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Nordwind
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Bremen

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Insgesamt 54 Bewertungen
Bewertung vom 15.06.2021
Der Nachlass
Winner, Jonas

Der Nachlass


ausgezeichnet

„Wie weit wirst du gehen?“
Hedda Laurent ist gestorben. Zusammen mit ihrem Ehemann Artur, einem ehemaligen Uniprofessor, lebte sie auf einer einsamen Insel auf dem Tegeler See. Um sich zu verabschieden sind jetzt ihre vier Kinder Jannik, Sophia, Theo und Patty nebst Familien sowie ihr Bruder Ruben auf die Insel gekommen. Und noch jemand ist auf der Insel: Der Notar Nowotny, um bereits vor der Beerdigung Heddas Testament zu verkünden. Allerdings hat sich Hedda etwas ganz Besonderes ausgedacht. 27 Aufgaben müssen in drei Tagen gelöst werden und nur einer kann den Nachlass, der fast im dreistelligen Millionenbereich liegt, gewinnen. Escape room einmal andersherum. Was harmlos beginnt, nimmt rasch große Fahrt auf. Und schon bald entwickelt sich ein mörderischer Alptraum! Wie weit wirst du gehen, um das Spiel zu gewinnen?

Was ist in der Familie von Hedda und Artur Laurent vorgefallen, dass Hedda sich so ein perfides Spiel ausgedacht hat, damit es nur einen Erben geben kann? Wollte Hedda ihrer Familie ihre Geldgier und Schamlosigkeit aufzeigen? Der Untertitel „Für Rache ist es nie zu spät“ lässt uns bereits erahnen, dass in dieser gutbürgerlichen Familie nicht alles so „gut“ ist, wie es auf dem ersten Eindruck scheint. Entsprechend dunkel und geheimnisvoll wirkt das Cover des Buches: Nur eine Ledermappe - vermutlich das Testament – zieht die Blicke des Lesers auf sich, während die in blutrot geschriebenen Buchstaben des Titels jetzt schon eine Gänsehaut beim Leser auslösen. Und die Gänsehaut ist beim Lesen ständiger Begleiter. Bereits der Prolog nimmt den Leser gefangen: Was wusste Heddas Bruder Ruben? Was wollte er nicht? Und was war so schrecklich, dass es bei ihm eine solche Angst auslöste, dass es ihn tötete? Kaum hat sich der Leser davon erholt, ächzt er bereits unter dem nächsten Thrill bis sich herausstellt, Theo hat alles nur geträumt. Der Profi-Pokerspieler hat allerdings allen Grund ängstlich zu sein, hat er sich doch, um seine Spielschulden zu bezahlen, mit den falschen Leuten eingelassen. Aber auch seine drei Geschwister haben hinter ihrer sauberen Fassade jeder für sich einen Grund, das Spiel für sich zu entscheiden.

Für mich bleibt unter den vier Geschwistern immer noch der glücklose Pokerspieler Theo der Sympathischste. Ist er doch derjenige unter den Vieren, der nicht um jeden Preis versucht die anderen auszustechen. Jannik dagegen kann durch seine ständige Sorge nicht genügend beachtet oder nicht genügend bedacht zu sein, bei mir keine Sympathien gewinnen.

Durch den Schreibstil von Jonas Winner, die Art Sätze zu bilden, fühlt sich der Leser als wäre er mitten im Geschehen. Der Autor schreibt lebendig und flüssig. Und trotzdem wir uns hier in einem mörderischen Spiel befinden, gelingen ihm wunderbare atmosphärische Beschreibungen der Szenen und der Protagonisten. Der Leser merkt, dass Jonas Winner seine Promotion über „Spieltheorie“ geschrieben hat, denn durch den steten Wechsel in der zeitlichen Reihenfolge, befindet sich der Leser in einem eigenen Spiel, aus dem er sich nur schwer befreien kann.

Fazit: Einen Gewinner gibt es bereits: Den Autor. Mit diesem Roman ist ihm ein Meisterwerk der Spannung gelungen. Und wenn der Leser bis zum Schluss nicht erraten kann, wer hinter diesem mörderischen Spiel steckt, dann handelt es sich um einen wahren Thriller, Gänsehaut inclusive. Ein Buch, welches man von der ersten bis zur letzten Seite nicht aus der Hand legen möchte.

