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Lesefreak
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Oberland

Bewertungen

Insgesamt 60 Bewertungen
Bewertung vom 23.08.2021
Heimatsterben
Höflich, Sarah

Heimatsterben


ausgezeichnet

Sarah Höflich hat mit ihrem Roman Heimatsterben ein äußerst gelungenes Debüt hingelegt. Die Handlung spielt in der näheren Zukunft, in einem zutiefst gespaltenen Deutschland. Ausgehend von einer weit verzweigten Familiengeschichte, in der man sich erstaunlich gut zurechtfindet und die immer wieder historische Entwicklungen zeigt und verdeutlicht, wie die Personen heute zu denen geworden sind, die sie heute sind. Die Parallelen zum Aufstieg der NSDAP und den damit verbundenen Wirren in der untergehenden Weimarer Republik werden eindrucksvoll dargestellt. Anders als historisch belegt, sind hier jedoch nicht die gemäßigten politischen Kräfte dem Trugschluss erlegen, die radikalen Elemente der neue starken Partei im Zaum halten zu können, sondern der Vorsitzende und nun neue Kanzler selbst, der versuchte, die immer stärker und radikaler auftretenden Hardliner der Partei in den Griff zu bekommen. Mit diesem Ziel verbunden, kandidierte auch Hanna für den Bundestag, sah aber nach kurzer Zeit ein, dass sie nichts ausrichten konnte und musste zusehen, wie der charismatische Felix immer tiefer in den politischen Sumpf hineingezogen wurde und davon nicht mehr los kam. Am Ende gipfelt der Roman in der Katastrophe und das Ende bleibt offen.
Das an manchen Stellen Dinge auch kritisiert werden könnten, ist klar, der Lesegenuss wird jedoch dadurch keinesfalls geschmälert.
Wie kommt es dazu, dass die politische Einstellung Hannahs sich innerhalb weniger Seiten um 180 Grad dreht, sodass sie sogar für die neue Partei kandidiert?
Wie kommt eine politisch total unerfahrene junge Frau plötzlich in den engeren Regierungszirkel?

Das schlichte Cover, das einen faulen Apfel abbildet, ist zuerst etwas seltsam und wenig eindrucksvoll, im Laufe der Geschichte wird aber deutlich, welche Großartiger Bezug zum Inhalt damit geschaffen wird.
Sprachlich eine absolut fesselnde Geschichte, die man gar nicht aus der Hand legen möchte, da zum einen eindrucksvolle Bilder, zum anderen aber auch sprachlich schöne und anspruchsvolle Konstruktionen geboten werden.
Alles in allem eine absolute Leseempfehlung!

Bewertung vom 23.08.2021
Systemfehler
Harlander, Wolf

Systemfehler


ausgezeichnet

Systemfehler war mein erster Roman von Wolf Harlander und hat mich absolut gefesselt. Wie es für moderne Thriller fast schon üblich ist, erzählt Harlander aus vielen verschiedenen Perspektiven und an vielen verschiedenen Orten, sodass ich am Anfang Angst hatte, dass es etwas zu unübersichtlich wird, diese Sorge war jedoch unbegründet, da sich die Handlungsstränge gut ineinander fügten. Zwischendurch wurden immer wieder fiktive Zeitungsberichte, interne Geheimdienstdokumente und Absprachen zwischen den europäischen Behörden abgedruckt, die einen Einblick in Strukturen und Verhaltensmuster, die Berichterstattung und die Hilflosigkeit auf allen Seiten gab.
Dass an manchen Stellen auch Kritik geäußert werden könnte, ist klar. Warum sollte ein Computerexperte wie Daniel Farben in einem schlecht bezahlten Marketing-Job arbeiten, wenn er so gute IT-Kenntnisse hat, wie sie im Laufe des Buches zutage treten? Auch die Behörden wirken teils sehr wenig daran interessiert, eine schnelle Aufklärung herbeizuführen, da die Politik nur wenig Druck ausübte. Dies sind aber eher Details, die der Unterhaltung keinen Abbruch tun.
Sprachlich ist die Geschichte rund und flüssig zu lesen, der Spannungsaufbau ist gut gelungen. Alles in allem ein wirklich gelungener Thriller, der die Gefahr von Cyberattacken auf die öffentliche Infrastruktur und die damit verbundene Hilflosigkeit in vielen Bereichen beleuchtet. Für mich auch ein gewisser Weckruf, dass man sich nicht blind auf IT-Systeme verlassen darf und immer einen "Plan B" haben sollte. Die geschilderte Problematik wird von Jahr zu Jahr gefährlicher, da die jüngeren Generationen nicht mehr wissen, wie es ohne Technik und PC gehen könnte, da sie das nicht erlebt haben.
Von mir eine klare Leseempfehlung!

