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ikatzhorse2005

Bewertungen

Insgesamt 206 Bewertungen
Bewertung vom 15.08.2021
Dich hab ich nicht kommen sehen
Resinek, Nina

Dich hab ich nicht kommen sehen


ausgezeichnet

Dich hab ich nicht kommen sehen von Nina Resinek (Bastei Lübbe Verlag)

„Psychisches Wohlbefinden“... War das nicht ein Mythos, bestenfalls eine Ausnahme, eine Abweichung vom normalen Funktionieren der Seele? Im Laufe des Lebens wurde die Otto Normalseele ja mit allerlei Zeug bekleckert, und Rotweinflecken gingen bekanntermaßen schwer raus. S.21

Mari versucht einen Neuanfang in Berlin. Neue Wohnung, neuer Job, neue Bekannte und Freunde. Dabei kreuzt auch Leo Maris Weg. Er wirbelt einigen Staub auf und lässt ihr Inneres erzittern. Leos berührt durch seine stille Art. Er ist geerdet und der komplette Gegensatz zu Mari. Sie ist flatterhaft und perfektionistisch veranlagt. Sie will gut sein in allen Dingen, die sie anpackt. Daher befindet sich gerade in ihrem beruflichen Bereich, einer Anwaltskanzlei, in der Zwickmühle, Eine Diskrepanz zwischen den Erwartungen sowie Anforderungen, die an sie gestellt werden und ihren Wünschen, die sie noch nicht so recht greifen kann. Ihr Weg im Buch bringt sie zurück in eine gewisse Balance und zu der Erkenntnis, was wirklich zählt im Leben. Dabei begleiten sie die unterschiedlichsten Figuren.
Diese Charaktere sind allesamt gelungen, vielfältig und aus dem Leben gegriffen. Jeder hat seine Eigenarten und Schrulligkeiten. Sie bezaubern durch ihren Details und mir gefallen sie alle.

Der Schreibstil, die Geschichte und der Roman selbst sind skurril. Diese Art eine Geschichte zu erzählen, der intelligente Humor und die zahlreichen Wortspiele sind mal etwas ganz anderes. und machen das Ganze daher so interessant. Der Text zwingt den Leser bei der Sache zu bleiben. Man muss wirklich jeden Satz lesen und kann hier nichts überfliegen. Mich hat es bei Laune gehalten und ich diesen Roman nicht aus der Hand legen wollen. Genau das finde ich so klasse und macht für mich Genialität aus. Das ganze Buch zeigt, das nichts perfekt sein muss, im Leben nicht und auch nicht in einem Buch!

Fazit: Lustig, fantasiereich, und unglaublich skurril. Wer sich darauf einlässt, kann einige Wahrheiten zwischen den Zeilen herauslesen. Für mich ist Nina Resineks Roman ein kleiner Schatz, weil er satirisch zeigt, worauf es im Leben, im Job und in Beziehungen ankommt.

