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Forti

Bewertungen

Insgesamt 203 Bewertungen
Bewertung vom 28.10.2021
Das Glashotel
Mandel, Emily St. John

Das Glashotel


sehr gut

Emily St. John Mandels neuer Roman "Das Glashotel" zeichnet sich durch eine ungewöhnliche Erzählweise aus. Die Autorin nähert sich der Geschichte und der Hauptfigur Vincent immer wieder neu – aus dem Blickwinkel ganz unterschiedlicher Nebenfiguren, deren Verknüpfung zu Vincent oftmals auf den ersten Blick nicht ersichtlich ist. Oft deckt sich diese Verbindung erst langsam auf, was zu Aha-Effekten führt. Außerdem entstehen dadurch viele Nebenschauplätze, die das Buch in meinen Augen abwechslungsreich machen. Die eigentliche Handlung ist dabei eher überschaubar, was enttäuschen mag. Auch wirkliche Spannung baut sich leider kaum auf. Lässt man sich aber auf die ungewöhnliche Art der Erzählung ein und sieht darin vielleicht sogar den eigentlichen Reiz dieses Buches, wird man meiner Meinung nach dennoch gut unterhalten.

Bewertung vom 07.10.2021
Charly Hübner über Motörhead oder Warum ich James Last dankbar sein sollte (eBook, ePUB)
Hübner, Charly

Charly Hübner über Motörhead oder Warum ich James Last dankbar sein sollte (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Ein Buch über Charly Hübner und den Teufel, eine Kindheit und Jugend, Schlager und Motörhead.
Der Ich-Erzähler unternimmt mit dem Teufel eine Zeitreise in seine Kindheit und Jugend zwischen 1977 und 1987 und erlebt so nochmal seine musikalische und allgemeine Persönlichkeitsentwicklung.
Anfangs etwas viele Metaphern und Phrasen, aber das gibt sich und das Buch wird zu einer interessanten, runden, persönlichen Geschichte über die Wirkung von Musik.
"Das ist doch keine Autobiographie, geschweige denn eine Autofiktion. Das ist doch nur ein Buch," heißt es an einer Stelle. Ich denke aber, dass hier bei aller dichterischen Freiheit, viel Fantasie und einigen Faust-Zitaten doch ganz viel Charly Hübner drin steckt.
Ebendieser hat es außerdem geschafft, mir Motörhead, eine Band, die ich immer als "hört sich doch alles gleich an"-Gitarrengequietsche abgelegt hatte, näher zu bringen und mich dazu gebracht, mir ein paar Lieder von ihnen anzuhören, die ich noch nicht kannte, die tatsächlich vielfältiger und besser als gedacht sind. Also: unbedingt mal mehr als nur das etwas öde "Ace of Spades" hören! Eine Bandgeschichte o.ä. ist das Buch allerdings nicht – will und soll es aber auch nicht sein.
Schauspielende, die sich als Autor*in versuchen – da darf man erstmal skeptisch sein. Hier ist es gelungen. Ich fand das Buch intelligent unterhaltsam, persönlich und eloquent. Gerne mehr davon!

Hinweis: im Buch gibt es einen längeren Dialog auf Englisch (einfaches Niveau).

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 06.10.2021
DAFUQ (eBook, ePUB)
Jarmysch, Kira

DAFUQ (eBook, ePUB)


gut

Ein bisschen wie ich mir den Alltag im Gefängnis (oder Arrest) vorstelle: lang und oft öde. Das Buch zog sich vor allem in der ersten Hälfte ziemlich. Die Hauptfigur Anja nimmt erst spät Kontur an, die Nebenfiguren blieben für mich blass und schwierig zu unterscheiden. Die Handlung ist (wie zu erwarten) sehr übersichtlich – das meiste passiert tatsächlich in den Rückblicken auf das bisherige Leben von Anja, wohingegen der Alltag im Gefängnis (vermutlich realistisch) ereignisarm ist. Dieser Alltag im Arrest wird harmloser dargestellt, als ich ihn mir so vorgestellt habe. Wobei es in Russland ja sehr unterschiedliche Arten der Haft gibt, wovon der Arrest die mildeste ist.
Die Kombination von Gefängnisgeschichte und Coming of Age fand ich nicht richtig gelungen bzw. gut gegeneinander gewichtet. Für mich war das nicht rund, nicht stimmig.
Gegen Ende nahm die Erzählung dann noch einen Dreh, der das ganze etwas heraus riss.