Bewertung vom 12.05.2021
Die Walfängerin von Borkum
Schirdewan, Claudia

Die Walfängerin von Borkum


gut

Zwei Brüder - aufgewachsen auf der auf der ärmlichen Insel Borkum - haben seit frühester Kindheit einen gemeinsamen Traum: Im stürmischen Eismeer auf gefährliche, aber ebenso lukrative Waljagd zu gehen. Da gibt es Joris: gutaussehend, groß, strahlend, sympathisch und auf seiner Heimatinsel Borkum gefeiert wie ein Popstar, weil er im 17. Jahrhundert zum Commandeur eines Walfängers befördert wird. Ruhm und Reichtum scheinen für ihn in greifbarer Nähe. Sein Bruder Nils dagegen immer etwas schmächtiger, leichtsinnig und unbeherrscht, hat durch ein tragisches Unglück eine Hand und seine Zukunftsperspektiven verloren. Neid und Missgunst nagen seitdem an seiner Seele. Der klassische Kain und Abel Konflikt! Zwischen diesen beiden Brüdern steht eine Frau: Fenja, die eigentliche Hauptperson des Buches, denn Claudia Schirdewan legt in diesem Buch den Fokus auf eine Liebesgeschichte eingebettet in einem Bruderzwist. Als Joris in See sticht und Fenja in der Obhut seines Bruders Nils zurücklässt, ist sie 16 Jahre alt, mit Joris verlobt und trägt schon die Verantwortung für ihre jüngere Schwester und den trunksüchtigen Vater. Kann sie dieser Verantwortung gerecht werden und ist Nils wirklich der verlässliche Bruder, wie Joris es sich erhofft?

Eine drohende Gefahr symbolisiert sehr gut das Cover des Buches: Eine junge Frau steht etwas verloren am Strand und blickt aufs Meer. Am Horizont ziehen dunkle Wolken auf. Die Szene wirkt beim genaueren Hinsehen etwas bedrohlich für Fenja. Und das ist es auch, unsere Hauptperson muss sich in der langen Abwesenheit von Joris vieler Gefahren erwehren. Allerdings so sehr ich mit ihr leide, ob der Sorge um ihre große Liebe und der großen Verantwortung für ihre kleine Schwester, die sie fast erdrückt, möchte ich sie manches Mal schütteln und sie anbrüllen, dass sie endlich anfangen solle selber zu denken! Einerseits ist sie liebenswert und fürsorglich, andererseits zu ängstlich, naiv und reagiert gerade in Stresssituationen nicht immer richtig. Erst ganz zum Schluss des Buches bekommt sie etwas mehr „Biss“. Das reicht mir dann aber nicht mehr aus, um sich mit ihr zu identifizieren. Mit den Nebencharakteren der selbstbewussten Neele, dem Bader Owe und dem jungen Georg kann Claudia Schirdewan mich dann wieder ins Boot holen.

Claudia Schirdewan schreibt seit frühester Kindheit Geschichten und gerne historische Romane, die an der Nordseeküste spielen. Mit „Die Geliebte des Nachtwächters“ hat sie den Leser bereits auf eine Reise mit in das Genre der historischen Romanze genommen. Und auch „Die Walfängerin von Borkum“ würde ich diesem Genre zuordnen.

Der Roman ist handwerklich gut aufbereitet. Sehr ausdrucksstark beschreibt Claudia Schirdewan hier die wunderschöne Natur der Insel Borkum, so dass ich mich gerne von den Bildern dieser besonderen Landschaft beeindrucken lasse. Gleichzeitig schildert sie eindrucksvoll das karge Leben und die Not, die im 17. Jahrhundert unter den Küstenbewohnern herrschte. So denke ich mit Schauern daran, dass die Eltern des jungen Georg für ihren 12-jährigen Sohn einen Kontrakt für die Arbeit auf einen Walfänger abschließen mussten, weil die Familie ohne seine Heuer nicht über den Winter gekommen wäre. Insgesamt bin ich bezüglich des Buches zwiegespalten: Teilweise schreibt die Autorin so rasant, spannend und fesselnd, dass ich den Roman nicht aus der Hand legen mochte, andererseits entwickelt sie gerade zum Schluss einige Handlungsstränge nicht bis zum Ende, so dass die Geschichte teilweise etwas unglaubwürdig wirkt. Speziell der Teil des Buches, der sich mit dem Walfang beschäftigt, fesselt den Leser besonders. Etwas mehr davon, hätte dem Roman sehr gut getan und auch dem Titel hätten zwei Buchstaben weniger deutlich besser gestanden.

