereiten.
Ihre verstorbene Oma hat von den Drachen berichtet; nun gilt es diese Kraft zu erhalten.
Die Kinder benötigen hierzu die Unterstützung der Erwachsenen und arbeiten nun an einem Plan.

Die Protagonisten werden bildlich und authentisch dargestellt, sehr gut wird dem Leser die alternative Lebensweise beschrieben.
Das Leben in den Kommunen, die nackten Menschen, die offenen Gespräche, kein Schamgefühl - all diese antibürgerlichen Themen werden offen und klar beschrieben.
Für die Kinder ist die Lebenseinstellung „verbieten verboten“ sehr schön und doch in der Gesellschaft nicht akzeptiert. Hier erfahren Maja und ihre Freunde für ihr Empfinden sehr viel Ungerechtigkeiten.

Das unschuldige Thema Sexualität in der Kindheit wird in der Gesellschaft nicht offen angesprochen.
Themen wie Glaube, Kirche und Politik werden in der Story sehr gut über die Gedanken der Kinder dem Leser offenbart. Die Schwere der elterlichen Ansichten und die daraus entstehenden Konsequenzen sind für die Kinder verstörend.
Für Maja ist dies alles oftmals widersprüchlich und schwer zu verstehen.

Der Roman ist sehr einfühlsam, intensiv und auch humorvoll geschrieben. Als Leser fühlt man sich in die 70er Jahre direkt ins Ruhrgebiet versetzt.

Das schmale Buch ist sehr zu empfehlen, ich wurde bestens unterhalten und bleibe bisschen nachdenklich zurück.

Anti ist nicht immer gut und nicht immer schlecht….

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 12.05.2023
Noch wach?
Stuckrad-Barre, Benjamin von

Noch wach?


sehr gut

Noch wach“? von Benjamin von Stuckrad-Barre hat mich fasziniert, aufgrund der sehr ähnlichen reellen Fälle in Deutschland und natürlich die Story über den Weinstein-Skandal. #Metoo war in aller Munde und nach Beendigung dieses Romans ist mir klar, warum dieses Thema nicht mehr brandaktuell ist und doch wäre.
Eine junge Frau arbeitet in Berlins großen Fernsehsender und erzählt von ihrem Chef, ihrer Arbeit und ihren Erlebnissen.
Zur gleichen Zeit passieren in Los Angeles unverständliche Dinge. Prominente und berühmte Männer nehmen sich sehr viel den Frauen gegenüber heraus und prahlen damit in der Öffentlichkeit. Plötzlich erschüttert der Weinstein Skandal Hollywood. Und alles verändert sich! Oder nur oberflächlich?
Von Hollywood verbreitet sich nun die #Metoo Bewegung um die ganze Welt. Und doch ist es extrem schwierig, gegen die Machtstrukturen anzukommen.
Der Roman wird in der Ich-Form erzählt. Der Erzähler liegt noch gemütlich in Hollywood im legendären „Château Marmont“ am Pool und wird plötzlich in Berlin mitten in die „#Metoo-Bewegung gerissen. Kompromisslos erzählt der Autor über die sexuelle Belästigung durch Führungskräfte, über toxische Beziehungen, über die Machtstrukturen und Machtmissbrauch im Unternehmen.
Die Themen des Romans werden sehr anschaulich beschrieben, die Freundschaften, Verrat, das Arbeiten in der Medienbranche, sexuelle Belästigung und die Angst vor einem „Karriere-Aus“, werden intensiv beleuchtet. Die Protagonisten werden sehr authentisch beschrieben und man kann sich sehr gut in deren Gefühlslage und die Ängste versetzen. Teilweise als neue Prüderie wird das Verhalten der Opfer beschrieben und die Anklage wird verdreht, letzten Endes handelt es sich im Verleumdung, Rufmord und die Betroffenen werden in der Öffentlichkeit als selbst schuld und nuttig durch die Unternehmen dargestellt.
Die sprachliche Ausdrucksweise ist sehr locker und man fliegt über die Seiten. Immer wieder überlegt man was real oder fiktiv ist. Die Schwere der Thematik wird durch das Geplänkel der Protagonisten aufgelockert.
Ein Roman, der Aufsehen erregt, den Leser berührt und das psychische Leid der Betroffenen beschreibt. Der Autor hat ein brillantes Buch über Machtmissbrauch und Sittenwidrigkeit in der Welt geschrieben.
Persönlich war ich gefesselt von der Story und es hat mich nachdenklich gemacht, dass Frauen in der heutigen Zeit immer noch Opfer sind und nicht gehört werden. Die mächtigen und einflussreichen Personen wenden die Vorwürfe und Anschuldigungen der sexuellen Übergriffe ab, verdrehen die Tatsachen und ruinieren im Anschluss das Leben der Betroffenen. Einen Teufelskreis gilt es zu durchbrechen, die Angst zu überwinden und stark zu sein. Gemäß den Erfahrungen in der Story und nachvollziehbar in der Realität wird jedoch eine komplett andere Methode vermittelt.
Eine Leseempfehlung für dieses intensive Buch.