Bewertung vom 23.07.2021
Erben wollen sie alle
Hennig, Tessa

Erben wollen sie alle


ausgezeichnet

Erben wollen sie alle ein Unterhaltungsroman von Tessa Hennig (Ullstein Verlag)
Ich liebe die Geschichten von Tessa Hennig. Das Buch mit dem passendem Cover reiht sich perfekt in ihre Unterhaltungslektüre ein. Er ist für mich zwar nicht der allerbeste Roman der Autorin, doch ein lesenswerte, themenreiche Geschichte mit möglichen Alltagssorgen einer Familie allemal. Verwöhnt von „Alles außer Austern“ und „Nie wieder Amore“ habe ich mich in Biancas Welt gestürzt. Die Lokation ist, wie gewöhnt, wunderbar beschrieben und lässt Urlaubssehnsüchte aufkommen. Das Wissen und der unverfängliche Ton über Land und Leute liest sich wunderbar. Ganz nebenbei erfährt man geschichtliche, kulturelle und kulinarische Details über die Insel. Das zeugt von einer sehr guten Recherche rund um Mallorca.
Die Gedanken und Gefühle der Protagonisten sind ausgezeichnet in die Geschichte eingebaut. So kann man Stück für Stück deren Reaktionen und Beweggründe nachvollziehen. Bianca mit ihren Ecken und Kanten sowie ihre vorlaute aber liebenswerte Enkelin erwärmten mein Herz an der ein oder anderen Stelle. Die Probleme und Themen im Buch sind geradezu aus dem Leben gegriffen und werden teils überspitzt in Szene gesetzt. So sind die habgierigen Erben und anspruchsvollen Kinder Biancas sofort zur Stelle, als sich die Möglichkeit ergibt, etwas abzustauben. Doch sie haben die Rechnung ohne die Wirtin gemacht, die noch recht lebendig ist und weit andere Interessen verfolgt, als ihre bucklige Verwandtschaft mit ihrem Geld sowie ihrem Hab und Gut zu versorgen. Sohn Steffen und Tochter Anja sehen ihr Erbe in Gefahr und müssen handeln. Aber Bianca hat da ganz andere Pläne.
Fazit: Mir gefällt der leichte Schreibstil der Autorin immer wieder. In der humorvollen oft emotionalen Handlung steckt eine Portion Ernst ohne zu tiefgründig daher zu kommen. Die Problematik der Pflege, Demenz und Sorgen rund um das Älterwerden finden Raum zwischen den lustigen Stellen. Auch hier bestückt die Autorin ihre Ü60-Ü70 Figuren mit einer gehörigen Portion Esprit und Optimismus, sodass es nie schwermütig, sonders leichtfüßig zur Sache geht.
Eine perfekte, leichte Unterhaltungs- und Urlaubslektüre! Mir hat der Roman sehr gut gefallen. Gerade in der Reisezeit ein angesagtes Buch!

Bewertung vom 05.06.2021
Ein Meer aus Licht und Farben
Lindström, Sylvia B.

Ein Meer aus Licht und Farben


ausgezeichnet

Ein Meer aus Licht und Farben: Mein Neubeginn in Südschweden (Sehnsuchtsorte, Band 14) Sylvia B. Lindström Eden Books
Ich mag die Bücher dieser Reihe rund um die Sehnsuchtsorte aus dem Eden Books Verlag sehr gern. Es ist immer spannend den Blickwinkel auf ein unkonventionelles Leben und offene, andere Ansichten zu lenken. Auch die Geschichte von Sylvia B. Lindström inspiriert zu mehr Farbe im Leben.
Der Leser darf eine mutige Frau ein Stück auf ihrem Lebensweg begleiten. Sylvia startet 1992 einen Neubeginn in Schweden, einem fremden Land, welches sie aus den Kinderbüchern von Astrid Lindgren kennt. Inspiriert von ihrem Kindheitstraum lässt sie, nach einer gescheiterten Beziehung, Deutschland hinter sich. Mit ihrem 3 jährigen Sohn Hauke im Gepäck wandert sie aus.
„Wir bleiben in Schweden, solange es uns dort gefällt“, sagte ich, und in diesem Sinne machten wir uns voller Unternehmungslust und Neugier auf den Weg. (S.28)
Die anfänglichen Euphorie muss den alltäglichen kleinen und großen Unwegsamkeiten und der blanken Realität Platz machen. Trotz dieser lokalen und behördlichen Hindernisse schafft es Sylvia ihre positive Lebenseinstellung und ihre optimistische Sichtweise beizubehalten. Mehr noch, nach dieser Ernüchterung, findet sie einen Ort, an dem sie glücklich sein kann und an dem ihr Sohn naturnah aufwachsen kann. Voller Tatendrang und Kreativität stürzt sie sich in ihr schwedisches Leben.
Neben der Lebensgeschichte erfährt man viel über Schweden und, die für Silvia liebgewordene Region Öland sowie die schwedische Mentalität, die Gewohnheiten und die Leute selbst. Die einzelnen Episoden haben mir sehr gut gefallen. Auch der Bezug und die Liebe zur Natur und den Pferden kommt nicht zu kurz.
Das Buch mit dem wunderbaren Titel und passenden Cover liest sich flott weg und hat mir richtig gut gefallen. Die lebensbejahende Grundstimmung und mutzusprechende Einstellung nehme ich für mich mit: Lebe deinen Traum, auch wenn dir so manches Hindernisse vor die Füße geworfen wird! Lächle und betrachte das Leben von seiner positiven Seite! Zufriedenheit und Kreativität helfen jeden Tag von seiner sonnigen Seite zu sehen. Das Leben ist bunt und noch etwas bunter in Schweden, dank der kleinen schwedischen Holzpferde. Danke liebe Sylvia für diesen Ausflug in ein Land unsere Kindheitsträume!

