Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
R. S.

Bewertungen

Insgesamt 168 Bewertungen
Bewertung vom 29.04.2023
Malibu Rising
Reid, Taylor Jenkins

Malibu Rising


gut

Ein vielversprechender Roman, der zu viel will

TJR weiß es, wie man Romane schreibt, die einen schnell in die Handlung eintauchen lassen, die für Stimmung sorgen und die sich schnell weglesen lassen. Doch leider konnte mich "Malibu Rising" nicht so fesseln wie erhofft.

Es ist August 1983 und die berühmten Geschwister Riva geben ihre jährliche Party und Malibu Beach steht in Flammen.
Bevor die eigentliche Party Gegenstand der Handlung wird, folgen erstmal Rückblicke in die Vergangenheit. Man erfährt, wie sich die Eltern der Geschwister Riva kennenlernten und wie die dysfunktionale Beziehung zu ihrem berühmten Sänger-Vater zustande kam. Ihr Vater war kaum Teil ihrer Erziehung, er hatte häufige Affären und verließ auch oft die gemeinsame Familie. Ihre Mutter war zwar physisch anwesend ist, die Sehnsucht nach ihrem untreuen Ehemann ließ sie jedoch in die Alkoholabhängigkeit abgleiten. So zieht die älteste Tochter Nina ihre Brüder und Schwestern auf, während ihre Mutter noch lebt. Diese Verantwortung prägt sie in einer Weise, die dazu führt, dass sie keinen Sinn für Selbsterhaltung hat, keinen Sinn für die Pflege ihres persönlichen Raums oder ihrer Gefühle. Alle Kinder haben ein überwältigendes Gefühl des Verlassenseins, aber sie haben einander.
Zurück in die Gegenwart von 1983 treten immer mehr Konflikte und unterdrückte Gefühle an die Oberfläche und zusammen mit unerwarteten Besuchen kommt es im Verlaufe der Party zur Katastrophe.

Der Anfang beginnt noch vielversprechend. Die Rückblenden in die Vergangenheit sind erzähltechnisch auch die besten Passagen im Buch. Besonders wenn es zum Handlungsstrang in die Gegenwart 1983 und zur Party an sich kommt, verliert sich der Roman in Oberflächlichkeiten und unnötiger Dramatisierung, die in einem vergleichsweise lahmen Ende gipfelt.
Anfangs kann die Beschreibung der Geschwister, deren Charakterzeichnung sowie die Beschreibung deren komplexen Familiendynamik noch mit Tiefe überzeugen. Je mehr der Fokus jedoch auf die Party gerichtet wird, desto stärker geht diese jedoch verloren. Zwar ist es ein kluger stilistischer Schachzug, die Party aus verschiedenen Personenperspektiven zu erzählen, doch bleiben so die jeweiligen Personen, aus deren Sicht erzählt wird, enttäuschenderweise sehr blass und oberflächlich. Auch dass der Schwerpunkt auf Drogen, Sex, Alkohol und Schönheit gelegt, führt eher zu einem stereotypen Bild dieser und lässt den erwarteten Schockeffekt ungünstigerweise verpuffen.
Des Weiteren fand ich die subtilen Anspielungen auf Charaktere, die in Reids anderen Büchern eine Rolle spielen, etwas zu viel des Guten.

Für Fans und wer auf der Suche nach einer leichten und angenehm und atmosphärisch geschriebenen Geschichte über die Stärke des Bandes zwischen Geschwistern vor dem Hintergrund der verlogenen Welt der Reichen und Schönen im sonnigen Malibu ist, der wird Gefallen an "Malibu Rising" von TJR finden. Mehr als eine nette Urlaubs- oder Strandlektüre ist es jedoch nicht.