Bewertung vom 03.05.2023
Als wir Vögel waren
Banwo, Ayanna Lloyd

Als wir Vögel waren


ausgezeichnet

Als wir Vögel waren“ ist Ayanna Lloyd Banwo‘s Debütroman.
Die Autorin verzaubert den Leser mit einer ergreifenden und mystischen Geschichte in Trinidad.

Der junge Rastafari Emmanuel hat sein Zuhause verlassen, um in Fidelis, einem jahrhunderte alten Friedhof in Port Angeles zu arbeiten. Seine Mutter kann durch ihre Schmerzen nicht mehr viel arbeiten und das Geld fehlt. Sein Vater ist vor Jahren in diese Stadt gegangen und nie mehr zurück gekommen. Emmanuel’s Mutter tobt und allein der Gedanke ihren Sohn an diese Stadt zu verlieren ist schlimm, auch die Aussicht, dass er auf einem Friedhof arbeiten möchte passt nicht zu ihren Ansichten und ihrem Glauben - die Toten soll man meiden.

Emmanuel, genannt Darwin rasiert seine Dreadlocks ab und verwandelt sich äußerlich. Innerlich bleibt er ein positiver, guter Mensch, jedoch bereitet ihm die Arbeit mit seinen Kollegen und dem zwielichtigen Chef starkes Unbehagen. Auch passieren seltsame Dinge in Fidelis und Darwin kann dies nicht einordnen.

Währenddessen wartet Yejide darauf, zu ihrer im Sterben liegenden Mutter Petronella gerufen zu werden.

Auf dem Berg, um das verwinkelte Haus zieht ein Sturm auf, alle Fenster sind geöffnet und Blätter, Regen und Wind dringen in das Zimmer der sterbenden Frau.

Petronella möchte zu ihrer toten, geliebten Zwillingsschwester Geraldine gehen.Jedoch muss sie vorher ihre Tochter rufen, damit es auf Yejide übergeht. Nur was genau ist es?

Geraldine hat schon früh versucht Petronella davon zu überzeugen, es ihrer Tochter beizubringen. Und doch hat diese sich stets geweigert.

Die Menschen unten am Berg und in der Stadt haben Angst vor dem Sterben. Die Frauen auf dem Berg, sorgen ihr ganzes Leben dafür, dass man den Tod nicht fürchten muss. Yejide hatte ein herzliches Verhältnis zu ihrer Granny Catherine und doch hat auch diese kurz vor ihrem Tod nur ihre Tochter zu sich gerufen. Mystisch und geheimnisvoll wird der Leser in eine andere Welt gezogen.

Darwin meidet normalerweise die Toten und deren Seelen, Yejide kommuniziert mit dem Tod. Die beiden Protagonisten treffen sich auf ungewöhnliche Weise auf dem Friedhof und verlieben sich. Darwin ist das Leben für Yejide und andersherum.


Die Autorin schreibt einen mystischen Roman über die Liebenden, das Schicksal, die Lebenden, die Toten und die Seelen dazwischen.

Flüssig und mit einem besonderen Schreibstil zieht die Autorin die LeserIn in ihren Bann. Kulturelle Unterschiede, Armut, Kriminalität und Mythen werden unbeschönigt dem Leser vorgelegt. Trinidad und vor allem der alte Friedhof werden bildlich dargestellt. Die Protagonisten sind authentisch und sehr intensiv beschrieben. Ayanna Lloyd Banwo hat mit ihrem Debütroman ein Highlight für alle Geister- und Mythenfreunde geschrieben.

Ein Lesehighlight mit 5 Sternen.

Bewertung vom 27.04.2023
Die spürst du nicht
Glattauer, Daniel

Die spürst du nicht


ausgezeichnet

Daniel Glattauer hat mit dem Roman „Die spürst du nicht“ ein vielschichtiges,
berührendes und tiefgründiges Buch geschrieben.