Bewertung vom 11.08.2021
Was fehlt dir
Nunez, Sigrid

Was fehlt dir


sehr gut

Der insgesamt recht kurze Roman „Was fehlt dir“ hat sowohl Stärken als auch Schwächen.
Besonders hervorzuheben ist die einfühlsame und sehr philosophische Herangehensweise an die Auseinandersetzung mit dem Tod. Viele kluge und lohnenswerte Gedanken werden hier durch die Autorin beschrieben und bewegen den Leser dazu, über das Geschriebene nachzudenken. Dabei bleiben die Personen jedoch sehr abstrakt, das Geschehen wird distanziert geschildert. (Meine Freundin, die Nachbarn usw.)
Negativ war für mich besonders die etwas ereignisarme Geschichte. Diese geht kaum vorwärts und es entstanden dadurch einige Längen. Hier wäre etwas mehr Story wünschenswert gewesen.

Sprachlich zeigt der Roman auch zwei Gesichter. Auf der einen Seite schöne und wirklich gelungene Passagen, auf der anderen Seite aber auch verwirrende und weniger gut gelungene, teils abgehackte Abschnitte, die vor allem zu Beginn enthalten sind, als sich die Autorin immer wieder, scheinbar aufgrund von spontanen Einfällen veranlasst, gesellschaftlichen Themen zuwendet, dadurch aber der Erzählfluss etwas leidet.

Insgesamt durchaus ein Buch, das lesenswert ist, wenn man sich der oben genannten Aspekte bewusst ist. Es werden unstrukturiert und unsortiert die Eindrücke des nahenden Lebensendes mit den damit einhergehenden Herausforderungen geschildert, die den Leser animieren sich dazu Gedanken zu machen, jedoch auch ein bedrückendes Gefühl hinterlassen.

Das Buch ist also gut gelungen und lesenswert, jedoch an einigen Stellen zu episodenhaft und mit zu wenig Handlung für meinen Geschmack.

Bewertung vom 18.07.2021
Die Morgenröte - Sie nehmen dir dein Leben
Richter, Noah

Die Morgenröte - Sie nehmen dir dein Leben


sehr gut

Mit seinem neuen Buch „Die Morgenröte“ hat Noah Richter einen brandaktuellen und Hochspannungen Polit-Thriller vorgelegt, dessen Inhalt auf der einen Seite absolutes Erstaunen, auf der anderen Seite auch blanke Angst bei mir ausgelöst hat. Ausgehend von einem Youtuber namens Georg Herzfeld entspinnt sich die Geschichte des Aufstiegs der Mörgenröte von einer anfangs kleinen Vereinigung hin zu einer Massenbewegung. Für mich besonders faszinierend sind die Beschreibungen des Vorgehens. Manipulation, Intrigen, Überwachung, Einschüchterung und Zwang werden eingesetzt, um Schritt für Schritt die Gesellschaft zu unterwandern und die Ideologie zu propagieren. Nach jeder Seite fragt man sich, ob das wirklich so passieren könnte, und mag es sich gar nicht ausmalen, in welchem Land wir leben würden, wenn die öffentliche Meinung ausschließlich über Social-Media-Kampagnen gesteuert wird, die ohne große Mühe die Gesellschaft verändern und spaltet.
Dem Autor gelingt es von der ersten bis zur letzten Seite Spannung aufzubauen, wobei mich das Ende enttäuscht hat, da man nicht recht weiß, was man davon halten soll. Hier hätte ich mir definitiv ein klareres Ende gewünscht, um dem Buch auch einen würdigen Abschluss zu geben, so hängt die Story am Ende leider etwas in der Luft. Dafür gibts einen Stern Abzug.