Bewertung vom 22.04.2023
Wenn Worte töten / Hawthorne ermittelt Bd.3
Horowitz, Anthony

Wenn Worte töten / Hawthorne ermittelt Bd.3


gut

Lauwarme Mördersuche auf einer Insel

Als Ex-Polizist und jetzt Privatdetektiv Daniel Hawthorne und der Autor Anthony Horowitz zu einem exklusiven Literaturfestival auf die Insel Alderney eingeladen werden, ahnen sie noch nicht, dass sie sich bald mitten in einer Mordermittlung wiederfinden. Zunächst verläuft noch alles wie geplant im Verlauf des Literaturfestivals. Hawthorne und Horowitz lernen die anderen Festivalgäste kennen, darunter eine blinde Wahrsagerin, französische Dichterin, ein bekannter Fernsehkoch, ein Historiker und ein Kinderbuchautor. Jedoch schon kurz nach Beginn des Festivals wird der Geldgeber des Literaturfestivals unter mysteriösen Umständen tot aufgefunden. Daraufhin wird die Insel abgeriegelt, niemand darf sie betreten oder verlassen. Steht der Mord im Zusammenhang mit einem geplanten Stromprojekt auf der Insel oder ist der Mörder unter den Gästen des Literaturfestivals zu finden? Hawthorne und Horowitz beginnen zu ermitteln.

Eines muss man Horowitz lassen, er schafft es unterhaltsame und gut zu lesende Krimis zu schreiben, die in der Regel mit gut konstruierten Handlungsverläufen überzeugen können. Er versteht es, den Leser zu fesseln, indem er immer wieder infrage stellt, wer der Mörder sein könnte. Man kennt alle Verdächtigen, man hat alle Hinweise gehört, aber trotzdem kann die Auflösung am Ende überraschen.
Leider konnte mich dieser Kriminalroman im Kriminalroman nicht so wirklich begeistern, wie ich mir das erhofft habe.
Zum einen fiel es mir schwer, mich mit der Dynamik zwischen Hawthorne und Horowitz anzufreunden. Sie arbeiteten nicht wirklich zusammen, sondern eher jeder für sich und Hawthorne ließ Horowitz manchmal etwas dümmlich dastehen. Sympathisch ist was anderes.
Was die Handlung angeht, begann diese vielversprechend und erinnerte stellenweise an locked-room-Krimis à la Agatha Christie. So richtig außergewöhnlich und fesselnd ist "Wenn Worte töten" jedoch im Vergleich zu diesen jedoch nicht.

Wer auf der Suche nach einem kurzweiligen und unterhaltsamen Krimi ist und Fan von Horowitz, wird Gefallen am dritten Band um Horowitz und Hawthorne finden. Ein Muss ist jedoch nicht.

Bewertung vom 09.04.2023
Seventeen / Die Seventeen Reihe Bd.1 (eBook, ePUB)
Brownlow, John

Seventeen / Die Seventeen Reihe Bd.1 (eBook, ePUB)


gut

Temporeicher Agententhriller, aber auch nicht mehr

"Seventeen" von John Brownlow handelt von 17, dem besten Auftragskiller der Welt. Die Bezeichnung "17" deswegen, weil vor ihm sechzehn andere Leute davor seinen Posten innehatten. Er ist weltweit gefürchtet außer von einem sein Vorgänger, Agent Nr. 16, der vor einiger Zeit spurlos verschwunden ist. Als 17 den Auftrag erhält, 16 zu finden und zu töten, geht die Mission schief, und aus dem Jäger wird der Gejagte. Doch die eigentliche Gefahr geht von jemand anderes aus.

"Seventeen" ist ein temporeicher und anspruchsloser Agenten-Thriller, der vor allem durch gute Nonstop-Action à la James Bond besticht.
Obwohl aus der Ich-Perspektive des Protagonisten geschrieben, bleibt die Charakterbeschreibung eher oberflächlich und inhaltliche Tiefe kommt zu keinem Zeitpunkt wirklich auf. Trotzdem gelingt es Agent Nr. 17 einem beim Lesen durch seine sarkastische und unterhaltsame Erzählweise die Leser*innen in seinen Bann zu ziehen und man folgt ihm gerne.
Von der Geschichte an sich sollte man sich jedoch nicht zu viel erwarten, "Seventeen" erfindet das Genre des Agententhrillers nicht neu. Die Handlung ist nicht sehr ausgeklügelt und hält wenig überraschende Wendungen bereit, eine typische 08/15-Agentengeschichte eben.