Bewertung vom 14.03.2021
Abels Auferstehung / Paul Stainer Bd.2
Ziebula, Thomas

Abels Auferstehung / Paul Stainer Bd.2


ausgezeichnet

Abels Auferstehung ein Kriminalroman von Thomas Ziebula (Wunderlich Verlag)
„Und was willst du hier?“ „Dich abholen, Paul, was sonst?“ Junghans lächelte müde. „Ob du es glaubst oder nicht: Es gibt Arbeit.“
Anspruchsvolle Aufgaben und Ermittlungen warten auf den Kriegsrückkehrer und Kriminalinspektor der Leipziger Wächterburg Paul Steiner in seinem neuen, alten Leben. Ein Maler aus Heidelberg wurde im Hotel Fürst Bismarck ermordet aufgefunden. Dabei hat Steiner eigentlich schon genug Tote für ein ganzes Leben gesehen. Doch trotz der Leichen, die sein Beruf nun mal mit sich bringt, braucht er die Arbeit in der Kriminalabteilung wie die Luft zum Atmen. Und es bleibt nicht bei diesem einen Verbrechen. In Anbetracht der verborgenen Zusammenhänge ist jetzt die Suche nach dem Motiv und dem Mörder entscheidend.
Kriminalistische Unterstützung bekommt Paul von seinen Kollegen, Junghans, Kupfer und Co. Doch nicht nur Freundlichkeit und Teamgeist bestimmen seinen Alltag. Gegenwind weht ihm in Form seines mürrischen und spitzfindigen Vorgesetzten Kasimir und dessen Handlanger Heinze entgegen. Dabei scheint ihm auch seine Vergangenheit wieder in die Quere zu kommen. Denn desaströse Erfahrungen und unvorhergesehene Schicksalsschläge haben tiefe Spuren auf Steiners Seele hinterlassen. Er kämpft mit seinen vergangenen Dämonen und versucht dabei irgendwie die Kurve zu kriegen.
Thomas Ziebula erzählt in Abels Auferstehung eine komplexe, anspruchsvolle Kriminalgeschichte. Zur Freude der Leser, denn schwerlich erkennt man die Zusammenhänge der verschiedenen Mordfälle und Geschichten hinter den Taten.
Die atmosphärisch und stilistisch hervorragend vorgetragene Handlung füllt die Buchseiten mit Leben. Mit gezielten Handlungsunterbrechungen an spannendster Stelle am Ende fast jeglicher Kapitel gelingt es ihm ein „unbedingt-weiterlesen-Gefühl“ zu erzeugen. Die große Kunst den Bücherwurm bei Laune zu halten ist Thomas Ziebula mit diesem Roman mehr als gelungen.
Neben der eigentlichen Krimihandlung spielt der historische Aspekt eine markante Rolle. Man bekommt ein stimmiges Bild vom vergangenen Leipzig dank der interessanten und lebendigen Erzählweise. Der Autor glänzt mit einer hervorragenden Recherche und fundierten Basis über die Ereignisse jener Zeit.
Die Randgeschichten der Leipziger fließen gekonnt in die Erzählung ein. Er überzeugt mit seinen individuellen, facettenreichen Figuren, die einem ans Herz wachsen oder die man einfach nur zum Teufel scheren möchte.
Fazit: Ein spannender Krimi Anfang der 20iger Jahre in toller Aufmachung! Der 2. Teil kann unabhängig vom ersten Kriminalfall „Der rote Judas“ gelesen werden. Trotzdem sollte man sich den ersten Steiner nicht entgehen lassen, denn auch dieser Fall ist spannend bis zur letzten Seite und verspricht glänzende Krimiunterhaltung. Ich rate dringend zu einer unbedingten Leseempfehlung! Ich freue mich auf den hoffentlich baldigen 3. Paul Steiner!