Sprachlich monoton, unterbrochen von seltsamen Formulierungen – der Versuch, ein Sprachgefühl des Originaltexts zu übernehmen oder einfach ungelenk?

Insgesamt konnte mich das Buch leider nicht richtig überzeugen.

Bewertung vom 28.09.2021
Barbara stirbt nicht
Bronsky, Alina

Barbara stirbt nicht


sehr gut

Anders als der Titel vermuten lässt, ist nicht Barbara die Hauptperson dieses Buches, sondern ihr Ehemann Herr Schmidt. Nach einem Sturz seiner Frau – beide sind im Rentenalter – ist er auf einmal mit Haushalt und Pflege ganz neuen Herausforderungen ausgesetzt als in seinem bisherigen Leben, wo das – ganz alte Schule – das Metier seiner Frau war. Dabei ist er so ehrlich unsympathisch und in alten Denkmustern verhaftet, dass es fast wehtut. Einerseits ist diese Darstellung natürlich sehr klischeehaft, fast überzeichnet. Andererseits gibt es ja immer noch erschreckend viele (Ehe-)Männer, die so sind, weswegen die Charakterisierung von Herrn Schmidt wohl nicht so überzogen ist, wie man es als Leserin im Jahr 2021 gerne wahrnehmen würde.
Anfangs zog sich das Buch etwas, als ausführlich Herrn Schmidts Probleme mit der Haushaltsführung beschrieben wurden. Dazu noch das schwer erträgliche Auftreten von Herrn Schmidt. Nach und nach kamen dann aber noch andere Personen, andere Nebenthemen dazu, wodurch es abwechslungsreicher und durchaus unterhaltsam wird. Erst langsam wurde zudem deutlich, in welche Richtung es geht und wie einfühlsam das von der Autorin Alina Bronsky umgesetzt wurde. Das hat mir dann sehr gut gefallen.
Der Humor ist bitterböse und es fiel mir schwer zu lachen/lächeln. Für mich eher ernst als witzig, allerdings nie schwermütig. Ich fand das Buch aber an vielen Stellen sehr berührend.

Bewertung vom 22.09.2021
Die letzten Romantiker
Conklin, Tara

Die letzten Romantiker


gut

Tara Conklin erzählt die Familiengeschichte dreier Schwestern und ihres einen Bruders. Eine Mutter gibt es zwar auch, aber die nimmt im Leben der Geschwister nur eine Nebenrolle ein und die Geschwister sind größtenteils auf sich allein gestellt. Erzählt wird die Geschichte ab dem Tod des Vaters Anfang der 1980er Jahre bis ins Jahr 2079. Die Variante, die Geschichte bis in unsere Zukunft zu erzählen, ist ungewöhnlich, aber leider bleibt es im wagen und lediglich angedeutet, warum die Autorin eigentlich diesen Kunstgriff gewählt hat. Dabei wäre das schon eine eigene Geschichte wert.
Insgesamt las sich das Buch gut und ich habe mit den Geschwistern mitgelitten, obwohl sie immer etwas unscharf und fremd blieben. Am intensivsten und einfühlsamsten fand ich die Kinder- und Jugendjahre beschrieben, die ich sehr stimmig fand. Die Erwachsenenjahre können hier nicht ganz mithalten. Die Geschwister driften zeitweise auseinander und schon alleine deswegen konnte die Autorin wohl nicht in die Tiefe gehen ohne dass es gleichzeitig Längen gegeben hätte.
Eine glaubwürdige, einfühlsame Familiengeschichte, leider aber auch ohne Überraschungen oder Highlights. Für mich las sich das Buch gut und flüssig, aber einen bleibenden Eindruck wird es wohl nicht hinterlassen.