Es ist mein erstes Buch bzw. Hörbuch von Glattauer und es hat mich absolut überzeugt.

Der Roman beginnt mit dem Tod eines Flüchtlingskinds in der Toskana.

Familie Binder und Familie Strobl-Marinek fahren mit ihren Kindern in ein Ferienhaus mit Pool in die Toskana.
Sophie-Luise, die 14jährige Tochter der Familie Strobel-Marinek möchte ihre Schulfreundin oder eher Klassenkameradin mitnehmen. Ihre Mutter, eine Grünen-Abgeordnete, setzt sich bei den verschiedensten Stellen dafür ein.
Aayana, das Mädchen aus Somalia, darf nicht mit. Ihre Eltern sind dagegen. Nur wenn der Bruder mitkommen darf.
Nach viel Überzeugungskraft und Sophie-Luises Wunsch, der Klassenkameradin das Schwimmen beizubringen, willigen die Eltern ein.

Aayana ist höflich, freundlich, zurückhaltend und still.
„Die spürst du gar nicht“ ist die allgemeine Meinung der Erwachsenen.

Es wird aus verschiedenen Perspektiven erzählt, wie die beteiligten Familien mit der unglaublichen Tragödie umgehen. Die Gefühle von Sophie-Luise und das Mobbing in der Schule wird von deren Eltern nicht wahrgenommen. Diese sind mit sich selbst und der Tragödie beschäftigt. Auch die Familie Binder versucht mit dem Unglück klarzukommen. Die einen verkraften es kaum, die anderen würden diese Angelegenheit gerne ad acta legen.
Niemand kümmert sich um die Familie des Kindes, niemand interessiert sich für deren Gefühle, niemand möchte das Beileid ausdrücken.
Und niemand kümmert sich um Sophie-Luise….
Bis plötzlich eine Internetbekanntschaft das Mädchen verändert.

Ein Anwalt, ein seltsamer, alter Kauz vertritt plötzlich die somalische Familie und fordert eine unglaublich hohe Geldsumme von der Familie Strobl-Marinek. Und er möchte keinen Vergleich,
er möchte vor Gericht. Unbedingt!
Er will sich und der Familie Gehör verschaffen.

Die Medien und auch das Netz ist von Beginn an am Unglück beteiligt und die Menschen geben ungeniert ihre Kommentare ab. Zur Abgeordneten, zu den Familien, zu den Flüchtlingen, zu Werten, zu wirklich allem und jedem.

Dem Hörer wird bewusst, wie gedankenlos, menschenverachtend, abwertend und auch schadenfroh die Menschen im Netz ihren Gedanken freien Lauf lassen.

Tessa Mittelstaedt und Steffen Groth als SprecherIn zu wählen, war eine sehr gute Entscheidung.
Die Sprecherin holt den Hörer mit ihren unterschiedlichen Nuancen und Stimmarten ab und vermittelt die Emotionen unglaublich gut. Der Sprecher lockert mit seinem Dialekt und der Umgangssprache - er spricht Auszüge aus den Social Media Kanälen- das Drama etwas auf.

Glattauer hat einen zeitgemäßen und tief berührenden Roman über die Werte der Menschen und was ein Leben wert ist, geschrieben. Gibt es hier Unterschiede?

Die Geschichte regt zum Nachdenken an und geht unter die Haut. Ein grandioses Werk, einfühlsam erzählt. Gerne 5 Sterne für das Hörbuch, den unglaublich guten Schreibstil des Autors und die einnehmenden Erzähler.

Bewertung vom 26.04.2023
Die marmornen Träume (eBook, ePUB)
Grangé, Jean-Christophe

Die marmornen Träume (eBook, ePUB)