Bewertung vom 28.02.2021
Lebenssekunden
Fuchs, Katharina

Lebenssekunden


ausgezeichnet

Lebenssekunden ein Roman von Katharina Fuchs (Droemer Verlag)

Angelika nickte, ohne den Blick von dem Negativ abzuwenden. „Wenn sich die Mitteltöne aus dem braunen Film schälen, man eine Ahnung bekommt, ob es gelungen ist, ob es was Besonderes ist oder Durchschnitt, ob man eine Lebenssekunde festgehalten oder man nur Material verschwendet hat...“

„Eine Lebenssekunde!“, wiederholte sie. „Das ist ein schöner Ausdruck!“ S.317

Zwei ganz unterschiedliche Lebenswege verbinden sich an einem historisch bedeutenden Punkt deutsch-deutscher Geschichte. Die Liebe zur Fotografie und die damit verbundene Ethik bestimmen Angelika Steins Wunsch Fotografin zu werden. 1956 lebt sie in Kassel und ist mit 15 Jahren, ohne Schulabschluss auf der Suche nach einer Lehrstelle.
Zur gleichen Zeit entscheiden im Ostteil Berlins andere über den Werdegang der jungen Leistungsturnerin Christine Magold. Gefangen in ihrem eigenen Leben bestimmen Sport und Drill ihren Tagesablauf. Mit Disziplin, Unterordnung und Gehorsam rücken die Olympischen Spiele für sie in greifbare Nähe.
Anhand Christines Schicksals kann man das Ausmaß der Maschinerie des Leistungssports der DDR hier nur ansatzweise erahnen. Mit System, Härte und unmenschlich erscheinenden Praktiken wurden politische Ziele auf Kosten Einzelner verfolgt. Abweichler wurden mit strukturierten Methoden auf Linie zurückgebracht. Ein dunkles Kapitel der Ostdeutschen Geschichte!
Auch Angelika kommt mit politischen Größen in ihrem Teil Deutschlands in Berührung. Sie erfährt, was es heißt als Fotografin in einer Männerdomäne unterwegs zu sein.
Mit Raffinesse und einer intensiven Erzählweise schreibt die Autorin hier eine eindringliche Geschichte, die unter die Haut geht. Sie erzählt abwechselnd aus dem Leben der beiden Hauptfiguren. Dabei erscheinen die Episoden und Erlebnisse von Christine und Angelika lebendig und real. Geschickt verbindet Katharina Fuchs die beiden detailreichen Erzählstränge in einem schicksalhaften Zusammentreffen.

Fazit: Durch die Aufmachung des Buches und den Plot habe ich mich angesprochen gefühlt und wollte dieses ergreifende Buch unbedingt lesen.

„Lebenssekunden“ hat mich tief berührt und ist schon jetzt das Lese-Highlight 2021 für mich. Die bewegende Geschichte von Angelika und Christine bleibt in Erinnerung. Trotz fiktiver Charaktere stehen sie für reale Einzelschicksale in beiden Teilen Deutschlands. Die Geschichte weiß, dank des bekannt einzigartigen Schreibstils und der ausgezeichneten Recherche, grandios zu unterhalten. Spannender geht Geschichte wohl kaum! Eine unbedingte Leseempfehlung!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 07.02.2021
Wo wir Kinder waren
Naumann, Kati

Wo wir Kinder waren


ausgezeichnet

Wo wir Kinder waren ein Roman von Kati Naumann (Harper Collins Verlag)