Für Fans von modernen und spannenden Polit-Thrillern ist „Die Mörgenröte“ aber auf jeden Fall einen Kauf wert.

Bewertung vom 22.06.2021
Der Nachlass
Winner, Jonas

Der Nachlass


gut

In seinem neuesten Thriller entwirft Autor Jonas Winner eine ungewöhnliche Situation. Hedda Laurent stirbt und lässt ihre Familienmitglieder um das potentielle Erbe einen Wettkampf austragen. So ungewöhnlich, so gut. Zu Beginn sind die Aufgaben, die zu erfüllen sind, noch harmlos und schnell zu erledigen, mit zunehmender Spieldauer werden die Aufgaben jedoch immer grausamer. Nach und nach fallen die anwesenden Menschen dem grausamen Spiel zum Opfer, bevor am Ende eine unerwartete Auflösung folgt, die es in sich hat, leider jedoch etwas arg konstruiert anmutet.

Die Konzeption des Buches wirkt in sich schlüssig, auch wenn einige Zeitsprünge, Rückblicke und Vorausdeutungen es nicht immer einfach machen der Handlung zu folgen. Auf 348 Seiten breitet der Autor die Geschichte aus, wobei das erste Drittel nur recht langsam in Fahrt kommt und für meinen Geschmack zu ausführlich auf die Vorgeschichte eingeht, bevor die Handlung an Fahrt aufnimmt. Die dann folgenden Beschreibungen sind nichts für schwache Gemüter, schaffen aber eine gelungene Thrilleratmosphäre, in der man sich immer fragt, was als Nächstes passieren wird oder wer für alles verantwortlich ist. Schade ist jedoch, dass es dem Autor nicht gelingt, den Protagonisten Leben einzuhauchen. Die Charaktere bleiben fast durchgehend recht oberflächlich und man fiebert mit keiner Person besonders mit. An dieser Stelle hätte ich mir persönlich mehr Details gewünscht.
Zusätzlich wirkten die Aufgaben so, als ob sie nur als Beiwerk im Buch erwähnt werden, da sie teils nebensächlich sind, teils sehr schnell abgehandelt werden. Die Personen reißen sich ohne großes Zögern einen Zahn heraus oder erbrechen sich eimerweise. Wirklich?

Insgesamt ein solider und spannender Thriller, der im ersten Drittel ein paar Längen hat und leider etwas Potential verschenkt. Etwas weniger Brutalität und etwas mehr „Seele“ täten der Geschichte gut, nichtsdestotrotz ein durchaus lesenswertes Buch.