sehr gut

„Die marmornen Träume“ von Jean-Christophe Grangé ist ein herausragender Thriller.
Das Grauen spielt 1939 in Berlin kurz vor dem Zweiten Weltkrieg. Die unantastbaren Frauen des Oberen Nazi-Regimes verweilen im Adlon um Champagner zu trinken und sich dem Müßiggang hinzugeben. Einige besuchen auch Simon Kraus, den hübschen Psychoanalytiker und Traumforscher. Sie teilen gerne mit Simon ihre intensiven, angstvollen Träume und auch das Bett. Was wiederum den kleinwüchsigen, jedoch intelligenten Gigolo veranlasst, die Damen auf charmante Art zu erpressen, um sich seinen exquisiten Lebensstandard zu ermöglichen.
Simons Klientin wird brutal ermordet und führt Franz Beewen, einen grausamen SS-Offizier, welcher mit dem Fall betraut wird, zu dem Traumforscher. Der Fall unterliegt äußerster Geheimhaltung und eine Ermittlung ist extrem schwierig. Es gibt jedoch eine Gemeinsamkeit der ermordeten Frauen: Ihre Träume von einer marmornen Person.
Simon ist tief getroffen von diesem Verlust seiner Klientin und versucht im Adlon unauffällig die anderen Damen auszufragen. Niemand weiß etwas, jeder vermutet das Opfer im Ausland. Währenddessen werden weitere brutal zugerichtete Frauenleichen gefunden. Alle Damen waren miteinander bekannt, fast täglich im Adlon anzutreffen und Ehefrauen von hochrangigen Anhängern des Nationalsozialismus.
Der historische Thriller zieht den Leser in eine Welt des Grauens. Die Handlung wird extrem brutal, detailliert und ausführlich beschrieben. Der Autor hat mit seiner Recherche sehr gut die Gräuel-/Schreckenstaten aus der damaligen Zeit wiedergegeben. Zartbesaiteten Menschen kann dieses brutale Gemetzel zusetzen. Auch das abgrundtief Böse, was die damalige Zeit bei den Menschen freigesetzt hat, ist schwer verdauliche Kost.
Die wohlhabende und alkoholabhängige Psychiaterin Minna von Hassel unterstützt die beiden Männer mit ihren vorzüglichen Kontakten bei den Ermittlungen. Ein vielschichtiger Thriller, der die Abgründe des Bösen aufzeigt.
Oftmals ist das Böse jedoch sehr schwer zu fassen…
Der Autor ist sehr ausschweifend in seinen Erzählungen, die Protagonisten werden hervorragend, facettenreich und authentisch ausgearbeitet und die historischen Details unglaublich gut in die Story eingearbeitet. Der Leser ist von der Grausamkeit des Nazi-Regimes gefangen, die Raffinesse der Morde erhalten die Spannung und natürlich auch die verschiedenen Perspektiven auf das Geschehen.
Die düstere, bedrückende Atmosphäre in Berlin für das Volk wird sehr gut beschrieben, auch der fröhliche Zeitvertreib der oberen Führungsebene wird dargelegt, sowie der Sex für Führer, Volk und Vaterland kurz Lebensborn genannt. In diesen, dem Volk zugute kommenden Heimen, wurden arische Kinder für den Führer gezeugt.
Ein ausdrucksstarker, fesselnder Thriller, sehr zu empfehlen, auch wenn man sich mit der damaligen Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg beschäftigt.
Eine Empfehlung mit 4 Sternen; aufgrund der oftmals zu ausschweifenden Passagen einen Punktabzug.

Bewertung vom 16.04.2023
Die Insel der Erkenntnis
Pöltl, Jonas

Die Insel der Erkenntnis


ausgezeichnet

„Die Insel der Erkenntnis“ ist ein wunderschön geschriebener Roman von Jonas Pöltl auf der Suche nach der eigenen Bestimmung.

En bisschen erinnert das Buch an den Bestseller „Das Café am Rande der Welt“ von John Strelecky. Die Story handelt von Matt, seinen Weg auf der Karriereleiter und die 70 Stunden Woche. Matt hatte eine Unfall im Meer und ist auf der Insel der Erkenntnis gestrandet. Dort trifft er auf Tata und seine Familie vom Volk der Maoli. Er lernt von den Menschen auf der Insel und stellt viele Fragen. Es werden Geschichten mit weisen Inhalten erzählt; Matt lernt von zwei Kindern einiges über die veränderte Sichtweise und Tatas Frau Kiri zeigt Matt, wie man seine 4,17
(Eine Stunde = 4,17% eines Tages) am Besten nutzen kann.
Matt beginnt seine Reise, er ist sich klar darüber, dass er eine Veränderung im Leben möchte und das Volk der Maoli ist ihm auf seinem Weg behilflich.

Alle Weisheiten und Erklärungen über den Weg des Lebens, das Glück und die Herausforderungen, den Mut im Nebel zu gehen und die Wertschätzungen im Leben - sich selbst und anderen gegenüber - notiert er gewissenhaft in ein Notizbuch. Dieses findet man auf den letzten Seiten als Zusammenfassung im Buch, was ich als sehr nützlich empfinde.