Flora saß neben Otto und betrachtete die kostbaren Porzellanköpfe, die in einer Kiste auf der Bank lagen. Ein Teil von ihnen war schon bemalt, andere warteten noch darauf, ein Lächeln zu bekommen.
Flora fragte Otto: „Kannst du so schöne Gesichter malen?“ Otto wusste, dass er es konnte. Und schließlich hatte sie nicht gefragt, ob er es durfte. Also sagte er: „Ja.“ S.21

Drei Erben der ehemals erfolgreichen Puppenfabrik aus der zerstrittenen Familie Langbein blicken zurück auf eine traditionsreiche Vergangenheit dieser Familie. Doch die Autorin erzählt nicht nur eine Familiengeschichte, sondern die beispiellose Geschichte einer ganzen Stadt, Sonneberg im Süden Thüringens. Denn in dem Zweig der Spielzeugherstellung waren am Anfang des 20. Jahrhunderts fast alle Familien im Ort beteiligt. In einzelnen Rückblicken blickt Kati Naumann vom Werdegang der einstigen heimischen Produktion der Puppen bis zum Aufstieg einer Weltspielwarenstadt zurück. Anhand der Episoden aus der Vergangenheit etabliert sie ein Beispiel deutscher Geschichte, historisch und wirtschaftlich gesehen. Unter dem Einfluss politischer Entscheidungen entschieden sich Menschenschicksale mit weitreichenden Folgen für eine ganze Region.
Die ausgezeichnete Recherche erkennt man in jedem Satz. Die Einflüsse der eigenen Familiengeschichte der Autorin fließen nahtlos in den Text ein und formulieren die historische Geschichte zu einem stimmigen Gesamtkontext.
Die einzelnen fiktiven Figuren sind glaubhaft dargestellt. Besonders die Charaktere des Teils aus der Vergangenheit konnten mich mitreisen und überzeugen.
Der Aufbau der Geschichte funktioniert gut und der Text liest sich dank des flüssigen und einfachen Schreibstils interessant. Der Stammbaum der Familie Langbein am Anfang und Ende des Buches trägt zur Verständlichkeit und zeitlichen Einordnung bei. Eine Danksagung, ein Interview mit der Autorin und die Zeittafel der Spielzeugindustrie in Sonneberg ergänzen das Geschriebene. Ein besonderes Augenmerk liegt auf dem Einband, dem Cover, dessen Gestaltung mir besonders gefallen hat.
Fazit: Ich bin in der DDR, in Thüringen geboren, heimatverbunden und begeisterte Leserin von Kati Naumanns Romanen. Daher hat mir diese Erzählung aus Sonneberg sehr gut gefallen. Wo wir Kinder waren verbindet eine über Jahrhunderte mit dem Spielzeug verwobene Tradition mit der Moderne und den Gegebenheiten der Geschichte. Ich kann das Buch uneingeschränkt weiterempfehlen, da es mir stimmungsvolle Lesestunden bereitet hat.