Bewertung vom 27.05.2021
Die Akte Adenauer / Philipp Gerber Bd.1
Langroth, Ralf

Die Akte Adenauer / Philipp Gerber Bd.1


ausgezeichnet

Ralf Langroth hat sich mit einer eher weniger bekannten und in der Literatur nur selten behandelten Zeit in der deutschen Geschichte befasst und den vorliegenden Thriller in den Anfangsjahren der Bundesrepublik verortet. Aufbauend auf einer fundierten Recherche arbeitet er dabei historische Figuren in seine fiktive Romanhandlung ein und lässt den Leser so in das Westdeutschland des Jahres 1953 eintauchen. Thematisch wird dabei vor allem die Rolle der Besatzungsmächte, der Konflikt zwischen Kommunisten und den ehemaligen Nationalsozialisten und die Gesellschaftsstruktur der 50er Jahre in den Blick genommen. Eindrucksvoll gelingt es dem Autor, eine hochspannende Kriminalgeschichte zu gestalten, in der gleichzeitig so viel historische Aufklärungsarbeit steckt. Vor allem die immer wieder eingeschobenen Gespräche mit Spitzenpolitikern der Zeit zeichnen ein detailliertes und äußerst spannendes Bild der politischen Aufbaubemühungen in Westdeutschland. Besonders aber auch das Problem der nur wenig konsequent ausgeführten Entnazifizierung wird hier sehr deutlich.
Als Leser gelang es mir auf Anhieb, mich in der Geschichte zurechtzufinden und ich wurde von der Geschichte von der ersten bis zur letzten Seite in Bann gezogen. Die Spannung wird durchgehend auf einem hohen Level gehalten und man fragt sich ständig, wer noch beteiligt ist, was als Nächstes aufgedeckt wird und wie die US-Vertreter ins Bild passen.
Möchte man inhaltlich etwas kritisieren, so könnte man höchsten die Liebesbeziehung des Protagonisten zu einer Journalistin eines kommunistischen Blattes als nicht vollständig überzeugend einstufen. Hier fehlt etwas der Feinschliff, wenngleich die Beziehung zu dieser Frau auch einen wesentlichen Sinneswandel beim Protagonisten eingeleitet hat.

Insgesamt ein hochinteressanter Thriller, der auf jeden Fall eine Leseempfehlung verdient hat und deshalb mit fünf Sternen bewertet wird.

Bewertung vom 24.05.2021
Dein ist das Reich
Döbler, Katharina

Dein ist das Reich


gut

Die aus der Sicht der Enkelin geschriebene Geschichte hat sowohl positive als auch negative Aspekte, die sich in Summe für mich aufheben.
Das interessante Thema, das in der Literatur bisher kaum Beachtung fand, bewegte mich dazu, das Buch zu lesen. Ich erhoffte mir, mehr über die Hintergründe zum Kolonialismus zu erfahren. In der Tat wurden viele interessante Fakten genannt, die Geschichte blieb jedoch leider etwas farb- und gefühllos. Ich konnte mich durchweg nie mit den handelnden Personen, Protagonisten wäre der falsche Begriff, da insgesamt über 20 Personen in verschiedenen Zeitebenen, die leider sehr häufig und überraschend gewechselt werden, auftreten, anfreunden. Es fehlte mir der letzte Kick, der mich überzeugt und in die Geschichte hineinsaugt.
Sprachlich ließ sich der Roman leicht lesen und er war insgesamt gut verständlich, auch wenn manche Entscheidung, beispielsweise das Weglassen der Kennzeichnung der wörtlichen Rede, das Lesen gelegentlich nicht erleichtert hat.
Obwohl die Geschichte durchaus interessant und anschaulich geschrieben ist, und die Autorin sehr gut recherchiert hat, hatte das Buch immer wieder mit Länge zu kämpfen. Vor allem gegen Ende zog sich die Lektüre sehr, was auch an der weitgehend spannungsfreien und emotionslosen Erzählweise lag.
Insgesamt also ein solides Buch, in dem man einige interessante Aspekte entdecken und erfahren kann, sofern man dafür bereit ist, auch die eine oder andere Durststrecke beim Lesen zu überwinden. Leider konnte mich das Buch nicht vollständig überzeugen, weshalb es von mir "nur" drei Sterne erhält.