Dank der kurzen Kapitel und der hohen Erzählgeschwindigkeit schafft es der Thriller dennoch, Spannung zu erzeugen und für einen netten und actionreichen Zeitvertreib für zwischendurch zu sorgen.
Für Fans von James Bond und temporeicher Agentenromanen zu empfehlen.

Bewertung vom 09.04.2023
Going Zero
Mccarten, Anthony

Going Zero


sehr gut

Fesselndes und wendungsreiches Katz-und-Maus-Spiel

Zehn Personen wurden nach dem Zufallsprinzip ausgewählt, um die Spionagesoftware FUSION zu testen, die von Cy Baxter entwickelt wurde. Er behauptet, dass seine Software jeden überall auf der Welt aufspüren kann, aber die ausgewählten Teilnehmer wollen ihm das Gegenteil beweisen. Sie haben genau 30 Tage Zeit, um unterzutauchen und unentdeckt von der Spionagesoftware zu bleiben. Wer es schafft, wird mit 3 Millionen Dollar belohnt. Doch nicht alle sind auf das Geld aus, Kaitlyn Day verfolgt ein anderes Ziel und ehe man sich versieht, ist aus dem Katz-und-Maus-Spiel ein spannender und wendungsreicher Roman geworden, in dem auch Liebesgeschichten und Agenten- und Geheimdiensttätigkeiten eine Rolle spielen.

Anfangs steht noch die Jagd auf die verschiedenen Teilnehmer mit unterschiedlichen Überwachungsprogrammen, allem voran die Jagd nach der auf den ersten Blick unscheinbaren Bibliothekarin Kaitlyn Day, die wider Erwartens der Software und dem Team um Cy Baster ständig entwischt, im Vordergrund. Wenn man bedenkt, all welche Methoden angewendet werden, um die Teilnehmer aufzuspüren wie z. B. mittels Auswertung von Kreditkartenkäufe, Internetsuchen, familiären und freundschaftlichen Bekanntenkreis oder Telefondaten, fühlt man sich beim Lesen auch selbst beobachtet, was ein leicht beklemmendes Gefühl auslöst. Doch als dann Kaitlyn ihr wahres Gesicht zeigt, nimmt der Roman noch mal so richtig an Fahrt auf und entwickelt sich in eine Richtung, die man so am Anfang nicht wirklich erwartet hat.

Der Spannungsbogen wird durch überraschende Wendungen konstant hochgehalten, sodass man dank der kurzen, aus verschiedenen Perspektiven geschriebenen Kapitel nur so durch die Seiten fliegt. Teils liest es sich wie ein Drehbuch und der Handlungsverlauf spielt sich wie ein fesselnder, actionreicher Film vor dem inneren Auge ab. Trotz der Schnelligkeit der Handlung schafft es der Autor hierbei, ein umfängliches Bild der unterschiedlichen Charaktere und deren Motivation zu zeichnen. Einzig Cy Baxter erschien mir manchmal etwas zu stereotypmäßig und blass in seiner Darstellung als unmoralischer Softwareentwickler.

"Going Zero" von Anthony McCarten ist ein Roman, der zum Nachdenken über unsere Abhängigkeit von der Technologie anregt und wie man durch sie überwacht wird bzw. werden kann. Er wirft viele Fragen zum Datenschutz auf, zum nie endenden Durst nach Macht und Kontrolle und zu den Mitteln, die Menschen für diese Kontrolle einsetzen.
Es ist ein gut geschriebener und packender Roman, der mit der Zeit an Komplexität gewinnt und sich zum Hightech-Thriller mit Regierungs- und Geheimdienstbeteiligung entwickelt.

Bewertung vom 09.04.2023
30 Tage Dunkelheit
Madsen, Jenny Lund

30 Tage Dunkelheit


gut

Solider und unterhaltsamer, aber spannungsarmer Krimi

"30 Tage Dunkelheit" von Jenny Lund Madsen hat es mir nicht einfach gemacht.