Fazit:
„Die Walfängerin von Borkum“ ist eine schöne Urlaubslektüre für einen Leser, der gemütlich im Strandkorb sitzend, die Atmosphäre und Geschichte dieser ganz besonderen Region in sich aufnehmen möchte und dabei spannend und fesselnd

Bewertung vom 06.04.2021
Die Stadt der Tränen / Minou Joubert Bd.2
Mosse, Kate

Die Stadt der Tränen / Minou Joubert Bd.2


ausgezeichnet

Glaube, Hoffnung, Liebe verpackt in einem fesselnden historischen Roman

Bist du bereit für den wahren christlichen Glauben zu sterben? Heutzutage unvorstellbar! Nicht so im ausgehenden 16. Jahrhundert als sich protestantische und katholische Nachbarn in den Hugenottenkriegen erbittert gegenüberstehen. Hunderttausende starben oder wurden vertrieben. Auf dem Cover des Buches deutet eine kleine Friedenstaube - angehangen an einem Hugenottenkreuz - auf einen Versöhnungsversuch hin: Die Vermählung des Hugenottenkönigs Heinrich von Navarra mit der Katholikin Margarethe von Valois. Mit den Kämpfen in der Bartholomäusnacht sollte sie später als Bluthochzeit in die Geschichte eingehen. Vor diesem historischen Hintergrund spielt dieser fesselnde historische Roman. Alles beginnt mit der Einladung der mittlerweile adeligen Familie von Minou und Piet Rheydon zur königlichen Hochzeit nach Paris. Doch auch ihr ärgster Widersacher Vidal – nunmehr Kardinal – wird ebenfalls an der Hochzeit teilnehmen. Und hier beginnt die eigentliche Geschichte von Liebe, Verrat, Kriegen und den Wirrungen unterschiedlicher Religionen, die sich bis in die Familie um Minou und Piet verflechten. Durch die Kämpfe wird Minous Familie brutal auseinandergerissen. Gibt es ein Happyend, oder behält Minous Erzfeind Vidal die Oberhand? Glaube, Hoffnung, Liebe verpackt in einem fesselnden historischen Roman lassen den Leser nicht zu Atem kommen.

„Die Stadt der Tränen“ ist der zweite Teil einer Serie - geprägt durch die Religionskriege, die aus dem Frankreich des 16. Jahrhunderts bis ins Südafrika des 19. Jahrhunderts reicht. Ich habe den ersten Teil nicht gelesen, was mein Leseerlebnis aber nicht schmälerte. Ein kurzer geschichtlicher Exkurs und ein Personenregister zu Beginn sorgen für den nötigen Überblick über die Protagonisten. Wichtige Informationen werden gut vermittelt u.a. durch gelegentliche Verweise auf vorherige Erlebnisse, so dass sich auch Neueinsteiger gut in die Geschichte hineinfinden können. Kate Mosse schreibt lebendig, spannend und ausdrucksstark, so dass der Leser ihr gerne folgt. In „Die Stadt der Tränen“ verbindet Kate Mosse geschickt diverse Lebensläufe mit den breit gefächerten Handlungssträngen. Anfangs braucht es ein wenig um Fahrt aufzunehmen, zieht dann aber den Leser vor allem dank Kate Mosses gekonnten Schreibstil immer mehr in den Bann und entwickelt sich zu einem spannenden historischen Roman, den man gar nicht mehr aus der Hand legen möchte. Die historischen Details sind gut eingearbeitet und bilden eine perfekte Mischung aus realer Historie und spannender Fiktion, wobei die Grenzen zwischen Wahrheit und erfundener Geschichte fließend sind. Allerdings legt Kate Mosse den Fokus etwas weniger auf den geschichtlichen Hintergrund, als darauf den Leser emotional mit diesem Roman gefangen zu nehmen.

Und so empfindet der Leser die Hauptfigur Minou wie eine liebe Freundin. Mit ihr möchte man lachen, lieben oder sie einfach nur in den Arm nehmen und mit ihr weinen, wenn ihr Schmerz so groß ist, dass sie für ihren Zufluchtsort keine andere Bezeichnung als „Die Stadt der Tränen findet“. Sehr gut gefällt mir, dass Kate Mosse die Nebencharaktere nicht eng in das Korsett „Gut oder Böse“ presst, sondern die Figuren auch mit ein paar Zügen des andern Genres ausstattet. Dadurch nimmt die Geschichte manchmal ungeahnte Wendungen, die der Spannung sehr gut tun.

Fazit:
„Die Stadt der Tränen“ ist ein abwechslungsreicher, gut ausgefeilter historischer Roman und bietet einige Überraschungen. Kate Mosse gelingt es überzeugend, den Leser zu fesseln und auf eine emotionale Reise mitzunehmen. Einen einzigen Cliffhanger gibt es auch: die Geschichte ist noch nicht zu Ende,

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 03.03.2021
Die vier Gezeiten
Prettin, Anne

Die vier Gezeiten


ausgezeichnet

Und dann kam Helen…

Die Kießlings hatten sich auf der Insel Juist gut etabliert, alles hatte seine Ordnung und seine Richtigkeit. „Und dann kam Helen“, die mitten in die Generalprobe für die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an den Patriarchen Dr. Eduard Kießling platzte. Helen, die Eduards Frau Adda wie aus dem Gesicht geschnitten ist und auch noch behauptet irgendwie mit den Kießlings verwandt zu sein.