Bewertung vom 10.01.2021
Die Jüdin von Magdeburg
Laurin, Ruben

Die Jüdin von Magdeburg


ausgezeichnet

Die Jüdin von Magdeburg ein historischer Roman von Ruben Laurin (Bastei Lübbe)
...„Eine Pfütze gleich neben dem Altar!“, platzte es aus ihr heraus, noch bevor sie ihn begrüßt hatte. „Das muss man sich nur einmal vorstellen: Es regnet herein, es regnet auf den Altar!“ S.92
Die gealterte, mystische Mechthild spricht bisweilen aus, was nicht jedem Obrigen und Machthungrigen behagt. Ihre eigenes Schicksal ist eng mit der Geschichte Magdeburgs verknüpft. Die historische Persönlichkeit versucht die ihr anvertrauten Lieben zu schützen, wobei sie sich und ihrem Glauben treu bleibt. Die Geschlechterrolle, Fehltritte und der allgegenwärtige Glaube bieten einiges an Zündstoff und Konflikte sind somit vorprogrammiert. ...
Der Autor hat ein Gespür für diese längst vergangene Zeit. Zuweilen derb und direkt, zeitgemäß und eindringlich beschreibt er das Machtgefüge und die Abhängigkeit des Einzelnen von höfischer und kirchlicher Gunst. Es entsteht ein lebendig klares, realistisches Bild vom Mittelalter mit diesem Detailausschnitt von Magdeburg um 1250 bis 1278.
Die Charaktere sind beispiellos authentisch und wunderbar glaubhaft gezeichnet. Mit der Jüdin Esther und dem jungen Knappen Wolfram, dem einnehmenden Markgraf Otto von Brandenburg und der ach so feinen Heilwig sowie dem einnehmenden Ritter Gero von Greifenstein und dem hinterhältigen Priestermönch Gallus von Trier erlebt der Leser aufregende Momente. Die Figuren sind vielfältig und beleben die Geschichte auf berührende und bedrückende Art und Weise.
Die Personenliste mit historischen und fiktiven Figuren zu Anfang des Buches ist hilfreich, eine weitgefasste Zeittafel dient der Einordnung der vormaligen Geschehnisse. Besonders gut gefallen hat mir die Karte von Magdeburg anno 1250n.Ch. Während des Lesens habe ich die Wege des ein oder anderen Protagonisten durch die Stadt verfolgt. Ein ergänzendes Nachwort des Autors verdeutlicht die geschichtlichen Zusammenhänge und nachfolgenden Jahre dieser bewegten Ritterzeit. Das Glossar hilft bei erklärungsbedürftigen Worten weiter. Alles in allem finde ich diese Details sehr gelungen. Auch das Cover ist passend und ansprechend gestaltet. Neben dem Klappentext ist dies ein Kriterium, warum ich diesen Roman gern lesen wollte.
In den Text fließt ein Element des Mittelalters, der Minnesang ein. Der Autor hat dies gekonnt, in fast heiterer Form umgesetzt. Wie wichtig dies in Bezug auf das Werben und Leben war, wird auf informative und erfrischende Weise im Roman eingeflochten.
Zahlreiche Einzelthemen fließen hier ein. So auch die Stellung der Juden und deren wichtige Bedeutung für die damalige Zeit. Oftmals stand ihre Bedeutung und ihr Ansehen in keiner Relation zur allgemeinen Behandlung und zweifelhaften Wertschätzung, die ihnen von den Christen mehr oder weniger entgegengebracht wurde.
Nochmals wird die Historie und die Hintergründe des Dombaus beleuchtet. Hier erfolgen interessante Einblicke.
Fazit: Mit "Die Jüdin von Magdeburg" liefert Ruben Laurin, wie schon "Die Kathedrale des Lichts" und "Das Weisse Gold der Hanse" einen großartigen Roman in einem einzigartigen Schreibstil ab. Mich konnte die Geschichte durchweg begeistern und hat meine Erwartungen übertroffen. Die, in vorangegangenen Rezessionen bemerkten Fehler, störten den Lesefluss nicht. Es überwiegt der fesselnde Erzählstil und die Verflechtung der charakterstarken Figuren. Ich kann die Lektüre gern weiterempfehlen, da mir der Autor mit dem vorliegenden Roman wunderbare Lesestunden beschert hat. Es war eine bildliche Zeitreise in eine bewegte Zeit unserer Geschichte.