Hannah ist eine angesehene Romanautorin, aber ihre Bücher verkaufen sich nicht gerade wie warme Semmeln. Zudem leidet sie momentan unter einer Inspirationskrise. Sie reagiert vermehrt dünnhäutig, was auf einer Buchmesse dazu führt, dass sie in Anwesenheit eines Krimibestellerautors übermütig behauptet, jeder könne innerhalb von 30 Tagen einen Krimi schreiben. Sie schließt eine Wette ab, dass sie genau das schaffen wird und reist dazu nach Island in ein kleines ruhiges Dorf. Doch mit der Ruhe ist schon bald Schluss, denn es taucht die Leiche eines Jungen auf. Bei dem ertrunkenen Jungen handelt es sich um den Sohn eines Fischers und schon bald wird aus literarischer Fiktion Wirklichkeit und Hannah wird in die Ermittlung hineingezogen, was nicht jedem im Dorf gefällt. Je näher Hannah dem Geheimnis kommt, umso gefährlicher wird es für sie.

Die Idee hinter dem Kriminalroman fand ich interessant und der Anfang hat mir noch gut gefallen. Ein unterhaltsamer und atmosphärischer Schreibstil zusammen mit einer vielversprechenden Handlung sorgen für flüssiges Lesen. Bis auf das Ende lässt der Kriminalroman jedoch an Spannung missen, einzig zum Ende hinnimmt die Geschichte deutlich an Fahrt auf, auch wenn von den Geschehnissen etwas zu überzogen dargestellt.
Anfangs hatte ich auch meine Probleme mit der Protagonistin Hannah warm zu werden, sie ist zynisch und kommt ziemlich unsympathisch rüber, was es schwierig macht, mit ihr mitzufiebern. Man ist eher genervt von ihr als Charakter, zum Ende hin wird es aber ein bisschen besser.
Zudem hatte ich auch das Gefühl, dass der Roman nicht wusste, ob er eher eine Parodie auf das Krimi-/Thrillergenre sein wollte oder ein literarisch angehauchter Kriminalroman. So konnte mich weder der Kriminalfall noch der kritische Blick auf die Buchbranche komplett überzeugen, obwohl beide Handlungsstränge an sich durchaus Potenzial hatten.

Trotz der inhaltlichen Schwächen ist "30 Tage Dunkelheit" ein gelungener Debütroman, der vor allem durch seinen flüssigen und stimmungsvollen Schreibstil überzeugen kann. Ein solider Krimi, mehr aber auch nicht.

Bewertung vom 30.03.2023
Tochter einer leuchtenden Stadt
Suman, Defne

Tochter einer leuchtenden Stadt


gut

Verschiedene Zeitstränge sorgen für Frust statt Lust

"Tochter einer leuchtenden Stadt" von Defne Suman hat es mir nicht leicht gemacht.
Eine geschichtsträchtige und bewegende Handlung zusammen mit einer poetischen Sprache, die auf eine verwirrende Erzählstruktur und blasse Charaktere treffen, lassen mich mit zwiespältigen Gefühlen zurück.

"Tochter einer leuchtenden Stadt" erzählt die Geschichte von vier Familien - einer levantinischen, einer griechischen, einer türkischen und einer armenischen Familie - in der antiken Stadt Smyrna (das heutige Izmir) in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg. Die Geschichte beginnt im September 1905. In einer dunklen Septembernacht wird Scheherazade geboren, in der Zwischenzeit trifft ein indischer Spion, der in geheimer Mission für das britische Empire arbeitet, an Smyrnas Küste ein. Über die kommenden Jahre hinweg werden die vier über die ganze Stadt verstreuten Familien in ein kompliziertes Netz aus Täuschung, Liebe und Tragödie hineingezogen vor der geschichtlichen Kulisse eines großen Brandes von Smyrna im Jahr 1922 und dem griechischen Militäraufmarsch im Jahr 1919.