Bewertung vom 10.09.2021
Glitterschnitter
Regener, Sven

Glitterschnitter


gut

Sven Regeners neuer Roman schließt zeitlich an seinen Vorgänger "Wiener Straße" an. Aber auch wenn man (so wie ich) diesen noch nicht gelesen hat, kann man "Glitterschnitter" gut folgen. Erzählt wird von ein paar wenigen Tagen in der Vorweihnachtszeit 1980. Allzu weihnachtlich bzw. besinnlich wird es allerdings nicht, denn die West-Berliner Kneipen- und Kunstszene, um die es hier wie so oft in Sven Regeners Romanen geht, dreht sich vorwiegend um sich selbst. Aus verschiedenen Blickwinkeln (leider nicht aus Karl Schmidts – sehr schade) wird von verschiedenen Projekten berichtet: einer Kaffeehauseröffnung, einem Konzert, einer Kunstausstellung.
Die Handlung ist eher übersichtlich, aber das ganze dennoch recht unterhaltsam und witzig. Die Unterhaltungen und Unternehmungen der Protagonisten sind größtenteils wieder einmal so absurd wie nur möglich. Gegen Ende zog es sich für mich dann aber etwas in die Länge – vielleicht fehlt hier dann doch eine etwas konkretere Handlung. An "Magical Mystery" oder "Herr Lehmann" kommt "Glitterschnitter" also leider nicht ran. Dennoch für Fans natürlich ein Muss. Neulingen würde ich aber die beiden genannten Klassiker als Start in das Sven-Regener-Universum empfehlen.

Bewertung vom 29.08.2021
Der Mauersegler
Schreiber, Jasmin

Der Mauersegler


ausgezeichnet

In Jasmin Schreibers neuem und zweiten Roman "Mauersegler" geht es um gleich mehrere große Themen: Freundschaft, Familie, Tod, Schuld(gefühle). Das klingt jetzt vielleicht nach einer düsteren und überfrachteten Lektüre, aber wie schon in ihrem Erstling "Marianengraben" trifft die Autorin immer den richtigen, leichten Ton. Die Geschichte wird einfühlsam und berührend erzählt, aber es wird nie schwerfällig, nimmt die ernsten Themen aber auch nicht auf die leichte Schulter. Mir hat diese Geschichte rund um den Arzt Prometheus, der in einer persönlichen Krise auf einem Pferdehof in Dänemark landet, sehr sehr gut gefallen. Das gegensätzliche Personal ist gut gezeichnet, die Handlung auch aufgrund einiger Wechsel der Zeitebenen abwechslungsreich.
Dazu viele Tiere, die sehr liebevoll immer wieder in die Handlung eingebunden werden. Ich fürchte ja, der eine oder die andere wird diese Beschreibungen etwas kindisch bis kitschig finden, aber mir haben sie sehr gefallen und mich zum schmunzeln gebracht.
Ich fühlte mich sehr gut und intelligent unterhalten.