Bewertung vom 27.12.2020
Räuchern in Winterzeit und Raunächten
Fuchs, Christine

Räuchern in Winterzeit und Raunächten


ausgezeichnet

Räuchern in Winterzeit und Raunächten eine Anleitung mit inspirierenden Tipps von Christine Fuchs (Nymphenburger Verlag)
„Rauch und Duft wirken gerade in der Winterzeit und verstärkt in den Raunächten auf zwei Ebenen. Der Duft sommerlicher Kräuter während der dunklen Wintermonate sorgt zum einen dafür, dass sich die Stimmung hebt und Zuversicht ausbreitet. Zum anderen vermittelt er ganz selbstverständlich den Kontakt mit der unsichtbaren Welt. ...“ S.17
Dieser informative Ratgeber wirkt auf mich wie eine Rückbesinnung auf das Ursprüngliche. Mythen, Legenden und Traditionen, verpackt in kurzen Episoden und Geschichten lassen den Leser in die fast vergessene Räucherkultur eintauchen. Die Autorin beleuchtet die Verbundenheit mit der Natur und das Leben im Jahreslauf, vereint im religiösen Brauchtum. Dabei berücksichtigt sie die Abfolge der jahreszeitlichen Feste und gibt interessante Einblicke sowie inspirierende Anregungen zu passenden Räuchermischungen. Es findet sich ein empfohlener Ablaufplan mit Tagesfragen und Raum für persönliche Erlebnisse für die Zeit der Raunächte. Eine kurze Zusammenfassung hilft bei der Auswahl der passenden Räucherutensilien. Hier kann man seinen ganz eigenen Weg zu den Stimmungen in der Winterzeit finden. Mit diesen Ritualen kann man innehalten und zur Ruhe kommen. Selbst beim Lesen macht sich schon eine angenehme Stimmung breit.
Ich habe dieses alte Ritual dank des Räucherkistchens mit neun verschiedenen Räucherwerken, welches separat erhältlich ist, ausprobiert. Ich bin begeistert von den natürlichen Gerüchen, die beim Erhitzen der getrockneten Naturmaterialien entstehen. Wobei mir das Zirbenholz mit den Zirbennadeln am besten gefallen haben. Des Weiteren habe ich reine getrocknete Pflanzen wie Salbei, Wachholder, Rosmarin, Lavendel und Majoran aus der Apotheke verwendet und experimentiere damit. Die verschiedenen Kräuter, Harze und Rinden dienen der Raumbeduftung und Reinigung. Die Erklärungen im Buch sind leicht verständlich und helfen bei der Umsetzung.
Danke, werte Frau Fuchs für die Wiederentdeckung dieses hilfreichen Brauchtums. Es funktioniert und ich kann diesen Ratgeber uneingeschränkt weiterempfehlen.

Bewertung vom 27.12.2020
Madame Clicquot und das Glück der Champagne
Popp, Susanne

Madame Clicquot und das Glück der Champagne


ausgezeichnet

Madame Clicquot und das Glück der Champagne ein Roman von Susanne Popp (Rowohlt Verlag)
„Clicquot? Verzeihung, wer ist Clicquot, Madame?“, sagte Josephine in die sekundenlange stille hinein, die plötzlich im Saal herrschte.
„Das bin ich, mit Verlaub, Eure Exzellenzen. Gestatten, Veuve Clicquot-Ponsardin, Champagnerproduzent und-lieferant.“ S.127
Reims, Champagne 1805: Barbe-Nicole Clicquot, geborene Ponsardin, reift nach dem Tod ihres Mannes Francois zu einer pragmatischen Geschäftsfrau mit entsprechendem Durchsetzungsvermögen. Sie übernimmt trotz Gegenwinds ihrer Familie mit 27 Jahren die Geschäfte um den Weinhandel und die Schaumweinproduktion ihres verstorbenen Mannes. Mit Hilfe eines neuen Herstellungsverfahrens und durch Ehrgeiz und Geschick sowie einer Portion Neugierde perfektioniert sie den Geschmack des Champagners. Durch diese Einzigartigkeit will sie ihre Konkurrenten überflügeln und verdreht mit ihrem Mut und Charme so manchen Herren den Kopf.
Eingebettet in einen sehr gut recherchierten Kontext erzählt die Autorin Episoden aus dem Leben der Witwe Clicquot. Die Umstände dieser Zeit und daraus resultierende Schwierigkeiten in Bezug auf Barbes Stellung als Frau in der Gesellschaft sowie als Geschäftsfrau werden eindringlich dargelegt. Interessant gestalten sich die Risiken und Chancen in Bezug auf die Handelsbeziehungen unter den gegebenen historischen Rahmenbedingungen. Neben den spannend erzählten Fakten kommt Barbes Gefühlsleben nicht zu kurz. Gleich zwei Männer interessieren sich für die faszinierende Frau. Doch nur als Witwe mit ihrem prägnanten Namen kann sie die Champagnerproduktion fortführen.
Madame Clicquot und das Glück der Champagne ist ein durchweg gelungener Roman von einer Frau hinter der traditionsreichen Champagnermarke Veuve Clicquot.
Fazit: Ich habe diesen äußerst interessanten Roman mit dem wundervollen Cover sehr gern gelesen. Gelungene Charaktere und ein einzigartiger Schreibstil erwecken die Bilder zum Leben. Mit dieser bemerkenswerten Frau alle Höhen und Tiefen zu meistern, fühlt sich einfach gut an. Ich kann diese Erzählung aus dem historischen Herzen Frankreichs uneingeschränkt weiterempfehlen. Das ist tolle Unterhaltungsliteratur, bei der man sein Wissen aufbessern kann!