Scheherazade stellt den Leser*innen ihre Lebensgeschichte vor, wodurch man beim Lesen Zeuge des Leids, der Zerstörung und des Todes wird, der über Smyrna hereinbricht.
Die Stärke des historischen Romans liegt ganz eindeutig in seiner melodiösen und atmosphärischen Sprache. Die Landschaften und Schauplätze werden von Suman wunderschön dargestellt und vermitteln ein echtes Gefühl für Zeit und Ort. Die Atmosphäre, die durch diese Beschreibungen entsteht, fühlt sich greifbar an und trägt wirklich dazu bei, dass der Leser in die Geschichte hineingezogen wird. Auch schafft es die Autorin, die verschiedenen Kulturen authentisch und nuancenreich darzustellen.

Großes Manko des Romans ist jedoch die verwirrende Zeitstruktur der Handlung. Es wurde viel vor- und zurückgesprungen, ohne dass die jeweilige Zeitlinie wirklich klar ersichtlich war. Auch nimmt nach einem starken Beginn die Erzählung nur langsam an Fahrt auf und verliert sich in Nebensächlichkeiten. Erschwerend kommt hinzu, dass viele verschiedene Charaktere auftauchen und es so schnell passiert, dass man den Überblick verliert. Bedingt durch die Fülle an handelnden Personen und Handlungssträngen gewinnen die Figuren nie richtig an Kontur und bleiben in Bezug auf die Emotionalität der Geschichte vergleichsweise blass.
So konnte der Roman im Ganzen mich leider nicht so fesselnd, wie ich es mir anfangs erhofft habe.

Bewertung vom 30.03.2023
One of the Girls
Clarke, Lucy

One of the Girls


weniger gut

Spannungsarme Charakterstudie voller Klischees

Sechs Frauen reisen für Lexis Junggesellinnenabschied auf die griechische Insel Aegos. Was jedoch eine erholsame und vergnügliche Zeit werden sollte, verwandelt sich in nur wenigen Tagen in eine Katastrophe.
Abwechselnd aus der Sicht einer der sechs Frauen, darunter die angehende Braut Lexi, ihre beste Freundin Bella, ihre neue beste Freundin Anna, ihre andere beste Freundin aus Kindertagen Robyn, Bellas Partner Fen und die zukünftige Schwägerin Eleanor sowie einem unbekannten Erzähler, werden die Ereignisse auf der griechischen Insel erzählt. Dabei werden nach und nach Geheimnisse enthüllt, Lügen aufgedeckt und es wird hinter die Fassade ihrer Freundschaft bzw. Bekanntschaft geblickt. Jemand ist fest entschlossen, dafür zu sorgen, dass Lexis Hochzeit nie stattfindet - und dass einer von ihnen die Insel nicht lebend verlässt.
Was nach einem spannenden und wendungsreichen psychologischen Thriller klingt, konnte mich leider in der Umsetzung nicht wirklich überzeugen, weder in Bezug auf die Handlung, den Charakteren noch der Erzählweise. Für mich ist "One of the Girls" insgesamt ein wenig überraschender und orgineller sowie formelhafter Junggesellinnenabschied, der schiefgeht.

Der Anfang war versprechend. Dank der kurzen Kapitel und der verschiedenen Perspektiven wird von Beginn eine gewisse Spannung und eine unheilvolle Stimmung erzeugt. Man bekommt einen Einblick in die Gedanken- und Gefühlswelt der Protagonisten und will wissen, wann es zur Katastrophe kommt, was genau passiert und warum. Doch schon bald trat bei mir Ernüchterung ein, denn abgesehen von ein paar Spannungsmomenten und im Übermaß verwendeten cliffartigen Kapitelenden kam für mich eher Langweile als Spannung auf. Zur Mitte hin verliert die Geschichte deutlich an Schwung und plätschert vor sich hin, was vielleicht auch daran liegt, dass für mich nach Aufdeckung der ersten Geheimnisse recht früh klar war, in welche Richtung die Geschichte sich entwickeln wird. Zudem waren es zum Ende hin für mich zu viele dramatische Momente auf einmal, sodass die Geschichte im Ganzen an Glaubwürdigkeit verlor. Drama sells - aber manchmal ist weniger besser. Bei einer großen Gruppe von Freundinnen kommt es etwas seltsam vor, dass jede Person ihre eigenen und gefährlichen Geheimnisse hat, besonders wenn sie jedem Klischee eines Thrillers entsprechen.