Bewertung vom 29.08.2021
Die Nachricht
Knecht, Doris

Die Nachricht


gut

Interessant in Doris Knechts neuem Roman ist schon der Ansatz, dass eine Best-Ager-Frau von Cyber-Mobbing/-Stalking betroffen ist und keine Jugendliche. Aber schließlich passiert das auch erwachsenen Menschen, was aber auch nur sehr selten thematisiert wird – umso wichtiger sind solche Bücher.
Aufgeteilt ist das Buch in oft sehr kurze Kapitel, die es mir anfangs etwas schwer machten, richtig in den Lesefluss zu kommen. Recht bald war ich dann aber drin und das Buch las sich insgesamt flüssig und gut.
Die Ich-Erzählerin Ruth ist noch damit beschäftigt, ihr Leben nach dem plötzlichen Tod ihres Mannes neu zu ordnen, als sie anonyme Nachrichten über das Internet erreichen. Der Absender weiß viel über sie, beschimpft sie, droht ihr und ihrer Familie.
Ruth scheint eine durchaus komplexe Person zu sein, über die man aber nur Bruchstücke erfährt. Ihre Familiensituation, ihr Job, ihr Leben als Witwe in einem abweisenden Dorf, ihre Freunde – das alles hat viel Potential, wird aber oft nur gestreift. Sie bleibt schwer greifbar. Wie Ruth beschrieben wird, lässt sie oft unsympathisch erscheinen. Letzteres wohl ein Kniff der Autorin, um nicht Gefahr zu lassen, dass Ruth nur als Opfer oder gar hilflos erscheint – das passiert jedenfalls nicht. Vielleicht hätte man das aber auch anders lösen können.
Auch der Umgang der Protagonistin mit der Situation bleibt manchmal etwas oberflächlich. Mögliche Lösungen wie der Gang zur Polizei, zur Rechtsberatung, zu Hackern, das Blockieren von fremden Nachrichten werden nie wirklich in Betracht gezogen. Ich hatte nicht das Gefühl wirklich zu wissen, was die anonymen Nachrichten mit ihr machen. Das ist einerseits vielleicht realistisch, da viele Betroffene, eine solche Situation eher mit sich selbst ausmachen, aber in dieser fiktiven Umsetzung auch etwas schade.
Ganz konnte mich das Buch mit seinen guten, neuen Ansätzen also leider nicht überzeugen, dennoch ist der Autorin zu gute zu halten, dass sie ein wichtiges, wenig thematisiertes heißes Eisen anpackt.

Bewertung vom 06.08.2021
Junge mit schwarzem Hahn
vor Schulte, Stefanie

Junge mit schwarzem Hahn


gut

"Junge mit schwarzem Hahn" ist eine märchenhafte Geschichte vor historischer Kulisse. Der Junge Martin und sein altersloser Hahn leben in einer von Gewalt und Armut geprägten Zeit. Martin ist immer freundlich und hilfsbereit, obwohl seine Mitmenschen das oft ausnutzen oder ihm zumindest misstrauisch begegnen. Zusammen mit dem Hahn begibt er sich auf Wanderschaft – eine Reise auch zu sich selbst.
Exakt greifbar sind weder der Handlungsort noch die Epoche (schätzungsweise Europa in der Frühen Neuzeit), was die märchenhafte Atmosphäre noch verstärkt. Insgesamt ist die Stimmung, die die Erstlingsautorin Stephanie vor Schulte in diesem Roman erzeugt, ist sehr gelungen.
Sprachlich öfters sehr ungewöhnlich – irgendwie einfach, dann aber auch wieder historisch wirkend und hin und wieder gewitzt. Das hat mir sehr gut gefallen.
Ansonsten muss ich aber sagen, dass das Buch mich inhaltlich leider nicht ganz gepackt hat. Vielleicht hab ich es auch einfach nicht richtig verstanden? Mir fehlte da jedenfalls irgendetwas.

Bewertung vom 24.07.2021
Es war einmal in Hollywood
Tarantino, Quentin

Es war einmal in Hollywood


sehr gut

Quentin Tarantino legt mit "Es war einmal in Hollywood" den Roman zum Film von 2019 vor. Die Geschichte über eine Bromance und das Hollywood von 1969 ist mit minimalen Abweichungen die gleiche wie im Film, aber tiefer gehend, mit mehr Details und Hintergrundinfos zu den Charakteren - und **SPOILER SPOILER SPOILER einem anderen Ende. SPOILER SPOILER SPOILER**
Die beiden Hauptpersonen - Schauspieler Rick und sein Stuntdouble bzw Mädchen für alles bzw bester Freund Cliff - sind sexistisch, rassistisch und gewalttätig. Und trotzdem sind mir beide (noch mehr als im Film) ans Herz gewachsen und ich habe mitgelitten, dass es mit ihren Karrieren bergab ging.
Streckenweise ist das Buch (wie ja auch die Filme von Tarantino manchmal) etwas langatmig. Streckenweise gibt es ausufernde Aufzählungen von Filmen und Schauspieler*innen der Zeit, womit ich leider nicht viel anfangen kann.
Ich denke aber die meisten Leser*innen sind entweder in der Filmgeschichte der Zeit beflissener oder aber Tarantino-Fans, die so wie ich am Ende großzügig über diese Längen hinwegsehen. Ich würde das Buch sowieso vor allem als Ergänzung zum Film empfehlen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.