Bewertung vom 13.05.2021
Berlin Heat
Groschupf, Johannes

Berlin Heat


gut

Berlin im Jahr 2021, Corona ist vorbei, alles bewegt sich auf die anstehende Bundestagswahl zu. Aus Sicht des Ich-Erzählers Tom Lohoff wird ein insgesamt spannendes und realistisches Szenario geschildert, das den Leser in die Hauptstadt und ihre Charaktere eintauchen lässt. Das Buch bietet nicht nur ein Potpourri unterschiedlicher Eindrücke von Stadt und Menschen, seien es Sehenswürdigkeiten, Szeneviertel, bekannte Klischees oder alltägliche Probleme wie Wohnungsnot, Obdachlosigkeit, Drogen- und Medikamentenmissbrauch, Spielsucht und Gewalt, sondern auch sehr politische Ansichten, die über weite Teile Kern des Romans sind.
Durch die lockere gut verständliche, teils an den Handlungsort angepasste Schreibweise des Autors, war das Buch flüssig zu lesen und war sehr unterhaltsam, auch wenn mir insgesamt leider einiges zu oberflächlich thematisiert oder unrealistisch abgehandelt wurde.
Sowohl die Liebesgeschichten zu Marla, die am Ende dann plötzlich keine Rolle mehr spielt, als auch das Zusammenkommen mit Romina, der Polizistin, deren Rolle sich mir nicht vollkommen erschlossen hat, sind etwas gewöhnungsbedürftig. Auch hätte ich mir etwas mehr zum Hauptstrang, der Entführung des Politikers und der Auswirkungen auf die Wahlen erhofft.
Vor allem die Polizei und das Vorgehen dieser wurde leider an einigen Stellen ganz schön vereinfacht und unrealistisch dargestellt. Verhöre, die nebenbei und im lockeren Plauschton geführt werden, krumme Deals, bei denen ausgehandelt wird, wie lange man in welcher Sammelstelle sein muss usw.
So funktioniert der Rechtsstaat definitiv nicht.
Außerdem wurden auch sehr viele Stereotype dargestellt, die dem Roman nicht unbedingt gut zu Gesichte stehen. Die Albaner mit ihrem Messer sind immer kriminell und gewalttätig, Roma-Frauen (Romina) sind sexuell immer heiß und müssen ständig verwöhnt werden und sexuelle Erniedrigung bei Männern ist etwas besonders Schlimmes, dass es gleich mehrfach erwähnt werden muss, Frauen gewöhnen sich jedoch daran, wie es im Buch geschildert wird - ernsthaft?

Insgesamt also ein solider Roman, dem an einigen Stellen noch etwas inhaltlicher Feinschliff und schriftstellerische Finesse gutgetan hätte. Für den Preis aber auf jeden Fall gute Unterhaltung. Abschließend also drei Sterne, aber auch nicht mehr.

Bewertung vom 06.05.2021
Drei Kameradinnen
Bazyar, Shida

Drei Kameradinnen


weniger gut

Das Buch, auf das ich mich sehr gefreut habe, lässt mich ratlos, fast schon etwas enttäuscht zurück. Aus Sicht der Ich-Erzählerin Kasih wird die Geschichte erzählt, wobei die drei Hauptcharaktere leider sehr unscharf bleiben. Man erfährt nur häppchenweise einige Details, interessante Aspekte bleiben jedoch außen vor. Die drei Kameradinnen treten überheblich, undifferenziert und unsympathisch auf und stellen drei typische Klischees dar. Hani passt sich der Situation an und ist deshalb die Angepisste, Saya eine Rebellin, die gegen alles und jeden ist, und Kasih, die als unzuverlässige Erzählerin die Aufgabe hat, den Leser möglichst viel und oft zu beschimpfen.
Etwas anstrengend war der sehr sprunghafte und übergangslose Aufbau des Romans, eine etwas stärkere Gliederung hätte dem Verständnis sicher gutgetan.