Bewertung vom 07.12.2020
Silberstreif / Gut Greifenau Bd.5
Caspian, Hanna

Silberstreif / Gut Greifenau Bd.5


ausgezeichnet

Gut Greifenau-Silberstreif der fünfte Band der Familemnsaga von Hanna Caspian (KNAUR Verlag)
Rebecca griff nun nach dem Rohrstock und brach ihn mit einer einzigen Bewegung entzwei. Dann ging sie einen Schritt vor. „In der Grafschaft derer von Auwitz-Aarhayn untersteht jeder Mann und jede Frau und ganz besonders jedes Kind dem Schutz unseres Hauses. Eines alten Hauses einer alten Familie, die in jeden einzelnen vaterländischen Krieg der letzten Jahrhunderte ihre Söhne geschickt hat. Eines der Tradition wie der Moderne verpflichteten Hauses, dem ganz besonders das Wohl und die Bildung der jungen Generationen am Herzen liegt.“ S.358
Herbst 1923: Die Hyperinflation hinterlässt ihre Spuren auch auf dem herrschaftlichen Gut Greifenau. Die politische Situation der Weimarer Republik ist unstabil und die Verunsicherung in der Bevölkerung wächst. Die Fakten zur Geschichte Deutschlands kennt man aus der Schule, doch Hanna Caspian erweckt in ihrer Familiengeschichte um Gut Greifenau Geschichte zum Leben. Ohne große Ausschweifungen, sondern anhand der unterschiedlichsten Figuren und deren Schicksalen, erlebt der Leser die Auswirkungen der geschichtlichen und damit verbundenen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. So sind es viele einzelne Erzählungen, die in diesem Roman zusammenfinden. Stände und Klassen sowie die traditionelle Rollenverteilung ringen mit zaghaften Versuchen um das Aufweichens der klassischen Struktur. Die einzelnen Figuren tragen ihren Teil dazu bei, Hausherren wie auch das Personal, gut Betuchte, wie einfache Leute.
Jeder Protagonist hat Ecken und Kanten, macht Fehler und verleiht der Geschichte durch bestimmte Charakterzüge seinen Reiz. Ein Wiedersehen mit Nikolaus, der gern Befehle gibt, Katharina mit ihrer Hartnäckigkeit, Feodora, die an der Vergangenheit hängt, machen diesen Roman so lebendig.
Die Erzählung ist mitreißend, spannend und durchweg gelungen erzählt. Zahlreiche Themen der damaligen Zeit werden anschaulich dargestellt und ergeben im Gesamtkontext einzelne Fäden, die sich zu einem roten Strang zusammenziehen. Die Autorin glänzt, wie in den vorangegangenen Teilen, durch eine ausgezeichnete Recherche.
Die gelungene Aufmachung runden anschauliches Kartenmaterial sowie ein Personenregister ab.
Fazit: Hier kann man regelrecht abtauchen zwischen Tränen, Liebe, Intrigen und Hoffnungen. Die Geschichten der Personen Gut Greifenaus aller Auwitz-Aarhayns sowie deren Bediensteten aus den Vorgängerbänden werden weitererzählt. Eine Saga, die fesselt und tolle Lesestunden birgt. Ich freue mich sehr auf den sechsten Teil dieser bewegenden Familiengeschichte.