Mein größtes Problem hatte ich aber mit den Charakteren selbst. Keine der sechs Frauen war mir nur annäherend sympathisch, was nicht so schlimm gewesen wäre, wenn sie irgendwie in ihren Persönlichkeiten interessant gewesen wären, was jedoch nicht wirklich der Fall war. Da ist die trinkfreudigen Partylöwin, die neidische beste Freundin, die niedergeschlagene und depressive Frau, das vermeintlich glücklich verliebte Pärchen - kurz die zu erwartenden stereotypen Persönlichkeiten, die rein für das Drama da sind. Mit der Zeit war ich eher genervt von den Charakteren als gespannt darauf, wie es weitergeht.
Bedingt durch den häufigen Perspektivenwechsel werden auch viele Handlungsstränge aus der Sicht einer anderen aufgenommen, was auf Dauer eher ermüdend wirkt als für Spannung sorgt. Zudem wiederholen sich die Charaktere in ihren Gedanken. Die Dialoge und Streitereien wirken zudem auch etwas aufgesetzt und gekünstelt.

"One of the girls" von Lucy Clarke ist ingsesamt eher eine langatmige und wenig glaubhafte Charakterstudie von sechs Frauen als ein fesselnder psychologischer Thriller und ertrinkt in konstruierter Spannung und Klischees.

Bewertung vom 22.03.2023
Der Geheimnishüter von Jaipur / Jaipur Bd.2
Joshi, Alka

Der Geheimnishüter von Jaipur / Jaipur Bd.2


gut

Kurzweilige, aber spannungsarme Reise nach Indien

Alka Joshi bleibt sich in "Der Geheimnishüter von Jaipur" ihrem bildhaften und detailverliebten Schreibstil treu, der einen schon beim Lesen "Der Hennakünstlerin" in das Indien der 50er-Jahre eintauchen ließ.

Der 2. Band der Reihe spielt nun 12 Jahre später im Jahre 1969 und im Mittelpunkt steht diesmal vorwiegend Malik anstatt Lakschmi, die mit Dr. Jay Kumar verheiratet ist. Lakschmi hat dank ihrer Beziehungen es geschafft, dem 20-jährigen Malik eine Anstellung im königlichen Palast von Jaipur zu verschaffen und arbeitet dort am Bau eines modernen Kinos mit. Als ehemaliges Straßenkind von Jaipur kennt er sich in Jaipur aus und weiß von den ungeschriebenen Gesetzen, die unter den Mächtigen und Reichen gelten. Dieses Wissen kommt ihm zugute, als Malik versucht, die Wahrheit herauszufinden, wie es zur Tragödie am Eröffnungstag des Kinos kommen konnte. Unterstützung erhält er von Lakshmi, die jetzt in Shimla wohnt und dort mit Maliks Liebe Nimmi auch nicht vor Gefahren geschützt ist.

"Die Hennakünstlerin" ist gut abgeschlossen, sodass dieser Folgeband vor allem ein Wiedersehen mit den Charakteren ist. Es ist deshalb nicht unbedingt nötig, den ersten Band gelesen zu haben, es erleichtert jedoch, in die Handlung hineinzufinden. Obwohl es spannende Elemente sowie Geheimnisse und eine Ermittlungshandlung gibt, nehmen diese nicht den Hauptteil der Handlung ein, was dem Spannungsbogen etwas abträglich ist. So braucht die Handlung am Anfang einige Zeit, um Fahrt aufzunehmen und die Geheimnisse bzw. Ermittlungen werden dann vergleichsweise schnell gelöst bzw. abgehandelt.

Da der Roman aus drei Perspektiven erzählt wird, die von Malik, Lakschmi und Nimmi, werden manche Handlungsstränge wiederholt aufgegriffen, was zusätzlich dazu führt, dass die Geschichte an Schwung verliert.