Was so harmlos beginnt, nimmt rasch große Geschwindigkeit auf. Das Rätsel um Helen lässt den Leser durchs Schlüsselloch hinter die Familiengeheimnisse der Kießlings blicken, deren Schicksal in vier Generationen mit ihrem Hotel „de Tiden“ und der Insel Juist verbunden ist. Und plötzlich ist alles nicht mehr so, wie es scheint. Nicht nur Adda, sondern auch ihre Töchter, die jede für sich als Mutter von Helen in Frage kämen, haben alle ihre eigenen Probleme: Die eine Tochter, die alle anderen für ihr Unglück verantwortlich macht, während sich die Andere für die Familie aufopfert und sich dabei beinahe selber vergisst. Dann gibt es noch die ebenso schöne wie rätselhafte Jüngste, die über alles erhaben scheint. Und welches Geheimnis verbirgt sich, um die älteste Tochter Addas? Ist sie diejenige, die auf dem kraftvoll gezeichneten Cover des Buches den Weg ins Meer nimmt? Und wenn ja, warum kommt für sie nur noch der Selbstmord als Ausweg in Frage?

Geschickt spannt die Autorin den Bogen und führt uns in die Vergangenheit: Plötzlich sehen wir die Hitlerfahnen wehen und Addas Mutter Johanne sich zusammen mit ihrem Geliebten in größter Gefahr vor den Nazischergen verbergen.

Alle Geheimnisse in diesem Buch spinnen sich irgendwie um das Hotel „te Tiden“ und um die große Liebe. Nur wer die Geheimnisse löst, weiß: Wer ist Helen…

„Die vier Gezeiten“ ist der erste Roman von der Hamburgerin Anne Prettin, die hauptberuflich Reden für Politik, Wirtschaft und Wissenschaft schreibt. Mit Helen beschreibt sie eine sympathische junge Frau, deren Adoption sie nach Neuseeland verschlagen hat und die nur mit der Hilfe Addas das Geheimnis um ihre Herkunft und ihrer eigenen Zerrissenheit lösen kann.

Adda ist der Dreh- und Angelpunkt der Geschichte. Mal genießt der Leser mit ihr die Unbeschwertheit ihrer ersten großen Liebe, mal hadert er mit ihr ob ihres Schicksals, um das nächste Mal verständnislos den Kopf ob ihrer Entscheidungen zu schütteln. Und doch ist Addas Lebensweg vorherbestimmt, durch die Ereignisse um und das Schicksal ihrer eigenen Mutter Johanne.

Mit Leichtigkeit bindet Anne Prettin die deutsche Geschichte von den Anfängen des Nationalsozialismus mit der Judenverfolgung, über die Bombennacht von Dresden, die deutsch/deutsche Geschichte und die Wirtschaftswunderzeit nach dem Krieg bis in die jetzige Gegenwart in ihrem Roman ein. Viele Wendungen in dem Roman lassen sich erst dadurch wunderbar erklären.

Anne Prettin schreibt so lebendig, dass der Leser sich hautnah auf die Insel Juist versetzt fühlt, die salzige Seeluft auf der Haut spürt und selbst das Kreischen der Möwen in weiter Ferne hört. Und an dieser Stelle muss ich Anne Prettin einmal ein großes Kompliment machen, die Geschichte ist so spannend geschrieben und das Ende nicht vorhersehbar, dass ich das Buch nicht aus der Hand legen mochte, bis endlich - erst auf den letzten Seiten - das Geheimnis um Helen gelöst wurde. Die Charaktere wurden von ihr ein wenig überzeichnet, vielleicht sogar willentlich um die Geschichte etwas besser herauszuarbeiten? Sehr gut haben mir die verschiedenen Handlungsstränge in den unterschiedlichen Zeitepochen gefallen und das Stilmittel einen Teil des Romans nur in Tagebuchform zu erzählen. Allerdings hätte ich mir bei der Vielzahl der Protagonisten ein Personenregister gewünscht.

Fazit: Wer eine spannende Familien-/ Liebesgeschichte lesen möchte und gleichzeitig einiges über die jüngste deutsche Geschichte erfahren möchte, ist bei Anne Prettin und „Die vier Gezeiten“ goldrichtig!

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.