Das Buch hat mir sehr gut gefallen, als Leser habe ich mir bewusst die Fragen gestellt, die auch Matt bewegen.
Die Geschichte lädt dazu ein, das eigene Denken, Fühlen und Handeln zu hinterfragen.
Es gibt viele Fragen, viele Denkanstöße durch Geschichten oder Beispiele und der Autor hat dies alles in einer bezaubernden Geschichte verwoben.
Der Leser findet sich schnell zurecht, wer sich bisher noch nicht mit den Themen Selbstreflektion, Veränderung der Denkweise usw. auseinandergesetzt hat, lernt hier sehr viel für sein Leben.
Für alle anderen ist es ein wundervolles Buch, sich der Lehren und der eigenen Gedanken, Wege und Ziele wieder bewusst zu werden.

Sehr gut haben mir die bildlichen Beispiele gefallen; ich muss deshalb einige Textpassagen teilen:

„Du selbst entscheidest, wer Bühnenzeit bei dir bekommt.“
oder
„Wenn du deine Werte nicht kennst und dadurch nicht konsequent nach ihnen handelst und entscheidest, dann befindest du dich im Leben auf einer Reise ohne Kompass.
Du wirst irgendwo ankommen- ob es das ist, was du im Leben erreichen möchtest, ist sehr unwahrscheinlich.“

Ich habe mir bereits beim Lesen einige Notizen gemacht-wie Matt in sein Notizbuch!

Ein Buch, welches ich jedem Menschen von Herzen empfehle; die Geschichte wird mit den sympathischen Protagonisten warmherzig, flüssig und wundervoll erzählt.

Als Leser kann man einiges für seinen Lebensweg mitnehmen.

Glück ist der Weg und Glück ist (d)eine Entscheidung.
Lasst euch dieses Highlight nicht entgehen.

Ich gebe gerne die volle Anzahl an Sternen.

Bewertung vom 14.04.2023
Menschen, die wir noch nicht kennen
Sampson, Freya

Menschen, die wir noch nicht kennen


ausgezeichnet

“Menschen, die wir noch nicht kennen” ist ein wunderschönes Buch über die Liebe und Freundschaft.

Frank fährt seit 60 Jahren in London mit der Buslinie 88, lernt dadurch viele Menschen kennen und versucht auf diesem Wege eine Frau zu finden, die er damals in diesem Bus kennenlernte. Dieses Mädchen mit den roten Haaren hat ihn durch ihre Art, ihren Mut und ihre Ausstrahlung verzaubert; sie hat ihm den Mut gegeben, sein Leben zu verändern und für seine Träume einzustehen.

Libby Nicholls fährt mit der 88 Buslinie zu ihrer Schwester um dort ihren Liebeskummer und ihre Trennung zu überwinden, gleichzeitig ihre Schwester bei der Betreuung des kleinen Neffen zu unterstützen um kostenlos in deren Gästezimmer zu schlafen.

Sie lernt Frank und seine Lebensgeschichte im 88er Bus kennen und beschließt, diesem netten alten Mann auf der Suche nach der Liebe seines Lebens zu helfen.

Franks Pfleger Dylan hilft Libby bei ihrer Suche; die Zeit läuft jedoch wegen Franks fortschreitender Demenz.

Ist es möglich die unbekannte Frau zu finden? Oder wird durch eine hoffnungslose Suche nur die Demenz von Frank beschleunigt?
Der Punk Dylon ist dieser Meinung und doch hilft er Libby.

Libby lernt durch ihre neuen Freunde ihr Glück zu ergreifen. Nur was ist richtig im Leben und sind Ratschläge immer gut?

Freya Sampson erzählt diese wunderbare Geschichte, welche sich überwiegend auf der Strecke der Linie 88 in London abspielt.
Zwischen der Geschichte um Frank und die Suche nach der Unbekannten, gibt es immer kleine Episoden von Peggy. Peggy ist eine ältere Dame die meist Percy besucht und von ihrem Alltag, ihren Sorgen und ihrem Sohn erzählt.

Erst zuletzt verbinden sich die verschiedenen Fäden und es wird ein verständliches Bild daraus. Der Leser rätselt, was es mit Peggy und deren Geschichte auf sich hat.

Flüssig und leicht ist die Geschichte geschrieben, die Protagonisten werden sehr authentisch, sympathisch und bildlich beschrieben. Die Story ist gefühlvoll, warm und berührend.

Man wird sehr gut unterhalten und der Wohlfühlfaktor ist gänzlich vorhanden.

Das Buch kann man nicht aus der Hand legen und die 391 Seiten sind sehr schnell gelesen.
Eine klare Empfehlung für Frank und die Liebe seines Lebens.