Die Stärke des Romans ist eindeutig der bildhafte Schreibstil der Autorin, der das Indien der 60er-Jahre zum Leben erweckt. Man fühlt sich durch die Beschreibungen der Kleidung, des Schmucks, des Hennas, des Essens, der Gebäude und der Stadt, als wäre man selber dort. Einzig die in den Dialogen verwendete Sprache klingt manchmal etwas zu modern.

Insgesamt kann "Der Geheimnishüter von Jaipur" einerseits mit einem tollen Schreibstil aufwarten, andererseits hätte die Handlung mehr Spannung und manche Handlungsstränge mehr Tiefe vertragen können.
Eine kurzweilige Zeitreise in das Indien der 1960er-Jahre, mehr aber auch nicht.

Bewertung vom 22.03.2023
Melody
Suter, Martin

Melody


sehr gut

Fesselnd erzählte Suche nach einer verschwundenen Liebe mit kleineren Schwächen

Mit "Melody" hat Martin Suter einen kurzweiligen und fesselnd erzählten Roman vorgelegt, der zwar nicht einer seiner Besten ist, aber durchaus mit einer spannenden Handlung aufwarten kann.

Der 34-jährige Langzeitstudent Tom Elmer braucht dringend einen Job und da kommt ihm das Stellengesuch vom Alt-Nationalrat und Millionär Dr. Stotz wie gerufen. Dr. Stotz hat nicht mehr lang zu leben und sucht jemanden mit juristischen Kenntnissen, der seinen Nachlass für ihn ordnet. Tom als junger Anwalt bewirbt sich auf die Stelle und wird kurz darauf auch gleich eingestellt. Mit der Stelle einhergeht ein ansehnliches Honorar sowie Kost und Logis in Dr. Stotz' Villa. Tom beginnt mit seiner Arbeit und bei gemeinsamen Kaminaufenthalten mit Dr. Stotz erfährt Tom nach und nach, was es mit den ganzen Porträts einer jungen Frau in der Villa auf sich hat. Bei der Frau handelt es sich um Melody, die große und kurz vor der gemeinsamen Heirat verschwundene Liebe von Dr. Stotz. Dieser erzählt ihm, wie er Melody kennen und lieben gelernt hat, von Melodys muslimischen Eltern, seinen Verdacht, ihn Bezug auf ihr Verschwinden und seiner jahrelangen Suche nach ihr. Doch beim Ausmisten des Archivs kommen Tom mit der Zeit Zweifel, ob Dr. Stotz, die ganze Wahrheit erzählt über sich, sein Leben und Melodys Verschwinden erzählt hat.

Ein schnörkelloser und angenehm zu lesender Schreibstil entführen einen gleich von Anfang an in die vom Wohlstand geprägte Welt des Züricher Alt-Nationalrates und dessen Villa. Seine Haushälterin tischt gut und üppig auf und es wird viel getrunken, während man durch Rückblicke in die Vergangenheit von Melody erfährt. Beim Lesen ergeht es einem ähnlich wie Tom, der vom Geheimnis um Melody in dessen Bann gezogen wird, und man fliegt förmlich durch die Seiten, um zu erfahren, was hinter dem Verschwinden von Melody steckt.
Doch mit der Zeit gerät die Handlung etwas ins Stocken und die Geschichte verflacht etwas. So verlieren die anfangs gut gezeichneten Charaktere etwas an Kontur und driften teilweise ins Klischeehafte ab.
Nach etwa der Hälfte des Buches nimmt dann die Geschichte jedoch wieder deutlich an Fahrt auf. Es beginnt eine packende und ereignisreiche Suche nach Antworten und der Wahrheit, die dann in einer überraschenden Auflösung endet.

Das Mysterium um Melodys Verschwinden hält eindeutig die Geschichte am Laufen, auch wenn es eigentlich nicht Toms Aufgabe war, nach ihr zu suchen.

Insgesamt ist "Melody", ein gut konstruierte und erzählte Geschichte, die trotz kleinerer Schwächen, einen von Beginn packt, für angenehme Lesestunden sorgt und einem beim Lesen etwas genauer über Wahrheit und Fiktion nachdenken lässt.