Inhaltlich konnte mich das Buch leider in keiner Weise überzeugen. Es werden drei Frauen beschrieben, denen Chancen genommen bzw. gar nicht erst gegeben werden, weil sie, so der Eindruck der Ich-Erzählerin, pauschal abgestempelt und in Schubladen geschoben werden. Die Ich-Erzählerin wirft durchgehend mit plumpen und pauschalen Vorurteilen um sich, die Sie bei ihren Mitmenschen kritisiert und deren Sinn sich mir leider nicht erschließen. In jedem Menschen, den Sie trifft, sieht sie einen Rassisten, einen Ausländer-Hasser und jemanden, der Sie und ihre Freundinnen ungerecht behandelt.Die hochqualifizierte Soziologin mit Bestnoten wurde von allen Menschen, die Sie je getroffen hat, ungerecht behandelt und wird auch heute noch aufgrund ihrer Herkunft benachteiligt. Für meinen Geschmack einfach viel zu viel Selbstmitleid und Pauschalaussagen, was mich beim Lesen am Ende einfach nur noch genervt hat. Man hangelte sich praktisch nur noch von Feindbild zu Feindbild und fragt sich beim Lesen bloß, wer als nächstes aufs Korn genommen wird.
Die Autorin Shida Bazyar drück sich sehr intelligent aus und versucht auf überspitzte Art und Weise auf die Thematik aufmerksam zu machen, leider kam bei mir das Lesevergnügen nicht so richtig auf, da dem Thema etwas die Ernsthaftigkeit fehlte.

Für mich insgesamt also ein Sammelsurium von rassistischen, feministischen und ausländerfeindlichen Vorurteilen und Benachteiligungen und weniger ein Buch, in dem dezent und klug diese Thematik eingearbeitet wird. Schade, so leider aus meiner Sicht nicht zu empfehlen.

Bewertung vom 30.03.2021
Der Abstinent
McGuire, Ian

Der Abstinent


weniger gut

Von Beginn an wirkt die gesamte Geschichte wie ein erster Entwurf, der viele Themen anreißt, nichts aber richtig behandelt. So bleiben dem Leser die historischen Gegebenheiten, die rund um die Geschichte passieren, völlig unklar und werden nur am Rande mit eingeflochten. Den Personen fehlt es durchgehend an Tiefe, sodass man sich kaum mit ihnen identifizieren kann. Besonders der Protagonist, ein ehemaliger Trinker, der aufgrund des Verlustes seiner Frau und seines Kindes zum Alkoholiker geworden ist, nun aber abstinent ist, scheint unnahbar. Seine gesamte Entwicklung ist nur schwer nachvollziehbar und wirkt unausgegoren. Daneben vermag es der Autor, der wirklich gut und und sprachlich anspruchsvoll schreibt, nicht, Spannung aufzubauen oder eine angenehme Leseatmosphäre zu schaffen. Der Inhalt dümpelt daher auf 334 Seiten langsam dahin, ohne beim Leser den Drang auszulösen, unbedingt weiterlesen zu wollen. Zahlreiche Figuren, die nur am Rande erwähnt werden, ein nicht näher erläuterter Konflikt, an dem die "Fenians" beteiligt waren, und ein fehlender roter Faden, lassen mich nach der Lektüre des Romans enttäuscht zurück. Das Buch ist für mich den Preis von 23€ definitiv nicht wert, leider.

Insgesamt ein eher mauer Kriminalroman, der im Jahr 2021 definitiv nicht zu den Büchern zählen wird, die man gelesen haben muss. Kein Thema wird nachhaltig aufgegriffen und vertieft behandelt, der Spannungsaufbau ist eher überschaubar und eine Identifikation mit den Figuren ist kaum möglich.
Weil der Autor aber einen wirklich angenehmen Schreibstil hat und zumindest sprachlich überzeugen konnte, vergebe ich (noch) zwei Sterne.
Der Autor kann das definitiv besser, für dieses Buch kann und möchte ich jedoch keine Empfehlung aussprechen.

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