Bewertung vom 20.03.2023
Der Morgen / Art Mayer-Serie Bd.1
Raabe, Marc

Der Morgen / Art Mayer-Serie Bd.1


ausgezeichnet

Hochspannung pur und vielversprechender Auftakt einer neuen Thriller-Reihe

"Der Morgen" von Marc Raabe ist der 1. Band einer neuen Thriller-Reihe, der von Anfang bis Ende hochspannend ist.

Berlin kurz vor dem G20-Gipfel. Eine Frauenleiche wird auf einem Kleinlaster nahe der Siegessäule gefunden. Auf ihrem halbnackten Körper steht die Privatadresse des Bundeskanzlers geschrieben. Bei der Toten handelt es sich um die Frau des Gesundheitsministers. Für Nele Tschaikowski, Kommissar-Anwärterin, ist es der erste Mordfall und der hat es gleich in sich. Nicht nur, dass höchste Sicherheits- und Vertraulichkeitsstufe bestehen und die Ermittler unter Zeitdruck stehen, erschwert die Falllösung, sondern auch die Tatsache, dass Nele der berüchtigte BKA-Ermittler Artur "Art" Mayer zu Seite gestellt wird. Nach einem tätlichen Angriff auf einen hohen Polizeibeamten, war Artur nicht länger im Dienst tätig, wurde aber extra für die Aufklärung für diesen Fall von oberster Stelle angefordert.
Parallel dazu wird die Geschichte von dem jungen Boxer durch Rückblenden in die Vergangenheit erzählt, der von der Clique rund um den späteren Bundeskanzler drangsaliert wird und Mutproben aufgefordert wird, bis irgendwann alles aus dem Ruder läuft.
Schnell wird Art und Nele klar, dass der Schlüssel für die Lösung des Falles in der Vergangenheit liegt.

Gleich zu Beginn schafft es der Autor Spannung aufzubauen und einen mit seinem fesselnden und atmosphärischen Schreibstil in seinen Bann zu ziehen. Dank zahlreicher überraschender Wendungen, wechselnder Perspektiven und anfangs mysteriösen Rückblicken in die Vergangenheit vom jungen Boxer und seiner Verbindung zur Clique rund um den späteren Bundeskanzler, schafft es der Autor, die Spannung auf den über 580 Seiten konstant hoch zu halten, um dann in einem spannungs- und vielleicht etwas zu actiongeladenen Showdown zu gipfeln. Auch dass die Kapitel meist auf eine Art Cliffhanger enden, trägt zu der packenden Sogwirkung des Thrillers bei.

Neben dem gut konstruierten und logisch aufgebauten Fall, in dem gekonnt auch aktuelle Themen wie z. B. der Ukraine-Krieg, Corona oder die Energie-Krise eingebaut werden, kann auch die glaubwürdige und authentische Charakterzeichnung von Art und Nele überzeugen.
Art scheint auf den ersten Blick ein hart und unnahbar zu sein, der wenig Rücksicht auf sich und seine Gesundheit nimmt, doch schon bald merkt man, dass hinter der harten Schale ein weicher Kern liegt.
Nele ist als junge und unerfahrene Kommissar-Anwärterin voller Ehrgeiz und Tatendrang, wobei sie manchmal jedoch über das Ziel hinausschießt.
Beide haben mit privaten Problemen zu kämpfen, die sie menschlicher und emotional greifbarerer erscheinen lassen, ohne jedoch den Fokus von der Handlung zu nehmen.

Überzeugende Charaktere, eine gut durchdachte Handlung, die bis zum Schluss ihre Geheimnisse beibehält sowie ein kurzweiliger und fesselnder Schreibstil sorgen dafür, dass "Der Morgen" ein Thriller ist, der seinem Namen alle Ehre macht. Er ist psychologisch gut analysiert, hochspannend und wendungsreich, also genau alles das, was man sich von einem packenden Thriller wünscht.
Lesenswert.